Nach Kant sei Metaphysik als Wissenschaft zwar nicht möglich, dem Mensch aber dränge es danach, über die Welt der bloßen Erscheinung hinauszugelangen:
„Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“
– Immanuel Kant: AA IV, 7[2]
So gelänge man durch die Vernunft zu sich logisch widersprechenden Antworten, den 4 Antinomien. Unter einer Antinomie versteht Kant ein logischer Widerspruch zwischen zwei gleichwertigen, aber sich ausschließenden Thesen.
In seinen Schriften der Transzendentalen Dialektik und der Kritik der reinen Vernunft versucht er diese zu lösen.
Die moderne Physik hat, auch wenn sie diese als solche nicht ausspricht, ihre eigenen Antworten auf diese kantschen Antinomien. Diese möchte ich im Folgenden umreißen.
Ich beschäftige mich rein interessenshalber mit der Physik und der Philosophie.
Für den Wahrheitswert dieser Ausführungen übernehme ich also keinerlei Gewähr.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein gingen Physiker davon aus, dass uns ein dreidimensionaler, objektiver, realistischer (im Sinne vom phil. Realismus) sog. euklidischer Raum umgibt.
Mit der von Einstein aufgestellten Relativitätstheorie revolutionierte sich jedoch unser Raum- und Zeitverständnis. Die Raumzeit würde erst durch ihr Wechselspiel mit bewegten Körpern und wirkenden Kräften als dynamische, gekrümmte Entität auftreten.
„Endlich“ ist ein sehr vager Begriff unserer intrinsischen Vorstellung. Man kann aber sagen, dass die Raumvorstellung in der relativistischen Physik mehrdimensional, nicht objektiv… und grenzenlos (also in sich gekrümmt), aber endlich ist.
Dies stimmt so zwar bis zu einem gewissen Grade. So formuliert, denkt man ein wenig weiter, wird eine solche objektive und allgemeine Formulierung jedoch problematisch.
Weswegen ich es für unmöglich erachte allgemeingültige Aussagen über Endlichkeit und Unendlichkeit von Raum und Zeit in der RT zu treffen, werde ich im Folgenden kurz anhand der Zeit darlegen.
Da man spätestens mit der RT die Idee des Äthers, der als starres Gebilde den Raum füllen sollte, aufgeben musste und auch kein absolut ruhendes Bezugssystem mehr zu definieren vermochte, kann man nicht mehr sagen dass ein Beobachter, der Raum und Zeit anders wahrnimmt als ein sich mit anderer Geschwindigkeit bewegender Beobachter mit seiner Auffassung mehr oder weniger Recht hat. Vielmehr sei die Frage nach absolutem Raum und Zeit grundsätzlich nicht zu beantworten und damit, so die meisten Physiker, sinnlos.
Bewegte Uhren gehen langsamer (diese sogenannte Zeitdilatation wurde bereits empirisch nachgewiesen). Und für Objekte, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen steht die Zeit sogar still. Natürlich pflanzt sich ein Photon (Lichtteilchen) mit Lichtgeschwindigkeit fort, weswegen der Zeitbegriff für dieses nichtig ist. Ein Photon, das aus einer weit entfernten Supernovae oder gar der Hintergrundstrahlung in etwa auf unsere Erde trifft, mag aus unserer Sicht Millionen bzw. Milliarden von Jahren unterwegs gewesen sein, doch für das Photon selbst ist (bzw. wäre, hätte es ein Zeitempfinden), alles gleichzeitig.
(Und genau deshalb ist das Photon sein eigenes Antiteilchen!)
Wenn Zeit aber ein individuelles Produkt bewegter Körper ist, so kann man nicht sagen ob diese an sich endlich oder unendlich sei (vergleichbares gilt für den Raum). Da wir jedoch, um „unendliche Zeit zu erleben“ unendlich lange unendlich viel Energie aufbringen müssten, und dies prinzipiell nicht möglich ist, lässt sich aussagen, dass Zeit für jedes physikalische, biologische Wesen endlich ist.
Abschließend können wir also sagen, dass ein Physiker auf diese Antinomie keine allgemeine Lösung, sehr wohl aber eine differenzierte, geben kann.
Diese Aussagen können in vielerlei Hinsicht verstanden und eine der vielen möglichen Deutungen wieder unterschiedlich durch Erkenntnisse, Postulate, Theorien, Annahmen oder Arbeitshypothesen der Physik beantwortet werden, weswegen es nicht möglich ist hier eine einheitliche Lösung hervorzuheben.
Man könnte auf die Problematik des gebräuchlichen Materiebegriffs nach der Aufstellung der Relativitäts- und Quantentheorie verweisen. Stellte man sich diese sowohl als Physiker, als auch als Anhänger der philosophischen Schule des Materialismus bis zum Ende des 19.Jahrhunderts noch als räumlich ausgedehnte Grundsubstanz alles dinglichen Seins vor, ist dieser Eindruck heutzutage nicht mehr zu halten.
Laut Einsteins Relativitätstheorie sind Materie und Energie äquivalent. Das bedeutet, dass jede Masse m eine entsprechende Energie E zugeordnet werden kann und andersherum. Aus (ein wenig) Materie kann also (viel) Energie werden. Die landläufige Auffassung, Energie sei die Fähigkeit Arbeit zu verrichten ist so nicht ganz richtig. Soweit ich das verstehe kann man jegliche Form von Energie jedoch unter dem Begriff der potentiellen Veränderung subsumieren. Dies bedeutet, dass das Materielle keine fundamentale, unverrückbare Wesenheit allen Seins sein kann (und, dass rein theoretisch ein Universum reinster Potentialität, ohne etwas an der sich diese entladen könnte denkbar wäre. Dies ist mir wiederrum nicht vorstellbar, was wiederrum dafür spricht, dass noch eine andere Grundsubstanz über bleiben müsse.)
Nach den Gleichungen der Quantenmechanik gehören Teilchen solange nicht der realen Raumzeit an, bis sie gemessen werden. Wie das Gedankenexperiment um Schrödingers Katze deutlich macht, hieße dies dass die Materie Resultat unserer Messung (/Vorstellung) und nicht die Vorstellung Resultat einer materiellen Welt sei.
Man könnte aufbauend auf der Quantenverschränkung noch dahingehend argumentieren, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist, da diese wiederrum in Beziehungen zueinander stehen. Ein solch holistisches Weltbild bestünde nicht nur aus einfachen Teilen und lies sich deshalb auch nicht reduktionistisch erklären.
Ein konstruktivistischer Physiker würde wohlmöglich noch anführen, dass das Einfache und Zusammengesetzte nur von uns hineingedachte Bilder sind und man etwas sowohl als Gesamtheit, als auch als Summe einzelner Komponenten betrachten könne.
Schlussendlich sollte aber gerade ein Physiker, der tagtäglich mit der Komplexität unserer Welt und den Grenzen des menschlichen Geistes beim Versuch diese zu fassen konfrontiert wird wissen wann es an der Zeit ist Bescheidenheit zu üben und sich ein zu gestehen, dass man auf viele Fragen noch keine endgültige Antwort gefunden hat (Stringtheorie oder Elementarteilchen?, usw.)
· Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung derselben anzunehmen notwendig.
· Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur.
Die physikalische Sicht bezüglich Freiheit und Fatalismus habe ich bereits hinreichend im Kapitel „Determinismus?“, (aber auch in anderen, wie z.B.: dem über die Heisenbergsche Unschärferelation,) dargelegt. Weswegen ich mich hier minimalistisch halten werde.
Vielleicht ist es ihnen auch schon einmal aufgefallen. Wandeln wir durch unseren Alltag, denken wir in diesem Kausalität zu entdecken. Jede Wirkung scheint von einer zeitlich hervorgegangenen bedingt. Konsequent weitergedacht würde dies aber bedeuten, dass auch mein Handeln nur einem Aktion-Reaktion-Schema unterworfen ist (elektrische Impulse, neurochemische Prozesse im Gehirn, die vorausberechenbar sind) und mein gesamtes Leben seit dem Urknall bereits unweigerlich feststeht. Das widerstrebt aber unserem individuellen Wunsch nach Freiheit und auch unserem individuellem Gefühl zutiefst.
Und doch war genau dies deterministische Weltbild lange Zeit das der Physik und scheint für Ereignisse in der Größenordnung unserer Alltagserfahrung immer noch zu zutreffen. Da man sich das Universum als geschlossenes System denken könne, müsste man mit vollständiger Kenntnis (Naturgesetze, Ort und Impuls von Teilchen usw.) über dieses dessen Zustand zu jedem beliebigen Zustand vorhersagen können.
„Unsere Rettung“ liegt im Ganz kleinen. Im mikroskopischen bis subatomaren Größenbereich ist es prinzipiell unmöglich 2 komplementäre Größen eines Teilchens simultan unendlich konkret zu bestimmen. Eines dieser Größenpaare sind Ort und Impuls. Versucht man den Impuls eines Teilchens genau zu bestimmen, wird dadurch zwangsläufig sein Ort unschärfer. Und will man herausfinden wo sich das Teilchen exakt aufhält, kann man nicht mehr sagen wohin es sich mit welcher Kraft bewegt. Die vollständige Beschreibung auch nur eines einzigen Teilchens bleibt uns grundlegend verwehrt. Wir können also nur noch probalistische Aussagen über den Ausgang quantenphysikalischer Experimente treffen.
Nun stellt sich die Frage, inwiefern der mikroskopische Interdeteriminismus sich auf Ereignisse makroskopischer Größenordnung auswirkt. Denn einerseits scheint es für meinen Alltag irrelevant, ob sich ein Elektron jetzt klar lokalisieren lässt. Andererseits besteht ja die gesamte physikalische Welt aus diesen kleinen Quanten.
Die Chaosforschung lehrt uns, dass reale
Systeme nicht linear-kausal sind, sondern dass kleine Ursachen, viele, größere Auswirkungen zur Folge haben können (das bekannteste Bild hierfür ist wohl der Schmetterlingseffekt.)
Die Chaostheorie an sich setzt zwar dem makroskopischen Determinismus keinen Bruch, doch „erlaubt“ sie der interdeterministischen Quantenmechanik in ihren Auswirkungen exponentiell anzuwachsen und somit irgendwann makroskopische Dimension zu erreichen.
Zwar wäre hiermit die befürchtete, reine Kausalkette die zeitliche Ereignisse miteinander verbindet durchtrennt, doch gibt es neben der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik, die selbige für nicht deterministisch hält, noch viele weitere, teilweise deterministische und mathematisch nicht weniger schlüssigere Interpretationen.
Und selbst falls diese populärste aller Deutungen diejenige richtige sein sollte, haben Wahrscheinlichkeitsverteilungen herzlich wenig mit unserem Verständnis von Freiheit zu tun.
· Zu der Welt gehört etwas, das, entweder als ihr Teil, oder ihre Ursache, ein schlechthin notwendiges Wesen ist.
· Es existiert überall kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch außer der Welt, als ihre Ursache.
Formulieren wir diese kantsche Antinomie um, ist als Teil oder Ursache der Welt ein Wesen (Gott?) notwendig und nicht notwendig.
Wenn seitens der modernen Physik von einem sog. Urknall als Anfang des Universums (Raum, Zeit, Materie) gesprochen wird, steht dieses Postulat nach dieser ohne jegliche Transzendenz dar.
Es drängen sich hier einem unheimlich viele Fragen auf, deren Beantwortung jedoch nicht Anspruch dieses Textes sind. Ein paar von ihnen bin ich im Artikel „Anfang & Kausalität“ nachgegangen.
Die Physik konzentriert sich auf ihre Aufgabe, versucht also die Welt ohne nicht-physikalische Annahmen zu erklären und deshalb gehen viele streitbare Physiker auch nicht von der Notwendigkeit eines höheren Wesens aus.
Anton Mlynczak (Montag, 05 Juli 2021 09:50)
"Und selbst falls diese populärste aller Deutungen diejenige richtige sein sollte, haben Wahrscheinlichkeitsverteilungen herzlich wenig mit unserem Verständnis von Freiheit zu tun."
Wahrscheinlichkeiten (Zufälligkeiten) haben mit Entscheidungen zu tun. Worauf Menschen in ihrer Neugier treffen, hängt auch damit zusammen, was sie aus der Welt mitbekommen. Wäre das streng determiniert, dann müsste alle Menschen dieselbe Entscheidungsgrundlage haben. Der Widerspruch zwischen Notwendigkeit und Zufall ermöglicht also freie Entscheidungen und hat damit herzlich v i e l mit Freiheit zu tun.
portal z seksem (Mittwoch, 30 August 2017 19:36)
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