„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

irreduzible Komplexität

1. Die Argumentation

Irreduzible Komplexität (häufiger: Nichtreduzierbare Komplexität) bezeichnet den Zustand eines zusammengesetzten Systems, bei dem die Funktion des jeweiligen Systems von jeder einzelnen Komponente abhängt. Das Fehlen eines Teiles wird demnach eine Funktionsstörung im System nach sich ziehen, weshalb die Funktion des Systems ein emergentes Phänomen darstellt.

Das Konzept der nichtreduzierbaren Komplexität wird oft von Kreationisten verwendet um für die Notwendigkeit eines Intelligent Design zu argumentieren. Die Argumentationsstruktur ähnelt dabei stets dieser. Der Stoffwechselvorgänge der heutigen, komplexen Lebewesen sind als nichtreduzierbare Systeme aufzufassen. Der Evolutionstheorie nach müssten diese sich aus weniger komplexen Vorläufersystemen heraus entwickelt haben. Dies ist jedoch unmöglich, da solchen Vorläufersystemen notwendigerweise ein Teil fehlt, was sie aufgrund ihrer Irreduzibilität funktionsunfähig macht. Ab einem gewissen Entwicklungsgrad an vermag es eine biochemische Maschine mittels natürlicher Selektion autopoetisch zu wirken, davor aber kann es diese Funktion nicht für sich selbst erfüllen. Das Ganze kann nicht aus und allein wegen seinen Einzelteilen hervorgegangen sein. Folglich muss die Evolutionstheorie falsch oder zumindest unvollständig sein. Und schlussendlich ist somit ein Intelligent Designer („Gott–light“) als ergänzende oder ersetzende Erklärung für die Entstehung der heutigen Lebewesen notwendig.

2. Die Gegenargumente

Zur Veranschaulichung der Notwendigkeit jedes einzelnen Teiles für die Funktion eines nichtreduziblen Systems verwendet Michael Behe, Begründer des i.S. als Argument für ein Intelligent Design das Bild einer 5-Teile-Mausefalle. Diese setzt sich aus Platte, Feder, Schlagbügel, Auslöser und Haltedraht zusammen. Entfernt man eines dieser fünf Bestandteile, funktioniert die Mausefalle nicht mehr. Dieser Grundgedanke findet sich schon in der Uhr-Analogie des Theologen William Parley wieder. Wenn man eine Uhr im Gebüsch findet, würde man doch annehmen, dass diese von einem Uhrmacher gebaut und nicht aus rein natürlichen Vorgängen heraus entstanden ist. Diese Analogie hinkt gewaltig.

Zunächst einmal zu der Behauptung, das bezogene System könne unter den herrschenden Umständen nicht selbst-evolutiv entwickelt haben. Diese reine Behauptung ist bislang nicht bewiesen. Dann zu der These, das bezogene System bestehe aus für sich funktionslosen Einzelteilen. Diese offenbart meiner Ansicht nach ein Nicht-verstehen oder Nicht-verstehen-wollen des Urhebers bezüglich der Evolution. Es ist zuallererst eine Fehlannahme, dass sich Evolution derart final zielgerichtet vollzieht. So kann bei der Reproduktion eine Veränderung entstehen, die so jetzt und auf einer anderen Art und Weise später Kulminations- oder Überlebensvorteile bringen. In dem späteren Kontext hat die einzelne Komponente also vielleicht keinen Selbstzweck, in dem früheren jedoch schon. Solche Entwicklungen sind hinlänglich bekannt. So stellte die Informationstheoretikerin Suzanne Sadedin eine Simulation geometrischer Objekte vor, die bereits nach sechs Generationen so evolviert waren, dass sich irreduzibel komplexe Eigenschaften bildeten. Dann gibt es noch eine lange Reihe weiterer Gegeneinwände, die Evolutionsbiologen aber sicher besser darlegen können.

Was ich aber darlegen kann, ist der logische Fehlschluss derjenigen Evolutionskritiker, die in der nichtreduzierbaren Komplexität eine Widerlegung der Evolutionstheorie sehen wollen. Sie wissen nicht, ob sie es mit einem System irreduzibler Komplexität zu tun haben und kennen nicht alle möglichen Entwicklungspfade. Es ist ihr Instinkt, ihr Bauchgefühl oder aber auch ihr Wunschdass die Evolution einer Hilfe von außen bedarf. Und diesen inneren Stimmen glauben sie, dass dem auch wirklich so ist. Dabei handelt es sich letztlich um ein Argumentum ad ignorantiam. Denn es wird ungültig vom Nicht-Wissen auf das Nicht-Sein geschlossen. Vielleicht bedarf es eines Intelligent-Designers, vielleicht nicht. Das weiß niemand.

 

„Und wie erklärt Evolution ein solches Phänomen? Seit Darwin haben wir dafür eine sehr gute Erklärung: Und die besagt, dass solche komplizierten Maschinen nicht einfach so entstehen. Sondern sie entstehen durch die Kombination von Komponenten, die zuvor eine andere, eigene Funktion erfüllten. Welche sich wiederum auch aus anderen, selbstständigen Komponenten entwickeln konnten. Wir sehen also, dass natürliche Selektion sehr wohl ein solches Phänomen erklären kann. Aber das ist noch kein Beweis, sondern nur eine Hypothese. Aber das Schöne daran ist jetzt, dass wir die zwei Annahmen miteinander vergleichen können.  Und wir können uns fragen: „Wer hat Recht?“ Wenn die Anhänger der nichtreduzierbaren  Kenneth R. MillerKomplexititätstheorie Recht haben, dann sollten die Bauteile dieser Maschine absolut nutzlos sein. Sollten aber die Evolutionisten Recht haben, so müssten wir den einzelnen Komponenten dieser Maschine, auch eigene, nützliche Funktionen zuweisen können. Okay, das wollen wir jetzt mal machen. Wenn wir also das Flagelum betrachten. Und einen Großteil der Proteine entfernen. Nicht 1,2 oder 5. Wir entfernen gleich 40 der 50 Teile. Und schauen sie mal hin, denn genau das werde ich jetzt machen! Der Großteil ist jetzt weg und es sind nur noch 10 Proteine vorhanden. Sollte hier eine nichtreduzierbare Komplexität vorliegen, so wäre das was übrig bleibt absolut nutzlos. Es ist eben nicht nutzlos. Was übrig bleibt ist das  „Typ 3 – Sektretionssystem“. Und das funktioniert super! Ich weiß, die meisten von ihnen werden jetzt sagen „Natürlich, das Typ 3 – Sekretionssystem“. Dabei handelt es sich um eine Spritze auf molekularem Niveau. Von welchem auch eines der gemeinsten Bakterien auf diesem Planeten gebrauch macht. […] Das ist das Hauptargument der Intelligent Design. Und hier entpuppt es sich als falsch. […] Fast alle Proteine des Flagellums- sind homolog zu den Proteinen- die eine andere Funktion, an einer anderen Stelle des Organismus erfüllen. Und das bedeutet, dass wenn wir also die „Ikone des Intelligent Designs“ genauer untersuchen, dann stellen wir fest, dass eine genaue Analyse des Flagellums viel eher ein Beweis für die Evolutionstheorie ist. Welche besagt, dass die Teile jeweils auch eine eigene Funktion erfüllen sollten. Und das ist ein Fakt." 

- Kenneth R. Miller

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Kommentare: 1
  • #1

    Köppnick (Donnerstag, 12 Juni 2014 10:53)

    Selbstverständlich kann es funktionslose Einzelteile geben. Zum Beispiel können sich benötigte Elemente in "stillen" Teilen der DNA gebildet haben. Dort sind Mutationen im Genotyp möglich, die keinerlei Auswirkungen im Phänotyp haben. Das ist übrigens meine Lieblingshypothese, wieso es nach großen Katastrophen in der Erdgeschichte in den darauffolgenden Zeitabschnitten zu einer explosionsartigen Entwicklung neuer Spezies gekommen ist. Die dafür notwendigen Baupläne waren schon vorhanden und mussten nur noch eingeschaltet werden. Derartige stille Abschnitte machen ca. 98-99% der gesamten DNA aus.

    Lebewesen, bei denen solche Veränderungen "zu früh" eingeschaltet worden sind, sind natürlich nicht auffindbar, denn nicht nützliche Mutationen stellten für sie ja einen Nachteil dar. Um meine Hypothese zu stützen: Man könnte gezielt nach DNA-Sequenzen in den "stillen Abschnitten" evolutionär älterer Lebewesen suchen, die in ihren Nachfolgern zu neuen und sinnvollen Anpassungen geführt haben.


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