„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.
Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“
(GG. Art. 5 Abs.1 Satz 3)
Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, unsere Forschung sei frei. Die meisten Hochschulen in Deutschland sind ja staatlich finanziert und daher dürften keine privaten Interessen der ergebnisoffenen Forschung im Wege stehen. Einmal abgesehen davon, dass auch Vater Staat eigene Interessen hat und Konzerne die ihrigen durch ihn zu verwirklichen versuchen, ist das mit dem staatlich finanziert auch nicht die ganze Wahrheit.
Hochschulen kooperieren gerne mit Unternehmen. Das bedeutet, dass sich Hochschulen von Unternehmen für ihre Forschungen bezahlen lassen. Ein positiver Effekt dabei ist, dass die vielen hochverschuldeten Hochschulen durch diese sogenannten Drittmittel ihren Etat aufbessern können. Es entsteht aber auch eine große Abhängigkeit des Geldnehmers gegenüber dem Geldgeber.
So wird die Julius-Maximilians-Universität Würzburg es sich zweimal überlegen einen Vortrag über die Billigproduktion von Discountern in ihrem Aldi-Süd-Hörsaal anzubieten. Die Deutsche Bank agiert an der Humboldt-Universität da schon weniger subtil und hat sich ein Vetorecht bei der Veröffentlichung bestimmter Forschungsergebnisse ausgehandelt. RWE und Eon finanzieren das Energiewirtschafliche Institut an der Uni Köln und der Energieriese BP ließ in Göttingen die Gegner ihrer Bohrprojekte analysieren.
Die von den Universitäten bezogenen Drittmittel sind zwischen 1998 und 2010 um 112% angestiegen, die Grundmittel nur um 23%. Momentan sind wir bei einem guten Drittel Privatfinanzierung, gefährliche Tendenz steigend. Und dabei sind die meisten Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen höchstwahrscheinlich gar nicht bekannt, da es in Deutschland keine Veröffentlichungspflicht für solcherlei Kooperationsverträge gibt.
Ich bin kein Experte auf dem Gebiet. Aufmerksam machen kann ich hiermit aber vielleicht ein wenig.
sapereaudepls (Mittwoch, 01 April 2015 21:26)
"Ökonomischer Anpassungsdruck von oben: Die Anpassungsfähigen sind diejenigen, die in diesem Kampf überleben. Thomas Metzingers einstiger Mentor, der frühere Professor an der FU-Berlin und für seine Romane wie "Nachzug nach Lissabon" bekannte Peter Bieri, hat den philosophischen Bleistift abgegeben, als ihm dieses Spiel zu bunt wurde. Er kritisierte, dass die Universitäten "zur Zeit durch die Perspektive der Unternehmensberatung kaputtgemacht werden. Wir bekommen ständig Fragebögen: Wie viele Gastprofessuren haben Sie wahrgenommen? Wie viele Drittmittel haben Sie eingeworben? Eine Diktatur der Geschäftigkeit. All diese Dinge haben mit der authentischen Motivation eines Wissenschaftlers gar nichts zu tun.
Die an den Universitäten gebliebene alte und neue Professorengarde hingegen überbietet sich eifrig mit langen Publikationslisten und akkumulierten Fördersummen; sie hat sich an der unternehmerischen Universität eingerichtet und liefert das, was Hochschulräte und Wissenschaftsminister unter der Maxime "Sei exzellent!" von ihnen verlangen. Wissenschaft ist eine politische Arena geworden, in der sich Länder, Städte, Institute und schließlich einzelne Menschen permanent in Rankings vergleichen."
http://www.heise.de/tp/druck/mb/artikel/42/42679/1.html
sapereaudepls (Donnerstag, 20 November 2014 21:34)
Die Privatisierung / Entöffentlichung des Hochschulwesens hat noch einen ganz anderen Effekt: In den USA haben sich die Studenten nun Summa Sumarum um 1 Billion Dollar verschuldet.
Schlecht für die Idee eines freien Bildungswesen, gut für eine gehörige intellektuelle Elite.
Köppnick (Sonntag, 17 August 2014 11:24)
In diesem Zusammenhang vielleicht auch noch interessant zu wissen ist der Begriff der Stiftungsprofessur. Hier übernimmt der "Stifter" über einen begrenzten Zeitraum die Finanzierung einer Professur. Meistens wird die Professorenstelle danach in den ordentlichen Haushalt der Unit übernommen. Formal darf der Stifter keinen Einfluss auf das Auswahlverfahren nehmen, also rein rechtlich weder bestimmen, wer die Stelle bekommt, noch mit was genau sich der Professor im seiner Forschung dann konkret beschäftigt. Praktisch ist das natürlich anders.
Man kann das mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen: Auf der einen Seite werden so neue Stellen in die Unis "gedrückt", was der Staat so niemals tun würde, auf der anderen Seite legen die Stifter, meistens Unternehmen, die Richtung von Forschung und Lehre fest.
Eines der Hauptprobleme mit den Drittmittel sind die sehr kurzen zeitlichen Befristungen: Man kann in einem oder zwei Jahren zwar ein Drittmittelprojekt abschließen, aber für eine ordentliche Promotion reicht das nicht. Wenn dann das Anschlussprojekt ein ganz anderes Thema hat, bekommt der Promovent ein gewaltiges Problem.
Das gesamte Hochschulwesen ist krank. Man hat die verbeamteten und quasi gottgleichen Professoren, die befristeten Promovenden und die normalen Angestellten. Die Befristeten sind die am meisten Ausgebeuteten in diesem System.