„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Argument des Unglaubens

Das folgende Argument stammt von Theodore Drange und entspricht in etwa der Überzeugung, die ich im Heilsplan I und Heilsplan II  [1] ausgedrückt und ausführlich begründet habe. 

Dies ist eine verkürzte Version. 

Betrachten wir ein Glaubensbekenntnis folgenden Inhalts:

  1. Der Gott der Theisten existiert.
  2. Der Gott der Theisten liebt die Menschen.
  3. Dieser Gott möchte jeden Menschen retten, und zwar dadurch, dass jeder Mensch ausreichenden Glauben hat, also ein Glaubensbekenntnis wie dieses glaubt.

Das Glaubensbekenntnis selbst besteht aus mindestens dem hier aufgeführtem Teil plus Glaubensaussagen wie "Jesus starb für unsere Sünden", "Jesus ist wieder auferstanden" etc., was immer auch in dem jeweiligen Glaubensbekenntnis notwendig ist, um errettet zu werden. Wer also dieses Glaubensbekenntnis glaubt, der wird errettet werden, wer das Glaubensbekenntnis nicht glaubt, wird nicht errettet werden. Zu dem Glaubensbekenntnis gehören natürlich auch Glaubensinhalte wie "Liebe Deinen Nächsten" oder "Tue Gutes" - was immer eben notwendig ist. Nehmen wir der Einfachheit halber an, das Glaubensbekenntnis sei vollständig. Wichtig ist nur der oben erwähnte Teil, der Rest tut für dieses Argument nichts zur Sache. 

Und nun zu dem Argument - P bezeichnet die Prämissen (Voraussetzungen), S die Schlussfolgerungen:

  • (P1) Wenn Gott existiert, dann will er das Beste für alle Menschen.
  • (P2) Das Beste für jeden Menschen ist es, errettet zu werden.
  • (S1) Daher, wenn Gott existiert, möchte er, dass jeder Mensch das Glaubensbekenntnis glaubt, damit jeder errettet werde.
  • (P3) Wenn Gott möchte, dass jeder Mensch gerettet werden sollte, dann würde jeder Mensch das Glaubensbekenntnis glauben.
  • (P4) Nicht jeder Mensch glaubt an das Glaubensbekenntnis.
  • (S2) Deswegen möchte Gott nicht, dass jeder errettet wird, in dem er das Glaubensbekenntnis glaubt.
  • (S3) Deswegen existiert Gott nicht.

Die Prämisse (P1) wird wohl von den meisten Christen geteilt - wenn Gott gut ist, wird er das Beste für alle Menschen wollen. 

Die Prämisse (P2) wird wohl ebenfalls von den meisten Christen geteilt, wenn nicht sogar von allen. 

(P3) ist ebenfalls unproblematisch. Wenn Gott existiert, dann würde er genügend 
Evidenzen hervorbringen, so dass die Menschen das Glaubensbekenntnis glauben. Was wäre mit dem freien Willen? Der wäre davon nicht wirklich berührt. Denn Sie glauben beispielsweise daran, dass es den Papst gibt. Gibt es irgendetwas, was ihren freien Willen eingeschränkt hat, an den Papst zu glauben? Es gibt genügend Hinweise auf die Existenz des Papstes, und so glauben Sie und ich, dass er wirklich existiert. Sehen Sie eine Einschränkung ihres freien Willens darin, an die Existenz des Papstes zu glauben? Nein. Und Gott könnte ebenfalls genügend Hinweise in dieser Welt hervorgebracht haben, so dass Sie und vor allem ich daran glauben. Es gäbe genügend Ereignisse, durch die Gott das sicherstellen könnte. Die Sterne könnten plötzlich den Schriftzug formen "Gott existiert" oder jedes Buch könnte plötzlich den Inhalt der Bibel enthalten usw. usf. Wie beim Papst gäbe es keinen erkennbaren Grund für Gott, sich hier zurückzuhalten. 

Zu den nicht-erkennbaren Gründen komme ich später. 

(P4) ist unbestreitbar wahr. Es gibt genügend Menschen, die bis zu ihrem Tode einen Glauben an das Glaubensbekenntnis (gleich welchen Inhalts) abgelehnt haben oder es nicht kannten. 

Und damit sind auch die Schlussfolgerungen (S1) und (S2) gerechtfertigt. (S3) ist nur eine von zwei möglichen Schlussfolgerungen. Wenn Gott nämlich böse wäre oder eben desinteressiert an der Errettung von Menschen, dann wäre ein solcher Gott mit den Prämissen vereinbar. Aber ein gütiger Gott nicht. Wenn wir also von einem gütigen Gott ausgehen (siehe den Anfang des Glaubensbekenntnisses), so müssen wir schlussfolgern, dass dieser nicht existiert. 

Kommen wir nun zu einer kritischen Bewertung von (P3). Es ist nämlich so, dass Gott - so argumentieren die Theisten - einen guten Grund dafür hat, dass nicht jeder Mensch das Glaubensbekenntnis glaubt. Allerdings ist dieser Grund gänzlich unbekannt. Wenn es einen unbekannten Grund gäbe, so würde das Argument fehlschlagen. Immerhin hat Gott eine äußerst ineffiziente Methode gewählt, um das Glaubensbekenntnis zu verbreiten - Missionare. Das deutet nicht auf ein allmächtiges Wesen hin (Mittel zu einem Zweck nötig zu haben ist genau das, was Macht von Allmacht unterscheidet). 

Es ist natürlich bequem, sich immer dann, wenn man nicht weiter weiß, auf unbekannte Gründe zurückzuziehen, die die eigene Auffassung retten würden, wenn man sie nur wüsste. In der Wissenschaft würde man ausgelacht, wenn man so argumentierte, auch vor Gericht - sogar meistens im praktischen Leben. 

Selbstverständlich lassen sich immer unbekannte Gründe anführen, mit denen man jedes Argument "aushebeln" kann. Allerdings auch jedes Argument der Theisten. Diese Haltung ist nichts weiter als dreiste Rechthaberei. Wenn also die Theisten darauf beharren, dieses als Gegenargument zu benutzen, dann beweist dies allerdings auch eines sehr klar: Die Theisten haben in entscheidenden Punkten keine Ahnung (sie nennen im Allgemeinen ihre Ahnungslosigkeit "Geheimnis"), was ihr Gott warum und aus welchen Gründen von uns verlangt. Das bedeutet ferner, dass Theisten sich nicht auf den Willen Gottes berufen können und berufen sollten, weil alles unter dem Irrtumsvorbehalt unbekannter Gründe steht. 

Denn der Grund dafür, warum nicht alle an das Glaubensbekenntnis glauben, könnte auch der sein, dass dies eine Art Intelligenztest für die Menschen ist. Wenn genügend Menschen nicht mehr an das Glaubensbekenntnis glauben, dann ist die Menschheit reif genug, die Wahrheit zu erfahren. Da die Theisten zugeben, den Grund nicht zu kennen, kann es ein beliebiger Grund sein - entweder, man hat Argumente, um einen Grund zu nennen, oder man hat keine. Theisten können jetzt also wählen - sie können das Argument ablehnen und damit ihr Unwissen eingestehen. Das bedeutet aber auch, dass sie keine rationalen Gründe für den Glauben haben, ein beliebiges Glaubensbekenntnis würde zur Errettung führen. Oder sie können es anerkennen, aber dann wären sie keine Christen mehr. Die Prämissen und Schlussfolgerungen sind allerdings kompatibel mit dem Deismus und dem Taoismus. 

Hinzu kommt, dass das gesamte Verfahren höchst ungerecht und willkürlich ist. Warum sollte ein beliebiges Glaubensbekenntnis das Kriterium für eine Errettung sein? Wenn man weiterhin annimmt, dass Gott gerecht ist, dann lässt sich diese Behauptung nicht mehr stützen. Man könnte auch argumentieren, dass Glauben entweder irrelevant ist oder der christliche Gott nicht existiert, aber nicht beides zusammen. 

Auch bei der Theodizee spielt dieses Argument eine Rolle - denn wenn man behauptet, dass Gott für einen Ausgleich aller Ungerechtigkeiten im nächsten Leben sorgt, so betrifft dies nur Menschen, die an das Glaubensbekenntnis glauben. Folglich wird nur ein Teil der Ungerechtigkeiten ausgeglichen. Folglich ist Gott ungerecht und nicht gütig. 

Im nächsten Abschnitt untersuche ich noch weitere Gründe, warum Gott sich nicht so eindeutig offenbart, dass die Menschen das Glaubensbekenntnis glauben.

Konfusius, er zitiert: "Wer kennt die Ursprünge der Religion? Sicher nicht der, der an sie glaubt. Verstehen und Glauben sind Gegensätze. Der Mensch, der die Religion versteht, glaubt nicht an sie, und der an sie glaubt, der versteht sie nicht." (Chapman Cohen)


Anmerkungen:

 

 

1.     Im Heilsplan II ist es besonders der Fall E, der darauf hindeutet, dass Glauben als zusätzliches Kriterium für Erlösung in höchstem Maße ungerecht ist. Ein gerechter Gott könnte kaum verlangen, dass jemand an ihn oder ein x-beliebiges Glaubensbekenntnis glaubt. Es sind aber die religiösen Institutionen, die das verlangen und die im Gegensatz zu Gott nicht darauf verzichten könnten. Das hier präsentierte Argument macht die Existenz einer Erlösung, die auf der Annahme eines Glaubensbekenntnisses basiert zu einem vollkommenen Widerspruch.

Gastbeitrag von: Volker Dittmar

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