Dass sich Gott nicht in eindeutiger Weise offenbart, ist für mich immer noch eines der stärksten Argumente gegen Gott. Warum? Weil es hier völlig
ausreicht, menschliches Denken zu analysieren. Wir brauchen uns nicht mit der Standard-Antwort "Gottes Wege sind unerforschlich" herumzuplagen. Denn wenn Gott existiert,
dann weiß er, wie wir denken, und er müsste genau das berücksichtigen, und seine Gründe müssten für Menschen durchschaubar sein - oder sie sind sinnlos. "Nicht verstehbar" ist
von Menschen nämlich nicht von "ist völlig sinnlos" oder "ist völlig beliebig zu interpretieren" zu unterscheiden.
Die einzige Form, wie wir von Gott erfahren könnten, wäre eine Offenbarung. Es gibt nämlich kein logisches Argument, mit dem man Gott beweisen könnte.
Wir können mit unserem Denken Gott nicht erreichen, also kann es nur auf dem anderen Weg gehen, denn Gott könnte uns erreichen. Sofern er will und eine geeignete
Kommunikationsform wählt, eine, die auf unsere Verstehensmöglichkeiten zugeschnitten ist.
Nun kann keine Rede davon sein, dass es eine Offenbarung gäbe, die so eindeutig ist, dass ein Skeptiker (selbst wenn er Gott für möglich oder sogar für plausibel
hält) zu einem Gottesgläubigen wird. Was also völlig fehlt, ist eineobjektive Offenbarung. Für ein Wesen wie Gott wäre so eine Offenbarung (z. B. eine Stimme vom Himmel, die alle Menschen
verstehen) absolut möglich, warum tut er das nicht? Dies würde nämlich schlagartig alle religiösen Streitereien beseitigen, vor allem das sinnlose Abschlachten von anders Denkenden im Namen der
Religion. Für einen Gott der Liebe wäre das sogar eine gewisse Verpflichtung, denn viele Morde sind in seinem Namen begangen worden.
Die Gläubigen sagen nun, dass Gott den Weg über die persönliche subjektive Erfahrung nimmt, um mit den Menschen zu kommunizieren. Er tut dies nur
- so wird behauptet - wenn der Mensch bereit ist, sich darauf einzulassen. Nun ist dieses Argument nicht stichhaltig, denn zum einen gibt es genügend Gläubige, die nie in ihrem Leben eine
Gotteserfahrung haben, obwohl sie inbrünstig glauben, zum anderen gibt es Menschen wie mich, die auch eine persönliche Erfahrung nicht überzeugt. Zum anderen wird in jeder Kultur
diese Erfahrung anders verarbeitet und führt zu einem anderen Gottesbild und zu einer anderen Religion (und zu viel Streit über die "wahre Religion" selbst bei verschiedenen Anhänger ein und
derselben Religion).
Wir können also festhalten, dass Gott (wenn wir den Gläubigen vertrauen), von allen Kommunikationsformen diejenige wählt, die
Was hätte Gott durch die Wahl dieser Kommunikationsmethode gewonnen? Nichts, außer, dass durch (b) und (c) sofort ein Streit unter Menschen über Gott ausbrechen muss, fast
unausweichlich. Denn der Glauben ist ein schwaches Argument, wie ich schon häufiger dargelegt habe, weil es einer sehr starken Willkür und Beliebigkeit unterliegt. Gott könnte auch die subjektive
Kommunikation wählen, und wenn er uns wirklich etwas zu sagen hätte, dann könnte er die Kommunikation durch ein "Echtheitssiegel" bestätigen, z. B. durch die Vorhersage eines
kosmischen Ereignisses, welches nur Gott kennen kann, aber kein Mensch. Ohne ein Echtheitssiegel von Eindeutigkeit kann man nichts über die Authentizität der Kommunikation sagen (und man komme
mir nicht mit den Prophezeiungen der Bibel - die
habe ich bereits widerlegt).
Für keine der genannten "Kommunikationsstörungen" (a) bis (g) gibt es einen erkennbaren Grund, vor allem keine Argumente, die dies in Kombination plausibel
machen. Auch der freie Wille ist kein Argument - denn offenkundig ist Gott ja doch bereit, sich einigen wenigen Menschen zu offenbaren, und offensichtlich wird deren Wille
dadurch in der Tat beeinträchtigt. Und überhaupt, es waren gerade die christlichen Religionen, die einen freien Willen, d. h. eine Glaubensfreiheit, stets am stärksten negiert
haben: Sei es durch die Schwertmission (die Sachsen hatten nur die Wahl, sich taufen zu lassen oder sich den Kopf abschlagen zu lassen), durch die Zwangstaufe von Kindern, durch die
Verpflichtung, dasselbe zu glauben wie der Fürst. Noch heute in unserem Sprachgebrauch wird dies widergespiegelt. Wenn jemand eines gewaltsamen Todes stirbt, dann sagen wir
"Er musste dran glauben" - eine Anspielung darauf, dass früher Leute, die sich nicht zum christlichen Glauben bekannten, sterben mussten. "Du musst dran glauben - oder Du wirst dran
glauben" ist auch heute noch eine eindeutige Drohung. Auch Jesus selbst "unterstreicht" seine Argumente mit der Androhung ewiger Höllenqualen - seit wann haben Drohungen etwas mit freiem Willen
zu tun? Das die Menschen früher, die von ihrem freien Willen Gebrauch gemacht haben, bedroht oder ermordet wurden, und die Vertreter der christlichen Religion heute die die Willensfreiheit in
Glaubensfragen betonen, ist ein Hohn.
Wenn es Gott darauf ankommt, uns unseren freien Willen zu lassen, damit wir aus freien Stücken glauben oder nicht glauben, und deswegen eine so höchst mehrdeutige
"Kommunikation" wählt (die man nur unter Überdehnung des Kommunikationsbegriffs überhaupt so bezeichnen kann), dann beweisen genau die Religionen, die sich nicht strikt zur Glaubensfreiheit
bekennen (und zwar von Anfang an - nicht erst durch Druck der Nichtgläubigen), dass sie praktizieren (Zwang, Höllendrohungen), was sie nicht glauben (Gott will den Menschen einen freien Willen
lassen). Das macht das Argument des "freien Willens" zu einer fadenscheinigen Ausrede.
Eine mehrdeutige Kommunikation ist eine gestörte Kommunikation. Dass die Kommunikation mehrdeutig ist, dafür ist die Vielzahl der verschiedenen Religionen ein
empirischer Beweis.
Gott lässt seine Anhänger schmählich im Stich, weil er ihnen keine überzeugenden Argumente gibt. Eigentlich kann man daraus nur folgende sinnvolle
"Schlussvolkerungen" :-D ziehen:
(a) Gott interessiert sich nicht für eine Kommunikation mit uns, vor allem nicht für eine störungsfreie, (b) Gott existiert nicht, (c) das Universum selbst ist
die Kommunikation und die Botschaft, und die Naturwissenschaft ist die "eigentliche" Theologie.
(a) entspricht als Gottesvorstellung dem Taoismus oder dem Deismus, (b) wäre Agnostizismus /Atheismus,
(c) eine Art von Pantheismus. Bemerkenswert ist, dass sich diese drei Positionen nicht sinnvoll voneinander unterscheiden lassen. Aber wenn Gott sich nicht offenbart, dann können wir auch nicht
verpflichtet werden, an ihn zu glauben, und damit wäre auch jede Religion, die bei Nichtglauben mit der Hölle droht, automatisch abzulehnen (damit Drohungen wirksam sind, müssen sie glaubhaft
sein, was nicht der Fall sein kann, wenn die Kommunikation gestört ist).
Wenn Gott irgendetwas von uns will, dann möge er bitte eine eindeutige Kommunikation wählen, sonst ist davon auszugehen, dass er nicht mit uns kommunizieren will
oder nicht existiert. Wir können nichts für diese Kommunikationsstörungen, das wäre das Problem Gottes, wir können nichts dagegen tun. Gott mag so alogisch sein wie die Christen meist behaupten,
aber eine gewisse grundlegende Logik müsste er in der Kommunikation schon benutzen, wenn er sich wirklich verständigen will mit uns.
Konfusius, er zitiert: "Offenbarung ist notwendigerweise auf die erste Kommunikation beschränkt - danach ist es nur noch etwas, von dem eine Person behauptet, es sei eine Offenbarung; und obwohl er sich verpflichtet fühlen mag, daran zu glauben, kann es mir nicht obliegen, daran in derselben Weise zu glauben, denn diese Offenbarung wurde nicht MIR gemacht, und ich habe nur sein Wort, dass es ihm offenbart wurde." (Thomas Paine in "The Age Of Reason")
Gastbeitrag von: Volker Dittmar