Gott als Schöpfer der Zeit
Entweder, die Zeit existiert schon ewig (d. h. es verging immer
schon Zeit), oder die Zeit begann zu einem Zeitpunkt, beispielsweise mit dem Beginn des Universums. Die Zeit kann auch vor dem Beginn des Universums angefangen haben,
das spielt für dieses Argument aber keine Rolle[1].
Definition: Als erstes definieren wir (den christlichen) Gott als ein Wesen, welches unter anderen die Eigenschaft
hat, der Schöpfer von allem außer sich selbst zu sein. Wenn wir sagen, dass Gott die Ursache dafür ist, dass überhaupt etwas existiert (wie es die Theologen
tun), dann muss folglich auch Gott der Schöpfer der Zeit sein, d. h. ohne Gott dürfte es keine Zeit geben.
1. Fall: Wenn die Zeit schon ewig läuft, dann war Gott nicht der Schöpfer der Zeit. Das bedeutet, dass ein Gott,
der alles geschaffen hat, nicht existiert.
2. Fall: Wenn wir sagen, dass etwas geschaffen wurde, oder dass ein Ereignis verursacht wurde, dann setzen wir das
Vergehen von Zeit voraus. Ereignis A kann Ereignis B dann und nur dann verursachen, wenn folgende vier Bedingungen alle gegeben sind:
Ist eine dieser vier Bedingungen (Zeit, Raum, Potentialität, Energieübertragung)
nicht gegeben, so kann man nicht von verursachen reden. Jede der drei Voraussetzungen muss erfüllt sein. Das gilt auch, wenn wir davon reden, dass Gott das
Universum geschaffen (= verursacht) hat[2].
Damit Gott den Beginn der Zeit verursacht haben kann, muss also bereits die Existenz von Zeit vorausgesetzt werden! Es musste also bereits Zeit
vergehen, damit Gott die Zeit schaffen konnte. Das aber ist völlig absurd - woher sollte die Zeit kommen, die bereits vergeht, bevor die Zeit geschaffen wurde? Es ist also unmöglich, dass etwas
den Beginn der Zeit verursacht haben kann. Anders gesagt, die Zeit wurde nicht geschaffen.
Ein Gott, der die Zeit geschaffen (= verursacht) hat, kann also nicht existieren.
Ohne Zeit hatte Gott keine Zeit, um zu entscheiden, die Zeit zu schaffen
Dies ist Draygombs Paradox.
Definitionen:
Gott wird definiert als die bewusste erste Ursache des Universums (Thomas
von Aquin).
Die erste Ursache ist das, was die Zeit geschaffen hat.
Bewusstsein ist (mindestens) etwas, was uns zu Entscheidungen befähigt.
Eine Entscheidung ist die Aktion, mit der wir unser Bewusstsein vom Zustand "unentschieden" zum Zustand "entschieden" verändern.
Zeit ist ein Maß für Veränderung.
Prämissen:
Etwas, was verursacht wurde, kann nicht notwendig sein für das, wovon es verursacht wurde (die Wirkung kann nicht für die Ursache notwendig sein).
Schlussfolgerungen:
Zeit ist notwendig für Veränderung.
Eine Entscheidung ist eine Veränderung.
Eine Entscheidung benötigt daher Zeit.
Einem Bewusstsein ist es nicht möglich, eine Entscheidung ohne Zeit zu treffen.
Bewusstsein benötigt Zeit.
Gott ist (u. a.) Bewusstsein.
Gott benötigt daher Zeit.
Gott kann nicht die Ursache der Zeit sein, wenn Gott dafür Zeit benötigt.
Gott ist daher nicht die Ursache für die Zeit.
Gott ist nicht die erste Ursache.
Wenn Gott nicht die bewusste erste Ursache ist, dann existiert Gott nicht.
Wer meint, dies alles treffe auf Gott nicht zu, weil Gott mit der Logik nicht zu erfassen sei, der lese bitte: Glaubenskritik: Logik.
Anmerkungen:
[1] Die moderne Physik geht davon aus, dass die Zeit erst mit der Existenz des Universums begonnen hat.
[2] Tatsächlich ist, wenn man annimmt, dass Gott der Schöpfer des Universums sein soll, keine einzige dieser vier Bedingungen erfüllt ist, was bedeutet, dass es keinen Sinn ergibt, wenn man behauptet, Gott sei die Ursache für die Existenz des Universums. Damit ist natürlich auch der bekannte Beweis der ersten Ursache widerlegt.
Gastbeitrag von: Volker Dittmar
WissensWert (Freitag, 10 Februar 2017 05:15)
Draygombs Paradoxon:
Ohne Zeit hatte Gott keine Zeit, um die Zeit zu erschaffen.
Volkers Zusatz:
Ohne natürliche Regeln gab es keine Regel, nach der Gott hätte Regeln erlassen oder einführen können.
Ohne die Voraussetzung einer Logik, nach der Regeln wirken, hätte es keine Logik und keine Regel erlaubt, die Logik zu erschaffen.
Ohne Logik konnte Gott die Logik nicht erschaffen.
Daher ist der Präsuppositionalismus falsch: Gott erschuf keine Regeln, vielmehr war die Existenz von Regeln die Voraussetzung dafür, dass Gott überhaupt handeln konnte oder etwas bewirkte.
Setzt man Gott voraus, muss man die Logik voraussetzen. Aber diese hängt nicht von Gott ab, vielmehr hängt die Möglichkeit für Gott zu handeln davon ab, dass die Logik und bestimmte Regeln schon galten, bevor er sich zum Handeln entschloss.
Ohne Logik kein Gott. Aber ohne Gott MUSS es Logik geben, damit überhaupt eine regelbasierte Natur existieren kann.
Eine regelbasierte Natur ist die Voraussetzung der Existenz Gottes. Wie kann Gott handeln? Nur, wenn es seiner Natur entspricht und es Regeln gibt, die für ihn gelten. Er kann sich weder die Handlungsmöglichkeiten noch Regeln selbst gegeben haben, denn dann müsste man fragen, nach welchen Regeln er dazu in der Lage war? Diese Regeln müssen unabhängig von ihm sein und unabhängig von ihm gelten.
Ein Gott, der über der Natur steht - oder über den natürlichen Regeln, die es ihm möglich machen, etwas zu wissen, dieses zu verarbeiten und zu handeln - kann nicht existieren.
War Gott allwissend, kannte er die Logik - und alle sonstigen Regeln - von Ewigkeit an. Gott ist nicht der Erschaffer der Logik, weil er sie immer schon wusste und er sie für sein Handeln voraussetzen musste. Man kann Gott nicht zur Voraussetzung von allem machen, weil dies bereits Dinge voraussetzt, die unabhängig von ihm sind.
Der Gott, der die Grundlage von allem ist, kann nicht existieren.
Gott wusste entweder immer schon, was er tun würde, oder er war nicht allwissend. Ist er allwissend, setzt er Pläne um, für die er selbst nicht der Ursprung ist. Er ist allenfalls der Mittler zwischen Plänen, für die es keinen Ursprung gibt, die also aus dem Nichts kommen, und ihrer Realisierung: Er setzt um, aber er erschafft kein Wissen. Denn für einen Allwissenden kann es niemals neues Wissen oder neue Erkenntnisse geben. Die Logik ist keine Erfindung Gottes, weil Gott nichts erfinden kann - er weiß ja schon alles. Er kann sie auch nicht einsetzen, weil dies voraussetzt, dass die Logik bereits gilt.
Der "Gott der Präsuppositionalisten", der die Logik einsetzt und garantiert, kann nicht existieren. Er kann die Logik nicht einsetzen, weil ihre Gültigkeit die Voraussetzung ist, dass er die Logik einsetzen könnte - aber wenn sie schon gilt, ist Gott dafür überflüssig.
Köppnick (Montag, 13 Juni 2016 12:10)
Mit Gott hat das folgende natürlich nichts zu tun (sich damit zu beschäftigen, halte ich nach wie vor für entbehrlich), aber es gibt eine Überlegung, wie man den Urknall (Endlichkeit der Zeit) und den unendlichen Regress (logische Ursachenkette) widerspruchsfrei vereinen kann:
In Richtung Urknall wird die Materiedicte und die Temperatur immer höher. Das bedeutet, dass aufeinanderfolgende (ursächliche) Ereignisse in immer höherer Frequenz erfolgen. Ein mathematisches Beispiel: Angenommen, das Universum sei 2 Sekunden alt. In der letzten Sekunde habe ein Ereignis stattgefunden, in der halben Sekunde davor zwei, in der Viertelsekunde davor vier usw. Summiert man das auf, dann erhält man für die endlichen zwei Sekunden seit dem Urknall als Anzahl der Ereignisse: S=1+1+1+1+...=oo.
Obwohl rein formal die Zeit bis zum Urknall endlich ist, kann eine unendliche Anzahl von Ereignissen stattgefunden haben und der "Rand der Zeit" für uns unerreichbar sein. Oder in anderen Worten: Gemessen an der Zahl der Ereignisse existiert das Universum schon immer.
Es ist eine ähnliche Überlegung wie zum Raum: Selbst wenn man für das Universum ein endliches Volumen berechnen kann, bleibt der Rand für uns unerreichbar. Entweder weil das Universum aufgrund der Massen gekrümmt ist oder weil sich der Rand schneller von uns entfernt, als wir folgen können - oder beides.