Yes, there is an war on religion. It's called 'progress'.
Sämtliche mir persönlich bekannten Atheisten sind zugleich Humanisten und bemerkenswert friedlich und besonnen. Daher wundere ich mich immer etwas, wenn in der Presse oder anderswo von den „militanten Atheisten“ die Rede ist, die es in ihrem Wahn irgendwie kaum erwarten können der Menschheit ihre perfide Ideologie aufzuzwingen. Als Beispiel werden dabei immer wieder Leute wie Richard Dawkins, Michael Schmidt-Salomon oder Ayaan Hirsi Ali genannt – alles meinem Empfinden nach sehr rationale und friedliche Menschen. A-Theismus ist – wir erinnern uns – die Abwesenheit von Glaube an irgendwelche Götter. Was soll daran ideologisch sein? Und vor allem: Wie kann daraus Militanz entstehen?
Um die Frage letztgültig zu klären, was genau unter „Militanz“ eigentlich zu verstehen ist, wenden wir uns an die unumstößliche Autorität des 21. Jahrhunderts, die Wikipedia:
„Militanz ist eine kriegerische Haltung, ein aggressives Auftreten oder eine physische oder verbale Gewaltbereitschaft“
Hm, eine kriegerische Haltung und Gewaltbereitschaft als Kennzeichen von Militanz also. Das sähe im Fall einiger üblicherweise des „militanten Atheismus“ bezichtigten Personen dann etwa so aus wie in den folgenden Szenarien:
· Der britische Buchautor und Evolutionsbiologe Richard Dawkins schnallt sich eine Maschinenpistole um, schreit laut „Für Darwin!“ und rottet mit systematischen Massakern im Namen Gottes und der Zehn Gebote die Bevölkerung ganzer Landstriche aus – in etwa so, wie die Kämpfer von Joseph Konys Lord’s Resistance Army das in Zentralafrika tun.
· Die niederländisch/amerikanische Menschenrechtsaktivistin Ayaan Hirsi Ali ruft „Für die Frauenrechte!“ und stürzt Dutzende Homosexuelle von hohen Gebäuden in den Tod – so wie die Falschen Bartaffen von der ISIS das vorgemacht haben.
· Der deutsche Philosoph und Sprecher der Giordano Bruno Stiftung Michael Schmidt-Salomon schreit laut „Im Namen des Humanismus!“ und schießt mit halbautomatischen Waffen und einer Pump Gun für Jesus und zur Verteidigung des Abendlandes Dutzende von Jugendlichen nieder – wie das der christliche Terrorist (*) Anders Breivik in Norwegen getan hat.
Nein, wenn man etwas darüber nachdenkt, sind solche Szenarien nicht besonders glaubwürdig. Kriegerische Haltung und Gewaltbereitschaft – das entspricht eher nicht den Menschen, die von Religionisten des „militanten Atheismus“ bezichtigt werden.
Doch Wikipedia weiß auch hier Rat:
„Manchmal wird der Begriff auch verwendet, um eine Person mit stark verfestigter Meinung zu titulieren, zum Beispiel bei den Ausdrücken „militanter Christ“ oder „militanter Atheist“. Dabei steht Militanz für bestimmte philosophische, religiöse oder andere Theorien und Programme, die sich des innewohnenden Gewaltpotenzials bedienen oder dieses schüren.“
Okay, dann also „Theorien und Programme, die sich des innewohnenden Gewaltpotentials bedienen“. Mal schauen, wie sieht es denn mit der Glaubwürdigkeit der folgenden, militant-atheistischen Szenarien aus?
· Die Hamburger Buchautorin und Skeptikerin Alexa Waschkau folgt ihrem Wahlspruch „Immer schön skeptisch bleiben!“, setzt sich ins Fernsehen und behauptet, dass die Opfer des Germanwings-Massenmordes an ihrem Tod selbst schuld seien – so wie das TV-Pastor Wolfgang Wegert getan hat.
· Der atheistische Podcaster und Informatik-Professor Christian Schindelhauer stellt sich an ein Podium und fordert vor vollbesetztem Haus die Todesstrafe für Homosexuelle – so wie es der katholische Bischof Vitus Huonder in Fulda vorgemacht hat.
Hm, nein, auch diese Szenarien wirken wenig glaubwürdig, die Definition von „Militanz“ passt ganz offensichtlich nicht zu den beschriebenen Leuten. Möglicherweise meinen die erzürnten Religionisten ja doch etwas anderes, wenn sie von „militanten Atheisten“ reden, irgendwie im übertragenen Sinne?
Ja, das tun sie. Unter „militanten Atheisten“ verstehen sie einfach Menschen, die ihnen lästig sind, die ihnen „aufmüpfig“ vorkommen.
Sie meinen damit Menschen, die „sowas führt zu sowas“ sagen und dabei auf Hass-Bischof Huonder und die Mörder von der ISIS zeigen. Menschen, die nicht brav, bescheiden und vor allem still hinnehmen, dass es in Deutschland keine Trennung von Staat und Kirche gibt, sondern de facto zwei Staatskirchen, dass Homosexuelle in Deutschland weiterhin als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, dass Bischöfe gerichtsbestätigt Hass predigen dürfen und als Staatsbeamte dafür auch noch vom Steuerzahler bezahlt werden (Grundgehalt für Erzbischöfe ca. 11.000 Euro, für Bischöfe ca. 8.000 Euro im Monat), dass Frauen nach einer Vergewaltigung von katholisch geführten, aber von der Allgemeinheit bezahlten Krankenhäusern abgewiesen werden, dass Kindergärtnerinnen gekündigt wird, weil sei ihre Freundin heiraten wollen, Ärzten, die zum zweiten Mal eine Ehe geschlossen haben, oder einfach nur Leuten, deren „Verbrechen“ darin besteht standesamtlich heiraten zu wollen, und auf eine kirchliche Trauung zu verzichten.
Als „militante Atheisten“ werden Menschen bezeichnet, die nicht die Klappe halten, wenn immer und immer wieder neue Vergewaltigungen von Priestern an Kindern systematisch vertuscht werden sollen, die auf den Text des Grundgesetzes hinweisen, wenn mal wieder eine halbe Milliarde Steuermittel an die Kirchen verschoben werden, wenn eine bankrotte, zu 70% atheistische Stadt wie Leipzig mal eben eine Million für einen Katholikentag locker macht, wenn Frauen in Religionen systematisch abgewertet, wenn Kinder systematisch zu Opfern von Genitalverstümmelungen werden, wenn mal wieder Homosexuelle mit Bleistangen tot geschlagen, oder wenn säkulare Blogger mit Macheten zerhackt werden. Mit der ach so ehrenwerten Religion hat das dann natürlich alles nichts zu tun – jaja, ist klar
Kurz gesagt: Als „militanten Atheisten“ bezeichnen Religionisten Menschen, die nicht zu allem „Ja und Amen“ sagen, die sich gegen Ungerechtigkeiten wehren und Unsinn widersprechen. Die eben nicht respektvoll – und vor allem schweigend – auf den Boden schauen. Vor solchen „militanten“ Menschen haben Religiöse Angst. Wenn man nämlich genauer nachfragt, dann bleibt von den religiösen Lehren und Begründungen absolut nichts mehr übrig. Dann wird für alle Zuhörenden klar, dass die Religiösen völlig ohne Argumente da stehen.
(*) Wird gern übersehen: „At the age of 15 I chose to be baptized and confirmed in the Norwegian State Church,“ schreibt Breivik. „I consider myself to be 100 percent Christian.“ – „If he did what he has alleged to have done, Anders Breivik is a Christian terrorist,“ Boston University religion scholar Stephen Prothero wrote on CNN.com.
"Die Leute schwören auf die Bibel. Das ist, als ob du mit einem Piloten fliegst, der Gespenster sieht! (...) Ich hab' keine Bibel in der Hand. Bush hat eine, Blair hatte eine, Saddam wedelte mit dem Koran rum, die Schlächter in Srebrenica konnten auch auf die Liebe ihrer Kirche zählen, als sie die Leute da reihenweise massakrierten ...(...) So - wer ist nun wahnsinnig? Ich oder die Weihrauchschwenker?"
- Lemmy Kilmister (1945-2015)
Bengt (Mittwoch, 07 Dezember 2016 22:21)
Vielleicht gibt es keine "militanten Atheisten", aber dafür arrogante Atheisten. Manche versuchen gar nicht, im Einzelfall zu verstehen, was einen Menschen glauben lässt. Dabei lässt es sich nur im Einzelfall verstehen, weil Religion eine persönliche, ja, eine intime Angelegenheit ist. Wenn Christen und Muslime miteinander über ihren Glauben sprechen, sind sie sich dessen für gewöhnlich bewusst. Atheisten sind sich dessen oftmals, oder wenigstens manchmal, nicht bewusst. Das Verständnis von Religion setzt Emfänglichkeit voraus, gegenüber der sich manche Atheisten zweifelsohne verschließen. Sie kommen dann mit irgendwelchen objektiven Argumenten, die überhaupt nichts mit dem zu tun haben, worum es eigentlich geht. (Und leider machst du mit diesem Beitrag nichts anderes.) Ja, die Kirche agiert auch nicht viel auf persönlicher Ebene, aber für den Einzelnen ist diese Dimension trotzdem enthalten. Natürlich können dabei Psychos entstehen, keine Frage. Natürlich kann Religion auch Opium fürs Volk sein, und natürlich ist die christliche Kirche eine Scheißreligion, aber sie ist eben die einzige, die wir haben. Sie steckt tief im kollektiven Unbewussten, viel tiefer als beispielsweise die modischen Importe aus Fernost.
Ich plädiere nur dafür, nicht immer nur die Standardargumente gegen Religion hervorzukramen. Es ist viel zu einfach, Religion zu kritisieren, und je mehr man an ihr herumnörgelt, desto weniger versteht man sie.
Schau' dir zum Beispiel mal Philipp Möller bei Youtube an. Er tut zwar immer nett und freundlich, aber seine Körpersprache spricht Bände. Ich empfehle dir ansonsten, Bücher von Menschen zu lesen, die die Kirche kritisieren, aber den Glauben befürworten. Aus dem christlichen Bereich gibt es hier viele, aus psychologischer Sicht hat sich Carl Gustav Jung damit auseinandergesetzt. Zitat: "Es ist auch nur ein minimster Bruchteil der Menschheit, der hauptsächlich auf jener dichtbevölkerten Halbinsel Asiens, die gegen den Atlantischen Ozean vorspringt, lebt und sich 'die Gebildeten' nennt, welcher infolge eines mangelhaften Kontaktes mit der Natur auf den Gedanken verfallen ist, Religion sei eine Art eigentümlicher geistiger Störung von unerfindlichem Zweck. Aus sicherer Entfernung, etwa aus Zentralafrika oder Tibet gesehen, erscheint es allerdings, als ob dieser Bruchteil ein ihm unbewusstes 'dérangement mental' auf die noch instinktgesunden Völker projiziert hätte."
WissensWert (Freitag, 25 November 2016 03:39)
https://www.youtube.com/shared?ci=EPSaUWEO0_A
WissensWert (Dienstag, 19 Juli 2016 07:28)
"Militante Atheisten" ist eine demagogische Herabwürdigung von Atheisten zur Diskreditierung. Wenn man keine inhaltlichen Argumente gegen den Atheismus hat, greift man mit schmutzigen rhetorischen Tricks eben die Person an, die diese Position vertritt. Es handelt sich um eine gezielte Beleidigung. Man hat Atheisten jahrtausendelang blutig verfolgt, um sie zum Schweigen zu bringen. Heute kann man zur Bekämpfung des Atheismus keine Scheiterhaufen mehr errichten, man muss sie anders zum Schweigen bringen - damit man ungestört seine Ideologie verbreiten kann. Vorzugsweise bei Kindern, während Atheisten sich fast ausschließlich an Erwachsene wenden - mit Argumenten.
Argumente Ad Hominem offenbaren natürlich die Erbärmlichkeit der theistischen Position, die sich anders kaum "verteidigen" lässt.