Gottfried Wilhelm Leibniz hat nie behauptet, dass unsere Welt die beste aller möglichen Welten sei. Dennoch sagt man ihm diese These gerne hinterher. Sie wird allen Ernstes sogar heute noch vertreten. Von Theologen, die zugegeben selbst unter ihresgleichen argumentativ unbeholfen wirken.
Dabei verträgt sie sich noch nicht einmal mit den Annahme des Christentums selbst: Wenn diese Welt die beste aller möglichen Welten sein soll, dann kann es keine „bessere“ Welt (Paradies) vor dem Sündenfall gegeben haben! Und wenn dies hier tatsächlich das Bestmögliche ist, was Gott hinbekommt, dann kann sich auch kein Christ mehr auf den Himmel freuen.
Jedes freundliche Lächeln und jedes neuentwickelte Medikament beweisen, dass unsere Welt verbessert werden - und von daher nicht die bestmögliche sein kann! Die gegenteilige Auffassung ist nicht nur haltlos, sondern sogar justiziabel: Sie impliziert zwangsläufig, dass unsere Welt, in der der Holocaust Platz fand, bessere wäre, als eine (zweifellos für einen allmächtigen Herrscher mögliche) Welt, in der es keinen Holocaust gab.
Was also hätte ein allmächtiges und allwissendes Superwesen besser machen können? Antwort: So ziemlich alles!
Man kann sich das ganz leicht vor Augen führen:
Was fändet Ihr besser? Ein Leben wie vor 10.000 Jahren, in der die Geburtensterblichkeit bei Menschen exorbitant hoch war, und Menschen selten älter als 30 Jahre wurden?
Oder, vergleichsweise, ein Leben wie unseres heute? Das ist nicht über Nacht gekommen. Wir haben in den letzten 100 Jahren unsere Lebenserwartung nahezu verdoppelt. Das erforderte immense Anstrengungen, auch viel Versuch und Irrtum.
Diese Verbesserungen wurden von schwachen Menschen vorgenommen, mit großer Anstrengung, vielen Fehlern, vielen Rückschlägen. Von einem Superwesen würde ich erwarten, dass er es gleich richtig machen würde. Jede kleinste Verbesserung unseres Lebens, das wir aus eigenen Anstrengungen schaffen, ist ein Beweis GEGEN den Super-Designer und GEGEN die These, dass unsere Welt schon die beste aller möglichen ist.
Man könnte auf die Idee kommen, dass dies "nur mit Gottes Hilfe" möglich war. Das wäre der Fall, wenn man es mit Beten und einem Leben nach göttlichen Regeln geschafft hätte. Aber das funktioniert entweder nicht, oder ist kontraproduktiv: Als sich in den Zeiten der Pest die Menschen zum Beten versammelten, halfen sie dabei unwissentlich mit, die Krankheit zu verbreiten. Es ist aber eine lahme Ausrede, wenn ich menschliche Anstrengungen mit oft unzureichenden Mitteln und Wissen auf besagtes Superwesen zurückführe.
Vor allem, je später jemand eine Erfindung wie z. B. Schmerzmittel macht, desto mehr Menschen müssen zuvor unnötig leiden. Viele Gläubige wissen das natürlich und werden in Diskussionen dann anfangen, zu leugnen, dass sich vieles verbessert hat. Sie werden sich dann aber selbst Lügen strafen, wenn man sie fragt, ob sie lieber vor 10.000, 5.000 Jahren oder heute leben würden. Wir haben noch viel Luft nach oben für Verbesserungen, weil an allen Stellen Fehler im menschlichen Design zuschlagen, und wir auf Versuch und Irrtum angewiesen sind, um unser Leben zu verbessern - wie in der Evolution auch. Bei einem perfekten Designer würde ich erwarten, dass es keinen Spielraum für Verbesserungen gibt.
Denn das ist die Definition für perfektes Design: Das ist ein Design, an dem niemand mehr eine Verbesserung vornehmen kann, ohne es schlechter zu machen. Kann ich ein Design noch verbessern, war es daher nicht perfekt - ganz einfach. Kann man eine Kamera bauen, die besser ist als das menschliche Auge (und das kann man), dann kann das menschliche Auge kein perfektes Design aufweisen. Ganz einfach. Jeder Brillenträger ist ein Beweis dafür, dass Menschen das Design des Auges noch verbessern können.
WIR können die Welt besser machen - und müssen dies ohne Hilfe des Designers schaffen, der angeblich alles so perfekt gemacht hat. Das Hauptargument für die Evolution, übrigens, ist nicht das "perfekte Design", sondern der "allgegenwärtige evolutionäre Pfusch", wie Riedl sagte. Dass ein blinder Algorithmus Design schaffen kann, wissen wir über die evolutionären Algorithmen bei Computern. Dieser hat jedoch bestimmte blinde Flecken und kann eine Reihe optimaler Lösungen nicht finden. Genau das ist aber in der Natur allgegenwärtig. Auch wir finden besseres Design meist über Versuch und Irrtum.
Wenn man ernsthaft argumentiert, dass gutes Design in der Natur ein Beweis für Gott ist, müsste man auch jedes schlechte Design als ein Argument dagegen ansehen. Solange man das nicht macht, ist das Argument vollkommen wertlos. Außerdem müsste man "perfekt" definieren, was ich gemacht habe.
WissensWert (Montag, 05 November 2018 04:07)
Bertrand Russell entgegnete auf Leibniz zirkulären "Gottesbeweis", dass diese Welt die "beste aller möglichen Welten" sein müsse, weil Gott allwissend, allgütig und allmächtig sei:
"Wenn man das teleologische Argument näher betrachtet, ist es höchst erstaunlich, daß Menschen glauben können, diese Welt mit allem, was sich darin befindet, und mit all ihren Fehlern sei das Beste, was Allmacht und Allwissenheit in Millionen von Jahren erschaffen konnten.
Ich kann das wirklich nicht glauben. Meinen Sie, wenn Ihnen Allmacht und Allwissenheit und dazu Jahrmillionen gegeben wären, um Ihre Welt zu vervollkommnen, daß Sie dann nichts Besseres als den Ku-Klux-Klan oder die Faschisten hervorbringen könnten?"
(aus "Warum ich kein Christ bin", 1927)
Russells Ernennung zum Dozenten an der New York University wurde 1940 auf Proteste von Fundamentalisten hin gegen den Widerstand vieler Studenten zurückgezogen, weil er sich gegen Religion und somit für Unmoral auspräche.
Advocatus Diaboli (Samstag, 18 November 2017 12:25)
Bezüglich dem ersten Satz Ihres Artikels, Leibniz hätte nie behauptet, dass unsere Welt die beste aller möglichen Welten sei, heißt es im Vorwort von Leibniz' Theodizee:
" ...und schließlich mit dem berühmten Antoine Arnauld, dem ich sogar, etwa im Jahr 1673, einen lateinisch geschriebenen Dialog über meine Ansichten hierüber mitteilte, wobei ich schon die These aufstellte, daß Gott, indem er die vollkommenste aller möglichen Welten ausgewählt habe, durch seine Weisheit sich dazu bewogen gefühlt habe, das damit verbunden Böse zuzulassen, was aber nicht hinderte, daß, alles eingerechnet und gegeneinander abgewogen, diese Welt nicht doch die beste sei, die zur Auswahl bereitstand." (Leibniz, 1986, Felix Meiner, S. 25)
Hier schreibt Leibniz, dass erst alles eingerechnet und gegeneinander abgewogen, diese Welt die beste aller möglichen sei. Dies beinhaltet künftige Ereignisse, wie auch Ereignisse, von denen wir nichts erfahren. Daher ist Leibniz' Behauptung auch mit dem Christentum vereinbar.
WissensWert (Sonntag, 12 März 2017 04:20)
nicht ernst gemeint: angenommen, wenn es so einen allmächtigen, allgütigen und allwissenden Gott geben sollte, vielleicht haben wir Menschen das falsch verstanden. Es könnte bedeuten, dass er eben nur da draußen im All mächtig ist und ein über das All Wissender ist, aber halt nicht unbedingt erdmächtig und erdwissend und erdgütig ;-)
WissensWert (Sonntag, 12 März 2017 04:19)
Allgüte wiederum, das eigentliche Theodizee-Problem, verträgt sich nicht mit Allmacht. Wozu alles Leid in der Welt? Am besten mogelt sich da noch Leibniz mit "Wir leben in der besten aller Welten" heraus. Allerdings impliziert das wiederum die Frage, wer denn die Wahlmöglichkeiten geschaffen hat, unter denen Gott sich die beste Welt zur Erschaffung aussuchen kann.
WissensWert (Samstag, 04 Februar 2017 03:28)
Beweis der Nichtexistenz eines Schöpfergottes
Wenn man Gott definiert als allmächtigen, allwissenden und allgütigen Schöpfer der Welt, dann kann man ihn ganz einfach widerlegen:
a) Gott ist allmächtig, allwissend, allgütig
b) Gott ist Schöpfer der Welt und des Lebens
c) die Welt ist nicht die beste aller Welten und sie und das Leben enthalten schon von ihrer Konstruktion her mehr unnötiges und kontraproduktives Leid als nötig
Daraus folgt: a) oder b) muss partiell falsch sein. Dieser Gott aus a) und b) kann wegen c) logisch nicht existieren.
Zur Begründung für c):
1. Es gibt empfindungsfähige subjektiv erlebende Lebewesen, die schon in ihrer "Konstruktionsweise" darauf ausgelegt sind, für ihr Überleben andere ebenso empfindungsfähige Lebewesen töten und verspeisen zu müssen(Fressen und Gefressen Werden).
2. Die Lebewesen (inklusive Mensch) enthalten Mängel in ihrer Konstruktion, die unnötig sind und unnötiges Leid erzeugen, womit nicht nur der Rücken, Blinddarm und ein von Mikroorganismen und Viren angreifbares Regulationssystem gemeint ist, sondern auch unsere von Emotionen getriebene und verzerrte Wahrnehmung und Kognition, die uns zu allerlei Fehlschlüssen, Süchten und unnötiger Aggression verleitet und sogar unsere Extinktion als Spezies verursachen könnte.
3. Von kleinen verletzlichen fragilen Nischen abgesehen ist das Universum extrem lebensfeindlich und unsere Existenz eine bedrohte kurzlebige Phase, die in einer besser konstruierten Welt zu mehr Freude, mehr Reifung und besserer Entfaltung unseres Potentials hätte führen können.
Somit wäre die Behauptung eines allmächtigen, allwissenden, allgütigen Schöpfergottes widerlegt. q.e.d.
Es schaut ohnehin alles danach aus, als wenn die massive Evidenz von Evolutionstheorie und Urknalltheorie einen intelligenten Schöpfer zur Erklärung überflüssig machen. Eine ungelenkte, ungeplante und ziellose Evolution von driftendem Zufall und deselektierender Notwendigkeit erklärt die Existenz von zu viel Leid viel besser.
Die schier unendliche Größe und Vielfalt des Universums machen es auch unwahrscheinlich, dass sich tatsächlich ein Gott, der ein Abermilliarden Lichtjahre durchmessendes Universum schuf, um die Damenoberbekleidungsregeln oder Sexualtätigkeit einer Primatengattung auf einem Staubkorn in dieser Unendlichkeit sorgt.
Ich bitte um Einwände :)
WissensWert (Samstag, 04 Februar 2017 02:22)
Logik und Gottesbegriff
Bertrand Russell entgegnete auf Leibniz zirkulären "Gottesbeweis", dass diese Welt die "beste aller möglichen Welten" sein müsse, weil Gott allwissend, allgütig und allmächtig sei:
"Wenn man das teleologische Argument näher betrachtet, ist es höchst erstaunlich, daß Menschen glauben können, diese Welt mit allem, was sich darin befindet, und mit all ihren Fehlern sei das Beste, was Allmacht und Allwissenheit in Millionen von Jahren erschaffen konnten.
Ich kann das wirklich nicht glauben. Meinen Sie, wenn Ihnen Allmacht und Allwissenheit und dazu Jahrmillionen gegeben wären, um Ihre Welt zu vervollkommnen, daß Sie dann nichts Besseres als den Ku-Klux-Klan oder die Faschisten hervorbringen könnten?"
(aus "Warum ich kein Christ bin", 1927)
Russells Ernennung zum Dozenten an der New York University wurde 1940 auf Proteste von Fundamentalisten hin gegen den Widerstand vieler Studenten zurückgezogen, weil er sich gegen Religion und somit für Unmoral auspräche.
WissensWert (Dienstag, 04 Oktober 2016 22:03)
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_beste_aller_m%C3%B6glichen_Welten
WissensWert (Dienstag, 09 August 2016 01:08)
Anderer Ansatz von mir:
Die zentrale Frage lautet: Ist Gott dazu imstande, eine bessere Welt zu erschaffen?
"Besser" verstehe ich hier als: Eine Welt mit weniger Leid und Übeln als diese hier, in der wir leben. Bereits jede Schmerzpille ist ein Beweis dafür, dass eine bessere Welt tatsächlich möglich ist.
Die meisten Gläubigen weichen dieser in der Tradition des Theodizeeproblems gestellten Frage aus, zum Beispiel, in dem sie sagen, dass sie das nicht wüssten oder nicht wissen könnten.
Mag sein, aber diese Frage führt zu einem Folgeproblem der Theodizee, dem sie nicht ausweichen können.
Es spielt nämlich gar keine Rolle, ob man die obige Frage ausreichend beantwortet oder nicht. Es spielt auch keine Rolle, wie man sie beantwortet, und das mag überraschen. Für diese Frage ist es unerheblich, ob man Gott für allmächtig hält oder das nicht tut, man kann ihm seine Allmacht abstreiten und so dem Theodizeeproblem ausweichen, aber gleich, ob man das tut oder nicht, läuft man immer in ein Folgeproblem. Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten:
1. Fall: Gott könnte eine bessere Welt erschaffen also diese: Hier muss man ich fragen: Wenn er es besser könnte, warum macht er es dann nicht? Normalerweise erkennt man die Liebe einer Person daran, dass sie sich um das Wohlergehen des geliebten Subjekts oder der geliebten Subjekte kümmert und das Beste für diesen Menschen oder diese Leute möchte. Und ja, ich weiß, dass ich nicht weiß, wie so eine bestmögliche Welt aussehen würde. Aber: unsere Welt, mit Kinderpornografien und dem Holocaust, ist ganz sicher nicht die bester aller möglichen! Etwas anderes zu behaupten ist wahnsinnig und sogar strafbar. Ein uns liebender Gott ließe nicht einmal kurzerhand 6 Millionen (von ihm außerwählte!) Menschen grausam zugrunde gehen, wenn er es nicht verhindern könnte, man muss für den Fall, dass Gott doch allmächtig ist, also dessen Liebe zu uns aufgeben. Folglich ist die Hoffnung auf eine bessere Welt, ein Paradies, in diesem Fall nicht gegeben.
2. Fall: Gott kann keine bessere Welt erschaffen als diese: Was auch bedeutet: Es kann auch nach dem Tod kein Paradies geben! Denn eine bessere Welt als diese ist für Gott nicht möglich. Das wiederum bedeutet, dass wenn es ein Leben nach dem Tod gäbe, könnte uns Gott bestenfalls eine endlose Verlängerung des jetzigen, irdischen, leidvollen Lebens anbieten. Wie in Fall 1 ist auch im zweiten der beiden möglichen Fälle die Hoffnung auf eine bessere Welt, ein Paradies, nicht gegeben.
Es lässt sich festhalten: das Theodizeeproblem ist nicht damit gelöst, dass man die Allmacht Gottes aufgibt. Sondern, dass man den Kerngedanken des Christentums – den Erlösungsgedanken – auf jeden Fall aufgeben muss!
WissensWert (Dienstag, 09 August 2016 00:58)
- Ein allmächtiges Wesen kann jedes Problem auf schier unendlich viele Arten lösen. Ist Gott nichts unmöglich, so muss seine Schöpfung seinen Wünschen entsprechen. Wenn Gott allmächtig ist, folgt dann bei der Betrachtung unserer ungerechten, fehlerhaften Welt mit Krebs, Weisheitszähnen und Wirbelstürmen nicht zwangsläufig der Schluss, dass er nicht allgütig sein kann, da er die Ungerechtigkeit und Fehlerhaftigkeit ja in seiner Allmacht beseitigen würde, wenn er es wollte?
- Ein allgütiges Wesen orientiert sich beim Umgang mit seinen Kindern an dem, was Moral ausmacht: Dem Fördern des Wohlergehens von Menschen. Ist Gott der Inbegriff der Güte, so können Versteckspiel, unvorstellbare Qualen und das Zugestehen uneingeschränkter Handlungsfreiheit nicht Bestandteile seiner Erziehungsstrategie sein. Wenn Gott allgütig ist, folgt dann bei der Betrachtung unserer leiderfüllten, mangelhaft "designten" Welt mit Alzheimer, Blinddärmen und Erdbeben nicht zwangsläufig der Schluss, dass er nicht allmächtig sein kann, da er die Ungerechtigkeit und Fehlerhaftigkeit ja in seiner Allgüte beseitigen würde, wenn er es könnte?
- Im Lichte all dessen: Lassen sich die Umstände in unserer Welt nicht wesentlich besser unter der Annahme der Inexistenz allmächtiger, gütiger Kräfte erklären? Wie sähe denn die Welt aus, wenn es solche nicht gäbe? Wäre ein Unterschied zu dem Chaos aus Ungerechtigkeit, Schmerz und Unvollkommenheit auszumachen, das wir heute beobachten?