In der Klimapolitik besteht ein weitreichender Konsens darüber, dass bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 2° C über dem vorindustriellen Wert eine gefährliche Störung des Klimasystems durch den Menschen gerade noch vermieden werden kann. Bei einer Überschreitung der 2°-C-Marke würden die Folgen des Klimawandels nicht mehr kontrolliert werden können. Wetterextreme und andere Klimafolgen würden ein gefährliches und kaum zu bewältigendes Maß annehmen und die ökonomischen Kosten unvertretbar hoch ansteigen lassen.
Das sog. 2-Grad-Ziel geht als politische Zielformulierung auf einen Vorschlag der EU aus dem Jahre 1996 zurück, der 2005 wiederholt und später von zahlreichen internationalen Organisationen aufgegriffen wurde.[1]Eine wichtige Rolle bei der Begründung und Ausgestaltung des 2-Grad-Ziels spielte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU).[2] 2009 wurde das Ziel im Abschlussdokument der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen aufgegriffen, blieb aber unverbindlich. Auf der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen vom 30. November bis 12. Dezember in Paris wurde endlich ein Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll von 1997 mit verbindlichen Klimazielen für alle 195 Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention vereinbart. Als Ziel wurde festgeschrieben, die globale Erwärmung auf unter 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und 1,5 °C globale Mitteltemperatur anzustreben. Auf diese Weise sollen gefährliche Folgen für die menschliche Gesellschaft und natürliche Ökosysteme abgewendet werden.[3]
Mit dem 2-Grad-Ziel ist eine Erwärmung der globalen Mitteltemperatur über den vorindustriellen Wert hinaus gemeint. Es geht also nicht darum, um wie viel Grad Celsius die Temperatur gegenüber heute noch zunehmen darf. Gegenwärtig liegt die globale Mitteltemperatur bereits um 0,8 °C über dem vorindustriellen Niveau. Allgemein wird davon ausgegangen, dass eine weitere Erwärmung von 0,5 °C, u.a. aufgrund der Langlebigkeit der bisher emittierten Treibhausgase und der Trägheit des Ozeans, bereits im System steckt und nicht mehr zu vermeiden ist, auch wenn die globalen Emissionen von Treibhausgasen in wenigen Jahren völlig eingestellt würden. Das errechnet sich bei einer Klimasensitivität von 0,8 °C pro Watt/m2 aus dem bisherigen Strahlungsantrieb seit Beginn der Industrialisierung von 1,6 W pro m2, durch den langfristig eine Erwärmung um 1,3 °C erfolgen wird.[2] Die Trägheit des Klimasystems, d.h. vor allem die langsame Reaktionszeit des Ozeans, hat den Temperaturanstieg über 0,8 °C hinaus bisher verzögert. Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, muss die künftige Treibhausgasemission also so weit begrenzt werden, dass sie nur noch eine Erwärmung von 0,7 °C zulässt. Das ist weniger als die bisherige globale Erwärmung durch den Menschen und liegt an der unteren Grenze des niedrigsten Szenarios, das der Weltklimarat IPCC in seinem Bericht von 2007 aufgestellt hat (vgl. Abb. 1).
Schwierig ist die entscheidende Frage zu beantworten, welche Treibhausgasmenge noch emittiert werden darf, um die 2-Grad-Grenze zu unterschreiten. Dazu gibt es verschiedene Untersuchungen mit unterschiedlichsten Ergebnissen. Falls die Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 % unter 2 °C bleiben soll, müssten nach einer internationalen Studie[4] die Emissionen noch in diesem Jahrzehnt (2010-2020) im Mittel auf 44 Gt[5] CO2-Äquivalente[6] fallen. Sie lagen 2010 bei 48 Gt CO2-äq. Für die Konzentration bedeutet das, dass sie bis 2100 im Mittel bei CO2 rund 425 ppm (2015: 400 ppm) und bei allen Treibhausgasen 465 ppm-äq[7] nicht überschreiten dürften.
Wie der WBGU 2009 dargestellt hat,[2] kann das 2-Grad-Ziel nur erreicht werden, wenn vor allem die Industrieländer, die historisch gesehen den größten Teil der Erwärmung zu verantworten haben, noch vor 2015 den Trend ihrer CO2-Emissionen umsteuern und bis 2020 auf ein Drittel reduzieren. Bei einem erfolgreichen Emissionshandel hätten sie für die Drittelung noch bis 2025 Zeit. Den Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien u.a. wird aufgrund ihrer nachholenden Entwicklung eine Trendumkehr erst zwischen 2020 und 2025 zugestanden. Die Entwicklungsländer, die gegenwärtig nur ca. 1 t CO2 pro Kopf und Jahr emittieren (gegenüber ca. 12 t bei den Industrie- und ca. 5 t bei den Schwellenländern), könnten nach diesen Berechnungen ihre Emissionen bis fast zur Mitte des Jahrhunderts weiter auf 2-4 t CO2 pro Kopf und Jahr steigern.
Inzwischen sind weitere Untersuchungen erschienen, die die Erreichbarkeit des 2-Grad-Ziels eher noch skeptischer beurteilen, auch weil die Emissionen in den letzten Jahren ungebrochen weiter angestiegen sind.[8][9] Die Wachstumsraten der CO2-Emissionen liegen seit 2000 bei 3,1 % jährlich, während sie in den 1990er Jahren nur 1,0 % betrugen. Die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger werden für 2012 auf 9,7 GtC geschätzt und werden damit um 58 % höher sein als 1990. Die aktuellen Emissionstrends von Kohlendioxid folgen der Obergrenze der bisherigen IPCC-Szenarien und entsprechen etwa dem Emissionspfad des neuen IPCC-Szenarios RCP8.5. Wird diese Entwicklung weiter beibehalten, muss bis 2100 mit einer Temperaturerhöhung von 4,2 bis 5 °C gerechnet werden. Ein Umstieg auf eine Entwicklung, die das 2-Grad-Ziel ermöglicht, ist theoretisch immer noch möglich. Voraussetzung wäre, dass die vier größten Emittenten China, die USA, die EU und Indien noch in diesem Jahrzehnt ihre Energiepolitik radikal umsteuerten.[8]
Dass die globale Erwärmung in diesem Jahrhundert unter der 2-Grad-Marke bleibt, ist angesichts der gegenwärtigen globalen Klimapolitik höchst unwahrscheinlich. Es ist eher davon auszugehen, dass diese Grenze schon in nächster Zukunft überschritten wird. Hinzu kommt, dass niemand mit Sicherheit sagen kann, ob ein gefährlicher Klimawandel tatsächlich bei einer globalen Erwärmung von 2 °C vermieden werden kann. Das ist nicht zuletzt deswegen zu bezweifeln, weil eine globale Erwärmung um 2 Grad ja nicht bedeutet, dass diese Grenze überall auf der Erde eingehalten wird. Die Temperaturen über den Ozeanen, wo so gut wie keine Menschen leben, werden sich wahrscheinlich deutlich weniger erhöhen, die über den Kontinenten mit ihren dichten Siedlungsgebieten werden die 2-Grad-Grenze in weiten Teilen z.T. kräftig überschreiten.[10]
Legt man bisherige Modellrechnungen auf der Grundlage der IPCC-Szenarien zugrunde, wird die 2-Grad-Grenze bei den Szenarien A1B und A2 bereits um 2050 überschritten, bei dem niedrigen B1 Szenario erst danach. Regional werden bei dem Szenario A1B weite Teile Nordasiens und der Nordosten Europas die 2-Grad-Grenze bereits zwischen 2020 und 2030 überschreiten, das restliche Asien und fast ganz Europa etwa ein Jahrzehnt später. Wenn bei dem Szenario A1B eine Zunahme der globalen Mitteltemperatur von 2 °C erreicht wird, also um die Mitte des Jahrhunderts, wird die Durchschnittstemperatur der nördlichen Hälfte Eurasiens um fast 3 °C über dem vorindustriellen Wert liegen.[10]
Es ist relativ willkürlich und lässt sich wissenschaftlich nicht begründen, die Grenze zwischen gefährlichem und ungefährlichem Klimawandel genau bei zwei Grad Erwärmung über dem vorindustriellen Klima festzulegen. Zum einen wird es, wie oben gezeigt, bei einer globalen 2-Grad-Temperaturzunahme in manchen Regionen durchaus zu Erwärmungen kommen, die deutlich darüber liegen. Zum anderen kann niemand abschätzen, welche Klimaschutzmaßnahmen in den unterschiedlichen Regionen der Erde bis dahin zur Verfügung stehen. Während etwa die Niederlande heute schon auf einen Meeresspiegelanstieg vorbereitete sind, der bei einer Erwärmung um 2 °C eintreten könnte, wird das für Bangladesch oder Ägypten wohl auch in den nächsten Jahrzehnten nicht erreichbar sein. Es ist daher nur konsequent, wenn auch nach den Möglichkeiten gefragt wird, die globale Temperaturerhöhung auf einen geringeren Wert zu begrenzen.
So hat eine Studie aus dem Jahre 2012 aufgezeigt, welche Emissionspfade erreicht werden müssten, um die globale Mitteltemperatur im 21. Jahrhundert wenigstens mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % im Schnitt nicht höher als 1,5 °C über den vorindustriellen Wert steigen zu lassen.[11] Dabei soll durchaus eine zeitweilige, d.h. weniger als 50 Jahre dauernde, und geringfügige Überschreitung dieses Wertes toleriert werden, die deutlich weniger als 0,5 °C beträgt. Der Höhepunkt der globalen Emissionen muss in diesem Fall spätestens 2015 überschritten werden, und zwar global und nicht nur für die Industrieländer wie bei der Erreichung des 2-Grad-Ziels. Danach müssen die Treibhausgasemissionen sinken und dürfen 2020 nicht höher als 44-48 Gt CO2-äq betragen. Die Spannweite ergibt sich aus der Höhe der Aerosolbelastung. Nach dem Jahr 2020 müsste dann die Emissionsrate auf 3-4 % jährlich fallen, bei einer stärkeren Reduzierung anthropogener Aerosole sogar um 5 %. Am Ende des Jahrhunderts müssten die Emissionen dann nahe Null liegen.
Die Klimakonferenzen der letzten Jahre von Kopenhagen über Cancun bis Durban lassen nicht erwarten, dass das Ziel einer 'nicht gefährlichen' Klimaerwärmung tatsächlich erreicht werden kann. Zwar ist der Verhandlungsdialog nicht abgebrochen. Vor 2015 wird es aber keinen Vertragsentwurf geben, der wiederum erst ab 2020 rechtsverbindlich werden soll. Indessen steigen die Emissionen der Treibhausgase ungehemmt weiter. Während die CO2-Emissionen in den 1990er Jahren um 1,1 % pro Jahr zunahmen, waren es im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts bereits 3,1 % pro Jahr. Nach einer leichten Abnahme 2009 infolge der Finanzkrise lag die Emissionssteigerung 2010 sogar bei 5,9 %. [12]
1. Randalls, S. (2010): History of the 2◦C climate target, WIREs Climate Change1, 598-605
2. WBGU (2009): Kassensturz für den Weltklimavertrag – Der Budgetansatz, Sondergutachten 2009, Berlin, 2009
3. Text des Vertrages der Pariser Klimakonferenz (engl.)
4. Rogelj, J.et al. (2011): Emission pathways consistent with a 2 °C global temperature limit, Nature Climate Change 1, 413-418
5. Gt=Gigatonne. Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde (109) Tonnen oder einer Billion (1012) Kilogramm.
6. Die Treibhauswirkung anderer Treibhausgase als CO2 wird zur besseren Vergleichbarkeit in CO2-Äquivalente umgerechnet.
7. Auch hier sind CO2-Äquivalente gemeint.
8. Peters, G.P., et al. (2012): The challenge to keep global warming below 2 °C, Nature Climate Change, advance online publication, doi:10.1038/nclimate1783
9. The World Bank (2012): Turn Down the Heat: Why a 4°C Warmer World Must be Avoided
10. Joshi, M. et al. (2011): Projections of when temperature change will exceed 2 °C above pre-industrial levels, Nature Climate Change 1, 407-412
11. Ranger, N., et al. (2012): Is it possible to limit global warming to no more than 1.5°C?, Climatic Change 111, 973–981
12. T.A. Boden et al. (2011): CarbonBudget 2010
Gastbeitrag aus: Klimawiki
ghovjnjv (Donnerstag, 08 September 2022 07:47)
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ubaTaeCJ (Donnerstag, 12 August 2021 08:38)
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WissensWert (Montag, 09 Januar 2017 02:20)
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwei-Grad-Ziel