Woran der "realexistierende Sozialismus" gescheitert ist, dafür kann man viele Vermutungen anführen:
1. ein Kasernensozialismus ohne "Freiheit des Andersdenkenden" muss an innerer Erstarrung scheitern (Rosa Luxemburg)
2.
einem autoritären zentralen Planer fehlt die Fähigkeit des Marktes, Myriaden an Bedürfnisinformationen zu
verarbeiten und führt somit unausweichlich zu Misswirtschaft (von Hayek /
von Mises)
3. Ohne Demokratie kein Sozialismus, ohne Sozialismus keine Demokratie. Ohne Begeisterung, ohne Motivation, ohne kollektive Aufbruchsstimmung kann ein so fundamentaler Wandel der Gesellschaftsstruktur nur misslingen. Eine Partei, die immer Recht hat und einen quasireligiösen Personenkult betreibt, kann genauso wenig in ihren Dogmen kritisiert werden wie eine Buchreligion. Kein Sozialismus kann an der Basis vorbei "konstruiert" werden.
4. ein Sozialismus in einem Land oder einem Teil der Welt steht in Konkurrenz zum Imperialismus der kapitalistischen Welt, die ihre Unterschicht auf Kosten der Ausbeutung der "Dritten Welt" und deren Umwelt "subventionieren" kann und durch den Glanz des Wohlstandes die sozialistischen Länder dazu zwingt, zu Gefängnissen zu werden.
5.
Der Rüstungswettlauf mit den imperialistischen USA (mit dem global größten Rüstungsetat durch den Weltwährungs-Dollar-Vortei
6.
Der Marxismus hat das Wachstumsdogma
unverändert vom Kapitalismus übernommen und auch die Entfremdung erst bei der Arbeit angesetzt und nicht schon bei der Entfremdung des Menschen von seiner Natur durch den Zivilisationsprozess
seit dem Wandel zur Sesshaftigkeit.
7. Produktionsmittel in der Hand der Führungsriege einer Partei ist keine "Diktatur des Proletariats" als demokratische Selbstorganisation der Wirtschaft, sondern eher ein Stamokap.
8. Die Mehrwerttheorie von Marx hat zu wenig den Aspekt erarbeitet, dass die Basis des Kapitalismus nicht die Ausbeutung menschlicher Arbeit ist, sondern ihre zunehmende Entwertung durch Vermarktung technologischen Fortschritts in der Produktion und somit die schleichende Ersetzung menschlicher Arbeit - und damit der Widerspruch zur Warenfiktion der Arbeitskraft als Grundvoraussetzung für die Inklusion als Teilhabe an gesellschaftlichen Wohlstand, Strukturen und Einrichtungen.
9. Die (umgesetzte) sozialistische Idee beachtet zu wenig das Wesen des Menschen und die Belohnung von Eigenintiative. Sie verkennt auch die korruptive Wirkung von konzentrierter Macht. Zudem kann ein sozialer Wandel nicht am Reißbrett geplant 1:1 umgesetzt werden, sondern ist ein sich stets wandelnder Prozess.
10. Wenn ein radikaler gesellschaftlicher Umbruch mit rollenden Köpfen beginnt, so wie die französische, russische oder national"sozialistische" "Revolution", dann hört das Köpferollen erst einmal nicht mehr auf - und am Ende fehlen die Köpfe, die die Sache in vernünftige Richtungen tragen.
uvm. wem fällt noch etwas ein?
Köppnick (Mittwoch, 08 Februar 2017 15:50)
Ich habe jetzt genau die Hälfte meines Lebens in der DDR und die andere Hälfte in der "BRD" gelebt. Deine Liste ist mir mehrere Tage durch den Kopf gegangen. Ich habe versucht, weitere Punkte hinzuzufügen, und auch, welche zu entfernen. Es ist mir nicht gelungen. Heute Nacht sind mir die Gründe dafür eingefallen. Jede Theoriebildung setzt eine Verallgemeinerung und das Weglassen von Ausnahmen und Spezialfällen voraus. Das bedeutet, dass keiner deiner Punkte für sich allein so recht befriedigt.
Dem (real existierenden) Sozialismus und dem später angestrebten Kommunismus liegen ebenfalls Theorien zugrunde: Über die menschliche Geschichte, über die Ökonomie und über die "richtige und gesetzmäßige" Zukunft. Und anstelle bei auftretenden Abweichungen in der Praxis die Theorien zu überprüfen und ggf. zu verwerfen, hat man mit der Brechstange versucht, die Praxis der Theorie anzupassen. Und außerdem hat man häufig bei drastische Umwälzungen in der Menschheitsgeschichte das Phänomen, dass der "Abschaum" an die Spitze der gesellschaftlichen Pyramide gelangt. Charakterlich zweifelhafte Gestalten haben wenig Skrupel, ihre egoistischen Interessen mit Gewalt durchzusetzen. (Oder wie, glaube ich, Hannah Arendt das einmal formuliert hat: In jeder deutschen Kleinstadt findet man genügend Personen, die das Wachpersonal eines KZ bilden können.)
Sehr klar und sehr früh hat Karl Popper in "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" erkannt, dass der Sozialismus (oder jede andere "Utopie") nicht funktioniert, und auch seinen Gegenentwurf formuliert: Wenn einem in der Gesellschaft etwas nicht gefällt, dann kann man eine kleine Änderung versuchen und schauen, ob sie funktioniert. Wenn ja, ist es gut. Wenn nein, dann kann man sie leicht korrigieren. Man kann nicht längerfristig in die Zukunft schauen, größere Entwürfe der Gesellschaft am Reißbrett planen und dann glauben, es würde sich alles nach diesen Vorstellungen entwickeln.
Den Hauptmangel des Sozialismus sehe ich rückwirkend in der Einschränkung der persönlichen Freiheit. Man hat den Menschen die Möglichkeit genommen, viele Entscheidungen über sich selbst zu treffen und sich angemaßt, besser als sie selbst zu wissen, was gut für sie ist. Allerdings sind diese Freiheitsrechte auch heute nicht uneingeschränkt garantiert. Damit meine ich nicht die unvermeidlichen Grenzen, die den eigenen Freiheiten gesetzt werden müssen, wenn sie mit denjenigen anderer kollidieren. Militärische, ökonomische und soziale Konflikte stellen aus der Perspektive der Benachteiligten eine Einschränkung ihrer Wahlmöglichkeiten dar. Und vermeidbare Zerstörungen der Umwelt schränken die Freiheit der Menschen ein, die erst noch geboren werden.