Als Reinkarnation (von lateinisch "re–in–carne" Wiederfleischwerdung auch Palingenese, Wiedergeburt) werden Vorstellungen verstanden, dass eine Seele sich nach dem Tod in einem anderen Wesen erneut manifestieren könne. Reinkarnation ist eng mit dem Karmagedanken verknüpft. In der Regel wird in den verschiedenen Reinkarnationslehren davon ausgegangen, dass viele tausend Verkörperungen jeder "Seele" möglich seien.
Alle Reinkarnationsmodelle unterteilen den Menschen in einen materiellen Teil "Leib" und in einen immateriellen Teil, "Seele" genannt. Dabei sei die "Seele" das Eigentliche, das den Menschen ausmache. Der Leib spiele kaum eine Rolle oder wird als etwas Negatives (bei Plato: "Kerker") gesehen. Die Seele des Menschen sei demnach unsterblich. Daher sterbe beim Tod nur der Leib, die Seele löse sich von ihm und inkarniere sich in einem neuen Leib eines Neugeborenen. Die Zeitspanne, die zwischen Tod und Neuinkarnation liegt, variiert von Modell zu Modell.
Die verschiedenen religiösen Systeme, in denen die Lehre der Reinkarnation einen wichtigen Platz hat, fühlen sich oft als eine gemeinsame Bewegung, die das Bewusstsein für Seelenwanderung in der Bevölkerung schaffe. Jedoch sind die verschiedenen Modelle sehr unterschiedlich und widersprüchlich, z.B. in den Fragen, wie viel Zeit zwischen den einzelnen Inkarnationen liege, was das Ziel der verschiedenen Erdenleben sei und wie sich das Karma auswirke. Viele derjenigen, die heute Reinkarnation propagieren, wollen bei den alten fernöstlichen Religionen wie Buddhismus und Hinduismus anknüpfen. Sie berufen sich auf diese als Autorität. Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass in den erwähnten Religionen Reinkarnation durchaus nicht als etwas Positives angesehen wird, sondern als Fluch, den es zu überwinden gelte. Die verschiedenen Erdenleben werden nicht als Spirale gesehen, die nach oben führt, sondern als ein sich (fast) ewig drehendes Rad von mühseligen, leidvollen Verkörperungen.
Untrennbar mit allen Reinkarnationsvorstellungen verbunden ist die Lehre vom Karma.
Der Reinkarnationsglaube ist in vielen fernöstlichen Religionen zu finden, so im Hinduismus, wo er sich frühestens am Anfang des ersten Jahrtausends v.Chr. durchsetzte, und im Buddhismus. Durch viele Erdenexistenzen hindurch soll der Mensch seine "Erlösung" (im Sinne der Auflösung von Atman ins Brahman) bewirken, was konkret heißt, die Kette der Inkarnationen abzubrechen. Heutzutage berufen sich Vertreter moderner Reinkarnationsvorstellungen meist zu Unrecht auf diese alten Religionen, denn im Hinduismus und Buddhismus wird im Gegensatz zu modernen Konzepten das "Immer-Wieder-Geboren-Werden-Müssen" als Fluch verstanden.
Aber diese Vorstellung hat auch eine lange Tradition im jüdisch-esoterischen Glauben der Kabbala und in der Mystik des Islam, Hinduismus und Buddismus. Auch im frühen Christentum und innerhalb der so genannten ketzerischen
mittelalterlichen Katharer spielte der Reinkarnationsgedanke eine Rolle.
Der Reinkarnationsgedanke ist bei vielen esoterischen Lehren wie der Anthroposophie, der Theosophie, dem Rosenkreuzertum vertreten sowie bei Sekten und sektenähnlichen Organisationen wie Scientology und Universelles Leben.
Der Reinkarnationsglaube ist heute die Grundlage so genannter
alternativmedizinischer Reinkarnationstherapien. Im späten 20. Jahrhundert entstanden Glaubensgemeinschaften und Sekten, in denen Reinkarnationsvorstellungen eine bedeutende Rolle spielen, darunter Universelles Leben, welche sich auf die Prophetie von Gabriele Wittek beruft, und das Neuheidentum (Neopaganismus).
Einen enormen Popularisierungsschub erfuhr das Thema Reinkarnation in den 1950er Jahren durch den Fall Bridey Murphy: Die US-Amerikanerin Virginia Tighe berichtete unter Hypnose von einer früheren Inkarnation als "Bridey Murphy" im 19. Jahrhundert in Irland, sprach dabei selbst irisch und machte erstaunlich detaillierte Angaben. Ein Zeitungsbericht darüber löste in den USA ein regelrechtes "Reinkarnationsfieber" aus und etliche Angaben Tighes konnten bei Nachforschungen in Irland bestätigt werden. Es ergaben sich jedoch auch Unstimmigkeiten und schließlich konnte der Fall weitgehend dadurch erklärt werden, dass Virginia Tighe in ihrer Jugend intensiven Kontakt mit irischen Einwanderern hatte, darunter eine Frau mit dem Geburtsnamen Bridey Murphy.
Ein neues Thema in der Reinkarnationsdebatte des 20. Jahrhunderts ist die empirische Reinkarnationsforschung innerhalb der Parapsychologie. Vertreter der Reinkarnationsforschung sind beispielweise Ian Stevenson oder der emeritierte Biomathematiker Joachim Hornung.
Manchmal wird auch "Seelenwanderung" als Synonym gebraucht. Das ist jedoch nicht korrekt, denn der Begriff "Seelenwanderung" geht von der abendländisch-westlichen Vorstellung einer individuellen "Seele" im Sinne einer unteilbaren, unverwechselbaren Persönlichkeit aus, während die fernöstlichen Vorstellungen von "Reinkarnation" gerade die Auflösung des "Selbst" erstreben. "Atman" ist gerade nicht das "individuelle Ich", das die Existenz überdauert, sondern wesensgleich mit "Brahman". "Brahman" ist die überindividuelle "göttliche" Transzendenz, an welcher Atman, das die einzelnen Existenzen durchfließt, teilhat, um am Ende der Verkörperungen ins Meer des "Brahman" zu münden und sich aufzulösen (Nichtung, Entselbstung, Nirwana als Ziel).
Häufig kann beobachtet werden, dass Menschen, die sich angeblich an eine frühere Existenz zurückerinnern, irgendeine bedeutende historische Persönlichkeit (z.B. Cäsar, Napoleon oder die Königin von Saba) gewesen sein oder ein besonderes historisches Ereignis miterlebt haben wollen. Dazu der kanadische Reinkarnationsforscher Ian Stevenson: "Wenn alle, von denen behauptet wird, sie hätten die Kreuzigung Christi in einem früheren Leben beobachtet, wirklich zugegen gewesen wären, hätten die römischen Krieger bei diesem Ereignis wohl keinen Platz mehr zum Stehen gehabt" (Wiedergeburt, 1989, 51f.). In vielen, zunächst spektakulären Fällen stellte sich hinterher heraus, dass die Angaben falsch waren oder auf Kryptomnesie beruhten. Weiter ist zu bedenken, dass aufgrund von "Rückerinnerungen" noch keine archäologischen Funde gemacht wurden und keine bisher unbekannten antiken Schriftzeichen entziffert werden konnten. Insofern blieb die Reinkarnation ein fiktives Glaubensystem.
Der Ex-Fußballer Franz Beckenbauer glaubt, bereits mehrmals gelebt zu haben, "als Tier und als Pflanze."[1]
· Inkarnation
· Rainer Schumann: Westliches und fernöstliches Menschenbild im Vergleich. Vortrag bei der Jahresfachtagung 2007 der Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus e.V.
Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP): Reinkarnation
Gastbeitrag aus: Psiram
WissensWert (Mittwoch, 07 Juni 2017 04:41)
http://www.philolex.de/wiederge.htm