„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Zoon politikon

Zoon politikon (griech. ζον πολιτικόν, „Lebewesen in der Polis­gemeinschaft“) ist einerseits ein philosophischer Fachterminus, andererseits ist der Ausdruck als Fremdwort in die deutsche Sprache eingegangen. In beiden Varianten geht es um eine Wesensbestimmung des Menschen, wie sie der antike griechische Philosoph Aristoteles insbesondere in seiner Politik vorgestellt hat.[1]

 

Für das Fremdwort Zoon politikon nennt der Duden die Bedeutung „der Mensch als soziales, politisches Wesen“.[2] Nachfolgend wird der philosophische Fachterminus behandelt. Dabei ist zu beachten, dass in der Forschung umstritten ist, wie Aristoteles den Ausdruck gemeint hat.[3] Gemäß der einen Forschergruppe (z. B. Wolfgang Kullmann) bedeutet er, dass der Mensch ein soziales, auf Gemeinschaft angelegtes und Gemeinschaft bildendes Lebewesen ist. Eine andere Gruppe von Forschern (z. B. Eckart Schütrumpf) betonen dagegen den Bezug des Menschen auf die Polisgemeinschaft.

1. Ansätze des Zoon politikon bei Platon

Platon beschreibt in seinen Werken Politikos und Phaidros den Menschen als naturgemäß politisches Wesen. Durch seine physische Herkunft ist er im Weltlich-Dämonischen verankert, während seine metaphysisch-göttliche Herkunft ihm die Möglichkeit der Entwicklung der Kardinaltugenden gibt. Durch diesen Prozess kann sich der Mensch vervollkommnen und soziale Gemeinschaften bilden. Im Staatsmann vollendet sich der Mensch als politisches Wesen. So, wie Gott für die Welt Sorge trägt, trägt der Staatsmann Sorge für die Menschen, indem er sie ordnet.

 

Die höchste Aufgabe des Staatsmannes ist die Gesetzgebung, die mit dem Staat entsteht und dessen Kontinuität gewährleistet. Durch die Erziehung werden die Bürger an die Gesetze gebunden und damit aneinander. In den Gesetzen artikuliert der Staatsmann das Schöne, Gerechte und Gute sowie deren Gegenteil, wodurch er den Menschen integriert.

 

In der Zwiefalt des menschlichen Daseins liegt somit die Ursache für den Menschen als politisches Wesen: Seine physische Herkunft macht das Sorgetragen für die eigene Existenz notwendig, während seine Herkunft aus dem Göttlichen/Metaphysischen ihn befähigt, tatsächlich Sorge tragen zu können.

2. Zoon politikon bei Aristoteles

Die Konzeption des Zoon politikon basiert auf der aristotelischen Vorstellung der Teleologie. Das jedem Dinge innewohnende Telos beschreibt seinen Daseinszweck und den Weg zur Vervollkommnung desselben. Bezogen auf das Zoon politikon ist das Telos die Erreichung des „guten Lebens“, das nur in der Polis verwirklicht werden kann. Das Telos ist jedem Menschen von Natur aus eingepflanzt, weshalb er zur Staatenbildung determiniert ist. Eine Determination der Telosentwicklung des individuellen Zoon politikon lehnt Aristoteles jedoch ab.

 

„Wie im Samen der ganze Baum veranlagt ist, so ist im Menschen der Staat veranlagt.“ Der Staat ist demnach auf metaphysischer Ebene bereits während des Naturzustandes existent und wird dadurch ausgebildet, dass das Zoon politikon sein Telos entwickelt und verwirklicht.

 

Der Wille zur Staatenbildung ist bei Aristoteles begründet durch den Willen zum Leben, da sich der Mensch trotz aller Leiden im Leben Glück und Freunde erhofft. Die Voraussetzung zur Staatenbildung ist der Besitz von Logos, mit Hilfe dessen der Mensch als sprachbegabtes sowie rationales Lebewesen (zōon logon echon) Gutes/Gerechtes und Schlechtes/Ungerechtes benennen kann. Die Fähigkeit zum „Benennen“ schließt Erkenntnisfähigkeit und Sprachfähigkeit ein, durch die der Mensch sich (neben seiner Lebensdauer, dem aufrechten Gang und der Unsymmetrie der Hälften) vom Tier unterscheidet.

 

Die Formel von der politischen Natur des Menschen bedeutet für Christof Rapp, „dass der Mensch durch seine Kooperationsbedürftigkeit, durch das Streben nach Autarkie und durch die sprachliche Kommunikationsfähigkeit seine natürlichen Anlagen am besten im Rahmen einer gesetzlich geregelten Gemeinschaft, dem Staat, verwirklichen kann.“[4]

 

Eine gewisse Relativierung erfährt die Beschreibung des Menschen als eines zoon politikon durch Aristoteles selbst,[5] indem er ausführt, der Mensch sei „aufgrund seiner Natur mehr ein zoon syndyastikón (ein für eine Gemeinschaft zu Zweien bestimmtes Lebewesen) als ein zoon politikón“.

Literatur

·       Otfried Höffe: zôon politikon, in: ders. (Hg.): Aristoteles-Lexikon, Kröner-Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-45901-9.

·       Wolfgang Kullmann: Der Mensch als politisches Lebewesen bei Aristoteles. In: Hermes 108 (1980), S. 419–443.

·       Wolfgang Kullmann: Aristoteles und die moderne Wissenschaft, Steiner, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-06620-9, S. 334–363.

·       Fleischer, Margot: Hermeneutische Anthropologie, Berlin-New York 1976.

Einzelnachweise

1.    Aristot. Pol. 1253a1-11

2.    Duden online Zoon politikon. Abgerufen am 10. Januar 2012.

3.    Vgl. z. B. Karen PiepenbrinkPolitische Ordnungskonzeptionen in der attischen Demokratie des vierten Jahrhunderts v. Chr. Eine vergleichende Untersuchung zum philosophischen und rhetorischen Diskurs, Steiner, Stuttgart 2001 ISBN 3-515-07848-7. S. 59–61.

4.    Christof Rapp: Aristoteles zur Einführung, Junius-Verlag, Hamburg 2001, S. 55.

5.    Nikomachische Ethik 1162 a

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