Der (erste) Methodenstreit spielte sich hauptsächlich im 19. Jahrhundert zwischen dem deutschen Gustav von Schmoller und dem Wiener Ökonomen Carl Menger ab. Er drehte sich v.a. um den relativen Stellenwert rational-deduktiver versus empirisch-induktiver Methoden für die Volkswirtschaftslehre. Weitere Streitpunkte waren der methodologische Individualismus versus den methodologischen Kollektivismus und die Existenz unveränderlicher Gesetzmäßigkeiten bezüglich menschlichen Handelns.
Carl Menger vertrat dabei die Österreichische Schule der Nationalökonomie und den methodologischen Individualismus, das heißt, er nahm individuelle Präferenzen als Ausgangspunkt zur Erklärung wirtschaftlicher Phänomene. Er war auch Rationalist und betonte die Eigenständigkeit der Wirtschaftswissenschaften von den Sozialwissenschaften, die nur empirisch arbeiten und einzelne Phänomene betrachten. Die Ökonomie sei dahingegen eine exakte Wissenschaft, die durch theoretische Deduktion vom Prinzip der Nutzenmaximierung aus sehr wohl zu unveränderlichen Gesetzen bzgl. menschlichen Handelns gelangen kann.
Gustav von Schmoller war ein Vertreter der (deutschen) historischen Schule der Nationalökonomie und des methodologischen Kollektivismus, er nahm also die Gesellschaft als Ganzes zum Ausgangspunkt seiner Forschungen. Dieser Standpunkt erscheint mir viel plausibler als der von Menger, da eine Volkswirtschaft mehr ist als die Summe ihrer Individuen: Ähnlich wie einzelne H2O-Moleküle für sich noch keine Wasser-Eigenschaften wie Oberflächenspannung oder Aggregatzustand besitzen und diese erst durch die Interkation untereinander erhalten, besitzt auch Volkswirtschaften emergente Eigenschaften, die sich nicht auf einzelne Wirtschaftsteilnehmer reduzieren lassen. Zu diesen Eigenschaften zählen beispielsweise dispositionelle wie die Eigenschaft der Gruppendynamik und Massenpanik. Diese emergenten Eigenschaften spielten beispielsweise bei der Finanzkrise 2007 eine erhebliche Rolle und es ist kein Wunder, dass Austrians und neoklassische Ökonomen mit ihrem mikroökomischen Fokus diese nicht antizipieren oder erklären konnten.
Im Gegensatz zu Mengers Rationalismus vertrat Schmoller einen Empirismus, nach dem Wirtschaftswissenschaften gesicherte Erkenntnisse primär (aber nicht ausschließlich!) mittels historischer Forschung und induktiven Schlüssen gewinnen. Auch dieser Standpunkt überzeugt mich mehr, da die Nationalökonomie im Gegensatz zur Mathematik eben empirische und damit variable Phänomene und keine allgemeinen Gesetzmäßigkeiten behandelt. Das Gesetz der individuellen Nutzenmaximierung mag für ein paar westliche Börsenmarkler gelten, aber es galt sicherlich nicht für einen Kohlearbeiter im kommunistischen China. Mengers apriorischer Ansatz muss scheitern, weil nationalökonomische Phänomene nie nur durch allgemeine Faktoren wie Wert und Preis verstanden werden können, sondern immer auch vor dem Hintergrund variabler Faktoren wie Sozialstrukturen und politische Verfassungen betrachtet werden müssen.
Die Annahme von unveränderlichen Handlungsgesetzen ist fortschrittsfeindlich und pseudowissenschaftlich. Sie ist fortschrittsfeindlich, da sie weitere Forschungen auf diesen Gebieten unterbindet. Die Phillips-Kurve behauptete lange Zeit einen negativen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflationsrate, bis das ein paar Forscher überprüften und herausfanden, dass dieser Zusammenhang nur kurzfristig gilt. Hätten Sie die Phillips-Kurve nach Menger als ein unveränderliches Gesetz gesehen, wäre es nie zu einem der bedeutendsten Fortschritte in der jüngeren Nationalökonomie gekommen. Ähnlich wie der Phillips-Kurve erging es auch dem Washington Consensus, der lange Zeit von IWF und Weltbank propagiert wurde. Und der von Menger angenommene Homo Oeconomicus wird gerade von der zerlegt. Erfahrungs- und damit auch wirtschaftswissenschaftliche Annahmen müssen in diesem Sinne falsifizierbar sein, da sie sich sonst gegen Kritik immunisieren und nach dem Kritischen Rationalismus als pseudowissenschaftlich gelten.