Die niedrige Entropie (respektive hohe "Ordnung") des Kosmos, die kurz nach dem Urknall vorherrschte, hat lange Zeit Rätsel aufgegeben. In dem Buch Welt ohne Gott? Eine kritische Analyse des Naturalismus operiert Markus WIDENMEYER mit verschiedenen Ordnungs-Begriffen und entwickelt daraus Argumente gegen den Naturalismus der Naturwissenschaften. Seiner Meinung nach spricht die geringe Entropie des Kosmos aus Wahrscheinlichkeitsgründen gegen den Naturalismus und für einen planenden Schöpfer. Er spricht außerdem von einer mathematischen Ordnung, die allein bereits den Naturalismus "sehr unwahrscheinlich" mache. Was es damit auf sich hat, sehen wir hiesigen Teil unserer Besprechungsreihe.
Das Universum entstand nach Auffassung vieler Physiker in einem Zustand extrem niedriger Entropie, besaß nach WIDENMEYER also bereits zu Anfang
einen hohen"Ordnungs"grad. Die Gleichsetzung von Entropie mit "Unordnung" ist, wie wir noch sehen werden, nicht besonders akkurat; genauer ist die physikalische Interpretation von
Ludwig BOLTZMANN: Wenn gesagt wird, ein System befinde sich im Zustand niedriger Entropie (z.B. ein abgeschlossener Raum in dem sich Gasmoleküle befinden), dann ist damit gemeint, dass es nur
sehr wenige energetisch gleichwertigeAnordnungen dieser Gasmoleküle (Mikrozustände) gibt. Im Extremfall drängen sich alle Gasmoleküle in einem sehr kleinen Teil des Raums oder
ein Gasgemisch entmischt sich spontan; die Entropie wäre dann besonders niedrig. Statistisch ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass dies passiert, weil die Gasmoleküle ungeordnet durch den Raum
fliegen und ihn daher weitgehend gleichförmig ausfüllen. Ein Zustand niedriger Entropie, der mit einer lokalen Verdichtung oder Konzentrierung von Gasteilchen einhergeht, hat deshalb eine
vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit.
Bei gravitierenden Systemen wie dem Universum verhält es sich genau umgekehrt – dort sorgt die Gravitation für Verklumpungen (Dichte-Inhomogenitäten), die sich im
Lauf der Zeit immer mehr verstärken. Extreme Massekonzentrationen wie Schwarze Löcher weisen daher die höchste Entropie aller bekannten Objekte im Kosmos auf: Im
thermodynamischen Gleichgewicht verkörpern sie den wahrscheinlichsten Materiezustand. Umgekehrt ist eine fast völlig gleichförmige Materieverteilung, wie sie im Urknall vorkam, gleichbedeutend
mit einem Minimum der Entropie.
Bis hierher lässt sich also sagen: Bestimmte Systeme mit vergleichsweise hoher Entropie sind wahrscheinlicher als Zustände, die eine niedrigere Entropie haben. Wenn aber eine hohe Entropie mit einem hohen Grad an Entstehungs-Wahrscheinlichkeit einhergeht, wie erklärt es sich, dass das Universum in einem Zustand extrem niedriger Entropie begann? WIDENMEYER sieht darin ein schwerwiegendes Erklärungsproblem der naturalistischen Naturwissenschaften:
"Der Zeitpfeil oder, noch grundsätzlicher, der Realisierungspfeil natürlicher, physikalischer Prozesse zeigt stets in Richtung größerer statistischer Wahrscheinlichkeit und damit größerer Unordnung des Gesamtzustands. Das gilt, wie erwähnt, für geschlossene Systeme und für das System als Ganzes. Es gilt daher auf jeden Fall für das Universum des Naturalismus. Genauso wenig können wir annehmen, dass die natürliche Ordnung schon immer vorhanden gewesen war. Es gibt hier zwei Aspekte: Wäre Ordnung schon immer vorhanden gewesen, dann müsste man eine immer größere Ordnung annehmen, je weiter man in der Zeit zurückgeht, und schließlich eine unendliche Ordnung. Dadurch wird das Erklärungsproblem aber noch gewaltiger. Der zweite Aspekt ist, dass hier die Frage nach dem wirklichen metaphysischen Grund dieser Ordnung unbeantwortet bliebe: Wenn ein Sachverhalt wie derjenige der immensen Ordnung des Kosmos sich nicht aus sich selbst heraus verstehen lässt, wird er allein dadurch, dass man sagt, er habe schon immer existiert, keinesfalls verständlicher: Wir wollen ja gerade wissen, was der metaphysische Grund der Existenz dieser Ordnung schlechthin ist. Hierfür spielt die Zeit letztlich gar keine Rolle. Die Frage angesichts einer solchen gigantischen Ordnung ist und bleibt, warum gerade eine solche Ordnung vorhanden ist und nicht irgendein ungeordneter Zustand, was um ein ebenso gigantisches Maß wahrscheinlicher wäre." (ebd., 136)
In diesem Zusammenhang kursiert immer wieder ein bestimmter Zahlenwert in den Debatten. Es handelt sich um eine Wahrscheinlichkeitsabschätzung des Physikers Roger PENROSE: Dieser hatte gezeigt, dass die fast völlig gleichförmige Anordnung der Teilchen im Raum, die kurz nach dem Urknall vorherrschte, im Vergleich zu allen übrigen Materie-Konfigurationen über alle Maßen unwahrscheinlich ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Materieanordnung und die daraus resultierende (extrem niedrige) Entropie zufällig entsteht, hat PENROSE auf 1 : 10 hoch 10123 beziffert (siehe z.B. Luke BARNES 2012):
Kein Wunder, dass WIDENMEYER diese Zahl bereitwillig aufgreift, denn die doppelte Hochzahl ist unvorstellbar riesig. Man könnte nicht einmal die Nullen dieser Zahl aufschreiben, weil sie die Zahl aller Elementarteilchen im Universum um ein Milliardenfaches übersteigen würde:
"Wir haben eben gesehen, dass schon sehr kleine Systeme, wenn sie geordnet sind, sehr große formale Unwahrscheinlichkeiten aufweisen. Es ist daher nicht überraschend, dass unser Universum einen Ordnungsgrad besitzt, der jedes Maß an menschlicher Vorstellung weit übertrifft. Der theoretische Physiker Roger Penrose hat versucht, einen entsprechenden Grad der Ordnung des physikalischen Universums (zum Zeitpunkt eines mutmaßlichen Urknalls [1]) in Zahlen zu erfassen, und den Wert auf etwa 10x mit x = 10123 geschätzt, eine Zahl mit 10123 Nullen." (ebd., 132)
Diese Zahl besagt, dass man mit sämtlichen Teilchen und Feldern im Kosmos etwa 10 hoch 10123 Mal würfeln müsste, bis sich daraus zufällig die Anordnung der Teilchen im frühen Universum ergäbe. In die Alltagssprache übersetzt bedeutet das: Die zufällige Entstehung eines weitgehend homogenen und "flachen" Raums ist unter natürlichen Bedingungen außerordentlich ungewöhnlich und unmöglich zu reproduzieren. Ist dies nicht ein starkes Indiz dafür, dass nur ein intelligentes Agens (eine Gottheit) die Anfangsbedingungen erschaffen konnte? Aus theologischer Perspektive könnte man darin ein Argument für die Existenz Gottes sehen, der wie ein kosmischer Uhrmacher das Universum im Zustand niedriger Entropie erschaffen habe:
"Das bisherige Ergebnis ist, dass die Ordnung des Universums nicht auf Grundlage seiner selbst erklärbar ist. Die einzige Möglichkeit scheint zu sein, dass dem System von außen Ordnung zugeführt wird. Da aber der Naturalismus das physikalische Universum als ein in sich abgeschlossenes System versteht, ist dieser Weg für ihn verbaut." (ebd., 136)
Ist der Schluss auf Gott hier also, wie WIDENMEYER zu glauben scheint, der Schluss auf die Erklärung beste?
Wie in den Teilen 1-3 meiner Besprechungsreihe ausführlich begründet wurde, ist dies aus mehreren Gründen nicht der Fall: Erstens ist die
"positive Komponente" des Schlusses nicht stichhaltig. Die immer gern bemühte Analogie von geordneten, niedrig-entropischen Systemen wie aufgeräumten Zimmern,
quadratisch angeordneten Bäumen einer Baumschule (WIDENMEYER 2014, 104) usw., die einen Schluss auf intelligente Planung rechtfertigen sollen, geht fehl, weil für einen Gott, der unendlich,
immateriell, nicht zeitlich und nicht räumlich ist und der Naturgesetze überschreiten und erschaffen kann, nichts aus der Erfahrung spricht. Sämtliche Analogien sind
nur im Rahmen des Naturalismus unstrittig und setzen in der Regel Erfahrungswissen voraus. Beim Überschreiten des Naturalismus muss die Analogie mit
versteckten (theologischen) Glaubensannahmen angereichert werden, damit der Schluss "funktioniert". Aber damit ist der Schluss auf Gott gerade
kein Plausibilitätsschluss mehr.
Zudem kann ein Gott, der Naturgesetze überschreiten und Universen erschaffen kann, nie eine intellektuell zureichende Erklärung sein. Mit einer
Ursache (Gott) könnte man nämlich schlicht alles "erklären": die Existenz von Universen (feinabgestimmt oder nicht), von Galaxien, Sternhaufen, Sternen, Planeten,
Leben, Geist, Bewusstsein usw. Das wäre eine höchst undifferenzierte Erklärung, da sich für das Wirken Gottes keine objektivenHandlungsgrenzen geschweige denn
empirisch begründete Vorgehensweisen angeben lassen. Es gibt daher auch keine Indizien für einen Gott – Indizien setzen differenzierte, kausale Erklärungen
voraus, die bestimmte Fälle ausschließen. Anders gesagt: Gott ist kein erklärender Satz (Explanans), der nur das erklärt, was er erklären soll.
Gott ist vielmehr ein Synonym für Magie, und wer auf etwas Magisches verweist, erklärt nichts. Ich bezeichne dies gern als die intellektuelle
Todsünde des ignotum per ignotius; dies bedeutet so viel wie: die Erklärung von etwas Unbekanntem durch etwas noch Unbekannteres.
Zurück zur Physik: Wie verhält es sich mit dem Erklärungsproblem der Entropie? Tatsächlich gab die niedrige Entropie des Universums lange Zeit Rätsel auf, sie ist
aber bereits vor Jahren von Roger PENROSE aufgeklärt worden: Anfangs besaß das Universum eine extrem niedrige Entropie, weil sich durch die enorme Ausdehnung des Raums im
Urknall zwangsläufig alle gravitativen Verklumpungen der Materie auflösten. So war es möglich, dass sich Materie und Strahlung im frühen Universum im thermalisierten
Gleichgewichtszustand befanden, wogegen sich die gravitativen Freiheitsgrade erst später durchsetzen konnten und so die Voraussetzung für die Strukturentstehung (Sterne, Planeten und Leben)
schufen (Abb. 1; PENROSE 2005, 707).
Damit ist auch die zweite Komponente des Schlusses auf Gott als Schluss auf die beste Erklärung fraglich
geworden.
Abb.1 Der, um mit WIDENMEYER zu sprechen, Grad der "Unordnung" in einem System (Entropie) kann statistisch betrachtet im Lauf der Zeit nur zunehmen (2. Hauptsatz der Thermodynamik). Wird z. B. eine Gasflasche geöffnet, verteilen sich die Gasmoleküle gleichförmig über den gesamten Raum – das thermodynamische Gleichgewicht als Zustand maximaler Entropie wird erreicht (oben). Bei großen gravitierenden Systemen wie dem Universum führt dagegen die Schwerkraft zu lokalen Verklumpungen eines zunächst fast homogenen Gases (unten) – so sind die Sterne und Galaxien entstanden. Mit der Gravitationswirkung geht, was lange nicht bekannt war, eine Zunahme der Entropie einher. Nach PENROSE (2005, 707).
Um den Sachverhalt mit GAßNER & LESCH (2014, 65) zu formulieren:
"Die Expansion des quantenmechanischen Vakuums verstärkt sich gravitativ immer weiter. Dieses exponentielle Wachstum bläht tatsächlich das Universum innerhalb der unvorstellbar kurzen Zeit von 10–30 Sekunden um den noch weniger vorstellbaren Faktor 1050 auf. Dies ist der lautlose Knall des Urknalls. Nach wie vor ist das Universum nicht gefeit gegen eine Energieinsolvenz … Jeden Augenblick könnte alles Bemühen wieder zu Nichts vergehen. Diesmal jedoch erwirtschaftet der Phasenübergang genügend Energie, um den Kredit zu tilgen. Den Überschuss legt das Universum an in Sachwerte: in Elementarteilchen. Die Entropie steigt mit der Entstehung dieser 1080 Elementarteilchen drastisch an, der expandierende Raum zwischen ihnen verteilt sie jedoch nahezu homogen im Universum. Genau an dieser Stelle wird sie aufgezogen, die Uhr unseres Universums, denn diese Gleichverteilung bildet zusammen mit der Gravitationskraft jenen Zustand extrem niedriger Entropie, den wir über Jahrmilliarden allmählich erhöhen können." (Hervorhebung nicht im Original.)
Damit ist Widenmeyers Entropie-Argument gescheitert, denn alle relevanten Parameter wie Entropie, Enthalpie und die Energiedichte des frühen Universums resultieren aus der anfangs enormen
Ausdehnung von Raum und Zeit.
Richtig ist zwar, dass es für einen solchen inflationären Kosmos passende Anfangsbedingungen braucht. (Für Experten: Die Potenzialkurve des
Inflaton-Feldes muss beispielsweise sehr flach sein.) Aber als Wahrscheinlichkeit für die Realisierung dieser Bedingungen kann man nicht einfach die oben genannte PENROSE-Zahl hernehmen, weil
diese lediglich die a priori "unwahrscheinliche" Materieverteilung unter der unrealistischen Annahme beschreibt, dass diese zufällig zustande
kam.
Die spannende Frage wäre also, wie wahrscheinlich die Anfangsbedingungen für einen solchen Kosmos sind. Und es hat nicht an Versuchen gefehlt, die
Wahrscheinlichkeit zu quantifizieren. Nach Ansicht des Physikers Paul STEINHARDT (2011) ist ein Universum ohne Inflation um den Faktor 10100 wahrscheinlicher als eines mit
Inflation. Aber solche Wahrscheinlichkeitsberechnungen kann man nicht wirklich durchführen, solange man nicht weiß, ob eine "gute" Inflation durch einen (unbekannten) Mechanismus erzeugt wurde
und falls nicht, wie viele freie Parameter es gab und um welche Werte sie schwanken konnten, damit Leben möglich ist. Die Kosmologie muss derzeit einräumen, dass diese Fragen nicht geklärt sind –
wir wissen ja noch nicht einmal, ob unser Kosmos der einzige ist, der existiert. Geht man davon aus, dass das Universum anfangs keine Grenze besaß und keinen singulären Rand
(no-boundary-Bedingung), braucht man nicht einmal ein Inflatonfeld zu postulieren, um den Urknall zu erklären (BOJOWALD & VANDERSLOOT 2003; HWANG & YEOM 2014).
Damit ist WIDENMEYERs Wahrscheinlichkeitsargument der Boden entzogen, weil wir dafür über Wissen verfügen müssten, das wir nicht haben.
Seinen überzogenen Anspruch gezeigt zu haben, dass mit der naturalistischen Weltsicht sehr geringe Wahrscheinlichkeiten einhergehen, oder den "Denkrahmen" des
Naturalismus gar "widerlegt" zu haben (ebd., 10), kann er nicht einlösen. Er müsste nicht nur alle kosmischen Anfangs- und Randbedingungen kennen, unter denen Leben im Universum entstehen kann,
er müsste auch zeigen, dass diese Bedingungen praktisch nicht realisierbar waren.
Überhaupt: Nach Maßgabe welcher Prinzipien soll ein naturgesetzlich strukturierter Anfangszustand (Quantenvakuum) "unwahrscheinlich" sein – könnte man das nicht
mit derselben Berechtigung auch für den hochstrukturierten Geist Gottes behaupten?
Selbst Joachim SOHNS (2015), selbst kein Naturalist, sondern ein der evangelikalen WORT-UND-WISSEN- Studiengemeinschaft nahestehender Physiker,
hält WIDENMEYERs Entropie-Diskussion für völlig unbrauchbar. Er schreibt:
"Bei der Verwendung von Wahrscheinlichkeiten in der Physik und insbesondere im Zusammenhang mit der Entropie gibt es konzeptionelle Probleme und unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten. Die Entropie wurde ursprünglich für Systeme definiert, die aus sehr vielen gleichartigen Komponenten bestehen und sich im thermischen Gleichgewicht befinden. Ein klassisches Beispiel in Lehrbüchern ist ein Gas. Die Definition und Bedeutung der Entropie und verwandter Größen ist unter diesen Randbedingungen recht klar. Es ist aber auch unter Experten umstritten, ob und inwieweit diese Definition auf beliebige andere Systeme angewendet werden kann. Es gibt z.B. unterschiedliche Meinungen darüber, ob es sinnvoll ist, dem Universum als Ganzem eine Entropie zuzuweisen oder nicht."
Selbst
wenn das Universum im Ganzen eine Entropie besitzen sollte (wovon wir hier einmal ausgehen), taucht diese erst mit der Entstehung von Raum und Zeit auf. Folglich braucht dem ursprünglichen
Quantenvakuum (dem Keim, aus dem unser Kosmos entstand) nicht unbedingt eine Entropie oder Entstehungswahrscheinlichkeit zugeschrieben werden, denn dieses Quantenvakuum wäre bestimmten Modellen
zufolge "… völlig in sich abgeschlossen und keinerlei äußeren Einflüssen unterworfen. Es wäre weder erschaffen noch zerstörbar. Es würde einfach SEIN" (HAWKING 1988, 173).
Zusammenfassend lässt sich festhalten:
Ein sich gesetzmäßig verhaltender Anfangszustand der Welt geht nicht zwangsläufig mit einer hohen Unwahrscheinlichkeit einher. SOHNS (2015), der weit davon
entfernt ist, dem Naturalismus das Wort zu reden (er begrüßt sogar ausdrücklich "das Anliegen des Autors, auf die Grenzen des Naturalismus hinzuweisen") und hat selber schon eine Publikation in
einem evangelikalen Verlag veröffentlicht und über WORT UND WISSEN vertrieben, bezeichnet WIDENMEYERs Argumentation als "verkürzend und damit irreführend".
Für WIDENMEYER ist dies eine Blamage, denn es zeigt sich, dass nicht einmal reflektiert denkende Evangelikale seinen radikalen Denkansatz für konsistent
halten.
Probleme ergeben sich auch aus dem wissenschaftlich unpräzisen, teils
widersprüchlichen Ordnungsbegriff WIDENMEYERs. So wird der Begriff "Ordnung" auf alles Mögliche angewendet, beispielsweise auf:
• die Naturgesetze (Ordnung-1),[2]
• die Strukturbildung im Universum (Ordnung-2),[3]
• Systeme mit niedriger Entropie (Ordnung-3),[4]
• die Mathematik (Ordnung-4),[5]
Problematisch ist, dass sich die verschiedenen Ordnungsbegriffe teils gegenläufig
verhalten: Kurz nach dem Urknall, als alle Teilchen weitgehend gleichförmig den Raum ausfüllten, gab es noch keine Strukturbildung (d.h. fast keine Ordnung-2), was für
gravitative Systeme gleichbedeutend ist mit einer niedrigen Entropie (einer hohenOrdnung-3). Im hochsymmetrischen Zustand des Urknalls gab es lediglich eine Urkraft, die durch einige
wenige Symmetrieprinzipien und Gesetzesaussagen beschrieben werden kann, demzufolge also nur eine geringe Ordnung-1 und Ordnung-4. Erst im Zuge fortschreitender Expansion und Abkühlung entstanden
Strukturen, zu deren Beschreibung es mehr Gesetzesaussagen und Mechanismen braucht (Erhöhung von Ordnung-1 bzw. Ordnung-4). Gravitativ bedingte Strukturbildung (Stern- und Planetenentstehung)
bedingt die Zunahme von Ordnung-2, geht aber mit einer Abnahme von Ordnung-3 einher. Die Emission von Sonnenenergie wiederum verringert den Grad der Ordnung-3, ermöglicht auf der Erde aber eine
komplexe Chemie (hohe Ordnung-2) sowie eine Zunahme von Ordnung-1, usw.
Welcher Ordnungsgrad taugt nun also für den Nachweis, dass der Naturalismus "sehr Unwahrscheinliches" behauptet?
Ein anderes Beispiel: WIDENMEYER erwähnt die Umwandlung von Masse in Energie gemäß Einsteins Theorem E=mc²:
"Es ist wichtig zu sehen, dass bei dieser Umwandlung weder Masse noch Energie verlorengeht. Das, was sich bei diesem Vorgang lediglich ändert, ist der Grad der Ordnung des Systems. Dieser nimmt sehr stark ab: Die Ordnung, die die atomare Struktur dieses Gramms Stoff ausgemacht hat, wird vernichtet und die Energie, die in dieser Ordnung in hochkonzentrierter Form gleichsam eingeschlossen war, freigesetzt. Zum Beispiel wird bei der Kernfusion ein Teil der Masse-Energie des Wasserstoffs in freigesetzte Masse-Energie umgesetzt." (ebd., 131f.)
Energetisch begünstigt ist aber nicht nur die Fusion kleiner, sondern auch die Spaltung schwerer Atomkerne jenseits von Eisen. Da in beiden
Fällen Bindungsenergie freigesetzt wird, in der Summe aber weder Masse noch Energie verloren geht, müsste nach WIDENMEYER sowohl die Verschmelzung zweier Atomkerne zu einem größeren Kern als auch
die Spaltung eines größeren Atomkerns in zwei kleinere Kerne zu einer "Vernichtung" struktureller Ordnung (Ordnung-2) führen. Das ist freilich physikalischer Unsinn, denn im erstgenannten Fall
nimmt die Entropie ab (Ordnung-3 nimmt zu), im zweitgenannten Fall, der Kernspaltung, nimmt sie aber zu (entsprechend nimmt Ordnung-3 ab).
Der scheinbare Widerspruch, dass die Ordnung, je nach Definition, mal hoch und mal niedrig ist, hat seinen Ursprung in der unreflektierten Gleichsetzung von
Entropie mit Unordnung einerseits und "Struktur" bzw. "Naturgesetzlichkeit" mit "Ordnung" und "Unwahrscheinlichkeit" andererseits. Dieses
begriffliche Wirrwarr, das keiner naturwissenschaftlichen oder philosophischen Prüfung standhält, taugt folglich auch nicht zur Widerlegung des Naturalismus.
Auch diesbezüglich zieht der evangelikale Physiker Joachim SOHNS ein erfreulich klares Resümee (Hervorhebung im Schriftbild nicht im Original):
"Manche der Systeme, die Widenmeyer als Beispiele für ‚Ordnung‘ nennt (z.B. Aufbau eines Atoms), lassen sich
besser mit dem Begriff Struktur beschreiben. Es gibt Systeme, in denen ein Zustand mit Strukturen (bzw. mit höherer Ordnung) eine niedrigere Entropie aufweist. Entropie ist deshalb nicht in jedem
System gleichbedeutend mit Unordnung … Zur Berechnung der Entropie muss die Summe über ein sogenanntes Ensemble gebildet werden. Dieses Ensemble umfasst die Menge aller möglichen Systeme mit
einem vorgegebenen Makrozustand. Befindet sich ein System weit außerhalb des thermischen Gleichgewichts und liegt auch kein lokales Gleichgewicht vor, dann ist der Makrozustand nicht eindeutig
definiert. Es gibt Spezialfälle für Nicht-Gleichgewichtssysteme, in denen ein Makrozustand auf andere Weise definiert werden kann als im Gleichgewicht. Aber nicht für jedes beliebige System ist
die Entropie eindeutig definiert. Widenmeyers Argumentation beansprucht Allgemeingültigkeit, genau diese Allgemeingültigkeit ist jedoch nicht gegeben …
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Argumentation formale Fehler enthält und wichtige konzeptionelle Probleme verschwiegen werden. Gemessen an dem Anspruch, den Naturalismus zu widerlegen, ist das definitiv zu wenig."
Ein merkwürdig anmutender Begriff ist der
der mathematischen Ordnung:
"Genauso wenig kann man die Ordnung des Universums (oder gar das Universum überhaupt) aus der Mathematik heraus erklären. Das geht allein deshalb nicht, weil mittels der Mathematik natürlich nicht erklärt werden kann, warum das Universum überhaupt einer mathematischen Ordnung folgt. Dass das Universum einer mathematischen Ordnung folgt, macht den Naturalismus bereits sehr unwahrscheinlich. Darüber hinaus kann die Mathematik auch nicht erklären, warum es nun genau einer solchen mathematischen Ordnung folgt, wie sie für ein Universum wie das unsere nötig ist, und nicht einer von praktisch unendlich vielen anderen." (ebd., 142f)
Die Aussage, dass die Welt einer "mathematischen Ordnung folge", kann man entweder metaphorisch verstehen, dann ist sie harmlos. Oder man versteht sie im platonischen Sinn, wonach die Gesetze der Mathematik etwas real Gegebenes, mehr oder weniger Geordnetes seien und mit den Strukturen der Welt in irgendeiner Beziehung stehen. Können mathematische Terme aber überhaupt eine Ordnung haben? Welche Ordnung soll beispielsweise die folgende Gleichung besitzen?
Was
sagt diese Gleichung überhaupt aus? Für sich genommen rein gar nichts! Man kann diese Gleichung als Formel zur Berechnung der Oberfläche eines
Schwarzen Lochs interpretieren, man kann sie aber auch als Formel zur Berechnung seiner Entropie ableiten. Oder man deutet die Formel als etwas komplett
anderes, beispielsweise als dimensionslose Kennzahl oder als System-Konstante.
Gäbe es tatsächlich eine mathematische Ordnung, die in Beziehung zu den realen Verhaltensstrukturen dieser Welt steht, dann dürfte die Bedeutung einer
Gleichung nicht vom Interpretationsgehalt – also von der Semantik – abhängen. Denn Ordnung ist ein ontologischer Begriff, der
etwas Subjektunabhängiges beschreibt und somit von der Semantik oder der Analysenebene unabhängig ist. Das ist hier nicht der Fall.
Mit anderen Worten: Mathematische Gleichungen, Eichtheorien und Symmetrieprinzipien, sind reine Beschreibungsmittel – menschliche
Phantasieprodukte wenn man so will, die man auf Teile der "geordneten" Wirklichkeit anwenden kann, die aber selbst keinerlei Ordnung besitzen.
Wir hatten bereits in Teil 1 unserer Besprechungsreihe (Abschnitt 2: "Das innere Wesen der Dinge") gesehen, dass WIDENMEYER aufgrund seiner idealistischen
Metaphysik dazu neigt, reine Abstrakta wie etwa den Begriff der Material-Eigenschaft, den Sammel-Begriff "Materie", den Begriff der "Substanz" usw.
zu verdinglichen (im Fachjargon nennt man diesen Kategorienfehler Reifikation) und dann auf den Naturalismus anwendet, um ihn zu kritisieren. Diese Strategie
wendet er nun offensichtlich auch auf die Mathematik an, indem er von einermathematischen Ordnung fabuliert und sie mit realen Dingen wie dem Universum in
Beziehung setzt, das angeblich dieser "Ordnung" folge und den Naturalismus "bereits sehr unwahrscheinlich mache".
Hier setzt völlig der wissenschaftsphilosophische Herzschlag aus. Es ist nicht zu begreifen, weshalb ausgerechnet eine Ordnung der Mathematik (die es nicht gibt)
den Naturalismus unwahrscheinlich machen soll. Bei der Frage der Entropie war WIDENMEYERs Fragestellung noch im Grundsatz nachvollziehbar – aber was sollen von Menschen erdachte
Beschreibungsmittel mit dem Naturalismus zu tun haben?
Eine mögliche "Antwort" dazu findet sich auf S. 122:
"[D]as physikalische Universum [ist] genau so eingerichtet, dass die Dinge in ihm … bestimmten mathematischen Beziehungen gehorchen, die mit Geist begabte Wesen unabhängig von der entsprechenden empirischen Forschung entdecken können. Dafür gibt es beeindruckende wissenschaftshistorische Zeugnisse. Ein Beispiel ist die Entdeckung der nicht-euklidischen Geometrie, also eines gewissermaßen gekrümmten, mathematischen Raumes durch Carl Friedrich Gauß und andere Anfang des 19. Jahrhunderts."
Dieser Abschnitt enthält aus materialistischer Sicht mehrere ontologische Missformulierungen. Erstens: Dass das Universum eingerichtet ist, setzt
den intentionalen Begriff der Einrichtung bereits voraus – ein klassischer Zirkelschluss also. Zweitens: Die nicht-euklidische Geometrie wurde nicht entdeckt,
sondern konstruiert, von Carl Friedrich GAUß und Bernhard RIEMANN. Was (später) entdeckt wurde, ist das Verhalten von Licht und anderen Dingen in der Nähe großer Massen, das mit der
euklidischen Geometrie nicht mehr hinreichend genau beschreibbarwar. Dann hat man ein anderes Beschreibungsmittel ausprobiert, das besser mit den Beobachtungen
korrespondiert. Entsprechend ist die Adäquatheit der Allgemeinen Relativitätstheorie größer als jene der NEWTONschen Physik. Es gilt also, die Begrifflichkeiten genau zu analysieren, sonst
entstehen schwerwiegende Kategorienfehler, die zwar das zu "belegen" scheinen, was belegt werden soll, im Grunde aber schon in den (fehlerhaften) Prämissen enthalten ist.
Freilich ist es legitim, sich gemäß WIDENMEYER (S. 198) darüber zu wundern, weshalb die physikalische Weltmathematisch beschreibbar und rational
verstehbar ist. Dieser Frage müssen sich die Naturalisten stellen – und sie haben es längst getan (etwa KANITSCHEIDER 2013). Problematisch ist aber die ätzende Tendenz des Autors,
philosophische Fragen, die der Naturalismus aus seiner Perspektive noch nicht zureichend beantwortet habe, sogleich mit einer Unwahrscheinlichkeitsbehauptung zu verknüpfen und (gemäß dem
Fehlschluss des argumentum ad ignorantiam) in ein Argument gegen den Naturalismus und für den Supranaturalismus umzumünzen.
Zudem ist die Frage nach der Mathematisierbarkeit der Welt aus naturalistischer Sicht alles andere als unerklärt geblieben. Aus Sicht eines (gemäßigten)
Konstruktivismus ist es kein Wunder, dass sich die Welt mathematisch beschreiben lässt. Bereits KANT war sich darüber im Klaren, dass wir die Welt durch die Brille unseres Wahrnehmungsapparats
sehen. Wir erkennen also schlussendlich die subjektunabhängige Wirklichkeit nicht, wie sie wirklich ist, sondern nur das, was unser Erkenntnisapparat mit den Sinneseindrücken anstellt. Und diese
Brille, die bestimmte neuronalen Aktivitätsmuster hervorbringt, gehorcht bestimmten "Bildungsregeln". Nicht verwunderlich also, dass auch unser Weltbild bestimmten, mathematischen
"Bildungsregeln" folgt und nach logischen Kriterien funktioniert.
Werden die Strukturen der subjektunabhängigen Wirklichkeit nicht adäquat mithilfe der neuronalen "Logik" abgebildet, dann erleben wir beispielsweise optische
Täuschungen, Halluzinationen oder Desorientierung. Warum wir nicht ständig halluzinieren und uns täuschen, liegt auf der Hand: Unsere neuronalen Erregungsmuster und das daraus generierte Weltbild
müssen überlebensadäquat sein. Doch wer oder was garantiert die Überlebensadäquatheit unserer Wahrnehmungen und Erkenntnisse? Dafür braucht es keinen Gott, denn es genügt
ein einfacher Selektionsmechanismus, der mithilfe der Evolutionären Erkenntnistheorie beschrieben wird – doch dazu mehr in einem späteren Teil unserer
Besprechungsreihe. Hier nur so viel:
"Der Biologe George Gaylord Simpson (1902-1984) formuliert es kurz, aber treffend: »Der Affe, der keine realistische Wahrnehmung von dem Ast hatte, nach dem er sprang, war bald ein toter Affe – und gehört daher nicht zu unseren Urahnen.« Unsere vergleichsweise gute räumliche Wahrnehmung verdanken wir also unseren baumbewohnenden greifkletternden Vorfahren. So können wir auch andere kognitive Leistungen erklären." (VOLLMER 2001, 37).
Der Mathematiker David HILBERT sagt, die Mathematik sei lediglich ein formales Spiel, das bestimmten Regeln folgt. Wäre sie nicht auf die Welt anwendbar, müssten wir die Regeln des Spiels ändern oder ein anderes "Sprachspiel" erfinden. So wie die Alltagssprache und die aristotelische Logik in der Atomphysik versagt haben und neue Wege einer Quantenlogik und Metamathematik beschritten werden mussten, so deutet sich an, dass konventionelle mathematische Methoden versagen, wo die Theorie vom ganz Großen mit der Theorie des ganz Kleinen kombiniert werden muss. Gegebenenfalls müssen zur Beschreibung quantengravitativer Prozesse abermals ganz neue mathematische oder gar metamathematische Konzepte entwickelt werden. Gut möglich auch, dass wir niemals in der Lage sein werden, bestimmte Eigenschaften der Welt bzw. des Universums mathematisch zu beschreiben. Schließlich ist unser Gehirn ein Überlebensorgan, nicht primär ein Organ des Erkennens. Aus naturalistischer Sicht ist dies verständlich: Unser Gehirn hat sich an die Gegebenheiten des Mesokosmos angepasst. Strukturen im ganz Großen und ganz Kleinen brauchen wir für das Überleben nicht zu erkennen. Deshalb wurde unser Gehirn in der Evolution nicht ausreichend "verdrahtet", um einen Quantenkosmos konsistent zu beschreiben. Es reicht völlig, wenn wir die Dimensionen, in denen sich ein Fressfeind oder Fortpflanzungspartner aufhält, adäquat beschreiben können.
Entgegen
WIDENMEYER ist die Existenz einer geordneten Welt aus naturalistischer Perspektive nicht per se unwahrscheinlich. Seinen überzogenen Anspruch gezeigt zu haben, dass mit der naturalistischen
Weltsicht sehr geringe Wahrscheinlichkeiten einhergehen, kann er nicht einlösen. Er müsste nicht nur alle kosmischen Anfangs- und Randbedingungen kennen, unter denen Leben im Universum entstehen
kann, er müsste auch zeigen, dass diese Bedingungen praktisch nicht realisierbar waren.
Sein Entropie-Argument muss als gescheitert gelten, denn alle relevanten Parameter wie Entropie, Enthalpie und die Energiedichte des frühen Universums resultieren
aus der anfangs enormen Ausdehnung von Raum und Zeit. Die daraus resultierende weitgehend gleichförmige Verteilung der Materie bildet zusammen mit der Gravitationskraft jenen Zustand extrem
niedriger Entropie, der über Jahrmilliarden allmählich erhöht werden und zur Strukturbildung im Universum genutzt werden kann. Was man lange Zeit nämlich nicht wusste: Mit der Gravitationswirkung
geht eine Zunahme der Entropie einher.
Davon abgesehen kann der liebe Gott aus nachvollziehbaren Gründen niemals die "beste Erklärung" für etwas sein: Der Verweis auf einen Gott ist ja nichts
anderes als der Verweis auf Magie. Dies ist die intellektuelle Todsünde designotum per ignotius.
Selbst der Physiker Joachim SOHNS, weit davon entfernt, dem Naturalismus das Wort zu reden (er begrüßt sogar ausdrücklich „das Anliegen des Autors, auf die
Grenzen des Naturalismus hinzuweisen“) und hat selber schon eine Publikation in einem evangelikalen Verlag veröffentlicht sowie über WORT UND WISSEN vertrieben, bezeichnet WIDENMEYERs
Argumentation als "verkürzend und damit irreführend". Für WIDENMEYER ist dies eine Blamage, denn es zeigt sich, dass nicht einmal reflektiert denkende Evangelikale seinen radikalen Denkansatz für
konsistent halten.
Im Weiteren benutzt WIDENMEYER mehrere, sich teils gegenläufig verhaltende Ordnungsbegriffe. Sein begriffliches Wirrwarr, das keiner naturwissenschaftlichen oder
philosophischen Prüfung standhält, taugt ebenfalls nicht zur Schwächung des Naturalismus. Auch diesbezüglich spricht SOHNS erfreulich klare Worte.
Generell problematisch ist die Tendenz des Autors, philosophische Fragen, die der Naturalismus aus seiner Perspektive noch nicht zureichend beantwortet habe,
sogleich mit einer Unwahrscheinlichkeitsbehauptung zu verknüpfen und (gemäß dem Fehlschluss des argumentum ad ignorantiam) in ein Argument gegen den Naturalismus und für den
Supranaturalismus umzumünzen.
[1] Nebenbei bemerkt ist die Formulierung "mutmaßlicher Urknall" entlarvend, weil sie dafür spricht, dass
WIDENMEYER die Urknalltheorie ablehnt. Dass es einen Urknall gab, ist empirisch aber so gut belegt wie die Annahme, dass die Erde Kugelgestalt hat – unabhängig davon, ob man den Kosmos als eines
übernatürlichen Anstoßes bedürftig wähnt. Dies legt wiederum nahe, dass WIDENMEYER ein unnötiges Vorhutgefecht betreibt, denn in Wahrheit scheint ihm daran gelegen zu sein, die evangelikale
Bibelinterpretation salonfähig zu machen, die nicht nur die Faktizität der Evolution, sondern auch des Urknalls leugnet. Damit überreizt er aber seinen Ansatz: Selbst wenn alle Argumente des
Autors folgerichtig und beweiskräftig wären (was sie nicht sind), wäre bestenfalls der Deismus von Gottfried Wilhelm LEIBNIZ gestützt, wonach Gott macht, dass sich die Dinge von allein entwickeln
(evolvieren).
[2] "Ordnung der Naturgesetze" bzw. "naturgesetzliche Ordnung", s. S. 132 und 134.
[3] "strukturelle Ordnung", s. S. 12.
[4] "Negentropie", s. S. 134ff.
[5] "mathematische
Ordnung", s. S. 87, 143, Klappentext.
BARNES,
L. (2012) In defence of the fine-tuning of the universe for intelligent life. https://letterstonature.wordpress.com/2012/05/02/in-defence-of-the-fine-tuning-of-the-universe-for-intelligent-life/
Zugr. a. 24.02.2015.
BOJOWALD, M. & VANDERSLOOT, K. (2003) Loop Quantum Cosmology, Boundary Proposals, and Inflation.
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Gastbeitrag von: Martin Neukamm (Buch)
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