Aristoteles führt in der Physik, Kapitel II 3, die Unterscheidung von vier Ursachenbegriffen ein:
(1) Formursache (causa formalis)
(2) Stoffursache (causa materialis)
(3) Wirkungsursache (causa efficiens)
(4) Zweckursache (causa finalis)
Etwas, eine Ursache, bewirkt etwas anderes. Soweit kennen wir den Ursachebegriff und leuchtet er uns ein, nur, dass der Begriff bei Aristoteles viel umfangreicher war als im heutigen Sprachgebrauch. Was wir heute als Ursache verstehen, war bei Aristoteles nur eine, nämlich die Wirkungsursache, von vieren. Daneben kannte er die Form-, Stoff-, und Zweckursache.
Diese weiteren Vorstellungen darüber, was eine Ursache sein kann, sind uns aber wie gesagt nicht geläufig. Deshalb möchte ich sie am Beispiel einer Statue erläutern, wie es auch Aristoteles selbst verwendete. Das heißt, zuerst gibt es noch keine Statue, zuerst gibt es nur die Idee davon. Die Status muss erst gebaut werden. Was sind die Ursachen für diese Statue? Die Stoffursache ist der Steinblock, aus dem die Statue gehauen wird. Die Idee (z.B. Gedanke oder Plan), nach dem die Statue gehauen wird, ist deren Formursache. Damit sind wir auch schon bei der Wirkungsursache, dem Bildhauer. Er realisiert die Form auf Basis des Stoffes. Und was ist jetzt noch die Zweckursache? Das ist der Zweck, der mit dem Bau der Statue verfolgt wird, zum Beispiel die Huldigung eines Kriegshelden.
Die Formursache (griechisch: τὸ τί ἦν εἶναι, οὐσία) ist die Form, das Urbild oder das Denken von etwas und für die wesentliche Was-es-heißt-dies-zu-sein Bestimmung dieses Etwas verantwortlich. Das, was aus dem Stein gehauen wird, ist eine Statue, weil es seiner Form nach das ist, was es heißt, eine Statue zu sein.
Die Stoffursache, auch Materialursache (griechisch: τὸ ἐξ οὗ, ὕλη) ist der Stoff oder das Material, d.h. das Gegebene, woraus etwas besteht bzw. zusammen mit den anderen drei Ursachen entsteht. Im Fall der Statue ist die Stoffursache das Gestein.
Die Wirkungsursache, auch Bewegungsursache (griechisch: ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς κινήσεως) ist die wirkende Ursache, der Impuls, von dem eine Veränderung ursprünglich ausgeht. Der Bildhauer ist die Wirkungsursache für unsere Statue. Nach heutigem Sprachgebrauch würden wir nur die Wirkungsursache als echte Ursache betrachten, alle anderen drücken mehr eine Modalität (wie etwas ist bzw. wird), denn eine Kausalität (warum etwas ist bzw. wird) aus.
Die Zweckursache, auch Zielursache (griechisch: τὸ τοῦ ἕνεκα, τέλος) ist die Absicht, das Ziel, der Zweck, mit dem etwas geschieht. Wird die erwähnte Statue mit dem Zweck gehauen, nachher einmal einen Kriegshelden zu portraitieren bzw. zu huldigen, ist dies ihre Zweckursache.
Die Vorstellung von der Zweckursache ist für uns heute die befremdlichste, weil in unserem Weltverständnis nur Lebewesen Zwecke im Sinne von Intentionen verfolgen können. Alles andere geschieht einfach. Für die Antiken Griechen jedoch war die Welt noch teleologisch gestrickt, d.h. alles in ihr geschah aus einem Zweck und Ziel heraus.
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Leidi (Mittwoch, 30 Januar 2019 15:15)
Sehr guter Beitrag zu diesem spannenden Thema, danke!!
Loro (Montag, 30 Dezember 2019 23:23)
Wie kann man denken, dass alles "einfach so geschieht"? Genau durch eine solche Denkweise entstehen die hefstigsten Probleme auf der Welt, wie Eogismus, Ungleicheiten unter den Menschen usw. Wenn wir als Menschheit kein gemeinsames Ziel finden, wenn wir nicht ein an die Welt angepasstes Menschenbild sehen können, dann wird immer mehr alles "einfach so laufen", unser Handeln hätte keine Bedeutung und es gäbe keine Sinnhaftigkeit der Veränderung im Leben. Die moralischen Ursachen liegen in der Zukunft, denn sie können von uns im Jetzt noch nicht ganz erfüllt werden. Wir arbeiten darauf hin, sie zu erfüllen und doch kommen sie uns aus der Zukunft entgegen.
lara (Donnerstag, 18 November 2021 08:30)
wir brauchen aristoteles lehre aber es ist unmöglich es zu finden bei euch! Ich habe jetzt irgendwo anders gucken!