Obwohl die CO2-Emissionen des Luftverkehrs lediglich 2,2% der von Menschen verursachten Emissionen ausmachen (weniger als der Straßen- und Schiffsverkehr), wird er im Zusammenhang mit dem Klimawandel oft problematisiert. Dies scheint aus mindestens drei Gründen gerechtfertigt:
1. Die CO2-Emissionen sind nur einer von vielen Einflüssen des Luftverkehrs auf das Klima. Es wird geschätzt, dass der Strahlungsantrieb, also die Änderung der Strahlungsbilanz an der Tropopause, deutlich mehr ausmacht als der reine Treibhauseffekts durch CO2. Zusätzlich werden nämlich Stickoxide (NOX) emittiert, die in die Chemie der Atmosphäre eingreifen und so zu Ozonbildung und Methanabbau führen (beides sind starke Treibhausgase). Auch Aerosole üben einen Einfluss aus, und zwar sowohl durch ihren direkten Effekt des Rückstreuens von Sonnenlicht, als auch über indirekte Effekte, die die Eigenschaften von Wolken verändern. Schließlich existiert noch eine direkte Beeinflussung der Wolken, denn Flugzeuge verursachen Kondensstreifen und beeinflussen die Bildung von Zirren (hohen, dünnen Eiswolken).
2. Der Flugverkehr ist ein stark wachsender Wirtschaftssektor, der etwa doppelt so schnell wächst wie die Weltwirtschaft.[1] In den letzten Jahrzehnten wuchs er kontinuierlich, nur kurz unterbrochen durch den Golfkrieg Anfang der 90er Jahre und die Terroranschläge in den USA 2001. Nicht zuletzt durch die so genannten Billigflieger steigen die Passagierzahlen auch zur Zeit an und es wird allgemein davon ausgegangen, dass sich dieser Trend in Zukunft fortsetzt. Der Anteil der Luftfahrt am Treibhauseffekt würde damit deutlich steigen. Zwar wird von Seiten der Fluggesellschaften oft darauf hingewiesen, dass sich die Effizienz der Maschinen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert hat. Allerdings ändert diese Entwicklung nichts daran, dass der absolute Kerosinverbrauch und damit der Ausstoß von Treibhausgasen dennoch zugenommen hat.
3. Die Emissionen des Flugverkehrs sind momentan durch kein politisches Abkommen geregelt. Auch das Kyoto-Protokoll, das seit Anfang 2005 in Kraft ist, spart ihn aus. Um ehrgeizige Klimaschutzziele erreichen zu können, dürfte es jedoch nötig werden, auch diesen Beitrag in den Griff zu bekommen.
Kohlendioxid. Der Einfluss des emittierten Kohlendioxid ist derselbe wie bei anderen Emittenten. Durch eine Verstärkung des Treibhauseffekts tragen die Emissionen zur globalen Erwärmung bei. Da sich CO2 gleichmäßig in der Atmosphäre verteilt, spielt es keine Rolle, wo oder wann die Emission stattfindet.
Stickoxide: Flugzeuge emittieren aufgrund der sehr heißen Verbrennung von Kerosin Stickoxide (NOX), die danach chemische Reaktionen eingehen und indirekt andere Gase beeinflussen. Ein wichtiger Effekt ist die Erzeugung von Ozon (O3). Wie auch im Fall des Sommersmog in Bodennähe werden Stickoxide durch kurzwellige Sonnenstrahlung gespalten und tragen über ein freies Sauerstoffatom zur Bildung von Ozon bei. Im Gegensatz zur Ozonbildung am Boden ist die Gesundheitsgefahr in der Flughöhe zwar nicht gegeben, denn das Ozon gelangt aufgrund seiner kurzen Lebenszeit nicht bis zum Boden. Allerdings ist Ozon ein Treibhausgas und trägt in großen Höhen viel stärker zum Treibhauseffekt bei als in Bodennähe. Der Grund dafür ist, dass die Luft in Flughöhe viel kälter ist als der Erdboden. Je kälter ein Treibhausgas jedoch ist, desto wirksamer ist es auch, weil es die Abstrahlung vom warmen Boden ersetzt durch seine eigene, durch kalte Temperaturen geprägte Ausstrahlung. Somit wird weniger Energie von der Erde (also dem Boden und der Atmosphäre insgesamt) emittiert und die Erde heizt sich auf. Im Gegensatz zu CO2, welches lang genug lebt, um sich gleichmäßig zu verteilen, kommt es bei Ozon also darauf an, wo genau es entsteht. Zusätzlich wirken auch bereits die NOx-Emissionen selbst effizienter auf die Ozonproduktion als am Boden. Das hängt damit zusammen, dass sie in der Höhe eine längere Lebensdauer besitzen und dass dort eine geringere Hintergrundverschmutzung besteht (also eine Verschmutzung, die ohnehin immer vorhanden ist). Ein weiterer Einfluss der NOX-Emissionen ist der Abbau von Methan über OH-Radikale. Da auch Methan ein Treibhausgas ist, hilft diese Reaktion, den Treibhauseffekt etwas abzuschwächen. Der Strahlungsantrieb ist daher negativ.
Wasserdampf: Durch die verbrannten Kohlenwasserstoffe entsteht zusätzlicher Wasserdampf, der ein starkes Treibhausgas ist. Innerhalb der Troposphäre wird er durch das Wettergeschehen jedoch relativ schnell aus der Atmosphäre entfernt. Daher ist der direkte Einfluss des Wasserdampfs eher als gering einzuschätzen. Eine Ausnahme bilden Flugzeuge, die in der Stratosphäre fliegen, da die Lebensdauer des Wasserdampfs dort sehr viel höher ist. Solche Flugzeuge sind jedoch sehr selten und nicht für Passagierflüge, sondern eher für Forschungszwecke vorgesehen.
Aerosole: Hierzu gehören insbesondere Sulfat- und Rußpartikel. Während Sulfate das Sonnenlicht ins Weltall zurückstreuen und damit kühlend wirken, absorbieren Rußpartikel das Sonnenlicht. Beide ändern zudem über indirekte Effekte die Eigenschaften von Wolken (siehe Strahlungsantrieb von Aerosolen). Diese indirekten Effekte sind jedoch noch nicht gut genug verstanden, um verlässliche Werte des Strahlungsantriebs anzugeben.
Kondensstreifen: sind nichts anderes als schmale und lange Zirruswolken. Sie entstehen in ausreichend feuchter und kühler Luft. Ein hindurch fliegendes Flugzeug emittiert heiße, mit Wasserdampf und Aerosolen angereicherte Luft in diese Umgebung hinein. Dadurch kommt es beim Abkühlen zur Kondensation, die durch die Aerosole, von denen manche als Kondensationskern wirken können, erleichtert wird. Der Einfluss von Wolken auf den Strahlungshaushalt hat zwei Anteile: Die Reflektion von Sonnenlicht (den Boden kühlend) und die Rückstrahlung von terrestrischer Strahlung zur Erde (den Boden erwärmend). Letzteres entspricht einem Treibhauseffekt, nur dass es sich um flüssiges Wasser oder (wie bei Zirren üblich) um Eiskristalle statt um ein Gas handelt. Da Zirren gut lichtdurchlässig aber hoch (also kalt) sind, überwiegt hier der Treibhauseffekt.
Zirrus-Bewölkung: Im Laufe der Zeit können sich die emittierten Aerosole und der Wasserdampf oder aber die bereits entstandenen Kondensstreifen ausbreiten und Zirren bilden, die im Gegensatz zu einem Kondensstreifen von natürlicher Zirrusbewölkung zu unterscheiden ist. Hierin liegt auch die Schwierigkeit, den Einfluss solcher geänderter Bewölkung zu quantifizieren, denn man kennt den Vergleichszustand (also den Zustand der sich ohne Flugverkehr ergeben hätte) nicht. Das einzige (unfreiwillige) Experiment in dieser Hinsicht war die Stilllegung der zivilen Luftfahrt über drei Tage hinweg in Folge der Terroranschläge 2001 in den USA. Die Deutung der Temperaturen dieses Zeitraums ist jedoch schwierig (schließlich wird die Temperatur noch durch unzählige andere Einflüsse bestimmt, die alle bekannt sein müssen) und aufgrund der Einmaligkeit des Ereignisses ergaben sich keine neuen stichhaltigen Resultate.[2] Am kurz- und langwelligen Einfluss von Zirren (inklusive Kondensstreifen) lässt sich übrigens leicht erkennen, dass der Einfluss von Flugzeugen auf die globale Erwärmung nachts stärker ist als tagsüber. Während nachts nur der erwärmende Treibhauseffekt wirkt, greift am Tag auch die kurzwellige Wirkung, nämlich die Reflektion von Sonnenlicht.
Die folgende Tabelle fasst die genannten Einflussgrößen und ihren Strahlungsantrieb zusammen. Das „wissenschaftliche Verständnis“ (in der Fachliteratur als LOSU – level of scientific understanding - bekannt) bezieht sich dabei sowohl auf die Genauigkeit als auch auf das Maß an Verständnis eines Prozesses. Es handelt sich also nicht um eine bloße Fehlerangabe, sondern macht allgemein verständliche Aussagen zur Verlässlichkeit der Ergebnisse. Es ergibt sich aus den Hinweisen (wie gut kennt man den Strahlungsantrieb aus Beobachtungen und Modellen) und dem Konsens (wie gut stimmen diese überein).
Einflüsse des Luftverkehrs auf den Strahlungshaushalt der Atmosphäre für das Jahr 2000 (Zahlenwerte nach Schumann, 2008) |
||
Einflussgröße |
Wahrscheinlichster |
Wissenschaftliches Verständnis |
Kohlendioxid |
25 |
gut |
Ozon (durch Stickoxide) |
22 |
mittel |
Methan (durch Stickoxide) |
-10 |
mittel |
Wasserdampf |
2 |
mittel |
Sulfat (direkter Effekt) |
-3,5 |
mittel |
Ruß (direkter Effekt) |
2,5 |
mittel |
Kondensstreifen |
10 |
mittel |
Zirren |
zwischen 0 und 80 |
schlecht |
Gesamt (ohne Zirren) |
48 |
In der Vergangenheit wurde oft versucht, die „Klimawirksamkeit“ des Luftverkehrs als eine feste Zahl anzugeben. Vorstellbar wäre z.B. ein Faktor, der angibt, um wieviel stärker als der reine Treibhauseffekt aus den CO2-Emissionen die Gesamtwirkung des Luftverkehrs ist. Mit diesem Faktor müsste man also nur den Strahlungsantrieb des CO2 multiplizieren, um den gesamten Antrieb zu erhalten. Diese Methode ist jedoch leider unzureichend.[3] Dies hängt mit der stark unterschiedlichen Lebensdauer der einzelnen Stoffe zusammen. Der Strahlungsantrieb ist ein Konzept, welches vergangenheitsbezogen ist, denn die aktuelle Wirkung einer Substanz wird mit dem mehr oder weniger ungestörten vorindustriellen Wert verglichen. Der Strahlungsantrieb des CO2 beinhaltet somit alles über Jahrzehnte hinweg emittierte CO2, da es so langlebig ist. Ozon und Kondensstreifen dagegen halten sich nur einige Stunden, allenfalls ein paar Tage. Auch die Reaktion des Klimasystems auf solche Einflüsse braucht Jahrzehnte und die volle Wirkung der bisher schon emittierten Treibhausgase wird erst in Jahrzehnten eintreten. Daher dürfen die einzelnen Antriebe aus der obigen Tabelle streng genommen auch nicht einfach zusammengezählt werden, denn ein solches totales Forcing würde das Ozon aus einem einzigen Jahr, aber das Kohlendioxid seit Beginn der Luftfahrt beinhalten. Auch das vom IPCC erdachte Global Warming Potential (siehe: Strahlungsantrieb) eignet sich nicht zu einer Bewertung, da es nur auf langlebige Gase anwendbar ist. Außerdem hängt die Treibhauswirkung wie oben erklärt davon ab, in welcher Höhe und zu welcher Tages- und Jahreszeit geflogen wird. Die Quantifizierung des Einflusses der Luftfahrt auf das Klima ist daher ein Thema, das sich herkömmlichen Methoden entzieht. Die Beschäftigung mit dieser Aufgabe ist dabei nicht nur von wissenschaftlicher, sondern insbesondere auch von politischer Relevanz: Sollte es in der Zukunft ein Abkommen geben, welches den Luftverkehr betrifft, so hängt dessen Erfolg auch davon ab, welche Maßstäbe darin angelegt werden. Gäbe es z.B. nur einen Gewichtungsfaktor für das emittierte Kohlendioxid, so bestünde kein besonderer Druck, die Auswirkungen, die über den reinen CO2-Effekt hinausgehen, gezielt zu bekämpfen.
1. Schumann, Ulrich, 2008: Luftverkehr und Klima. In: Physik in unserer Zeit, 3/2008. Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim. 143-149.
2. Forster, P., V. Ramaswamy, P. Artaxo, T. Berntsen, R. Betts, D.W. Fahey, J. Haywood, J. Lean, D.C. Lowe, G. Myhre, J. Nganga, R. Prinn, G. Raga, M. Schulz and R. Van Dorland, 2007: Changes in Atmospheric Constituents and in Radiative Forcing. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Solomon, S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K.B. Averyt, M.Tignor and H.L. Miller (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.
3. Sausen, Robert; Schumann, Ulrich, 2007: Climate Impact of Aviation. In: ICAO Environmental Report. Part 4: Global Emissions.
Klimawiki (CC BY-SA 3.0 DE)
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