Der Repräsentationalismus war seit dem 17. Jahrhundert sowohl in der rationalistischen Tradition (Descartes) als auch bei den Empiristen (Locke und Hume) das bevorzugte Modell zur Lösung des Intentionalitätsproblems. Das Intentionalitätsproblem besteht in der Frage, wie sich intentionale Geisteszustände wie Wünsche auf etwas in der Welt beziehen können. Nach dem Repräsentationalismus beziehen sich intentionale Geisteszustände nicht direkt auf die Welt, sondern nur auf im Geist real existierende Repräsentationen ("Ideen" oder "Vorstellungen") von den Dingen in der Welt. Diese Repräsentationen müssen – wie bei Täuschungen oder Irrtümern – aber nicht unbedingt Entsprechungen in der Welt haben (intentionale Inexistenz).
Der Bezug der inneren Repräsentation auf die Gegenstände der Außenwelt soll durch eine Ähnlichkeitsrelation festgestellt werden können, wie wir sie analog von materiellen Bildern und ihren Motiven kennen. Genau wie das Ölgemälde Mona Lisa sich auf die Florentinerin Lisa del Giocondo aufgrund der Ähnlichkeit des Gemäldes mit Lisa del Giocondo bezieht, oder wie ein Passfoto sich auf die fotografierte Person aufgrund der Ähnlichkeitsrelation des Fotos mit der Person bezieht, so soll auch die Beziehung zwischen geistigen Repräsentationen und der Welt auf Ähnlichkeitsrelationen beruhen.
Olaf Simons (CC BY-SA 3.0)
1. Unbestimmtheit des Bezugs: Der Repräsentationalismus wirft jedoch erhebliche Probleme auf. Erstens könnte man sich fragen, ob es geistige Repräsentationen wirklich gibt. Dafür muss man nicht wie die Eliminativen Materialisten leugnen, dass es intentionale Zustände überhaupt gibt, sondern nur, dass diese etwas Bestimmtes repräsentieren. Bilder sind oftmals vielen Dingen ähnlich. Selbst das Bild der Mona Lisa hat wahrscheinlich Ähnlichkeit zu mehreren Frauen. Die Eindeutigkeit des Bezugs kann also nicht nur durch Ähnlichkeitsrelation erklärt werden.
2. Unbestimmtheit der Semantik: Außerdem deuten sich Bilder niemals selbst, sondern sind auf Hintergrundannahmen angewiesen. Stellen Sie sich das Bild eines gebeugten Wanderers am Berg vor. Steigt der Wanderer nach oben oder nach unten? Offenbar ist beides möglich. Diese Unbestimmtheit lässt sich auch nicht durch weitere Bildelemente beheben. Ein Pfeil nach oben könnte beispielsweise anzeigen, woher der Wanderer kommt und wohin er geht. Dasselbe Problem ergibt sich für jedes weitere Bildelement.
3. Ähnlichkeit ist nicht hinreichend: Doch selbst wenn man annimmt, dass die Ähnlichkeitsbeziehung mit nur genau einem Ding in der Welt besteht, bestehen noch weitere Probleme. Die Ähnlichkeit reicht für einen intentionalen Bezug nämlich nicht aus. Hilary Putnam hat dies mit einem sehr anschaulichen Beispiel illustriert: Eine Ameise kriecht durch den Sand und hinterlässt dabei eine Linie, die einer Karikatur Winston Churchills ähnelt. Trotzdem würde keiner auf die Idee kommen zu sagen, dass dieses Zufallsprodukt auf Churchill bezogen ist. Außerdem sind Ähnlichkeitsbeziehungen immer gegenseitig. Das Abbild ist also nicht nur dem abgebildeten Gegenstand ähnlich, sondern auch umgekehrt. Wenn Ähnlichkeit ausreichen würde, um von einem intentionalen Bezug sprechen zu können, dann würde sich Lisa del Giocondo auch auf die Mona Lisa beziehen, was zumindest kontraintuitiv ist.
4. Ähnlichkeit ist nicht notwendig: Es gibt Bezüge ohne Ähnlichkeit. Ein einfaches Beispiel: Nicht nur Bilder und geistige Vorstellungen beziehen sich auf die Welt, auch Wörter tun es. Aber Wörter sind natürlich den durch sie repräsentierten Dingen nicht ähnlich. Das zeigt sich schon daran, dass ein Wort in verschiedenen Sprachen auf ganz unterschiedliche Dinge referieren kann.
5. Normativität der Intentionalität: Bei Fehlern, Irrtümern oder Täuschungen beziehen wir uns auf Dinge in der Welt, obwohl wir sie nicht so repräsentieren, wie sie wirklich sind. Das kann jedoch nur geschehen, wenn die Repräsentation dem Bezugsobjekt im gewissen Umfang unähnlich ist. Nehmen wir an, ein Maler malt Napoleon als einen riesigen Mann, obwohl Napoleon in Wirklichkeit sehr klein war. Wenn allein Ähnlichkeit den Bezug festlegt, wie kann sich der Maler dann auf Napoleon beziehen? Nun werden Sie vielleicht einwenden, dass für den Bezug eben keine vollständige Ähnlichkeit erforderlich ist, sondern partielle Ähnlichkeit vollkommen ausreicht. Doch wenn das richtig wäre, dann könnte sich abstrakte Kunst beispielsweise auf nichts mehr beziehen. Zusätzlich würde das das eingangs genannte Unbestimmtheitsproblem des Bezugs noch erheblich verschärfen: Wenn bereits eine partielle Ähnlichkeit eines Bildes mit einem Ding in der Welt ausreicht, damit es sich auf diesen Gegenstand bezieht, dann bezieht sich jedes Bild auf eine noch viel größere Anzahl von Gegenständen und verliert damit jegliche referentielle Bestimmtheit.
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