Der Versuch, das Intentionalitätsproblem durch sprachliche Reduktion zu lösen, wird vor allem mit Größen der Analytischen Philosophie wie Gottlob Frege oder Ludwig Wittgenstein in Verbindung gebracht, geht aber viel weiter bis auf Herder, Humboldt und Kleist zurück. Nach diesem Ansatz beziehen sich unsere mentalen Zustände nicht aus eigener Kraft auf die Welt, sondern bedürfen dazu einer sprachlichen Artikulation. Es ist also in erster Linie die Sprache einer Sprachgemeinschaft, die den Weltbezug der an ihr teilhabenden Sprecher ermöglicht.
Sprachliche Bedeutung hängt indes nicht allein von der Form der Ausdrücke, sondern auch vom Kontext der Wortverwendung ab. Das Wort "Boot" bezeichnet im Deutschen beispielsweise ein Wasserfahrzeug und im Englischen einen Stiefel. Und wenn ein Affe absichtslos auf einer Schreibmaschine herumtippt und irgendwann das Wort "Banane" eintippt, dann hat dieses Wort zumindest für den Affen keinerlei Bedeutung. Während wenn wir dieses Wort im Gespräch verwenden, "Banane" auch Banane bedeutet. Ausdrücke haben also keine intrinsische Bedeutung, ihre Bedeutung ist abiträr.
Durch welche extrinsischen Faktoren bekommt ein Ausdruck seine Bedeutung? Eine klassische Position, die so zum Beispiel von Gottlob Frege vertreten wurde, besagt: Bedeutung wird durch Regeln des Sprachgebrauchs festgelegt, die jeder Sprecher einer Sprachgemeinschaft kennen muss. Doch wenn wir dieses Modell zugrunde legen, bekommen wir ein Problem: Wir wollten den intentionalen Bezug auf die Welt erklären und überlegen, ob die Sprache ihn erklären kann. Doch nun haben wir sprachliche Bedeutung selbst durch Regeln erklärt, die vom Sprecher unter Bezug auf Sprachregeln von der Außenwelt verstanden werden müssen. Der sprachreduktionistische Erklärungsansatz ist also zirkulär, da er Intentionalität voraussetzt, um Intentionalität zu erklären.
Ein anderer Reduktionsansatz ist heute vor allem unter dem Namen "Gebrauchstheorie der Bedeutung" bekannt. Er geht auf Ludwig Wittgenstein zurück und besagt,- grob gesagt, dass ein Ausdruck durch seine tatsächliche Verwendung innerhalb einer Sprachgemeinschaft seine Bedeutung erhält. Das Wort "Boot" im Deutschen bezieht sich also auf Wasserfahrzeuge, weil die Sprecher im Deutschen dieses Wort auf Wasserfahrzeuge anwenden. Soweit klingt dieser Vorschlag recht vernünftig, bei genauerem Hinsehen wirft aber auch er Probleme auf: Wenn alle tatsächlichen Verwendungen relevant sind, dann kann die Gebrauchstheorie nicht erklären, wie die Sprecher einer Sprechergemeinschaft Fehler machen können. Ein deutscher Sprecher, der "Boot" auf Stiefel anwendet, würde schlechthin die Bedeutung des Wortes in seiner Verwendung ändern.
Wenn es hingegen die jeweilige Lernsituation ist, die die Bedeutung in einer Sprechgemeinschaft festlegt, können Fehler viel eher erklärt werden. Deutschen Kindern wird beispielsweise beigebracht, das Wort "Boot" nur auf Wasserfahrzeuge anzuwenden. Wenn sie von dieser Verwendung abweichen, unterläuft ihnen ein Fehler. Bedeutet das aber automatisch, dass jeder, der das deutsche Wort "Boot" außerhalb dieser Lernsituation nicht auf Wasserfahrzeuge anwendet, einen Fehler begeht? Nein. Denn das Wort könnte auch nur in dieser einen Lernsituation Wasserfahrzeuge, in allen anderen aber Stiefel bezeichnen. Daraus folgt: Mit jeder Folge endlich vieler Verwendungen eines Wortes, sind unbestimmt viele Regeln der korrekten Verwendung kompatibel. Die tatsächliche Verwendung eines Wortes in endlich vielen Fällen lässt die allgemeine Regel des Gebrauchs also unbestimmt (Kripke-Problem). Wenn das stimmt, dann ergibt sich für die Gebrauchstheorie der Bedeutung ein Dilemma: Entweder alle Verwendungen bestimmen die Bedeutung, dann bleibt kein Raum für Normativität und Fehler, oder aber eine endliche Anzahl von Verwendungen bestimmt die Bedeutung, dann bleibt die Bedeutung unbestimmt.
Unabhängig von den spezifischen Einwänden, sprechen vor allem zwei allgfemeine Punkte gegen eine sprachliche Reduktion des Intentionalitätsproblems: Erstens sind viele mentale Zustände, wie beispielsweise Wahrnehmungen oder Emotionen, auf die Welt bezogen, ohne dass sie einer sprachlichen Einkleidung bedürfen. Wir können beispielsweise die Farben der Dinge in der Welt viel feiner unterscheiden als unsere sprachlichen Ausdrücke dies erlauben würden. Und Kinder sind offenbar zur korrekten Klassifikation von Dingen nach Farben, Formen und Größen in der Lage, lange bevor sie die entsprechenden sprachlichen Ausdrücke erlernen. Und zweitens hat die Intentionalität der Sprache mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die Intentionalität des Geistes. Das eigentliche Intentionalitätsproblem wird also nur um eine Stelle verschoben.
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