Verifikation bzw. Verifizierung (lat. veritas – Wahrheit) steht in der Philosophie, insbesondere in der Wissenschaftsphilosophie, für einen Prozess, in dem die Wahrheit einer Aussage bestätigt wird.
Die wissenschaftstheoretischen Richtungen des Empirismus und
Positivismus halten solche Nachweise für führbar und erforderlich. Beim Empirismus gelten allein jene Sätze als sinnvoll, welche etwas ausdrücken, dessen Wahrheit sich empirisch verifizieren lässt (siehe: Verifikationismus). Und der Positivismus fordert dazu auf, sich mit empirisch verifizierbaren Tatsachen zu begnügen und jede metaphysische Spekulation zu unterlassen.
Einen herben Rückschlag erlebte die Idee der wissenschaftlichen Verifikation durch den Falsifikationismus Karl Poppers. Der Falsifikationismus geht davon aus, dass Hypothesen oder Aussagen nie letztgültig verifiziert bzw. bewiesen, sondern immer nur falsifiziert bzw. widerlegt werden können und bringt gute Argumente für seine Auffassung hervor.
Die Erkenntnistheorie untersucht, ob, und wenn ja, unter welchen Kriterien eine Hypothese für verifiziert gelten kann. Dabei werden verschiedene Formen der Verifikation in Erwägung gezogen, wie etwa das Heranziehen einer fachkundigen und unabhängigen Instanz. Authentischer als die Berufung auf Dritte ist natürlich die selbstständige Verifikation durch einen logischen Beweis. Ein logischer Beweis ist eine Reihe von einer oder mehreren Schlussfolgerungen, an deren Ende - gegeben die Prämissen sind wahr - eine Verifikation in Form einer ebenfalls wahren Konklusion steht.
Es sind vor allem die Mathematik und die Logik, die auf logische Beweisführungen zurückgreifen. Im Gegensatz zu diesen deduktiv arbeitenden Wissenschaften arbeiten bspw. die Naturwissenschaften weitestgehend induktiv und verifizieren wenn durch empirische Beweise. Dabei geraten sie in die Verstrickungen des Induktionsproblems, aber dazu später mehr. Erst mal ein einfaches Beispiel für einen empirischen Beweis: Jemand behauptet, ein bestimmter Tisch sei drei Meter lang. Diesen Satz vermag er zu verifizieren, indem er einen Meterstab herausholt und nachmisst. Er zeigt, dass der Tisch tatsächlich drei Meter lang ist und erbringt somit einen empirischen Beweis für die Wahrheit seiner Aussage.
In den Augen von Empiristen und Positivisten ist die Behauptung, ein bestimmter Tisch sei drei Meter lang, sinnvoll bzw. relevant, weil sie nachprüfbar ist. Sie ist prinzipiell verifizierbar. Wenn ich Ihnen sage, dass eine bestimmte Katze unter 100 Kilogramm schwer ist, können Sie sie wiegen und auf diesem Wege meine Behauptung nachprüfen und ggfs. verifizieren. Auch bei den Aussagen, die Katze habe 4 Beine oder 3 Hörner, besteht die grundsätzliche Möglichkeit der Verifikation. Deshalb sind sie zumindest a priori sinnvoll.
Nehmen wir jetzt die Behauptung, alle Einhörner kotzen bunte Regenbogen. Da werden Sie wahrscheinlich skeptisch. Aber wie wollen Sie diese Behauptung überprüfen? Indem Sie nachschauen? Es gibt (höchstwahrscheinlich) keine Einhörner und deshalb können Sie diese Behauptung auch nicht verifizieren. Nichtverifizierbare Existenzaussagen lassen sich nicht an der Realität messen und aus diesem Grund halten Empiristen sie für, zumindest wissenschaftlich, sinnlos. Derlei Behauptungen, über die Zauberkräfte Gandalfs oder die Stimme Gottes, mögen in Sagen und Religionen eine Funktion und Berechtigung besitzen, in der Wissenschaft aber haben sie nichts verloren.
Den drei Meter langen Tisch gibt es und das regenbogenkotzende Einhorn nicht. Das ist aber nicht der einzige Grund, weswegen sich die erste Behauptung verifizieren lässt und die zweite nicht. Bei der ersten Behauptung bezog sich die Aussage auf die Länge eines bestimmten Tisches. Es handelte sich um eine Einzelaussage. Einzelaussagen sind i.d.R. leicht verifizierbar, man läuft zu dem betreffenden Gegenstand hin und schaut nach, ob sich die Behauptung als wahr oder falsch herausstellt. Die Wissenschaft will jedoch keine einzelnen Entitäten beschreiben, sondern möglichst allgemeine Gesetze, sog. Allaussagen aufstellen. Und Allaussagen sind, wie wir bald sehen werden, nicht verifizierbar. Also sind wissenschaftliche Aussagen i.d.R. auch nicht verifizierbar!
Ein Beispiel für eine Allaussage ist: „Alle Raben sind schwarz.“ Mit ziemlicher Sicherheit haben Sie noch nie nicht-schwarze Raben gesehen und werden dies auch in Zukunft nicht. Doch die Allaussage bezieht sich nicht auf einen Raben und auch nicht auf alle Raben, die sie je sehen werden, sondern auf alle Raben überhaupt. Das Finden auch noch so vieler schwarzer Raben kann nur dazu führen, das die Hypothese beibehalten werden darf. Nicht aber, dass sie verifiziert ist! „Alle Raben sind schwarz“, und alle anderen Allaussagen können niemals empirisch verifiziert werden, schon allein, weil man sich nie sicher sein kann alle erheblichen Sachverhalte miteinbezogen zu haben.
Schon morgenfrüh könnte Ihnen ein weißer Rabe über den Geschäftsweg laufen und Sie daran erinnern, dass ihre These von den immer schwarzen Raben auch nach hunderten beobachteten Raben nicht verifiziert war. Dieser eine Rabe würde Ihre Theorie zerstören. Und selbst wenn Sie alle Raben auf der Erde ob ihrem schwarzen Gefieder geprüft hätten, könnte es immer noch irgendwo in den Weiten des Alls Tiere geben, die von der Gattung des Raben abstammen und mittlerweile ein rosarot gestreiftes Gefieder tragen. Das alles ist theoretisch möglich. Die empirische Verifizierung einer Allgemeinaussage müsste theoretisch unendlich viele Fälle miteinbeziehen, es besteht praktisch aber stets nur eine endliche Anzahl an Überprüfungsmöglichkeiten. Deshalb sind Allaussagen - und damit auch die meisten naturwissenschaftlichen Thesen - nicht verifizierbar.
Auf dieses Problem reagierte der Philosoph Karl Popper, indem er in seinem grundlegenden Werk "Die Logik der Forschung" die Methode der Verifikation durch die der Falsifikation ersetzte. Falsifikation kommt vom lateinischen falisificare, zu Deutsch: Als falsch anerkennen und bedeutet so viel wie “Widerlegung“. Allaussagen können nie verifiziert, aber schon durch eine einzige ihr widersprechende Einzelbeobachtung falsifiziert werden. So falsifiziert z.B. die Beobachtung nur eines weißen Rabens die Allaussage, alle Raben seien schwarz, vollständig. Vereinfacht gesagt können wir durch Beobachtungen nur ausmachen, was nicht auf alle x zutrifft (nämlich durch Gegenbeispiele), nicht aber was auf alle x zutrifft.
Das bringt mehr, als man zunächst annehmen möchte. Durch den geglückten und misslungenen Versuch der Falsifikation unsere Theorien durchlaufen diese ein Ausscheidungsverfahren, und unsere Erkenntnis von der Welt einen Fortschritt. Wenn auch der nächste Rabe, den wir beobachten, schwarz ist, wurde unsere These zwar nicht verifiziert, sie hat sich dann aber bewährt. Denn ein weiterer Falsifikationsversuch ist an ihr gescheitert und die These hat sich behauptet. Auch nach einer Bewährung können wir uns in einer These nicht hundertprozentig sicher sein. Zumindest aber ein bisschen sicherer als zuvor, und hier liegt der Fortschritt einer Bewährung. Wenn der gegenüberliegende Fall eintritt und unsere nächste Einzelbeobachtung die These falsifiziert, müssen wir eine neue Theorie aufstellen, die mit allen zuvor gemachten plus der neuen Einzelbeobachtung im Einklang steht. Damit ist die neue Theorie besser bzw. umfassender als die alte und auch dann ist unsere Erkenntnis von der Welt ein wenig weiter vorangeschritten.
Für die Wissenschaft hat dies zur Folge, dass alle ihre Behauptungen nur einen Hypothesenstatus erhalten, der obendrein nur solange hält, bis die Behauptungen falsifiziert werden. Von Wahrheit oder Wissen weiß der Falsifikationist nicht zu sprechen, denn das würde deren Nachweis- bzw. Verifikationsmöglichkeit erfordern. Stattdessen kann er von einer Theorie bestenfalls nur behaupten, dass alles unternommen wurde, um sie zu widerlegen und sie dem allem standgehalten hat. Dann darf er sie, bis auf weiteres, als bewährt ansehen. Die Summe aller bewährten Hypothesen bilden den theoretischen Inhalt einer Wissenschaft. Behauptungen von Einhörnern, Gandalf und Gott sind nicht falsifizier- bzw. bewährbar. Es ist kein Szenario denkbar, das ihren Wahrheitsgehalt falsifizieren könnte und deshalb haben sie in den kritischen Wissenschaften auch nichts verloren.
Es gehört zur philosophischen Selbstverständlichkeit, dass man fieberhaft nach Lösungen für die Probleme der Verifikation sucht. Bisher aber nur mit mäßigem Erfolg. Dementsprechend spricht man seit den 60ern- und 70ern mehr von der Falsifikation von wissenschaftlichen Theorien, als von deren Verifikation.
Cogito ergo sum: Gibt es mich? Na klar, sonst könnte ich diese Frage gar nicht stellen. Alles andere, meine Mitmenschen, mein Körper und selbst mein Gehirn könnte mir von meiner Wahrnehmung vorgegaukelt werden. Wie in einem lebenslangen Traum. Das einzige, was nicht Produkt meines Geistes sein kann, ist der Geist selbst. Dabei ist es egal, ob dieser Geist materiellen Gehirnstrukturen entspringt, wie die materialistischen Monisten glauben, oder eine eigenständige Substanz darstellt. Egal wie der Geist bzw. mein "Ich" im Detail existiert, ich kann es – ich kann mich selbst nicht bezweifeln.
Wahrscheinlichkeitstheorie: Alfred Jules Ayer unterschied zwischen einer starken und einer schwachen Verifikation. Diese Unterscheidung wurde von Hans Reichenbach aufgegriffen und in eine Theorie der Verifikation, die nicht mehr auf der Wahrheit von Aussagen, sondern auf deren Wahrscheinlichkeit basiert, weiterentwickelt.
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WissensWert (Dienstag, 27 November 2018 01:20)
In der Wissenschaftstheorie versteht man unter der Verifizierung einer Hypothese den Nachweis, dass diese Hypothese richtig ist. Logischer Empirismus und Positivismus gehen davon aus, dass solche Nachweise führbar seien. Im Rahmen des kritischen Rationalismus (K. Popper) wird argumentiert, dass es Verifikation nicht gibt. Allgemeine Gesetzesaussagen können nur wahr, aber unverifiziert sein oder mit Beschreibungen von Sachverhalten, die der Aussage widersprechen, falsifiziert werden, sich also als ungültig herausstellen. Zum Verständnis ein Beispiel, das Karl Popper anführt: Angenommen, die Hypothese lautet: „Alle Schwäne sind weiß“, so trägt das Finden zahlreicher weißer Schwäne nur dazu bei, dass die Hypothese beibehalten werden darf. Es bleibt stets die Möglichkeit bestehen, einen andersfarbigen Schwan zu finden. Tritt dieser Fall ein, so ist die Hypothese widerlegt. Solange aber kein andersfarbiger Schwan gefunden wurde, kann die Hypothese weiterhin als nicht widerlegt betrachtet werden.
Auch bei lokalisierenden Existenzhypothesen (auch bestimmte Existenzhypothesen genannt) gilt der Falsifikationismus: Die (allgemeine) Hypothese „Es gibt weiße Schwäne“ kann für sich genommen nicht überprüft werden. Hat man jedoch den Aufenthaltsort eines weißen Schwans in einem Raum-Zeit-Gebiet, so ist die Falsifikation möglich, und zwar umso leichter, je eingeschränkter dieses Gebiet ist. Findet sich dort nämlich kein weißer Schwan, so kann die Hypothese als widerlegt betrachtet werden. Umgekehrt folgt die unfalsifizierbare Aussage „Es gibt weiße Schwäne“ aus einer solchen bestimmten Existenzhypothese wie „Am 25. August ist ein weißer Schwan im Augsburger Zoo“. Sie wird aber nicht bereits dadurch verifiziert, dass die Falsifikation (einstweilen) ausbleibt, so ist es denkbar, dass das beobachtete Tier nur aus der Ferne aussah wie ein Schwan.
Weitere Formen von wissenschaftlichen Hypothesen sowie deren Prüfbarkeit finden sich bei Groeben und Westmeyer.
WissensWert (Dienstag, 27 November 2018 01:22)
Verifikation bedeutet die Bestätigung einer Hypothese oder einer Theorie.
Eine Verifikation von allgemeingültigen Aussagen ist nur durch die Untersuchung der Gesamtpopulation möglich. Anhand von Stichprobendaten getroffene Schlussfolgerungen sind logisch nicht zulässig. Es besteht die Gefahr eines Induktionsschlusses (siehe Induktion). Das heißt, dass von einer begrenzten Anzahl bestätigter Einzelergebnisse auf die Allgemeingültigkeit der Hypothese oder Theorie geschlussfolgert wird. Es gibt aber theoretisch unendlich viele mögliche Stichproben, welche die vorliegenden Ergebnisse widerlegen könnten. Ein hypothesenkonformes Ergebnis ist also nur ein Anlass, die Hypothese bis zum Auftauchen gegenteiliger Befunde vorläufig beizubehalten.
In der Empirie sind die Problem- und Fragestellungen unendlich vielfältig, die Stichproben, die untersucht werden können und die Zahl der Untersuchungen hingegen sind endlich. Daher kann der Gegenstandsbereich einer Theorie nie vollständig untersucht werden. Aufgrund dessen können psychologische Theorien nie mit vollständiger Sicherheit bewiesen werden. In der Wissenschaftstheorie sprechen wir daher vom Grad der Bewährung einer Theorie. Durch viele verschiedene empirische Untersuchungen können wissenschaftliche Hypothesen und Theorien also vorläufig bestätigt oder gegebenenfalls widerlegt werden. Die Widerlegung einer Hypothese bezeichnet man als Falsifikation. Das Ziel wissenschaftlichen Arbeitens ist es, Theorien auf den Grad ihrer Bewährung hin zu überprüfen. Die Wissenschaft richtet sich also nach dem Falsifikationsprinzip und nicht nach dem Verifikationsprinzip.
Beispiel In einer Untersuchung wird folgende Hypothese bearbeitet: Eine kognitiv-behaviorale Psychotherapie führt zu einer Verbesserung der Angstsymptomatik. Hierfür wird eine deutschlandweite Zufallsstichprobe von 400 Personen mit der Diagnose „Panikstörung“ rekrutiert und in einem Zwei-Gruppen-Randomisierungsplan untersucht. Im Ergebnis zeigt sich eine signifikante Verbesserung der Angstsymptomatik. In drei weiteren Studien mit anderen Stichproben zeigen sich ebenfalls signifikante Ergebnisse. Die Hypothese wird vorläufig bestätigt.