Das Video ist derzeit der Renner unter desinformierten Kreationisten.
Dabei lohnt es sich, mal genauer hinzuhören:
1. Herr Bechly erkennt die gemeinsame Abstammung der Arten vollkommen an (wie jeder halbwegs informierte Mensch). Auch wenn Kreationisten das vor lauter Überschwang übersehen und ihm ihre eigene antiwissenschaftliche Schöpfungs-Ideologie unterstellen.
2. Welche Gründe haben Herrn Bechly an der naturalistischen Evolution zweifeln lassen? Nicht die Komplexität der Lebewesen, wie er sagt. Sondern die Zeiträume der Evolution. "Es gibt aktuell kein gutes mathematisches Modell für die Mutationsraten bei der Entwicklung von von landlebenden Säugertieren zu Walen. Also muss ein Wunder im Spiel gewesen sein!"
Kein Witz - das ist wirklich seine Argumentation. "Hier fehlt uns eine Information - also war es Zauberei!" Ein praller Fehlschluss des "Argumentum ad ignorantiam".
"Das argumentum ad ignorantiam (lateinisch für „Argument, das an das Nichtwissen appelliert“) ist ein logischer Fehlschluss, bei dem eine These für falsch erklärt wird, allein weil sie bisher nicht bewiesen werden konnte. Der Fehlschluss wird ohne Sachargumente gezogen. Der so Argumentierende sieht seine mangelnde Vorstellungskraft oder seine Ignoranz als hinreichend für die Widerlegung bzw. Bestätigung einer These an." (Wikipedia)
Nächster Knaller: "Wir wissen aktuell nicht, wie der erste Replikator entstanden ist. Also muss ein Wunder im Spiel gewesen sein!"
Mit denselben Denkkurzschlüssen haben Menschen früher Jupiter und Zeus begründet - dann wie sollen sonst Blitze entstehen!
Herr Bechly vertritt hier eine antiwissenschaftliche These (ein nicht-nachweisbarer, unsichtbarer Zauberer hat die Evolution gelenkt), für die er weder eine Überprüfung anbieten kann - noch eine mögliche Falsifikation.
3. Ich lade Herrn Bechly ein, seine eigene Behauptung mal ernst zu nehmen! Genetische Information muss also von Gott (und zwar nicht von irgendeinem Gott - sondern von Jesus) codiert worden sein.
Wo sehen wir evolutionäre Prozesse gegenwärtig am eindrucksvollsten? In der Resistenzentwicklung pathogener Keime.
Die unausweichliche Schlussfolgerung aus der Annahme einer gottgelenkten Evolution lautet:
„Der barmherzige Schöpfergott ist aktuell fleißig damit beschäftigt, Tuberkulose-Erreger und HI-Viren möglichst effektiv gegen menschliche Versuche ihrer Eindämmung zu schützen. Gott verwendet seine übermenschliche Intelligenz darauf, Resistenzmechanismen in HI-Viren und Tuberkeln hineinzucodieren, die nachfolgend Menschen in großer Zahl töten werden.“
Biologen sehen Resistenzentwicklung als Folge zufälliger Mutation und gerichteter Selektion. Aber diese Erklärung scheidet laut Bechly (und den IDlern) ja aus. Genetische Information brauche einen Programmierer. Also dann. Programmiert Jesus gerade HI-Viren und Tuberkeln zu noch effektiveren Massenvernichtungswrkzeugen um.
Seine eigenen Behauptungen mal in ihre zwingenden Schlussfolgerungen zu durchdenken - das gelingt Bechly ebenso wenig wie anderen Gläubigen.
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WissensWert (Sonntag, 14 Oktober 2018 15:06)
Hier ein Videovorschlag für alle Kreationisten.
Prof. Kenneth Miller (Biologe und Katholik) war der "Kronzeuge" im Kitzmiller-Dover-Prozess. (Hier ging es darum, ob Intelligent Design"ID" in Schulen in Pennsylvania gelehrt werden soll).
Kenneth Miller glaubt an eine gottgelenkte Evolution und hat GEGEN die Propaganda der ID argumentiert. Ich kann das Video sehr empfehlen. Es zeigt:
1. Warum seriöse Biologen die Evolution als fakt akzeptieren.
2. Welche Strategien IDler verwenden.
3. Ob ID ein wissenschaftliches Modell ist.
https://www.youtube.com/watch?v=d4r2J6Y5AqE&feature=youtu.be