Das "Bieri-Trilemma" (formuliert 1981 vom Berner Philosophen Peter Bieri) drückt sich in drei bewusstseinsphilosophischen Thesen aus, die allesamt intuitiv plausibel sind, von denen aber höchstens zwei wahr sein können:
1. Radikale Verschiedenheit: Mentale Phänomene sind nichtphysikalische Phänomene.
2. Mentale Wirksamkeit: Mentale Phänomene sind im Bereich physikalischer Phänomene kausal wirksam.
3. Kausale Geschlossenheit: Der Bereich physikalischer Phänomene ist
kausal geschlossen.
Die These (1) der radikalen Verschiedenheit stützt sich darauf, dass wir mentale Phänomene durch ihre interne Struktur – insbesondere durch ihren qualitativen Charakter – als radikal verschieden zu allen Erscheinungen der physischen Welt erleben, unseren eigenen Körper mit eingeschlossen. Der Geist scheint radikal verschieden zur Physis zu sein. Alle Positionen, die diesem Eindruck folgen und den nicht-physischen Charakter mentaler Phänomene betonen, nennt man dualistisch. Der Cartesische Substanz-Dualismus ist die stärkste, die ontologische Deutung von (1), gegenwärtig wird eher der Eigenschaftsdualismus diskutiert.
Die These (2) der mentalen Wirksamkeit drückt sich in unserer alltäglichen Erfahrung aus, dass wir mit unseren Zielen und Absichten aktiv in die Außenwelt ein- und vorallem auf unseren physischen Körper zugreifen können. Wenn ich mich im mentalen Zustand des Hungers befinde und mich dazu entschließe etwas zu essen, dann scheint dies die Ursache für meine anschließende physische Nahrungsaufnahme zu sein, nicht (nur) irgendwelche feuernde Neuronen. (2) ist intuitiv derart plausibel, dass manche Philosophen in Anlehnung an Aristoteles[1] eine "interventionistische" Sicht der Kausalität darauf stützen.
Die These (3) der kausalen Geschlossenheit knüpft an der physikalistischen Überzeugung an, dass alles in der Welt mit rechten Dingen zugeht. Sie schließt das Wirken von nicht-physikalischen Ursachen wie Wunder, Geister und Götter auf die physische Welt aus und bildet den Grundsatz der Aufklärung, der physikalischen Erhaltungssätze und der naturalistischen Weltsicht.
Das Trilemma besteht nach Bieri nun darin, dass die Sätze paarweise, aber nicht alle zugleich wahr sein können:
Wenn die Thesen (1) und (2) wahr sind, dann muss (3) falsch sein. Wenn mentale, nicht-physikalische Phänomene kausal auf die physikalische Welt einwirken, dann kann die physikalische Welt nicht in sich kausal geschlossen sein.
Wenn die Thesen (1) und (3) wahr sind, dann muss (2) falsch sein. Wenn mentale Phänomene nicht-physikalisch sind und der Bereich physikalischer Phänomene in sich kausal geschlossen ist, dann können mentale Phänomene nicht kausal auf die physikalische Welt wirksam sein.
Wenn die Thesen (2) und (3) wahr sind, dann muss (1) falsch sein. Wenn der Bereich physikalischer Phänomene kausal geschlossen ist und wenn mentale Phänomene im Bereich physikalischer Phänomene kausal wirksam sind, dann können mentale und physikalische Phänomene nicht radikal verschieden voneinander sein.
Eine unserer starken Intuitionen (1) – (3) ist mit Sicherheit falsch. Nur welche? Darüber streiten sich die Philosophen untereinander und mit den Hirnforschern. Reduktionistische Materialisten, Funktionalisten und Identitätstheoretiker geben die These (1) auf; (neuronale) Deterministen und Epiphänomenalisten negieren (2) und Dualisten opfern (3), z.B. zugunsten einer Seelenlehre.
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WissensWert (Freitag, 30 November 2018 22:47)
Ein Problem entsteht, wenn sich zwei oder mehr Aussagesätze (Prämissen), die man alle für wahr hält, gegenseitig ausschließen. Das Problem logisch zu bewältigen heißt entweder es zu lösen, indem man zeigt, daß der Widerspruch nur scheinbar, aber nicht wirklich besteht, die Aussagen also vereinbar sind (Kompatibilität), oder es aufzulösen, indem man mindestens eine Prämisse verwirft (Elimination). - Das Leib-Seele-Problem entsteht, vereinfacht gesagt, durch folgende Prämissen: 1) Dualismus: Mentale Phänomene sind nicht physische Phänomene. 2) Mentale Verursachung: Mentale Phänomene sind im Bereich physischer Phänomene kausal wirksam und werden von physischen Phänomenen verursacht. 3) Physikalische Geschlossenheit: Es gibt keinen nichtphysischen Einfluß auf das Physische. Daraus resultiert ein Trilemma, denn jeweils zwei der Prämissen implizieren die Falschheit der dritten. Das Rätsel des Bewußtseins besteht in der Erklärungslücke zwischen 1) und 2): Wie, wenn überhaupt, kann die anscheinend bewußtlose Materie Bewußtsein hervorbringen? Das Problem der Willensfreiheit besteht in der Inkompatibilität von 2) und 3), wenn 2) die Bedingung 1) erfordert: Wie können Entscheidungen getroffen und physisch realisiert werden? Entspricht eine mentale Verursachung, wenn der Dualismus wahr ist, nicht einem vollkommen unerklärlichen Wunder, das keinen Platz in einer von Naturgesetzen beschreibbaren Welt hat? Oder gibt es, wenn der Dualismus falsch ist, überhaupt einen freien Willen, wenn doch alles von unpersönlichen physischen Gesetzmäßigkeiten und blinden Zufällen regiert wird?
Martin Weidner (Mittwoch, 10 April 2024 19:41)
Die kausale Geschlossenheit der Welt ist eine Forschungsmaxime, keine feststellbare Tatsache. Die völlig akausalen Vorgänge im atomaren Beriech, zB. wann ein radioaktives Teilchen zerfällt, ewiderlegt die These von der klausalen Geschlossenheit der Welt. Zwar gilt weiterhin die methodische Vorgabe, dass man nach kausalen Zusammenhängen forschen soll, in diesem Sinne als Maxime ergibt es Sinn, von kausaler Geschlossenheit zu reden. Aber das hat mit dem, wie in der 2. These des Trilemmas von kausal gesprochen wird, nichts zu tun. Hier werden also begrifflich zwei Bedeutungen von kausal als eines ausgegeben. Dies ist ein logischer Fehler. Dasw Bieroi-Trilemma existiert also gar nicht,, es bassiert auf Irrtümern.
Quelle: Hans-Dieter Mutschler, Halbierte Wirklichkeit. Warum der Materialismus die Welt nicht erklärt. Butzon und Bercker, Kevelaer 2014