Der Infallibilismus besagt, dass ein Subjekt S in einer Überzeugung, dass p, nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn p wahr ist. Das heißt Rechtfertigungen müssen nicht nur wahrheitsförderlich, sondern wahrheitsgarantierend sein.
Weiter vertritt der Infallibilist zwei Thesen:
These 1: Eine Überzeugung ist gerechtfertigt, gdw. sie unmittelbar gerechtfertigt ist oder sie aus unmittelbar gerechtfertigten Überzeugungen wahrheitsgarantierend deduziert werden kann.
These 2: Eine Überzeugung ist unmittelbar gerechtfertigt, wenn sie ihre eigene Wahrheit garantiert.
Es gibt zwei Arten von Überzeugungen, die als unmittelbar gerechtfertigt gelten:
a. evidente Überzeugungen
Für René Descartes sind evidente Überzeugungen dadurch charakterisiert, dass ihre Wahrheit sofort, mühelos und ohne irgendeinen Restzweifel erkannt werden können, wenn der reine und aufmerksame Geist sie betrachtet:
„Unter Intuition verstehe ich nicht das schwankende Zeugnis der Sinne oder das trügerische Urteil der verkehrt
verbindenden Einbildungskraft, sondern ein so müheloses und deutliches Begreifen des reinen und aufmerksamen Geistes, dass über das, was wir erkennen, keinerlei Zweifel zurückbleibt, oder, was
dasselbe ist: eines reinen und aufmerksamen Geistes unbezweifelbares Begreifen, welches allein dem Licht der Vernunft entspringt und das, weil einfacher, sogar zuverlässiger ist als die
Deduktion“
- René Descartes: Regeln zur Leitung des Geistes (Regel 3, 5)
Heiße Anwärter auf den Status evidendeter Aussagen sind:
Beispiel 1: "Hans ist 1,80m groß oder Hans ist nicht 1,80m groß." (A « ØØA).
2. Analytisch wahre Aussagen, deren Wahrheit sich allein aus den Bedeutungen ihrer Ausdrücke erschließt.
Beispiel 2: "Alle Junggesellen sind unverheiratet."
Descartes’ selbst nannte die folgenden Beispiele für nach ihm evidente Aussagen:
1. Ich denke.
2. Ich existiere.
3. Jedes Dreieck wird von drei Linien
begrenzt.
4. Jede Kugel wird von einer einzigen Oberfläche
begrenzt.
5. Jede Ursache muss mindestens so viel Realität haben wie
die Wirkung.
Bekannt wurde vor allem dieses Beispiel:
“Aber ich habe in mir die Annahme gefestigt, es gebe gar nichts in der Welt, keinen Himmel, keine Erde, keine Geister,
keine Körper: also bin doch auch ich nicht da? Nein, ganz gewiss war ich da, wenn ich mich von etwas überzeugt habe. (...) [Und mag mich auch ein allmächtiger Betrüger] täuschen, soviel er kann,
er wird doch nie bewirken können, dass ich nicht sei, solange ich denke, ich sei etwas. Nachdem ich so alles genug und übergenug erwogen habe, muss ich schließlich festhalten, dass der Satz, Ich
bin, ich existiere, sooft ich ihn ausspreche oder im Geiste auffasse, notwendig wahr sei.”
- René Descartes, 2. Meditation
Der Gedanke "Ich" muss sich stets auf ein Subjekt beziehen, um gedacht werden zu können. Deshalb ist der Satz "Ich denke, also existiere ich" immer wahr.
Daraus folgt:
1. Wenn jemand denkt "Ich denke", ist das notwendigerweise wahr. Denn die Bedeutung von "Ich" garantiert, dass der Gedanke "Ich" auf den Denker dieses Gedankens referiert. Und das Vorkommnis des Gedankens garantiert, dass der Denker auch tatsächlich existiert.
2. Wenn jemand denkt "Ich existiere", ist das notwendigerweise wahr.
Also: "Ich denke" und "Ich existiere" sind evidente Überzeugungen.
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