Die Regularitätstheorie der Kausalität besagt, dass Kausalität die regelmäßige Aufeinanderfolge von raumzeitlich benachbarten Ereignis-tokens ist.
Nach ihr stehen zwei Ereignisse E1 und E2 in einer Kausalbeziehung, gdw. gilt:
1. E1 liegt zeitlich unmittelbar vor E2.
2. E1 liegt räumlich unmittelbar neben E2.
3. Wenn ein Ereignis vom Typ E1 eintritt, dann tritt regelmäßig auch ein Ereignis vom Typ E2 ein[1] (d.h. E1 und E2 sind kontant verbunden).
Beispiel: Das Ereignis E1 "Billardkugel A stößt auf Billardkugel B" ist die Ursache für das Ereignis E2 "Billardkugel B rollt von Billardkugel A weg", gdw. gilt:
1. "Billardkugel A stößt Billardkugel B" liegt zeitlich unmittelbar vor "Billardkugel B rollt von Billardkugel A weg."
2. "Billardkugel A stößt Billardkugel B" liegt räumlich unmittelbar neben "Billardkugel B rollt von Billardkugel A weg".
3. Wenn ein Ereignis vom Typ "Billardkugel A stößt Billardkugel B" eintritt, dann lässt sich immer auch ein Ereignis vom Typ "Billardkugel B rollt von Billardkugel A weg" beobachten.
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Die Regularitätstheorie wird insofern als reduktive Theorie angesehen, als dass sie das Phänomen Kausalität auf die nicht-kausale Bedingung (3) zurückführt.
(3) besagt nur, dass Ereignisse, die in einer Kausalbeziehung stehen, regel-mäßig zusammen eintreten. Sie besagt nicht, dass sie das notwendig tun.
„Wir können sagen, Ursache heißt ein Gegenstand, der einem anderen vorausgeht und räumlich benachbart ist, wofern zugleich alle Gegenstände, die jenem ersteren gleichen, in der gleichen Beziehung der Aufeinanderfolge und räumlichen Nachbarschaft zu den Gegenständen stehen, die diesem letzteren gleichen.“
- David Hume: Ein Traktat über die menschliche Natur (1739/40), S. 229 - 230.
David Hume galt lange Zeit als der klassische Vertreter der Regularitätstheorie. Seit dem 20. Jahrhundert ist diese Zuschreibung zu Recht umstritten.[2][3]
Sicher ist aber, dass die Regularitätstheorie durch ein Argument motiviert wurde und werden kann, das wesentlich auf David Hume zurückgeht:
P1. Wir können nur Wissen aus dem ziehen, was wir direkt wahrnehmen.
P2. Wir können nie ein wegen-einander, sondern immer nur ein regelmäßiges mit-einander von zwei Ereignissen direkt wahrnehmen.
K1. Wir können nie wissen, dass zwei Ereignisse wegen-einander, sondern immer nur, dass sie mit-einander auftreten.
Die Prämisse P1 ist die Grundannahme des Empirismus. Wenn man sich diesem verpflichtet fühlt, kann das Argument die Bedingung (3) plausibilisieren. Denn dann können wir wirklich nur wissen, dass zwei Ereignisse regelmäßig miteinander auftreten, nicht aber, dass sie das mit Notwendigkeit machen.
Nach dieser mNn sehr vernünftigen Lesart der Regularitätstheorie schließt diese nicht aus, dass kausale Ereignisse ontisch notwendig zusammen auftreten. Sie besagt nur, dass wir das epistemisch niemals herausfinden können.
Die Bedingung (i) schließt qua definitionem aus, dass es simultane oder rückwärtige Verursachung geben kann. Und die Bedingung (ii) schließt qua definitionem aus, dass es Fernwirkungen geben kann.
Nun ist es durchaus denkbar und vielleicht auch empirisch der Fall, dass es tatsächlich keine rückwärtigen Ursachen oder Fernwirkungen gibt. Das scheint dann aber nur eine empirische und kontingente Tatsache und nicht eine Sache der Definition von Kausalität zu sein.
Die Hauptkritiken an der Regularitätstheorie beziehen sich auf ihre extens-ionale Unangemessenheit. D.h. sie klassifiziert einige Fälle schlichtweg falsch:
1. Sie klassifiziert zufällige Regelmäßigkeiten als Ursachen.
Beispiel: Eine Sektendorf in Osteuropa pflegt zwei sehr sonderbare Bräuche:
a. Die Einwohner pflanzen sich nur im September fort.
b. Die Einwohner fangen im Juni alle Störche aus dem Landkreis ein und bringen sie ins Dorf.
Dann gilt:
3. Wenn im Juni die Störche in das Sektendorf kommen, dann kommen auch die Babys.
Die Regularitätstheorie klassifiziert das Kommen der Störche als Ursache für das Kommen der Babys. Denn beide Ereignistypen sind Ereignistypen sind "konstant verbunden". Es handelt sich dabei aber nicht um eine kausale Beziehung, sondern nur um eine zufällige Regelmäßigkeit. Also ist diese Klassifikation falsch.
2. Sie klassifiziert einige Epiphänomene als Ursachen.
Beispiel: Unter idealisierten Umständen sei ein Tiefdruckgebiet Ursache von:[4]
a. Das Sinken des Barometerstandes.
b. Schlechterem Wetter.
Dann gilt unter idealisierten Bedingungen:
3. Wenn der Barometerstand sinkt, dann herrscht schlechteres Wetter.
Die Regularitätstheorie klassifiziert das Sinken des Barometerstandes als Ursache für das Schlechtere Wetter. Denn beide Ereignistypen sind "konstant verbunden". Es handelt sich dabei aber nicht um eine kausale Beziehung, sondern nur um ein kausal nicht-wirksames Epiphänomen. Also ist die Klassifikation falsch.
3. Sie klassifiziert vorweggenommene Ursachen nicht als solche.
Beispiel:
E1: In der Holzhütte H gibt es einen Kurzschluss.
E2: Kurz danach fällt ein Kerzenständer in H um.
E3: H fängt an zu brennen.
Es gilt: E1 hat zeitlich vor E2 stattgefunden und hat E2 daher auch verursacht.
Aber wenn E1 nicht eintreten wäre, dann wäre E3 wegen E2 eingetreten.
Die Regularitätstheorie kann klassifiziert E2 nicht als (vorweggenommene) Ursache von E3. Trotzdem scheint E2 eine (zumindest potentielle) kausale Rolle zuzukommen. Also ist die Klassifikaiton der Regularitätstheorie wiedermal falsch.
4. Sie klassifiziert einmalige Kausalbeziehungen nicht als solche.
Beispiel: Das Standardmodell der Kosmologie geht davon aus, dass eine spontane Symmetriebrechung die GUT-Ära bzw. Baryogenese verursachte.
Die Regularitätstheorie klassifiziert die Symmetriebrechung nicht als Ursache der Baryogenese. Denn die beiden Ereignistypen sind nicht "konstant verbunden", sondern wurden historisch nur einmal instantiiert. Es handelt sich dabei aber trotzdem um eine Kausalbeziehung. Also ist auch diese Klassifikation falsch.
Andreas Hüttemann. Ursachen, Kapitel 4.
[1] Ähnlich in: Stathis Psillos: Regularity Theories (2009), S. 131.
[2] Eine ausführliche Diskussion dazu findet sich in: Stathis Psillos: Causation and Explanation (2002).
[3] Die Vertreter des "Neuen-Hume" glauben sogar, dass jeder Versuch, David Hume als Regularitätstheoretiker zu lesen, fundamental falsch sein muss. (ebd.)
[4] Das Beispiel stammt aus: Andreas Hüttemann: Ursachen (2018),
S. 83 - 84.
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