1. Der reduktive ontologische Naturalismus (auch: metaphysischer Natur-alismus) besagt, dass alle Entitäten (identisch zu) natürlichen Entitäten sind.
Die Gegenposition zum ontologischen Naturalismus ist der Supranaturalismus.
Frage 1: Was ist mit "alle Entitäten" gemeint?
a. starker ontologischer Naturalismus: überhaupt alle Entitäten.
b. Schwacher ontologischer Naturalismus: alle raumzeitlichen bzw. kausalen Entitäten.
Also: Ein schwacher ontologischer Naturalist kann die Existenz der folgenden Entitäten postulieren; ein starker ontologischer Naturalist muss sie verneinen:
· Deismus: Ein Gott, der außerhalb von Raum und Zeit existiert sowie nicht in das kosmische Geschehen eingreift.
· Parallelismus: Eine cartesianischer Geist, der nicht raumzeitlich (res cogitantes) sowie nicht kausal wirksam ist.
Frage 2: Was ist mit "natürlichen Entitäten" gemeint?
a. Kriterium K1: Entitäten einer idealen naturwissenschaftlichen Theorie.
b. Kriterium K2: Entitäten der jetzigen naturwissenschaftlichen Theorien.
Kritik K1: Seelen sind ganz sicher Fälle von nicht-natürlichen Entitäten. Wenn sie aber mit dem Körper kausal interagieren, könnte eine naturwissenschaftliche Theorie dies empirisch feststellen und Seelen zu ihrem Gegenstand machen.
Kritik K2: Es wäre naiv anzunehmen, dass die jetzigen naturwissenschaftlichen Theorien bereits alle sicher natürlichen Entitäten zum Gegenstand haben.
Also 1: Keines dieser Kriterien scheint notwendig oder hinreichend zu sein.
Also 2: Die meisten Naturalisten begnügen sich damit, paradigmatische Fälle von natürlichen und von nicht-natürlichen Entitäten benennen zu können:
natürliche Entität |
nicht-natürliche Entität |
Planeten |
Götter |
Berge |
Wunder |
Katzen |
Feen |
Atom |
Platonische Ideen |
Das dritte Kriterium lautet also:
c. Kriterium K3: Entitäten, die zur gleichen Art gehören wie die sicher natürlichen Entitäten.
Aber: Es gibt Entitäten, bei denen es überhaupt nicht sicher ist, ob es sich um natürliche oder um nicht-natürliche Entitäten handelt. Hierzu zählen u.a.:
· Qualitative Geisteszustände (Schmerzempfindung, Rotempfindung)
· Intentionale Geisteszustände (Wunsch, Befürchtung)
· Bedeutung (sprachliche Bedeutung, nicht-sprachliche Bedeutung)
· Abstrakte Objekte (mathematische Objekte, Propositionen)
· Modale Tatsachen (Wenn Tag wäre, wäre es hell)
· Moralische Werte (Normen, Gesetze)
Also: Zumindest der starke ontologische Naturalist muss qua definitonem behaupten, dass diese Entitäten nicht existent oder natürliche Entitäten sind.
Aber: Sowohl eine ontologische Reduktion als auch eine Elimination dieser Entitäten fällt schwer. Daher vertreten Viele einen nicht-reduktiven Naturalismus:
2. Der nicht-reduktive ontologische Naturalismus behauptet, dass alle Entitäten natürliche Entitäten sind oder über natürliche Entitäten supervenieren.
Dabei gilt: Eine beliebige Entität E superveniert über eine natürliche Entität N, gdw. es prinzipiell keine Änderung von E ohne eine Änderung von N geben kann.
Der nicht-reduktive ontologische Naturalismus ist insbesondere nicht auf die These festgelegt, dass alle Entitäten auf natürliche Entitäten reduzierbar sind.
Vorteil: Er umgeht damit die schwerwiegenden Probleme, die sich mit der Reduktion von mentalen, abstrakten oder moralischen Entitäten ergeben.
Beispiel: Die mathematische Eigenschaft "unendlich groß zu sein" scheint mit keiner natürlichen Eigenschaften identisch zu sein, da die Natur endlich ist.
Nachteil: Er ist mit der Existenz von nicht-natürlichen Entitäten vereinbar, was es fraglich erscheinen lässt, ob der Name "Naturalismus" angemessen ist.
Beispiel: Wenn mentale Eigenschaften über natürliche Eigenschaften supervenieren, dann ist dies immer noch mit der dezidiert nicht-naturalistischen These vereinbar, dass mentale Eigenschaften nicht-natürliche Eigenschaften sind.
Also: Die (globale) Supervenienz aller Entitäten über natürliche Entitäten ist vermutlich notwendig, nicht aber hinreichend für die Wahrheit des Naturalismus.
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