„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Coronavirus

China hat das Coronavirus durch drastische Maßnahmen vorerst weitgehend besiegt. Seit 2 Wochen meldet das Land fast keine neuen Infektionen. An den Zahlen gab es zunächst Zweifel, aber inzwischen werden die provisorischen Krankenhäuser in Wuhan wieder abgerissen. Mehrere Provinzen bereiten sich auf ein Ende der Ausgangssperren und den Wiederbeginn des Alltags vor. Nun bietet China sogar an, Italien mit Tausenden Testkits, Schutzausrüstungen und Beatmungsgeräten auszuhelfen. Die Problemlagen scheinen sich zu verschieben.

1. Die Entwicklung von Corona in China

Die nächste Grafik ist superwichtig. Sie illustriert die Entwicklung des Infektionsgeschehens, wie viel die Behörden zu welchem Zeitpunkt wussten und welchen Effekt ihre Maßnahmen hatten.

Die orangefarbenen Balken stellen die täglichen offiziellen Fallzahlen in der Provinz Hubei dar, bei wie vielen Menschen am jeweiligen Tag Covid-19 diagnostiziert wurde. Die grauen Balken sind dagegen die tatsächlichen täglichen Infektionen. Das chinesische CDC ermittelte diese Zahlen durch Befragung von Patienten, wann ihre Symptome begannen. Kurz gesagt zeigen die orangenen Balken, was offiziell bekannt war und die grauen Balken, was tatsächlich passierte.

Am 21. Januar 2020 explodierte die Zahl der neu diagnostizierten Fälle (orange): Etwa 100 neue Infektionen wurden bekannt. Tatsächlich gab es an diesem Tag aber 1.500 neue Fälle. Und die Zahl der Neuinfektionen wuchs exponentiell weiter. Das wussten die Behörden aber nicht. Sie sahen bloß, dass es plötzlich 100 weitere Fälle dieser neuen Krankheit gab. 

2 Tage später, am 23. Januar, erklärten die Behörden Wuhan zur Sperrzone. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Zahl der täglich neu diagnostizierten Fälle ca. 400. Tatsächlich gab es aber 2.500 neue Fälle an diesem Tag, ohne dass die Behörden das wussten. Einen Tag später wurden 15 weitere Städte in Hubei abgeriegelt. 

Schaut euch die Entwicklung der grauen Balken bis zum 23. Januar genau an – dem Tag der Abriegelung Wuhans. Die tatsächlichen Infektionszahlen explodierten. Exponentielles Wachstum. Mit dem Lockdown Wuhans verlangsamte sich der Anstieg drastisch. Als am 24. Januar, also nur einen Tag später, 15 weitere Städte zur Sperrzone erklärt werden, kommt das Wachstum der Zahl der tatsächlichen neuen Fälle (graue Balken) zum Erliegen. 2 Tage später erreicht die Zahl ihren Höchststand. Seitdem geht die Zahl der Neuinfektionen zurück. 

Auch dies war den Behörden damals jedoch nicht bekannt. Zu diesem Zeitpunkt ging die Zahl der orangefarbenen, offiziell neu diagnostizierten Fälle weiterhin durch die Decke. 12 weitere Tage lang, bis zum 6. Februar, deuten die offiziellen Zahlen weiterhin auf exponentielles Wachstum hin. War es aber nicht. Es wurden bloß immer mehr Fälle bekannt, aber die Abriegelung der betroffenen Gebiete hatte Wirkung gezeigt und das tatsächliche Infektionsgeschehen war abgeflaut.

Auch in anderen chinesischen Provinzen gab es Infektionen. Doch inzwischen war China vorbereitet und wusste, was zu tun ist. Deshalb kam es in China außerhalb von Hubei nirgendwo zu exponentiellem Wachstum der Infektionszahlen (siehe „Chart 8“). Jede flach verlaufende Linie ist eine chinesische Region mit Coronavirusfällen.

2. Die Entwicklungen in anderen Ländern

 

Im Vergleich dazu sieht man die Entwicklung in Südkorea, Italien und Iran, die einen ganzen Monat Zeit hatten, von den Erfahrungen Chinas zu lernen, aber diese Chance verstreichen ließen. Ende Februar geriet die Lage in diesen 3 Ländern außer Kontrolle und ihre Fallzahlen überstiegen diejenigen aller chinesischen Regionen außer Hubei.

Südkorea stellt einen Sonderfall dar. Das Land dämmte die Ausbreitung des Virus anfangs ziemlich erfolgreich ein, aber dann infizierte eine einzige erkrankte Person Tausende Menschen („Superspreader“).

Anschließend zeigten die Eindämmungsbemühungen jedoch erneut Wirkung und inzwischen gibt es nur noch wenige neue Infektionen in Südkorea. Sehr ermutigend!

Auch in anderen ostasiatischen Ländern wie Taiwan, Singapur, Hongkong, Japan und Thailand breitet sich SARS-CoV-2 nur langsam aus. Ostasien war stark vom SARS-Ausbruch 2003 betroffen und hat aus diesem Vorfall offenbar seine Schlüsse gezogen.

 

Die westliche Welt hat mit solchen Ereignissen weniger Erfahrung. Fies auf dem falschen Fuß erwischt wurde z. B. der US-amerikanische Bundesstaat Washington. Nachdem erst 4 Infektionen festgestellt worden waren, gab es dort am 26. Februar bereits 2 Todesfälle. 1 Woche später, am 5. März, waren sogar schon 11 Menschen gestorben, obwohl es noch nicht mal 50 diagnostizierte Fälle gab. Wie kann das sein? Dafür gibt es nur eine Erklärung: Das Virus ist bereits seit Mitte Januar in Washington und hat sich 6 Wochen lang mit geometrischer Geschwindigkeit ausgebreitet, ohne dass dies jemandem aufgefallen war.

Es gibt zwei Möglichkeiten, die tatsächlichen Infektionszahlen abzuschätzen: Einmal über Modelle, die hauptsächlich auf Daten der Ausbrüche in China und Südkorea basieren (Südkorea führt extrem viele Tests durch, daher haben wir gute Infektionsstatistiken aus dem Land) und zweitens durch Analyse der Mutationen des Virus mittels Genomsequenzierung. Auf Basis dieser Methoden kann man davon ausgehen, dass es im Bundesstaat Washington mit seinen 37 Todesfällen und 569 bestätigten Infektionen Stand 14. März in Wahrheit bereits zwischen 1.850 und 26.900 Infizierte gibt.

Frankreich hat Stand 14. März 3.661 bestätigte Fälle und 79 Tote. Mit Hilfe der oben genannten Methoden geschätzt sind dort in Wahrheit aber bereits mindestens 62.000 Menschen infiziert. In Spanien sind es mindestens 192.000 und in Italien vielleicht schon 1 Million. Im Iran könnten sogar bereits 3 Millionen Menschen infiziert sein.

Die chinesische Region Hubei hat 57 Millionen Einwohner – mehr als Spanien und fast so viele wie Frankreich. Als Hubei lahmgelegt und zur Sperrzone erklärt wurde, hatte es aber 5 Mal weniger diagnostizierte Fälle als diese zentraleuropäischen Länder. Dementsprechend härter wird es Europa treffen.

3. Exponentielles Wachstum

Die nächste Grafik zeigt die Zahl der bestätigten Coronavirus-Infektionen außerhalb Chinas.

Momentan gehen die meisten dieser Fälle auf das Konto von Italien, Iran und Südkorea.

Es gibt aber Dutzende weitere Länder mit exponentiellen Wachstumsraten.

 

Nach der Infektion dauert es 1 Woche, bis sich die ersten Symptome zeigen und dann nochmal 2 Wochen, bis die Erkrankung ggf. zum Tod führt. Bei den bekannten Ausbreitungsraten bedeutet das außerhalb Chinas und Ostasiens Folgendes: 75 % der infizierten Menschen haben heute noch keinerlei Symptome. Von den Infizierten, die Covid-19 nicht überleben werden, sind heute sogar 98 % noch putzmunter. Stand 14. März hat das Virus 1.812 Menschenleben in Europa gefordert. Die Zahl könnte bereits im April auf 100.000 wachsen. Das ist die erbarmungslose Mathematik von Exponentialfunktionen. Wenn die Modelle halbwegs stimmen – und bisher sieht alles danach aus –, wird sich das, was sich in den kommenden Wochen in Europa abspielen wird, in das kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation hineinbrennen.

Exponentielles Wachstum sieht am Anfang immer harmlos aus. Wochenlang passiert fast nichts. Dann bricht auf einmal die Hölle los.

Wenn es so weit ist, wird das Gesundheitssystem in Eurer Region innerhalb weniger Tage überlastet sein. Tausende Patienten werden in provisorischen Hallen und Krankenhauskorridoren behandelt, weil Zimmer und Betten voll sind. Ärzte und Pfleger verbringen Stunden in ein und demselben Schutzanzug, weil es nicht genug davon gibt. Daher können sie die kontaminierten Räume stundenlang nicht verlassen. Wenn sie es endlich können, brechen sie dehydriert und erschöpft zusammen. Das Foto von Elena Pagliarini ging um die Welt, einer italienischen Krankenschwester, die auf ihrem Schreibtisch kollabiert war und es vor Erschöpfung nicht mal mehr fertigbrachte, ihren Mundschutz abzuziehen.

Es gibt keine Schichten mehr, nur noch Arbeit rund um die Uhr. Medizinisches Personal wird aus dem Ruhestand zurückbeordert. Menschen, die keine Ahnung von Krankenpflege haben, werden von heute auf morgen dazu ausgebildet, kritische Funktionen zu übernehmen. Viele infizieren sich. In der Lombardei sind 20 % des medizinischen Personals an Covid-19 erkrankt. Im besten Fall bedeutet das 2 Wochen Quarantäne, während denen sie nicht mehr helfen können. Manche sterben aber auch, wie selbst Krankenhausdirektoren in Wuhan. Da es nicht genug Intensivstationen und nicht genug Beatmungsgeräte gibt, müssen Ärzte wie im Krieg entscheiden, welche Patienten eine Chance bekommen und behandelt werden. Die anderen können noch schnell ihr Testament machen und sich per Videotelefonat von ihren Angehörigen verabschieden. Triage. In dieser Woche haben uns schockierende Bilder, verzweifelte Hilferufe und dramatische Appelle von Ärzten aus Norditalien erreicht, wo all das bereits passiert ist.

4. Social Distancing

Die einzige Möglichkeit, Ähnliches oder gar Schlimmeres in anderen Ländern zu verhindern, ist Social Distancing.

Storniert Euren Urlaub und alle Reisepläne, falls Ihr das nicht schon gemacht habt. Sagt Eure Teilnahme an Veranstaltungen ab, nicht bloß an Großveranstaltungen. Verlasst Euer Haus nur noch, wenn es unbedingt sein muss. Haltet Euch von anderen Menschen fern. Normalerweise reichen 1 bis 2 Meter, aber wenn jemand hustet, hält man besser 4 Meter Abstand.

Wer hustet oder Fieber hat (Schnupfen gehört nicht zu den typischen Covid-19-Symptomen), sollte sich sofort krank melden und nicht mehr zur Arbeit gehen. 

Wenn Ihr Euer Haus verlasst, berührt möglichst nichts und wenn doch, dann fasst Euch danach um Himmels Willen nicht ins Gesicht! Nicht, bevor Ihr Euch gründlich die Hände gewaschen habt. Das ist leichter gesagt als getan. Menschen fassen sich etwa zehn- bis zwanzigmal pro Stunde unbewusst ins Gesicht. Das müsst Ihr Euch bewusst machen und abtrainieren. Ich selbst habe das bisher nicht geschafft und erwische mich ständig dabei, wie ich mich am Kopf oder am Kinn kratze oder meine Augenbrauen glattstreiche.

Das Virus ist jetzt überall. Wenn in Eurem Landkreis die ersten paar Dutzend Fälle diagnostiziert worden sind, gibt es in Wahrheit bereits Tausende Infizierte. Wohin Ihr auch geht: SARS-CoV-2 wartet schon auf Euch und will unbedingt in Eure Lunge.

Das Virus überlebt auch bis zu 9 Tage auf Materialien wie Metall, Keramik und Kunststoff. Das bedeutet, dass z. B. Türklinken, Tische oder Knöpfe in Aufzügen zu schlimmen Infektionsvektoren werden können. In öffentlichen Verkehrsmitteln, Gaststätten oder Geschäften können Coronaviren auf jeder Oberfläche sitzen. Wer von solchen Orten in seine eigenen vier Wände zurückkehrt, sollte äußere Kleidung und Hände als kontaminiert ansehen, also gleich die Jacke in die Garderobe hängen und Hände waschen. Auch die Haare können kontaminiert sein (etwa durch die Kopfstütze in der Bahn), das heißt spätestens vor dem Zubettgehen Haare waschen. Unter freiem Himmel sind Oberflächen viel schwächer belastet, weil die Erreger durch Umwelteinflüsse verdünnt und inaktiviert werden. Einsame Spaziergänge durch den Wald sind also okay.

Das Virus hat es auf die Schleimhäute von Augen, Mund und Nase abgesehen. Nur so kann es in Euren Körper eindringen. Deshalb müsst Ihr diese Stellen unbedingt schützen. Mit einiger Sorgfalt ist das möglich, aber schwierig. Sicher ist nur, wer sich ganz von Orten fernhält, an denen Infizierte herumlaufen.

Macht das alles ab sofort, nicht erst ab morgen. Und macht es nicht nur selbst, sondern sagt auch anderen Bescheid.

Anhand folgender zwei Grafiken sieht man, warum es jetzt auf jede Minute ankommt.

Jeder Tag, um den Social-Distancing-Maßnahmen hinausgezögert werden, kann 25 bis 40 % mehr Infizierte bringen.

Das sind alles weder neue Erkenntnisse noch graue Theorie, wie die Erfahrungen mit der Spanischen Grippe vor gut 100 Jahren zeigen. Am 17. September 1918 trat der erste Fall in Philadelphia auf. Die Stadt wartete jedoch bis zum 3. Oktober, also mehr als 2 Wochen, bis sie entschiedene Maßnahmen ergriff. Das Resultat war ein Massensterben, das den gesamten Oktober anhielt. St. Louis hatte von diesem Fehler gelernt. Dort wurde der erste Fall am 5. Oktober diagnostiziert und die Stadt reagierte bereits 2 Tage später beherzt, was den Epidemieverlauf dort massiv entschärfte.

Denver beschloss Anfang Oktober 1918 strikte Maßnahmen, welche die Epidemie erfolgreich eindämmten. Nach einem Peak Mitte Oktober fielen die Sterberaten deutlich. Dies veranlasste Denver, die Maßnahmen Mitte November wieder zu lockern, was aber zu einem erneuten Aufflammen der Krankheit und einem Massensterben im Dezember führte – diesmal sogar noch schlimmer als beim Peak im Oktober.

Diese Muster zeigen sich in den gesamten USA. Je früher soziale Distanzierung stattfand, umso weniger Opfer. Im Schnitt war die Sterberate in Städten, die 20 Tage früher als andere reagierten, nur halb so hoch.

Italien kam letztlich auch auf diesen Trichter. Am Sonntag, den 8. März 2020, wurden die Lombardei und 14 weitere Gebiete im Norden Italiens weitgehend abgeriegelt. Einen Tag später realisierte die Regierung ihren Fehler und entschied sich, die Einschränkungen auf das ganze Land auszuweiten. Diese Maßnahmen funktionieren und haben die Ausbreitung des Virus bereits deutlich verlangsamt, aber denkt an die Erkenntnisse aus Wuhan: Es dauert 12 Tage, bis man dies auch in den Statistiken sieht!

5. Containment

Ein weiterer Maßnahmenbereich neben Social Distancing ist Containment. Was die Chinesen in dieser Hinsicht geleistet haben, verdient höchste Anerkennung. China stellte 1.800 Teams aus jeweils 5 Personen zusammen. Diese Teams analysierten das Bewegungsprofil jeder infizierten Person. Jeden Menschen, der mit einer infizierten Person Kontakt hatte, spürten sie auf und testeten ihn auf SARS-CoV-2. Wer infiziert war, wurde direkt isoliert. Diese Teams waren unheimlich erfolgreich und schafften es tatsächlich, die Ausbreitung des Virus in einem 1,4-Milliarden-Land mit einer höheren Bevölkerungsdichte als der EU nahezu vollständig zu stoppen. Taiwan hat vergleichbare Programme und auch Südkorea testet wie verrückt, um Infizierte möglichst schnell zu finden und zu isolieren. 

Diese Containment-Strategie funktioniert. Der Erfolg gibt diesen Ländern recht. In Deutschland kann man sich dagegen in der Regel noch nicht mal testen lassen, wenn man den Verdacht hat, dass man infiziert ist. Das ist zum Haareraufen und wird uns mittelfristig noch teuer zu stehen kommen. So kann man das Virus nicht stoppen, sondern höchstens seine Ausbreitung verlangsamen. Ob das ausreicht, wird sich noch zeigen, aber eins ist jetzt schon klar: Europa wird in den kommenden Wochen und Monaten sehr viel härter eingeschenkt bekommen als Ostasien.

China hat darüber hinaus weitere drastische Maßnahmen zur Eindämmung von SARS-CoV-2 ergriffen. Da wurden nicht nur Schulen geschlossen und Großveranstaltungen abgesagt, sondern Wohnungstüren von Infizierten kurzerhand zugeschweißt, Häuser mit Stacheldraht gesichert, Millionenstädte unter Quarantäne gestellt, nicht systemrelevante Fabriken und Büros rigoros dicht gemacht, Menschen nur noch 1 Mal alle 3 Tage kurz zum Einkaufen gelassen und all das militärisch durchgesetzt. 

Solche Maßnahmen können und wollen wir in unseren liberalen Demokratien nicht ergreifen. Deshalb muss bei uns jeder Einzelne freiwillig mitmachen, Verantwortung übernehmen und seinen Alltag ändern. 

6. Unterschiedliche Bezeichnungen

An dieser Stelle eine kurze Navigation durch das Begriffswirrwarr. Coronaviren sind eine Virusfamilie, die seit den 1960ern bekannt ist. Coronaviren befallen Menschen schon seit Ewigkeiten und verursachen Erkältungen. Zu den Coronaviren zählt auch das derzeit weltweit grassierende Virus SARS-CoV-2 (Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 – Schweres akutes Atemwegssyndrom Coronavirus 2). Die Vorsilbe „SARS“ zeigt schon an, dass dieses Virus ungleich gefährlicher als bisher bekannte Coronaviren ist. Die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Atemwegskrankheit wurde „Covid-19“ (Coronavirus-Disease-2019 – Coronavirus-Krankheit-2019) genannt. Covid-19-Patienten sind dementsprechend Menschen, die mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert sind und Krankheitssymptome zeigen.

7. Konsequenzen einer Infektion

Wie stirbt man eigentlich an Covid-19? Kurz gesagt durch schwere beidseitige Lungenentzündung und Lungenödem. Das Virus verursacht einen Anstieg des Blutdrucks in der Lunge. Dadurch tritt Plasma aus den Kapillargefäßen aus. Flüssigkeit sammelt sich in der Lunge an. Man ertrinkt quasi innerlich und bei vollem Bewusstsein. Die Schilderungen italienischer Ärzte erspare ich Euch. Jedenfalls wollt Ihr so nicht enden. Ihr wollt auch nicht, dass ein Familienmitglied, Freund oder Bekannter von Euch so endet. 

Jetzt versteht Ihr auch direkt, warum Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Geschichten zu den größten Risikofaktoren für Covid-19-Patienten zählen. Außerdem verursachen Lungenentzündungen oft septische Schocks, woran man ohnehin schnell mal stirbt und was außerdem erklärt, warum Diabetes ein weiterer Risikofaktor ist. 

80 % der Infizierten haben maximal Grippesymptome. Das Problem sind aber die anderen 20 %. Zu denen wollt Ihr nicht gehören. Die meisten Personen mit schwerem Verlauf müssen ins Krankenhaus, oft mehrere Wochen. Laut WHO müssen 15 % der Infizierten konzentrierten Sauerstoff einatmen, und zwar mindestens mehrere Tage lang. 5 % müssen künstlich beatmet werden. 

Wie das in der Realität aussieht, könnt Ihr Euch auf dem nächsten Bild aus dem Krankenhaus der norditalienischen Stadt Cremona ansehen. Oft werden Patienten auf den Bauch gelegt, da man so die untere Lunge besser belüften kann. Dann werden sie in ein künstliches Koma versetzt und per Luftröhrenschnitt intubiert. Ihr wollt nicht, dass sowas bei Euch erforderlich wird. Dabei sind das noch die Glücklichen, für die noch Intensivstationsbetten und Beatmungsgeräte frei waren.

Bei Obduktionen in China wurde festgestellt, das Covid-19-Patienten schon in einem frühen Stadium der Krankheit eine Lungenfibrose erleiden können. So eine Schädigung des Lungengewebes ist irreversibel und bleibt auch, wenn man das Virus wieder losgeworden ist. In Hongkong wurde bei Nachuntersuchungen von Genesenen eine Reduktion der Lungenfunktion um 20 bis 30 % diagnostiziert. Auch andere bleibende Schäden sind möglich, von denen man bisher noch nichts weiß. Die Infektion überleben heißt also nicht, dass alles paletti ist.

Wie tödlich ist das Virus laut den neuesten Daten? In China, das in den vergangenen Wochen kaum Neuinfektionen hatte, konvergiert die Sterberate gegen 3,9 % aller Infizierten. Oft hören wir von Risikofaktoren wie hohem Alter und Vorerkrankungen, von denen die Sterblichkeit verschiedener Bevölkerungs-gruppen stark abhängt. Das ist sehr wichtig: Das Sterberisiko ist bei Rentnern 40 Mal höher als bei Kindern und bei Kranken 8 Mal höher als bei Gesunden. Aber ein weiterer Faktor ist ebenfalls entscheidend: Ob das Gesundheitssystem in Eurer Region noch funktioniert oder bereits überstrapaziert ist. 

Die 3,9-%-Zahl aus China setzt sich aus zwei völlig unterschiedlichen Realitäten zusammen: Hubei und dem Rest Chinas. Die Sterberate von Hubei nähert sich ca. 4,8 % der dort Infizierten an. Im Rest Chinas wird es dagegen wahrscheinlich nur auf ca. 0,9 % hinauslaufen.

In Südkorea sieht es aktuell sogar so aus, dass vielleicht nur 0,5 % aller Infizierten sterben. Iran und Italien landen hingegen wahrscheinlich eher bei 4 %.

Lektion: In Ländern, die gut vorbereitet sind und die richtigen Maßnahmen rechtzeitig ergreifen, sterben fast 10 Mal weniger Menschen als in Ländern, in denen die Lage außer Kontrolle gerät.

8. Trugschlüsse

Viele denken: Ich bin jung und gesund, deshalb macht mir das Virus höchstwahrscheinlich nicht viel. Außerdem kann ich mich nicht ewig in meinem Bett verkriechen, also werde ich mich wohl sowieso irgendwann infizieren. 

Das kann man so sehen. Trotzdem wollt Ihr Euch nicht ausgerechnet jetzt anstecken, denn in 3 Wochen werden die Krankenhäuser aus allen Nähten platzen. Im schlimmsten Fall ist das Gesundheitssystem so überlastet wie in Italien, sodass fast 10 Mal mehr Menschen als bei optimaler Versorgung sterben. 

Außerdem werden wir vielleicht bereits in einigen Monaten wirksame Medikamente oder sogar einen Impfstoff haben. Wenn Millionen Wissenschaftler auf der ganzen Welt fieberhaft zusammenarbeiten, ist vieles möglich. Zeit ist ein entscheidender Faktor. Jetzt ist der schlechteste Zeitpunkt überhaupt, um sich zu infizieren.

Ich höre noch immer oft die Aussage, dass sich wahrscheinlich 40 bis 70 % aller Menschen infizieren werden, oft in Verbindung mit einem völligen Mangel an Problembewusstsein, was das bedeuten würde oder sogar mit der Hoffnung, dies sei geradezu wünschenswert, da sich so ein gewisses Niveau an Herdenimmunität in der Bevölkerung entwickeln würde. Was bei der Grippe funktioniert, wegen der 0,3 % der Infizierten ins Krankenhaus müssen, wäre aber völliger Wahnsinn bei SARS-CoV-2, das 20 % der Infizierten auf die Bretter schickt. Als in Italien die Gesundheitsversorgung zu kollabieren begann, war noch nicht mal 1 % der Bevölkerung infiziert! So geht es also nicht. 

Die Kacke ist am Dampfen. Das Virus kann gestoppt werden, aber nur in Ländern und Gesellschaften, die von China, Taiwan oder Südkorea lernen und ihre Gewohnheiten für einige Zeit ändern. Diese Pandemie ist wie ein riesiger Intelligenztest, Bildungstest, Koordinationstest und Solidaritätstest, dem alle Völker der Erde nun nolens volens unterzogen werden. Es ist aber keine Klausur, die man nach Nichtbestehen einfach wiederholen kann. Diese Prüfung ist ernst und gefährlich und darf auf keinen Fall vermasselt werden.

Gastbeitrag von: Martin Motl

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Kommentare: 1
  • #1

    Rainer Kirmse , Altenburg (Mittwoch, 19 Mai 2021 13:34)

    Mit Zuversicht durch finstere Zeiten,
    Lebensfreude gegen Corona-Leiden.

    LEBENSLUST STATT CORONAFRUST

    In diesen Coronazeiten,
    da Körper und Seele leiden,
    sollten wir Humor nicht meiden.

    Ernst ist das Leben,
    doch bei allem Streben
    braucht es Spaß daneben.

    Leben ohne Lachen und Lieben,
    wir wären Tiere geblieben.
    Halten wir unser Leben in Fluss,
    verzichten nicht auf den Genuss;
    genießen die Liebe, jeden Kuss,
    ersparen uns Verdruss am Schluss.

    CORONA-FRÜHLING

    Frühling lässt flattern sein blaues Band,
    Doch Corona hält im Griff das Land.
    Trotz Shutdown und Inzidenz
    Zieht nun ein bei uns der Lenz.
    Es grünt in Wald und Wiese,
    Der Frühling kennt keine Krise.

    Farbenpracht und Blütenduft
    Locken an die frische Luft;
    Labsal für Seele und Brust,
    Wanderlust statt Coronafrust.
    Tabu ist noch der ferne Strand,
    Erkunden wir das Heimatland.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen


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