Die Pessimistische Metainduktion (kurz: PMI) ist ein Argument des Wissenschaftstheoretikers Larry Laudan gegen den wissenschaftlichen Realismus.
Das Argument kann als induktive Verallgemeinerung rekonstruiert werden:[1]
P1. Die meisten vergangenen, empirisch erfolgreichen Theorien sind falsch.
K1. Also: Die meisten (gegenwärtig) erfolgreichen Theorien sind falsch.
Die Prämisse P1 stützt sich auf die sog. "Laudans Liste", die einige Theorien enthält, die einst erfolgreich waren, sich aber als falsch herausgestellt haben:
§ die Kristallsphären der antiken und mittelalterlichen Astronomie
§ die humorale Theorie der Medizin ("Säftelehre")
§ Die Fluidumstheorie der statischen Elektrizität
§ Die Katastrophoismustheorie der Geologie
§ die Phlogiston-Theorie der
Chemie
§ die
kalorische Theorie Wärme
§ die
Vibrationstheorie der Wärme
§ die
Vitalkräftetheorie der Physiologie
§ der
elektromagnetische Äther
§ der
optische Äther
§ Die Trägheitstheorie des Galileo Galilei
§ die Theorien der spontanen Generation
Als induktive Verallgemeinerung hat die PMI die Form:
P1. X% aller bisher n beobachteten Fs sind Gs.
K1. Also: X% aller Fs sind Gs.
Dahinter steckt die "aufzählende Methode" der Induktion:
1. Erkennen einer Regelmäßigkeit ("X% aller n beobachteten Fs sind Gs").
2. Kategorisierung dieser Regelmäßigkeit ("Fs sind Gs").
3. Verallgemeinerung dieser Regelmäßigkeit ("X% aller Fs sind Gs").
Die n beobachteten Fs bilden eine Stichprobe. Diese muss erstens sehr groß sein (n ≫ 0) und zweitens repräsentativ sein. Das kann dadurch gewährleistet werden, dass häufig und zufällig Fs beobachtet werden. Dann hat jedes Individu-um in der Gesamtklasse aller Fs die gleiche Chance, in die Stichprobe zu langen.
Die Theorien in "Laudans Liste" wurden aber nicht zufällig ausgewählt. Sie wurden vielmehr gerade deshalb ausgewählt, weil sie erfolgreich, aber falsch sind. Laudans Liste ist daher eine voreingenommene Stichprobe und bildet daher auch keine gute keine gute Grundlage für eine induktive Verallgemeinerung!
„The pessimistic induction is a fallacy of biased statistics. The pessimistic inducer took
samples only from science before the twentieth century. [...] The minimum requirement for fair samples is that they be randomly selected from the sciences of both before and after the year 1900.
Laudan’s samples do not meet this requirement.“
- Seungbae Park: A Confutation of the
Pessimistic Induction
Aber wie könnte eine gute Grundlage aussehen? Moti Mizrahi ist wie folgt vorgegangen:[2] Er hat auf Oxford Reference Online in verschiednenen Wörterbüchern nach dem Begriff "Theorie" gesucht. Nachdem er 124 Instanzen des Begriffs "Theorie" gesammelt hatte, wählte er mit einem Zufallsgenerator 40 unter ihnen aus. Die so gewonnene Stichprobe teilte er nun in drei Kategorien ein: akzeptiert, zurückgewiesen und wird noch diskutiert. Hier sein Ergebnis:
Mizrahi hat dasselbe noch einmal mit dem Begriff "Gesetz" gemacht und ein ähnliches Ergebnis bekommen. Seine Stichprobe ist auf jeden Fall größer und repräsentativer (im Sinne von die Theorien wurden mehr nach Zufall ausgewählt) als die von Laudan. Eine induktive Verallgemeinerung auf ihrer Grundlage:
P1. 15% der Theorien in "Mizrahis Liste" wurden zurückgewiesen.
K1. 15% aller Theorien werden einmal zurückgewiesen.
Mizrahis Liste bildet keine gute Grundlage für eine "pessimistische Induktion". Vielmehr scheint sie eine "optimistische Induktion" zu rechtfertigen:[3][4]
P1. 70% der Theorien in "Mizarhis Liste" werden als wahr angesehen.
K1. Also: 70% aller Theorien werden als wahr angesehen.
Wenn im Wunderargument in 70% aller Fälle auf ein korrektes Explanans geschlossen wird, dürfte das ausreichen. Angenommen Mizrahis Liste ist eine gute induktive Grundlage. Dann scheinen historisch-induktive Argumente eher den wissenschaftlichen Realismus als den Antirealismus zu rechtfertigen.
Ich persönlich bin aber skeptisch gg. solchen historisch-induktiven Argumenten.
[1] Craig Callender, P.D. Magnus: Realist Ennui and the Base Rate Fallacy. 2004.
[2] Moti Mizrahi: The Pessimistic Induction: A Bad Argument Gone Too Far. 2012.
[3] Robert Nola: The Optimistic Meta-Induction and Ontological Continuity: the Case of the Electron. 2008.
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