Ein System enthält Aussagen über die empirische Welt oder einen Teil von ihr.
Es verfügt über eine logische Ordnung: Spezifische Aussagen werden von allgemeinen Aussagen aus deduziert, insbesondere den Axiomen oder
Theoremen des Systems. Darüber hinaus haben Systeme Eigenschaften:
(1) Ein System S ist einfach, gdw. es durch möglichst wenige, syntaktisch einfache und nicht-redundante Aussagen axiomatisierbar ist.
(2) Ein System S ist empirisch informationsreich, gdw. es in dem Sinne stark ist, dass es möglichst viele alternative Möglichkeiten ausschließt.
Die Beste System-Theorie besagt nun, dass eine Aussage A ein Naturgesetz ist oder beschreibt[1], genau dann wenn sie als ein Axiom oder Theorem in einem deduktiven, idealen System S enthalten ist, welches das beste Gleichgewicht zwischen empirischen Informationsgehalt und Einfachheit erzielt. Dabei gilt:
Der wichtigste Vertreter der Besten-System-Theorie ist David Lewis:
„A contingent generalization is a law of nature if and only if it appears as a theorem (or
axiom) in [. . .] the true deductive system […] that achieves a best combination of simplicity and strength.“
- David Lewis: Counterfactuals. Oxford: Blackwell (1973), S. 73.
Die Beste-System-Theorie ist ein Humeanismus (s.u.) und zugleich auch ein Realismus in Bezug auf Naturgesetze: Ein Naturgesetz zu sein, ist nicht gleichbedeutend damit, für ein Naturgesetz gehalten zu werden und auch nicht gleichbedeutend damit, eine wahre Aussage zu sein und für ein Naturgesetz gehalten zu werden. Das beste System ist ein Ideal. Wir werden es niemals erreichen aus dem einfachen Grund, dass wir niemals über alle empirischen Informationen über die Welt verfügen werden. Nichtsdestoweniger können wir gute Gründe dafür haben, die Theoreme des Systems, welches das beste Gleichgewicht aus Einfachheit und empirischen Informationsgehalt darstellt, das wir erreichen können, für Naturgesetze zu halten. Diese Theoreme sind jedenfalls die besten Hypothesen über Naturgesetze, die wir gegeben den Stand unseres empirischen Wissens aufstellen können. Lewis zufolge ist durch die Verteilung der fundamentalen physikalischen Eigenschaften festgelegt, was ein Naturgesetz ist und diese Verteilung ist von unserem empirischen Kenntnisstand unabhängig: Ob eine gegebene Aussage, die ein Kandidat dafür ist, ein Naturgesetz auszudrücken, tatsächlich ein Naturgesetz ausdrückt, hängt von der Beschaffenheit der Verteilung der fundamentalen physikalischen Eigenschaften in der Welt ab.
Die Beste-System-Theorie hat viele historische Vorbilder.
Schon Gottfried Wilhelm Leibniz schreibt:
„Man kann deshalb sagen, daß die Welt, wie auch immer Gott sie erschaffen hätte, stets regelmäßig und in
einer bestimmten allgemeinen Ordnung gewesen wäre. Gott hat aber diejenige gewählt, welche die vollkommenste ist, d.h. diejenige, die zugleich die einfachste an Hypothesen und die reichhaltigste
an Erscheinungen ist.“
- Gottfried Wilhelm Leibniz: Metaphysische Abhandlungen (1686), §
6.
Vom leibnizschen Standpunkt aus gesehen ist die Beste-System-Theorie also der Versuch, Gottes Ordnung nachzuvollziehen. Später schreibt Immanuel Kant:
„Es muss also ein objektiver, d.i. vor allen empirischen Gesetzen der Einbildungskraft a priori einzusehender Grund sein, worauf die Möglichkeit, ja sogar die Notwendigkeit eines durch alle Erscheinungen sich erstreckenden Gesetzes beruht, sie nämlich durchgängig als solche Data der Sinne anzusehen [...]“
- Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft (1790), S. 179f.
Eine weitaus wichtigere, historische Bezugsfigur ist jedoch John Stuart Mill:
„According to one mode of expression, the question, What are laws of nature? may be stated
thus:—What are the fewest and simplest assumptions, which being granted, the whole existing order of nature would result? Another mode of stating the question would be thus: What are the fewest
general propositions from which all uniformities which exist in the universe might be deductively inferred?“
John Stuart Mill: A System of Logic (1843), S: 317.
Im 20. Jahrhundert war der wichtigste Vertreter einer Beste-System-Theorie Frank P. Ramsey. Ramsey schlägt vor, diejenigen Aussagen als Naturgesetze anzusehen, die wir als Theoreme akzeptieren würden, wenn wir über alle empirischen Informationen über die Welt verfügten und diese Informationen in einem deduktiven System organisieren würden, das so einfach wie möglich ist.
Der Philosoph David Lewis entwickelte die Idee dahingehend weiter, dass Naturgesetze die Axiome oder Theoreme des besten Systems sind, das heißt desjenigen Systems, das die beste Verbindung aus Einfachheit und empirischen Informationsgehalt erreicht. Er gilt heute als der Hauptvertreter dieser Theorie.
Die beiden Gütekriterien stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander: Stärkere Systeme tendieren dazu weniger einfach zu sein und umgekehrt. Ein rein logisches System beispielsweise ist einfach, aber nahezu ohne Informationsgehalt. Eine bloße Aufzählung alles dessen, was es in der Welt gibt, ist reich an Informationsgehalt, aber nicht einfach. Lewis meint nun, dass Systeme, welche Naturgesetze beinhalten, hier eine Balance halten müssen.
Es gibt zahlreiche moderne Weiterentwicklungen von der Besten-System-Theorie von David Lewis. Diese firmieren dann unter Namen wie "Die bessere Beste-System-Theorie" und gründen sich häufig auf einem Super-Humeanismus.
Die systematische Motivation zur Entwicklung der Besten-System-Theorie war zum einen das Scheitern der einfachen Regularitätstheorie bezüglich Natur-gesetze. Diese Theorie besagt, dass eine Aussage p ein Naturgesetz ist, gdw. gilt:
(1) p hat die Form: ∀x
(Fx → Gx).
(2) p ist immer und überall wahr.
(3) p hat empirischen Gehalt bzw. ist kontingent wahr.
Die einfache Regularitätstheorie scheitert an Reichenbachs Problem:
(A) Für alle x: Wenn x ein Klumpen angereichertes Uran (235U) ist, dann hat x eine Masse, der kleiner ist als 100 Kilogramm.
(B) Für alle x: Wenn x ein Klumpen Gold (AU) ist, dann hat x eine Masse, die kleiner ist als 100 Kilogramm.
(1) Beide Aussagen haben die Form ∀x (Fx → Gx). (2) Beide Aussagen sind immer und überall wahr (Annahme). (3) Und beide haben empirischen Gehalt.
Dennoch gibt es einen wichtigen Unterschied: Die Aussage (A) ist notwendig wahr. Denn die kritische Masse von 235U liegt bei 50 Kilogramm. Das heißt die freien Elektronen in 235U würden schon bei einem Klumpen von 50 Kilogramm eine Kettenreaktion von Zerfallsprozessen auslösen, die den Klumpen explodieren lassen würden. Die Aussage (B) dahingegen ist, wenn überhaupt, nicht notwendig wahr. Denn es gibt absolut nichts, dass es zwingend macht, dass es keinen Klumpen Gold mit einer Masse von 100 Kilogramm oder mehr geben kann.
Der entscheidende Unterschied besteht also in Folgendem:
- Aussage (A) ist eine (nomologisch) notwendig wahre Aussage. Sie beschreibt eine notwendige Regularität und damit ein wirkliches Naturgesetz.
- Aussage (B) ist nur eine zufällig wahre Allaussage. Sie beschreibt eine akzidentielle Regularität und damit kein wirkliches Naturgesetz.
Die einfache Regularitätstheorie kann den entscheidenden Unterschied zwi-schen wirklichen Naturgesetzen und akzidentiellen Regularitäten nicht einfangen.
Dahingegen berücksichtigt die Beste-System-Theorie diesen Unterschied, insofern (A) eine deduktive Konsequenz eines idealen Systems (insofern die Gesetze der Quantenphysik zu diesem System gehören) ist und (B) nicht.
Zum anderen war die Beste-System-Theorie durch Humes Diktum motiviert:
Humes Diktum: Es gibt keine notwendigen Verbindungen oder modale Fakten in der Welt.
Die Beste-System-Theorie kommt ohne notwendige Verbindungen oder modale Fakten aus. Sehen wir uns dafür nochmal das Beispiel an: Die Aussage (A) ist oder beschreibt nicht ein Naturgesetz, weil es eine notwendige Verbindung zwischen den Eigenschaft 'ein Klumpen angereichertes Uran sein' und 'eine Masse von weniger als 100 KG besitzen' besteht oder weil es ein modaler Fakt ist, dass es einen solchen Klumpen nicht geben kann. Sie ist oder beschreibt vielmehr deshalb ein Naturgesetz, weil sie in einem entsprechenden System vorkommt.
Um genau zu verstehen, weshalb die Beste-System Theorie ohne notwendige Verbindungen oder modale Fakten auskommt, müssen wir uns aber die These der Humeschen Supervenienz ansehen, auf die die Beste-System Theorie aufbaut.
Die Humesche Supervenienz besagt, dass die Welt von einem Netz raumzeit-licher, kategorialer Relationen festhalten wird, an dessen Punkten die fundamen-talen, physikalischen, intrinsischen und kategorialen Eigenschaften verteilt sind. Alles andere in der Welt superveniert über die Verteilung dieser Eigenschaften.
„It is the doctrine that all there is to the world is a vast mosaic of local matters of particular fact, just one little thing and then another. (…) We have geometry: a system of external relations of spatio-temporal distance between points. Maybe points of spacetime itself, maybe point-sized bits of matter or aether or fields, maybe both. And at those points we have local qualities: perfectly natural intrinsic properties which need nothing bigger than a point at which to be instantiated. For short: we have an arrangement of qualities. And that is all. There is no difference without difference in the arrangement of qualities. All else supervenes on that.“ - David Lewis: Philosophical Papers. Volume 2. (1986). Oxford: Oxford University Press, S. ix - x.
Die Humesche Supervenienz setzt also zwei unhintergehbare Annahmen voraus:
1. Die Welt wird von einem Netz kategorialer, raumzeitlicher Relationen festgehalten.
2. Die fundamentalen physikalischen Eigenschaften sind intrinsisch und kategorial und treten an den Punkten dieses Netzes auf.
Alles andere in der Welt superveniert über die Verteilung dieser fundamentalen Eigenschaften. Man spricht daher auch von der Humeschen Supervenienz. Daraus folgt, dass wenn eine mögliche Welt w2 ein Duplikat der aktualen Welt w1 in Bezug auf die metrischen Relationen und die Verteilung der fundamentalen physikalischen Eigenschaften ist, dann ist w2 schlechthin ein Duplikat von w1. Und es folgt insbesondere, dass die Verteilung der fundamentalen Eigenschaften die Naturgesetz- und Kausalrelationen festlegt und nicht etwa umgekehrt.
Die Verteilung der fundamentalen Eigenschaften selbst wird in der Humeschen Metaphysik als ein factum brutum hingenommen. Sie wird als etwas Ursprüngliches vorausgesetzt, mit dem sich alles Weitere erklären lässt, das aber selbst nicht innerhalb der Humeschen Metaphysik erklärt werden kann. Sowohl diese Verteilung als Ganzes als auch die Existenz jeder Eigenschaft in ihr ist in diesem Sinne kontingent. Folglich sind in einer humeschen Welt auch alle nomologischen und kausalen Relationen zwischen Eigenschaften kontingent.
Daraus folgt, dass nach der Humeschen Supervenienz Humes Diktum wahr ist.
An dieser Stelle liegt der Bezugspunkt zum namensgebenden David Hume, der nach klassischer Lesart die Annahme physisch notwendiger Verbindungen in der Welt zurückwies. In einem weiten Sinne ist eine humesche Metaphysik jede Metaphysik, welche die Existenz von notwendigen Verbindungen bestreitet. Und in einem engen Sinne ist es die Metaphysik von David Lewis und moderne Variationen von dieser. Da es keine notwendigen Verbindungen innerhalb der Humeschen Metaphysik gibt, gilt das Prinzip der freien Kombinierbarkeit: Es ist für jedes Vorkommnis einer fundamentalen Eigenschaft möglich an diesem Vorkommnis festzuhalten und alle anderen fundamentalen Eigenschaften zu variieren. Das Resultat ist stets eine metaphysisch mögliche Welt.
Angenommen also die Entwicklung der Verteilung der fundamentalen Eigenschaften in der Welt hat ihren Ursprung in einer Singularität - dem sogenannten "Urknall". Dann ist es nach der Humeschen Metaphysik möglich, gegeben einer Verdopplung des Urknalls in w2, dass die Entwicklung der Verteilung der fundamentalen Eigenschaften in w2 völlig verschieden von der in der aktualen Welt ist. Trotzdem ist die Humesche Metaphysik, wie ich argumentieren werde, mit einem laplaceschen Determinismus vereinbar.
Der laplacesche Determinismus sei wie folgt definiert: Ein beliebiges System S ist laplace-deterministisch, gdw. gilt: gegeben eine vollständige Kenntnis der Rand- und Anfangsbedingungen von S zu tx, so ist es prinzipiell möglich, alle Eigenschaften in S zu jedem zukünftigen Zeitpunkt tx+n vorherzusagen. Das Universum ist also laplace-deterministisch, gdw. gilt: gegeben eine vollständige Kenntnis der Naturgesetze und aller Eigenschaften im Universum zu einem beliebigen Zeitpunkt tx (z.B. während oder unmittelbar nach dem Urknall), dann ist es prinzipiell möglich, alle zukünftigen Ereignisse (also die komplette kosmische Evolution) im Universum vorherzusagen. Ein Hume-Universum kann also laplace-deterministisch sein, wenn sich aus allen Natur-gesetzen plus den Anfangsbedingungen dessen komplette Entwicklung deduzieren lässt. Es handelt sich dabei aber nur um eine nomologische Determination im Sinne von epistemologischer "Vorhersagbarkeit", nicht im Sinne von ontologischer Festlegung oder Steuerung durch die Naturgesetze. Die Naturgesetze haben in der Humeschen Metaphysik somit nur eine deskriptive Funktion: Sie fassen am Ende der kosmischen Entwicklung markante Regularitäten zusammen. Da ihre Supervenienzbasis die Verteilung der fundamentalen Eigenschaften während des gesamten kosmischen Entwicklungsprozesses ist, sind die Naturgesetze strenggenommen auch erst am Ende der kosmischen Entwicklung erkennbar.
Helen Beebee und andere haben deshalb dafür argumentiert, dass es in einem Hume-Universum kein Konflikt der Vereinbarkeit von Determinismus und Willensfreiheit gibt (siehe: Kompatibilismus). Allerdings muss ein Hume-Universum nicht deterministisch sein. Es kann auch probabilistisch, statisch oder derart sein, dass sich die Verteilung der fundamentalen Eigenschaften zwar entwickelt, es in ihr aber keine Regularitäten gibt. Im letzten Fall gibt es dann auch keine Naturgesetze oder Kausalbeziehungen in diesem Hume-Universum.
Es wird kritisiert, dass Kriterien der Einfachheit und des Informationsgehalts sowie der besten Balance zwischen beiden scheinen nicht objektiv durch die Verteilung der fundamentalen physikalischen Eigenschaften in der Welt festgelegt zu sein. Vielmehr scheinen sie subjektiv von denkenden Subjekten und der Sprache, welche diese zu Repräsentation der Welt verwenden, abzuhängen. Was in einer Sprache einfach ist, kann in einer anderen Sprache kompliziert sein. Wenn dieser Einwand zutrifft, bricht die Unterscheidung zwischen akzidentiellen Regularitäten und Naturgesetzen in der Besten-System-Theorie zusammen. In diesem Falle wäre diese Unterscheidung subjektiv und die Beste-System-Theorie in dieser Hinsicht doch kein Fortschritt gg. der einfachen Regularitätstheorie.
Um diese folgenschwere Konsequenzen zu vermeiden, nimmt Lewis an, dass die Natur wohlwollend gegenüber uns ist, wie er sich ausdrückt (Lewis 1994a, Abschnitt 3): Zwar setzen wir die Kriterien der Einfachheit und des Informationsgehalts – und der besten Balance zwischen beiden – fest, aber diese Kriterien sind nicht völlig willkürlich. Wenn die Natur wohlwollend gegenüber uns ist, dann gibt es letztlich genau ein System, das sich robust unter allen akzeptablen Kriterien der Einfachheit und Informationsgehalt als das beste System auszeichnet. Es ist aber fraglich, ob diese Antwort überzeugend ist.
„If nature is kind, the best system will robustly be the best—so far ahead of its rivals that it will come out first under any standards of simplicity and strength and balance.We have no guarantee that nature is kind in this way, but no evidence that it isn’t. It’s a reasonable hope. Perhaps we presuppose it in our thinking about law. […] I can admit that if nature were unkind […] then lawhood might be a psychological matter. […] But I’d blame the trouble on unkind nature, not on the analysis.“
- David Lewis: Humean Supervenience Debugged (1994), S. 479.
Weiterhin wird kritisiert, dass die Beste-System-Theorie mit dem Problem der Induktion in metaphysischer Form konfrontiert ist. Die epistemologische Form des Problems der Induktion besteht darin, dass die Kenntnis einer endlichen Menge von Einzelfällen keine Allaussage logisch begründen kann. Die Kenntnis von beliebig vielen schwarzen Raben beispielsweise kann die Aussage, dass alle Raben schwarz sind, logisch nicht begründen. Die metaphysisch Form dieses Problems ist die folgende: Gegeben einen beliebigen Punkt der Raumzeit, gibt es nichts in der Verteilung der Eigenschaften in der Vergangenheit dieses Punktes (in dessen Vergangenheitslichtkegel), das die Voraussage wahr machen könnte, dass die Verteilung der Eigenschaften in der Zukunft dieses Punktes (in dessen Zukunftslichtkegel) der in seiner Vergangenheit ähnlich ist. Denn die Eigenschaften in der Vergangenheit sind rein kategorial und haben keinerlei kausale Kraft, die Eigenschaften in der Zukunft hervorzubringen, und die Naturgesetze supervenieren nur auf der Verteilung der physikalischen Eigenschaften. Mit anderen Worten: Die zukünftige Verteilung der physikalischen Eigenschaften ist Teil dessen, was festlegt, welches die Naturgesetze sind.
Indem Lewis annimmt, dass die Natur uns gegenüber wohlwollend ist, geht er davon aus, dass es wenige einfache und gehaltvolle Naturgesetze gibt, welche die Verteilung der physikalischen Eigenschaften im ganzen Universum erfassen. Es gibt jedoch nichts in der Verteilung der physikalischen Eigenschaften in der Vergangenheit – oder allgemein gesagt, nichts in der Verteilung der physikalischen Eigenschaften in einer beliebigen echten Teilmenge der gesamten Verteilung der physikalischen Eigenschaften in der Raumzeit -, das eine solche Aussage in Bezug auf das gesamte Universum wahr machen könnte. Eine Hume-Welt kann so beschaffen sein, dass die Verteilung der fundamentalen physikalischen Eigenschaften in einem begrenzten Gebiet der Raumzeit de facto als Supervenienzbasis für die Naturgesetze ausreicht: Das beste System aus Einfachheit und Informationsgehalt, das die Verteilung der physikalischen Eigenschaften in diesem begrenzten Gebiet der Raumzeit beschreibt, weil die Verteilung der physikalischen Eigenschaften beschreibt, weil die Verteilung der physikalischen Eigenschaften in der gesamten Raumzeit einheitlich ist. Das Problem ist jedoch dieses: Es gibt nichts in dem betreffenden Gebiet der Raumzeit, das die Aussage wahr machen könnte, der zufolge die Verteilung der physikalischen Eigenschaften in der gesamten Raumzeit der Verteilung der physikalischen Eigenschaften in dem betreffenden begrenzten Gebiet entspricht.
Damit ist ein weiteres Problem verbunden. Denn die Verteilung der Eigenschaften in unserer Welt ist nicht irgendeine, sondern weist einige sehr stabile Regularitäten auf. Aufgrund dieser Regularitäten entwickeln wir Annahmen über gesetzesmäßige Zusammenhänge in der Welt. Annahmen über gesetzesartige Zusammenhänge stützen wiederum kontrafaktische Konditionalaussagen. Ein Beispiel für eine kontrafaktische Konditionalaussage ist die Behauptung: "Wenn der Druck dieses Gases ansteigen würde, dann würde auch seine Temperatur ansteigen." Aufgrund dieses sog. idealen Gasgesetzes wissen wir nicht nur, dass die Größen p, V, N und kbT eines ganz bestimmten Gases in dem Zusammenhang pV = N*kbT stehen. Wir wissen auch, wie hoch die Temperatur dieses Gases wäre, wenn der Druck bei konstantem Volumen höher ausfallen würde. Dass Gesetzesannahmen kontrafaktische Konditionalaussagen stützen, ist der Hauptgrund dafür, dass wir mithilfe dieser Annahmen erfolgreich Phänomene vorhersagen, erklären und in den Lauf der Natur eingreifen können.
Meine Kritik lautet dann, dass die Humesche Metaphysik die Verteilung der fundamentalen Eigenschaften und und damit auch das Vorhandensein von stabilen Regularitäten in der Welt als einen kontingenten Fakt und damit als grundlos ansehen. In Folge muss er auch den Erfolg, den wir mithilfe von Gesetzesannahmen erzielen, als unerklärlich ansehen. Mein Argument der fehlenden Erklärungskraft lässt sich dann so formulieren: Erstens, die stabilen Regularitäten in der Welt plus unser damit einhergehender, alltäglicher und wissenschaftlicher Erfolg bei der Prognose und Manipulation von Eigenschaften ein höchst erklärungsbedürftiges Phänomen darstellt. Dass zweitens der Anti-Humeanismus die einzige metaphysische Doktrin ist, welche dieses Phänomen nicht zu einem Wunder im Sinne eines unerklärbaren Phänomens macht. Und dass drittens über einen Schluss auf die beste (einzige) Erklärung folgt, dass der Anti-Humeanismus wahr und die Beste-System Theorie deshalb falsch sein muss.
[1] Meist scheint es so, als betrachte Lewis Gesetze als linguistische Entitäten (siehe Lewis (1983), S. 367). Manchmal identifiziert er Gesetze aber auch direkt mit besonderen Regularitäten in der Welt (Lewis (1986), S. 55). Es bleibt daher unklar, ob bestimmte Aussagen nach Lewis Naturgesetze sind oder beschreiben.
Kommentar schreiben
Philoclopedia (Freitag, 06 November 2020 20:59)
Lewis antizipiert zwei potenzielle Probleme für diesen Vorschlag: Erstens ist die Einfachheitsbedingung auf triviale Weise erfüllbar, wenn keine weiteren semantischen Bedingungen an die Prädikate gestellt wird, in der die beste Systematisierung formuliert ist: Sei S ein maximal starkes System, wie beispielsweise die Konjunktion aller partikulären Wahrheiten über unsere Welt und »F ein Prädikat, das auf alle und nur die Gegenstände in Welten zutrifft, in denen S wahr ist« (Lewis 1983, 367, Übers. S. J.), wie etwa das ›gekünstelte‹ Prädikat »ist so, dass S wahr ist«; dann ist S durch den einzelnen Satz ∀xFx axiomatisierbar. Da ∀xFx alle Wahrheiten – alle Regularitäten eingeschlossen – impliziert, sind unplausiblerweise alle Regularitäten Naturgesetze. Deshalb fordert Lewis eine ›Objektivierung der Sprache‹ in denen die Systematisierungen formuliert sind: Sie darf keine arbiträren Prädikate enthalten, sondern ausschließlich Prädikate, die sich auf perfekt natürliche Eigenschaften beziehen (s. Kap. 10). Zweitens scheinen die Kriterien der Einfachheit und Stärke und deren Abwägung subjektive Standards ins Spiel zu bringen und somit die Objektivität der Naturgesetze zu gefährden. Lewis entgegnet diesem Einwand, indem er mutmaßt, dass unsere Naturgesetzeskonzeption voraussetzt, dass die Welt ›freundlich‹ ist (vgl. Lewis 1994, 479). In diesem Fall gibt es nach Lewis ein objektiv bestes System unter allen vernünftigen Standards von Stärke, Einfachheit und deren Abwägung.
Philoclopedia (Freitag, 06 November 2020 21:02)
Übrigens ist diese lewissche Erwägung keine rein philosophische. Die Abwägung von Einfachheit und Stärke ist ebenfalls naturwissenschaftlich plausibel. Solche Kriterien werden nämlich in der Naturwissenschaft benutzen, um Theorien abduktiv zu rechtfertigen oder auf sie zu schießen.
Philoclopedia (Samstag, 28 Mai 2022 13:48)
Andreas Hüttemann. Naturgesetze: S. 147 – 148: Viel grundlegender als die Kritik an der Objektivität der idealen Theorie scheint mir aber die Frage zu sein, wie überzeugend die Grundidee des Ansatzes ist, dass Naturgesetze ihre Naturgesetzlichkeit deshalb besitzen, weil sie in Theorien (und sei es die ideale) integriert sind. Der Ausgangspunkt war ja die Beobachtung, dass Naturgesetze fast immer in Theorien integriert sind. Aber diese Beobachtung lässt sich auch zwanglos durch die Annahme verständlich machen, dass es ein Ziel unserer Theorien ist, Naturgesetze zu systematisieren. Dann wäre es nicht so, dass Aussagen dank ihrer Zugehörigkeit zu Theorien den Gesetzescharakter erwerben, vielmehr wäre es so, dass wir eine Theorie nur dann als eine gute Theorie akzeptieren, wenn sie möglichst viele Aussagen, die unabhängig von ihrer Theoriezugehörigkeit besitzen. Es steht z.B. außer Frage, dass der Gesetzescharakter des Galileischen Fallgesetzes und der Keplerschen Gesetze schon vor ihrer Integration in die Newtonsche Gravitationstheorie akzeptiert war. Im Falle des Fallgesetzes wird dies z.B. daran deutlich, dass Leibniz in seinen Beweisen bzw. Gedankenexperimenten zur Stützung seiner Theorie über die Erhaltung der Kraft (z.B. Met. Abh. § 17, 1686) auf das Fallgesetz Bezug nimmt, um kontrafaktische Szenarien zu beschreiben, bevor Newton 1687 seine Principia veröffentlichte und damit die Integration des Fallgesetzes in die Gravitationstheorie vollzog.
-
Wir akzeptieren Naturgesetze als solche auch dann, wenn sie nicht in Theorien integriert sind. Zwar ist es erstrebenswert, dass eine ideale Theorie sie integriert. Aber der Gesetzescharakter geht der Integration in Theorien voraus.
-
Wenn nun ein Vertreter des Lewis´schen Ansatzes einwenden wollte, dass es ihnen ja nicht um die Integration in irgendeine von uns für wahr gehaltene Theorie gehe, sondern um die Integration in die ideale Theorie und dass mein Argument gegen diese Behauptung nichts ausrichte, so ist darauf zu erwidern: Bei den uns bekannten Theorien scheint die Naturgesetzlichkeit der Integration in diese Theorien voranzugehen. Welches spezifische Merkmal idealer Theorien ist dafür verantwortlich, dass es sich bei idealen Theorien anders verhält? Warum sollte, so muss man fragen, die These plausibel sein, dass die Zugehörigkeit zu einer idealen Theorie Aussagen ihrem Gesetzescharakter verleiht, wenn dies bei den uns bekannten Theorien nicht der Fall ist?