David Armstrong hat eine raffinierte Theorie der Universalien entwickelt. Universalien sind Eigenschaften oder Relationen. Sie unterscheiden sich von Einzeldingen dadurch, dass sie wiederholbar sind. Das heißt Universalien sind in ihren verschiedenen Instanziierungen buchstäblich dieselben.
Beispiel: Zwei Elektronen a und b (Einzeldinge) haben jeweils die Eigenschaft F (Universalie) negativ geladen zu sein. Die beiden Elektronen sind unterschiedliche Einzeldinge, die buchstäblich dieselbe Eigenschaft haben: Es gilt Fa und Fb mit identischem F.
Armstrongs Theorie fußt u.a. auf zwei Prinzipien:
Principle of Instantiation: Universalien müssen an Einzeldingen instanziiert sein. Es existieren keine uninstanziierten Universalien.
Principle of the Rejection of Bare Particulars: Einzeldinge können nicht ohne Eigenschaften existieren.
Zusammen ergibt sich eine wechselseitige Abhängigkeit von Einzeldingen und Universalien: Einzeldinge und Universalien können nur als Verbund auftreten, in Sachverhalten der Form Fa oder R(a,b) (oder noch komplexeren relationalen Verbindungen).
Armstrongs Theorie der Naturgesetze baut auf seiner Theorie der Universalien auf. Seine Grundidee lautet, dass Naturgesetze Sachverhalte zweiter Ordnung sind. Es handelt sich um Relationen nicht zwischen Einzeldingen (z.B. R(a,b)), sondern zwischen Universalien: N(F,G). Die Relation N ist eine Notwendigkeitsrelation: N(F,G) drückt aus, dass das Haben der Eigenschaft F das Haben der Eigenschaft G in einer näher zu bestimmenden Weise erzwingt.
Armstrong erhofft sich davon den Vorteil, dass F und G Universalien und als solche identisch in ihren unterschiedlichen Instanziierungen sind. Wenn es eine Notwendigkeitsrelation zwischen F und G gibt, erklärt dies das gemeinsame Auftreten von F und G in allen einzelnen Instanziierungen. Es ist der ontologische Grund dieses gemeinsamen Auftretens.
Naturgesetze sind laut Armstrong Universalien zweiter Stufe:
N(F, G) ist eine Relation zwischen zwei Eigenschaften.
N(F, G) ist eine Universalie, weil Relationen Universalien sind.
N(F, G) ist eine Universalie zweiter Stufe, weil sie zwischen zwei Eigenschaften (Universalien) und nicht zwischen zwei Einzeldingen besteht.
Armstrong möchte Naturgesetze zugleich als Universalien erster Stufe auffassen:
N(F, G) soll (auch) aufgefasst werden als eine Relation zwischen Sachverhalten: (N(F, G)) (a’s being F, a’s being G)
Bei den Sachverhalten (a’s being F, a’s being G) handelt es sich um Einzeldinge. Deshalb ist N(F,G) eine Universalie erster Stufe.
Der Vorteil besteht hier offenbar darin, dass wir das Verhältnis zwischen N(F, G) und seinen Instanzen analog zum gewöhnlichen Fall des Verhältnisses von Universalien zu ihren Instanzen verstehen können (zum Beispiel zwischen der Universalie „Rot“ und dem Sachverhalt, dass ein bestimmter Tisch rot ist).
David Armstrong hat vor dem Hintergrund seiner Theorie der Naturgesetze ein Lösungsvorschlag für das Problem der Induktion starkgemacht. Der Vorschlag enthält zugleich ein Argument gegen die Humesche Theorie der Naturgesetze.
Menschen beobachten im Alltag und in den Wissenschaften eine endliche Anzahl n an Regelmäßigkeiten und schließen per Induktion auf allgemeine Gesetze:
Formal:
P1. Alle n bisherigen Fs waren Gs.
C1. Also: Alle Fs sind Gs.
David Hume hat darauf hingewiesen, dass wir nur gerechtfertigt sind, solche induktive Schlüsse zu ziehen, wenn wir das Prinzip der Gleichförmigkeit der Natur (PUA) begründen können. Das PUA besagt grob, dass empirisch Unbekanntes dem empirisch Bekannten zumindest weitestgehend ähnlich sein wird. Hume glaubte, dass wir das PUA prinzipiell nicht (weder empirisch-zirkelfrei noch apriorisch-demonstrativ) rechtfertigen können und induktive Schlüsse daher nicht rechtfertigbar sind. Armstrong argumentiert nun wie folgt:
A1.
Induktives Schließen ist de facto rational (Explanandum).
A2. Die Humesche Theorie der Naturgesetze kann PUA nicht begründen und in Folge die Rationalität induktiven Schließens nicht erklären.
A3. Die Universalien-Theorie (die Armstrong selbst vertritt) ist eine absolut gute und die relativ beste Erklärung für die Rationalität induktiven Schließens.
K1. Die Universalien-Theorie ist wahr (Explanans).
Sehen wir uns dieses Argument Schritt für Schritt an:
A1. Induktives Schließen ist de facto rational.
Armstrongs Idee: Wir schließen im Alltag und in den Wissenschaften häufig und zuverlässig auf diese Weise. Eine metaphysische Theorie muss dies – das heißt das Prinzip der Gleichförmigkeit der Natur – erklären können.
A2. Die Humesche Theorie der Naturgesetze kann PUA nicht begründen und in Folge die Rationalität induktiven Schließens nicht erklären.
Armstrongs Idee: Die Rationalität induktiven Schließens - das heißt das PUA der Natur - kann durch einen Zwischenschritt dieser Form begründet werden:
Formal:
P1. Alle n bisherigen Fs waren Gs.
P2. Es ist ein Naturgesetz, dass alle Fs Gs sind.
C1. Also: Alle Fs sind
Gs.
Beispiel:
P1. Alle n bisher untersuchten, massereichen Körper haben sich angezogen.
P2. Es ist ein Naturgesetz, dass sich alle massereichen Körper anziehen.
C1. Also: Alle massereichen Körper ziehen sich an.
Eine Humesche Theorie der Naturgesetze kann PUA und damit die Rationalität induktiven Schließens aber nicht begründen. Denn nach einer Humeschen Theorie ist ein Naturgesetz nichts anderes als die Summe aller seiner (beobachteten und unbeobachteten) Instanzen. Ein solches Gesetz erklärt aber nicht, dass alle bisher beobachteten Fs Gs sind, denn es setzt dies voraus.
A3. Die DTA-Theorie (die Armstrong selbst vertritt) ist eine absolut gute und die relativ beste Erklärung für die Rationalität induktiven Schließens.
Armstrongs Idee: Wenn wir annehmen, dass Naturgesetze etwas sind, was über das Bestehen der Regularität hinausgeht (nämlich eine Relation zwischen den Universalien F und G), dann erklärt das Gesetz, warum alle bisher beobachteten Fs Gs sind. Der Zwischenschritt kann so als SBE aufgefasst werden.
Über diesen schließt Armstrong auf die Wahrheit der DTA-Theorie:
K1. Die DTA-Theorie ist wahr (Explanans).
Armstrongs Argument hat einige Schwächen. Erstens funktioniert es nur, wenn der Universalienrealismus wahr ist. Denn wenn es keine Universalien gibt, dann kann die Universalien-Theorie auch nichts erklären und A3 ist falsch. Da der Humeaner nur Eigenschaftsvorkommnisse anerkennt, wird er die Annahme A3 einfach zurückweisen und in Folge Armstrongs Argument nicht überzeugend finden. Zweitens funktioniert das Argument nur, wenn induktives Schließen de facto rational ist. Und wenn man einen Rechtfertigungs-Externalismus vertritt, dann ist induktives Schließen nur dann de facto rational, wenn es in hinreichend vielen Fällen zu wahren Ergebnissen führt, was wiederum nur dann der Fall sein wird, wenn PUA wahr ist. Drittens funktioniert das Argument nur, wenn die Universalien-Theorie tatsächlich die beste Erklärung für die Rationalität induktiven Schließens ist. Armstrong argumentiert aber nur dafür, dass die Universalientheorie eine bessere Erklärung darstellt als eine humesche Theorie der Naturgesetze. Er liefert jedoch keine Gründe dafür, dass sie eine bessere Erklärung als andere anti-humesche Theorien der Naturgesetze sein soll.
So hat Helen Beebee beispielsweise auf der Grundlage einer anti-humeschen Dispositionalistischen Theorie der Naturgesetze einer Rationalisierung von PUA und damit induktiver Schlussarten vorgeschlagen:
„All observed Fs have produced Gs. The best explanation of this is that the Fs are members
of a natural kind K, whose essence is or includes the disposition to produce Gs. Hence all Fs (by virtue of membership of kind K) produce Gs.“
- Helen Beebee: Necessary Connections and the Problem of Induction (2011). In: Noûs 45(3), S. 520.
Allerdings kritisiert sie sowohl diesen Rationalisierungsversuch als auch den von Armstrong. Beebee bestreitet in beiden Fällen die Zuverlässigkeit des Schlusses auf die beste Erklärung. Ihr skeptischer Einwand lautet, dass die beste Erklärung oder zumindest eine gleich gute Erklärung dafür, dass alle bisher beobachteten Fs Gs sind, darin besteht, dass alle beobachteten Fs von der Art K waren. Selbst unter der Annahme, dass die Naturen natürlicher Arten unwandelbar sind, könnten die Regularitäten im Falle zukünftiger Fs ‚zusammenbrechen‘, weil es sich drastisch ändern könne, welche Arten es in Zukunft gibt:
„[N]othing in Ellis’s metaphysics rules out the possibility of wholesale changes in which
natural kinds there are. Perhaps, for example, the fundamental particles will start behaving in totally different ways. In that case, there will no longer be the kinds of fundamental particle
that there previously were; there will be new kinds, with new dispositional essences, and the old kinds will have gone out of existence (or at any rate will no longer be instantiated). In other
words, the immutability of natural kinds and the corresponding metaphysical necessity of the laws do not guarantee that which natural kinds are instantiated remains constant over time.“
- ebd., S. 522f.
Beebees Einwand basiert auf der folgenden Beobachtung: Obwohl der Dispositionale Essenzialismus zwar notwendige Gesetze liefert, garantiert er per se weder, dass dieselben Potenzialitäten beziehungsweise natürlichen Arten auch in der Zukunft existieren, noch, dass die aktualen Potenzialitäten beziehungsweise natürlichen Arten in kontrafaktischen Situationen bestehen bleiben. Birds Platonismus und der daraus folgende starke Nezessitarianismus, der besagt, dass in allen Welten auch dieselben Eigenschaften existieren, könnten dieses Problem lösen. Allerdings ist es fraglich, ob die Stipulation, dass die Menge der aktual existierenden Eigenschaften (und natürlichen Arten) temporal und kontrafaktisch invariant bleibt,weniger ad hoc ist als die Stipulation, dass die aktualen bisherigen Regularitäten temporal und kontrafaktisch stabil bleiben.
Dieser kurze Überblick soll zeigen, dass die Frage offen ist, ob und wenn ja wie und inwiefern das Induktionsproblem unter Rückbezug auf Naturgesetze gelöst werden kann. Der Autor dieses Text ist allgemein der Meinung, dass der Weg über natürliche Eigenschaften (Naturgesetze, natürliche Arten) den verheißungsvollsten Weg zur Lösung des Induktionsproblems darstellt.
David Armstrong: What Is a Law of Nature? (1983). Cambridge: Cambridge University Press, Kapitel 6, Abschnitt 2; Kapitel 4, Abschnitt 5.
David Armstrong: What Is a Law of Nature? (1983). Cambridge: Cambridge University Press, Kapitel 6, Abschnitt 1.
David Armstrong: What Is a Law of Nature? (1983). Cambridge: Cambridge University Press, Kapitel 4, Abschnitt 5.
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