„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Markus Widenmeyer und Reinhard Junker: Schöpfung ohne Schöpfer? (Buchbesprechnung)

"Schöpfung" oder Intelligent Design (ID) ist für viele Menschen eine attraktive Idee, um die Entstehung der Welt in ihrer ganzen Komplexität zu verstehen. Allerdings ist es eine Schwäche von Schöpfungs-Szenarien, dass sie, im Gegensatz zur Evolutionstheorie, über kein Erklärungsparadigma verfügen. Aus diesem Grund sind ihre Vertreter darauf angewiesen, evolutionäre Erklärungen herunterzuspielen und offene Fragen überzubetonen. Ihre Argumentation ist aber nicht deswegen fehlerhaft, weil sie die Evolutionsbiologen auf noch nicht Erklärtes hinweisen. Sie ist es, weil sie die Erklärungslücken für ein Argument gegen die natürliche Entstehung von Neuem (Makroevolution) oder für eine Widerlegung der DARWIN‘schen Abstammungstheorie halten.[1] Umgekehrt versuchen sie, daraus Kapital für das Design-Argument zu schlagen.

Wer eine Theorie [A] aufgrund fehlenden Wissens für fragwürdig erklärt, begeht den Fehlschluss des argumentum ad ignorantiam; lat. für: Argument, das an das Nichtwissen appelliert (WALTON 1999). Der gleiche Fehlschluss liegt vor, wenn das fehlende Wissen eine alternative Theorie [B] plausibel machen soll. Evolutionsgegner bemühen also in doppelter Hinsicht das argumentum ad ignorantiam. Verteidiger der Evolutionstheorie sprechen auch vom god-of-gaps argument oder vom Lückenbüßer-Argument. Die Evolutionsgegner verorten "Gott" in den Lücken der Evolutionstheorie.

Dieser Vorwurf wiegt schwer, weil diese Strategie wissenschaftslogisch fatal ist: Greifen wir einer Erklärung vor, um ein unerforschliches "Etwas" in die Lücke zu stopfen, brauchen wir nicht mehr zu forschen. Das Ziel von Wissenschaft besteht aber gerade darin, Unerklärtes einer differenzierten Erklärung zuzuführen. Hypothesen, die sich auf "Faktoren" wie Magie, Gott oder unspezifische Planer berufen, liefern wertlose All-Erklärungen: Sie sind omniexplanatorisch, das heißt, sie erklären alles und nichts.

Wie aus dem Untertitel ersichtlich, wollen die Autoren des Buchs "Schöpfung ohne Schöpfer?" das Design-Argument in der Biologie gegen Kritik verteidigen. Daher nimmt es nicht wunder, dass sie auch den Lückenbüßer-Vorwurf zurückweisen. Wie dieser Versuch aussieht, wollen wir im ersten Teil unserer Besprechungsreihe erörtern.

Nicht primär Lücken, sondern positives Wissen belege Design

Ein Einwand lautet, der Lückenbüßer-Vorwurf ignoriere die positiven Befunde, die für Design sprächen. Maßgeblich für den Schluss auf Design seien weniger fehlende Erklärungen als belastbare Indizien (positives Wissen):

"Wenn man einen gut gearbeiteten Faustkeil als Artefakt und nicht als Naturprodukt identifiziert, argumentiert man nicht, es gebe Lücken im Verständnis von dessen natürlicher Entstehung, sondern es liegt überhaupt kein belastbarer Grund und damit auch kein Bedarf für eine Hypothese der natürlichen Entstehung des Faustkeils vor. Entsprechend würden wir uns sehr wundern, wenn ein Kriminalkommissar argumentieren würde, dass man trotz klarer Indizienlage für einen Mord keinesfalls einen Täter annehmen müsse ..." (S. 266)

Derlei Vergleiche scheitern aus mehreren Gründen. Fänden wir einen elaborierten Faustkeil, nähmen wir ohne zu zögern eine Fertigung an. Das liegt an unserem Hintergrundwissen über Werkzeuge, Fertigungsmethoden und ihre potenziellen Hersteller. Analoges trifft auf das Mordbeispiel zu: Wir haben hinreichende Kenntnisse über Mordmethoden und Mordwerkzeuge, um an entsprechenden Tatkonstellationen einen Mord zu erkennen.[2]). In Bezug auf die "Planung" von Lebewesen existiert kein solches Wissen.

Hinzu kommen relevante Unterschiede zu Kunstprodukten: Organismen sind evolutionsfähige Mehrgenerationen-Systeme. Niemand konstruiert sie wie Faustkeile oder Computer. Dies ist keineswegs eine nur deskriptive Kategorie, sondern genau der Punkt, der bei Naturgegenständen den Schluss auf Design vereitelt (WASCHKE 2007). Zwar führen die Autoren Design-Indizien an (funktionale Komplexität und dgl.), aber diese liefern bestenfalls einen Verdacht (Prima-facie-Beweis). Wo Design nicht offensichtlich ist, lässt sich ein solcher Verdacht nicht ohne das Wissen über Design-Methoden und Akteure in einen plausiblen Design-Schluss verwandeln (MAHNER 2018, S. 129).

Wir wollen das Scheitern des positiven Arguments an folgendem Beispiel demon-strieren. Die WORT-UND-WISSEN-Autoren wollen damit zeigen, dass der Schluss auf Design maßgeblich mit Wissen geführt werde statt mit Lücken (S. 268):

Dieser Design-Schluss ist aber unvollständig (ein so genanntes Enthymem)[3]:  Er wäre nur plausibel, wenn die erste Prämisse ("Wir wissen, wie man [=Mensch] mit Design DNA herstellen kann") durch die folgende ergänzt würde:

"Unser Hintergrundwissen (Randbedingungen) spricht für einen menschenähnlichen Urheber, der die DNA erzeugte, wie Menschen sie herstellen."

Anders gesagt, die Autoren müssen zeigen, dass das Wissen, wie Menschen DNA herstellen, für den Design-Schluss in der Natur überhaupt Relevanz hat.[4] Eine rein "geistige Verursachung" existiert nicht - es sei denn, man glaubt an Wunder. Nichts Empirisches spricht für Wunder oder menschenähnliche Planer, die vor 3,5 Mrd. Jahren DNA erzeugten, wie es Menschen tun. Gleiches gilt für die Biologie.

Wir sehen also, dass die Analogie zu menschlichen Artefakten nicht trägt. Das bedeutet, dass die Behauptung, der Design-Schluss werde maßgeblich aufgrund von Wissen gezogen, falsch ist. Er kann nur gegen das Erfahrungswissen gezogen werden, dass bei Lebewesen Evolution statt planerischer Eingriffe erkennbar ist. Daher reichen mögliche Indizien wie "funktionale Komplexität" nicht aus, um den Design-Schluss zu ziehen.

"Was bleibt ist dann nur noch das negative Argument, also ein argumentum ad ignorantiam: Wir wissen nicht in allen Einzelheiten, wie sich derartige Systeme ohne planerische Eingriffe entwickeln können. Das ist aber keinesfalls eine Patt-Situation, sondern ein wesensmäßiger Unterschied. Man kennt Mechanismen, die zumindest das Potenzial dazu haben, Neuheiten in der Evolution entstehen lassen zu können." (WASCHKE 2007)

Das Argument ignoriere die Existenz "guter" Lücken

"In manchen Fällen ist der Begriff 'Lücke' gerechtfertigt, in anderen jedoch irreführend. Lennox (2014, 143) schreibt dazu: 'Manche Lücken existieren, weil man noch nicht genug Informationen hat. ... Es gibt aber auch 'gute Lücken' - Lücken, die erst dank der fortschreitenden Wissenschaft sichtbar werden. Die Tatsache, dass die Information, die auf einer bedruckten Seite Papier enthalten ist, nicht durch Physik und Chemie erklärt werden kann, ist keine 'Wissenslücke'." (S. 270)

KOJONEN (2016, S. 98) spricht diesbezüglich von Grenzfragen (limit questions). Das heißt, eine "gute Lücke" liegt vor, wenn limitierende Faktoren (etwa Naturgesetze) einen natürlichen (Entstehungs-) Prozess unterbinden oder unwahrscheinlich machen.

Um LENNOX' Beispiel aufzugreifen: Wir wissen so viel über Schrift, dass wir einem Stück Papier sofort ansehen, ob ein Mensch es beschrieb. Wir wissen ebenfalls, dass durch zufälliges Verspritzen von Tinte kein Text entstünde. Die Physik ist der limitierende Faktor, der die Spontanentstehung von Schriften beliebig unwahrscheinlich macht. Das gilt auch für prähistorische Bauwerke wie Stonehenge (Abb. 1).

Abb 1 Die jungsteinzeitliche Megalith-Struktur Stonehenge. Bauwerke dieser Art sind in der menschlichen Zivilisation nichts Ungewöhnliches: Wir wissen aus der Erfahrung, dass Menschen ähnliches hervorbringen. Andererseits deutet nichts auf ein natürliches Arrangement der Steinblöcke hin. Die Annahme, es handele sich um eiszeitliche "Findlinge", die zufällig so zu liegen kamen, wäre zu weit hergeholt: Es liegt somit eine "gute" Erklärungslücke vor.

Ein anderes Beispiel sind Perpetua mobile, deren Existenz den Energie-Erhaltungssatz verletzten würde. Die Hauptsätze der Thermodynamik stellen eine natürliche Grenze dar, die Maschinenbauer nicht überwinden können. Folglich ist der Hinweis auf das Fehlen von Perpetua mobile kein Lückenbüßer-Argument.

In Anlehnung an KOJONEN (2016, S. 98) ist der Gebrauch negativer Argumente gegen einen Naturprozess genau dann legitim, wenn sie eine naturgesetz-liche Grenze aufzeigen. Gelingt das nicht, liegt ein Lückenbüßer-Argument vor.

Wie betont lassen sich solche Analogien jedoch nicht auf eine Abiogenese oder Evolution von Naturgegenständen übertragen. Erstens spricht nichts für einen "DNA-Programmierer" in der Natur. Zweitens lassen sich bloße Materialumlagerungen wie das Verspritzen von Tinte nicht mit den inhärenten Eigenschaften organischer Moleküle vergleichen. Und drittens existiert bei sich replizierenden Systemen ein Selektionsmechanismus, den es bei den sonst üblichen Materialumlagerungen nicht gibt.

Das bedeutet, wir kennen kein physikochemisches Gesetz, das die Bioevolution und natürliche Entstehung biochemischer Replikatoren entscheidend limitieren oder unterbinden würde. JUNKER & WIDENMEYER (S. 268) geben zwar vor, solche Gesetze zu kennen. Sie behaupten beispielsweise, "chemische Gesetzmäßigkeiten" würden verhindern, dass DNA unter natürlichen Bedingungen de novo entstehe (siehe hierzu das Schema rechts). Das ist aber in der Sache völlig falsch.

Nach EIGEN (1983, S. 76) stehen nicht Gesetze der Bildung und Selbstorganisation komplexer Biomoleküle im Weg. Allenfalls können es die Randbedingungen sein, die eine solche Entwicklung nicht zuließen. Zum Beispiel ist bekannt, dass sich im freien Wasser keine Nukleinsäure-Ketten bilden; letztere unterliegen unumkehrbar dem Zerfall durch Hydrolyse. Reagieren die Bausteine aber auf katalytisch aktiven Oberflächen, im Eis oder tragen aktivierende funktionelle Gruppen, entstehen auch in wässrigem Milieu längere Ketten. Zudem ist das Hydrolyse-Gleichgewicht nicht für "offene" Systeme relevant, in denen ein ständiger Materie- und Energiefluss herrscht. Gleiches gilt für das Problem der konkurrierenden Reaktionspartner, die Kettenabbrüche begünstigen.

Wenn die Autoren auf Experimente verweisen, die ihre Meinung stützen, dann handelt es sich durchweg um geschlossene Systeme, in denen sich thermodynamische Gleichgewichte einstellen und wo eine selektive Anreicherung und Stabilisierung der Bausteine von vornherein unterbleibt. Doch so wenig wir über die historischen Details des Urzustands von Nukleinsäuren wissen, so wenig können wir annehmen, dass sie in solchen Systemen entstanden sind. Wer also vorgibt, "chemische Gesetzmäßigkeiten" zu kennen, die eine natürliche Entstehung und Selbstorganisation von Biomolekülen unterbinden, spiegelt seinen Lesern ein Wissen vor, das er nicht hat. Und darum ist die Unkenntnis historischer Details und das Fehlen von Detailerklärungen eine "schlechte" Lücke.

Der Naturalismus werde ungerechtfertigterweise als Standard gesetzt

Ein weiterer Einwand behauptet, es sei nur sinnvoll von "Lücken" zu sprechen, wenn es gute Gründe für ein Szenario gäbe. Das sei bei der naturalistischen Evolutionstheorie nicht der Fall; eine Erklärung zur Entstehung komplexer Systeme fehle vollständig:

"Der Lückenbüßer-Einwand beruht darauf, dass der Naturalismus ungerechtfertigter Weise als verborgener Standard vorausgesetzt wird. Auf dieser Basis werden fehlende Erklärungen als bloße Lücken klein geredet und die Beweislast einseitig auf Vertreter anderer Positionen verschoben. … so als ob man selbst gar nicht in der Pflicht wäre, zu zeigen, wie durch ausschließlich natürliche Gegebenheiten (hochkomplex organisiertes) Neues entstehen kann." (S. 265)

Zunächst muss die Evolutionsbiologie zeigen, dass eine natürliche Evolution überhaupt stattfindet. Das ist die primäre Beweislast. Sie wäre schon erfüllt, wenn wir nichts über die Mechanismen wüssten, denn zum einen ist die gemeinsame Abstammung der Arten gut belegt. Zum anderen sind Abstammung, erbliche Variabilität, Rassen- und Artbildung beobachtbare Tatsachen. Beide Aspekte allein sind schon starke Argumente für die Historizität eines natürlichen Evolutionsprozesses. Inzwischen haben wir auch eine Vielzahl an Mechanismen und Befunden aus der Mutations- und Züchtungsforschung, Molekularbiologie[5]) usw. vorzuweisen, sodass wir die natürliche Entstehung von Neuem als wohlbegründet voraussetzen dürfen (siehe dazu etwa VBIO 2011).

Zum Beispiel zeigt die evolutionäre Biotechnologie anhand von RNA-Molekülen, wie selbst aus zufälligen Sequenzen mit Hilfe eines  Selektionsmechanismus  "sinnvolle" neue Funktionsmoleküle - und damit neue "Information" entsteht (vgl. SCHUSTER 2014, S. 153-162). Während hier aus methodischen Gründen eine Zielfunktion vorgegeben werden muss, ist dies in der Natur nicht nötig. In ihr werden erst durch die Interaktion des Organismus mit seiner Umgebung geei-gnete "Ziele" eruiert. Für die Entstehung neuer Funktionsmoleküle bedarf es also keines Planers; die Evolution selbst erweist sich als designfähiger "Lernprozess".

Da wir also die natürliche Entstehung von Neuem im Prinzipiellen erklären können, ist das evolutionäre Rahmenparadigma gut begründet. Heute kommt es nur noch darauf an, den allgemeinen Erklärungsrahmen mit artspezifischen Details zu füllen.

Nun wird ID kontern, dass nicht-reduzierbar komplexe Neuheiten so nicht erklärbar seien. Selbst wenn das richtig wäre (siehe allerdings KLÖS 2012), hätte das Argument nur Gewicht, wenn plausibel gemacht würde, dass die Evolution von komplex Organisiertem eine natürliche Schranke für die bekannten Mechanismen darstellte. Derlei Versuche sind bisher grandios gescheitert (THORNHILL & USSERY 2000; DRAPER 2002).

Generell gilt: Wer naturalistische Grenzen definiert und damit einen höheren ontologischen Behauptungsanspruch vertritt, trägt die argumentative Stützungslast (KANITSCHEIDER 2000, S. 83).

Wer beispielsweise behauptet, die Konvektionsströme im Erdmantel würden nur die beobachtete Kontinentalverschiebung ("Mikrodrift") erklären, wogegen das Zerbrechen von Kontinenten und das Auffalten von Gebirgen ("Makrodrift") eine transnaturale Komponente erfordere, muss dies zeigen. Nicht, wer eine natürliche Gebirgsgenese annimmt, muss beweisen, dass dies ohne transnaturale Eingriffe möglich ist!

Zum anderen ignorieren die Evolutionsgegner den wissenschaftslogischen Grund, der die Detailerklärung von Komplexem erschwert: Das Problem ist, dass wir die Randbedingungen, die wir für die Erklärung der Entstehung konkreter Artmerkmale benötigen, nicht einfach irgendwo konserviert vorfinden, sondern indirekt rekonstruieren müssen. Aufgrund der Einzigartigkeit und Komplexität der Zusammenhänge sowie aufgrund der Historizität des Prozesses ist das nur bruchstückhaft möglich.

Dass wir insbesondere komplexe Sachverhalte noch nicht detailliert erklären können, liegt also am limitierten Datenbestand - und nicht daran, dass der realhistorische Prozess fragwürdig ist, wie unterstellt wird. Dass trotz dieser hohen erkenntnistheoretischen Hürden die Evolutionsbiologie vielfach plausible Szenarien vorweisen kann, die erklären, wie nicht-reduzierbar komplexe Systeme unter Wahrung von Funktionalität und Adaptivität evolviert sein könnten,[6]) ist ein Beleg dafür, dass sich das evolutive Rahmenparadigma bewährt. In einigen Fällen lässt sich deren Entstehung sogar empirisch aufzeigen (BEYER 2020).

Im Übrigen lassen die WORT-UND-WISSEN-Autoren unerwähnt, dass sie bereits ihre Ansichten hinsichtlich der Evolution des nicht-reduzierbar komplexen Organellen-Systems der Eukaryoten revidieren mussten. Ursprünglich als "Design-Signal" interpretiert, räumen sie inzwischen ein, dass sich die Datenlage "hin zu einer schrittweisen Entwicklung von Endosymbionten zu Organellen ... verschoben" habe (Details hierzu bei NEUKAMM 2020).

Wäre das "naturalistische Paradigma" degeneriert, wie unterstellt wird, dann wären solche Rekonstruktions-Versuche schon im Ansatz stecken geblieben.

Wie oft also müssen Evolutionstheoretiker ihren Punkt machen - zehnmal oder hundertmal? Da ID ständig neue Beispiele anführt, wird anscheinend erwartet, dass alles erklärt werden muss, bevor Design unplausibel sei. Und hat man einmal einen bestimmten Aspekt erklärt, werden immer raffiniertere Erklärungen verlangt. Das geht so weit, dass die längst obsolete Bedingung einer durchgehenden "Kleinschrittigkeit und Selektierbarkeit" der einzelnen Stadien (S. 96) an die evolutionäre Erklärung gestellt wird.[7])

Der Einwand missachte "die Kraft des negativen Aspekts"

"Wenn nun die Erwartungen des Naturalismus nicht erfüllt werden, kann daraus unter Umständen ein Argument für die Schöpfungshypothese gewonnen werden, da sich die beiden Alternativen gegenseitig ausschließen. … Wo systematisch und nach langjähriger Forschung alle Erklärungen versagen, wie die hochspezifische biologische Ordnung durch natürliche Prozesse konkret zustande kommen soll, ist dies bei einem solchen Erkenntnisstand ein Indiz, dass natürliche Prozesse den Ursprung dieser Ordnung nicht (alleine) hervorgebracht haben." (S. 268)

Nehmen wir pro forma an, diese Zustandsbeschreibung des naturalistischen Paradigmas, wäre richtig.[8] Dann wäre ID nicht ein Jota plausibler. Zum einen wären Versionen der Evolutionstheorie vorstellbar, an die heutige Forschergenerationen gar nicht denken. Zum anderen wären, selbst wenn alle Evolutionstheorien widerlegt wären, noch immer etliche naturalistische Szenarien denkbar. Und selbst wenn der Naturalismus ausgeschöpft wäre, wäre ID nicht der prädestinierte Theorien-Kandidat.

Denkbar wäre auch der Vitalismus des 19. Jahrhunderts oder eine völlig andere (z. B. astrologische) Art der Beeinflussung. Die Annahme solcher Faktoren wäre genauso gut oder schlecht, plausibel oder unplausibel wie Intelligent Design.

Im Übrigen ist die Annahme falsch, es gäbe so etwas wie eine induktive Logik, die es gestatte, anhand der Dauer, die eine Erklärung auf sich warten lässt, auf die Wahrscheinlichkeit zu schließen, dass keine solche Erklärung gefunden wird. So hatte:

"… es die Wissenschaft in ihrer Geschichte schon zu oft mit einem 'Lückenbüßer-Supranaturalismus' zu tun. Es bleibt uns daher in den Realwissenschaften nichts Anderes übrig, als mit dem schwachen Naturalismus zu beginnen und ihn auszuschöpfen." (MAHNER 2003, S. 139)

Intelligent Design: ein anderer Erklärungstyp?

"Wer eine Erklärung vom Typ X favorisiert, kann jemandem, der ein durch X unerklärtes Phänomen P mittels einer Konkurrenzerklärung vom Typ Y zu erklären versucht, einen Lückenbüßereinwand entgegenbringen." (S. 269)

Wissenschaftliche Erklärungen haben aber nie die Form eines argumentum ad ignorantiam. Sie schöpfen ihre Erklärungsmacht aus sich selbst. Zudem setzen die Autoren voraus, bei ID handele es sich um einen kognitiv relevanten Erklärungstyp. Dies ist aber nur dort der Fall, wo "Design" als Ursache offensichtlich und als Prozess charakterisierbar ist. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn wir die Reste eines Automobils auf dem Mars fänden. Wo das nicht der Fall ist, benötigen wir die explizite Kenntnis potenzieller Designer und ihrer Mechanismen um beurteilen zu können, ob es sich bei "Design" um eine tragfähige Erklärung handelt. Um es mit MAHNER (2018, S. 122) zu sagen:

"Um den Design-Ansatz glaubhaft zu machen, benötigt man neben Hintergrundwissen über die Absichten des Designers genau wie die Evolutionstheorie spezifische mechanismische Erklärungen als konkrete Modelle, die zeigen, welcher Designer auf welche Weise irreduzibel komplexe Organe geplant und ins Leben gerufen hat."

Nehmen wir an, wir möchten das Zustandekommen eines Steins erklären, bei dem nicht von vornherein klar ist, ob es sich um ein Artefakt handelt. Dann müssen wir die Design-Hypothese mit dem Wissen kombinieren, mit welchen Techniken Menschen Kerngeräte und Abschläge präparieren (Abb. 2). Erst mit diesem Wissen können wir beurteilen, ob die Spezifika des Steins mit den Präparationstechniken erklärbar sind. Würde sich herausstellen, dass dafür Kräfte nötig waren, die Menschen nie schaffen, hätte sich Design erledigt. Das gälte erst recht, wenn der Stein aus dem Tertiär oder vom Merkur stammte.

Abb. 2 Realwissenschaften wie die Archäologie, die in bestimmten Merkmalen von Steinen das Ergebnis von Design erkennt, verweisen auf empirisch nachgewiesene Urheber. Sie spezifizieren deren Wirkmechanismen und überprüfen sie experimentell (hier: experimentelles Schlagen paläolithischer Faustkeile). So liefern die Archäologen echte, kausale Erklärungen. Das intelligente Design der Biologie leistet das nicht.

Den wissenschaftlich legitimen Weg, eine Alternative zum Erklärungsparadigma der Evolutionsbiologie anzubieten, kann Intelligent Design nicht beschreiten, weil es dieses Paradigma nicht gibt. Deshalb muss es versuchen, evolutionäre Erklärungen herunterzuspielen. Dies ist exakt die klassische Lückenbüßer-Strategie.

ID setze der Forschung kein Ende, sondern setze sie voraus

"Das 'Lückenbüßer'-Argument verhindert oft eine Diskussion auf der Sachebene, etwa wenn unterstellt wird, man plädiere für ein Ende der Forschung, wenn ein Phänomen unverstanden ist, und sage einfach, Gott habe es bewirkt." (S. 264)

Das sei falsch, weil der Design-Ansatz selber auf Forschung angewiesen sei, um die Grenzen naturwissenschaftlicher Erklärbarkeit auszuloten.

Das Problem dieser Argumentation ist jedoch erstens, dass die Forschung den ID-Ansatz gar nicht weiterbringt. Fehlende Erklärungen deuten (mangels Kenntnis einer naturgesetzlichen Limitierung) weder auf eine prinzipielle Erklärungsgrenze hin, noch sind sie (mangels positiver Komponente) ein Argument für Design.

Zweitens bringen ID-Advokaten ihren Planer ins Spiel, lange bevor die Wissenschaft den Naturalismus ausschöpfen konnte. Die erwähnte Revision der Meinung von WORT UND WISSEN zur Evolvierbarkeit des Organellensystems der Eukaryoten belegt dies exemplarisch. (Weitere Rückzugsgefechte der Kreationisten dokumentiert PEITZ 2013). Trotzdem postulieren sie weiter unverdrossen die Notwendigkeit planerischer Eingriffe in ähnlich gelagerten Fällen. Darum hat HAUGHT (2004, S. 238) recht, der bemerkt:

"Intelligent Design ist ein 'Wissenschafts-Stopper', da es bereits zu einem Zeitpunkt eine Lückenbüßer-Erklärung anbietet, wo in der Forschung noch genügend Raum für weitere wissenschaftliche Erklärungen besteht." (ins Deutsche M.N.)

Drittens ist augenfällig, dass sich die ID-Advokaten gar nicht an der Suche nach Erklärungen beteiligen. Ihre "Forschung" erschöpft sich in der Schilderung von Beispielen nicht-reduzierbarer Komplexität und im Durchforsten wissenschaftlicher Literatur in der Hoffnung, sie als "Argumente" gegen Evolution einsetzen zu können. Der Grund kann nur sein, dass man a priori glaubt, es gäbe keine natürliche Erklärung, oder dass man sie als irrelevant für den Forschungsgegenstand betrachtet. Dann aber ist die Behauptung, man sei ergebnisoffen und an Erklärungen interessiert, nur ein Verwirrspiel.

Mit erfrischender dogmatischer Ehrlichkeit bestätigt dies der ID-Advokat Todd WOOD (2010). Dieser räumt ein, dass er keinerlei Interesse an der Erforschung der Ursprungsfrage verspüre - und schon gar nicht an natürlichen Erklärungen:

"Das ist der Grund, weshalb ich mich für die Entstehung des Lebens nicht interessiere (und warum ich wahrscheinlich nie Meyer's Buch zu Ende lesen werde). Ich weiß ja bereits, woher das Leben stammt. Ich schlage das Buch Genesis auf, und die Bibel teilt mir genau mit, woher das Leben stammt. Darüber zu spekulieren, wie es in einem naturalistischen Szenario entstanden sein könne, ist für mich reine Zeitverschwendung." (ins Deutsche M.N.)[9]

Die These, ID sei ein Hemmschuh der Wissenschaft, hat also dort seine Berechtigung, wo sich aufgrund von Glaubensvorstellungen der ID-Advokaten Konflikte auf der faktischen oder erklärenden Ebene anbahnen.

Besonders prekär ist dies für junge, hochaktive Forschungsprogramme wie Evo-Devo oder das Standardmodell der Kosmologie. Wir sind noch nicht recht dabei, die Forschungsfelder abzustecken, schon ist ID mit seinem Passepartout einer Schöpfungserklärung zur Stelle. Wer schon jetzt einen Schöpfer einschiebt, um einem naturwissenschaftlichen Ergebnis vorzugreifen, begeht klar ein argumentum ad ignorantiam.

Zwischenfazit

Den WORT-UND-WISSEN-Autoren gelingt es nicht, den Lückenbüßer-Vorwurf zu entkräften. Zum einen spricht kein positives Wissen für einen "Planer" von Naturgegenständen. Daher bleibt nur das argumentum ad ignorantiam: Wir wissen nicht in allen Einzelheiten, wie sich Biosysteme ohne Planung entwickelt haben könnten. Dieser "negative" Aspekt ist aber so lange kein Argument gegen Evolution, bis es den Autoren gelingt, eine naturgesetzliche Grenze aufzuzeigen. Schließlich kennen wir Mechanismen, die zumindest das Potenzial haben, Neuheiten in der Evolution entstehen zu lassen.

Zum anderen ist das naturalistische Paradigma keineswegs gescheitert, wie die Autoren behaupten. Sie ignorieren schlicht das empirische Fundament, das es untermauert. Und selbst, wenn es dieses Fundament nicht gäbe, hätte die Forschung den Naturalismus längst nicht ausgeschöpft. Wer schon zum jetzigen Zeitpunkt natürlichen Erklärungen vorgreift, um einen Planer einzuschieben, begeht daher ein argumentum ad ignorantiam - auch deshalb, weil ID längst nicht die einzige nicht-naturalistische Alternative wäre.

Im Übrigen ignorieren die Autoren das Problem, dass ihre Schöpfungsthese allerklärend (omniexplanatorisch) ist. Den wissenschaftlich legitimen Weg, eine Alternative zum Erklärungsparadigma der Evolutionsbiologie anzubieten, kann ID nicht beschreiten, weil es dieses Paradigma nicht gibt. Deshalb muss es versuchen, evolutionäre Erklärungen herunterzuspielen. Dies ist nichts anderes als eine Form des Lückenbüßer-Arguments.

Design- oder Konstruktionsfehler

Ein Argument gegen den "intelligenten" Ursprung biologischer Merkmale nimmt auf die Existenz sinnloser Strukturen, Umwege und funktioneller Mängel Bezug, die teils mit einer Herabsetzung der Fitness ihrer Besitzer einhergehen (kurz: Design- oder Konstruktionsfehler). Solche Strukturen sind genau das, was man aus Sicht einer Evolution erwartet, die nicht vorausschauend planen, sich ihres stammesgeschichtlichen Erbes nicht entledigen und Organismen nicht "wegen Umbaus vorübergehend außer Betrieb nehmen" kann. Das unterscheidet "ungelenkte" Naturprozesse von zielorientierter Planung, die nicht notwendigerweise an diese Bedingungen gebunden ist.

Da verschiedene Arten von "Design-Indizien" auf die "Zweckmäßigkeit bzw. Zielorientierung" biotischer Strukturen Bezug nehmen (S. 201), wird der Prima-facie-Eindruck von Planung umso fragwürdiger, je deutlicher und je häufiger unzweckmäßige, dysfunktionale oder nicht zielorientierte Strukturen und Umwege (Design- oder Konstruktionsfehler) scheinbar "hochgradig speziell ausgeführte" Merkmale überlagern. Es gilt:

"Während optimale Passung auch als Beleg für teleologische Ansätze … gewertet werden kann, können suboptimale Performance, Konstruktionsdefekte … und das verbreitete Vorkommen von Junk-DNA nur im Lichte einer Theorie erklärt werden, in der Begriffe wie 'historischer Zufall', 'Variation' und 'Selektion' vorkommen." (MAHNER & BUNGE 2000, S. 342)

Das vorliegende Buch versucht in zwei Kapiteln (S. 212f. sowie S. 275–287) dieses Argument zu entkräften. Bevor wir uns den Einwänden widmen, sollen zunächst Beispiele angeführt und die evolutionstheoretischen Erklärungen erläutert werden.

Klassische Beispiele

Mit Blick auf die funktionale Komplexität und "Genialität lebender Konstruktionen" (siehe S. 259) ist es bei Evolutionsgegnern Gang und Gäbe, auf die Konstruktionsabsicht eines intelligenten Planers zu schließen. Doch bereits HASS (1979) zeigte am Beispiel des Urogenitalsystems der Vertebraten, dass sich die Konstruktionswidrigkeiten mit dem Adjektiv "genial" nur schwer charakterisieren lassen (nach MAHNER 1986, S. 76): Die Embryonalentwicklung schlägt eine Reihe von Umwegen ein mit dem Ergebnis, dass die Eizellen einen umständlichen Weg vom Ovar zum Ostium tubae und Ovidukt zurückzulegen haben, der sich angesichts des Risikos von Eileiter- und Bauchhöhlenschwangerschaften als potentiell lebensgefährlich herausstellt. Müsste man von einem genialen Konstrukteur nicht geradezu erwarten, dass solche Fehler schon während der Planung entdeckt und gar nicht erst begangen werden? Wozu wurde kein eigener Ausführgang für die Keimdrüsen angelegt und dafür auf Umwege wie Kloakenbildung verzichtet?

Auf derlei Konstruktionsmerkwürdigkeiten stößt man, wie RIEDL (1984, S. 18) bemerkt, allein bei der "Krone der Schöpfung" dutzendfach:

"Das Heer der konstitutionellen Krankheiten ist die Folge: Schwindel, Bandscheiben- Schwäche, Leistenbruch, Hämorrhoiden, Krampfadern, Plattfüße. Ja, vieles ist überhaupt unreparierbar verbaut."

Ein eklatanter Fall von Dysfunktionalität ist die Immunpathogenese. Dabei handelt es sich um eine fatale Überreaktion des Immunsystems, die Betroffene regelmäßig umbringt. Sie beginnt mit einer unkontrollierten Produktion von Immun-Botenstoffen und führt unbehandelt zum Organversagen. Dieser Effekt ist oftmals für die tödlichen Verläufe von CoViD-19, Ebola und Influenza verantwortlich oder wesentlich daran beteiligt.

 

Ein weiteres Beispiel ist unsere Netzhaut. Sie ist bei allen Wirbeltieren verkehrt herum ("invers") in den Augenbecher eingebaut (Abb. 1). Absurderweise passiert das Licht ein Geflecht von Blutgefäßen und Nervenzellen, bevor es auf die Sehzellen trifft, und an der Austrittsstelle des Sehnervs entsteht ein "blinder Fleck" auf der Netzhaut.

Abb. 3 Inverser Bau der Netzhaut: Die Sehzellen befinden sich auf der dem Licht abgewandten Seite, während die Nervenzellen dem Licht zugewandt sind. Das ist kein cleverer Schachzug: Das Licht muss ein Netz aus Blutgefäßen und Nervenzellen passieren, bevor es die Sehzellen erreicht. Dies geht mit Lichtverlust, optischen Verzerrungen und Einbußen der Sehschärfe einher. Zudem entsteht an der Austrittsstelle des Sehnervs ein "blinder Fleck".

Nicht minder kurios ist der Verlauf des rückläufigen Kehlkopfnervs (Stimmnerv) der Säugetiere (Nervus laryngeus recurrens). Er zweigt vom zehnten Hirnnerv (Nervus vagus) ab, führt aber nicht direkt zum Kehlkopf, wie man es unter dem Aspekt eines zielgerichteten Ursprungs erwarten würde, sondern wenige Millimeter daran vorbei! Unterhalb des Halses taucht der Nerv unerwartet im Brustkorb ab und vollführt in der Nähe des Herzens eine sinnlose Schleife um den Aortenbogen und die Unterschlüsselbeinarterie ("Rekurrens-Schlinge"). Schließlich legt er zwischen Luft- und Speiseröhre den ganzen Weg zurück zum Hals, wo er endlich an seinen Bestimmungsort, dem Kehlkopf, ankommt. Dort innerviert sein Endast den unteren Kehlkopfnerv, die Schleimhaut unterhalb der Stimmlippen sowie die Kehlkopfmuskulatur (STEINBRÜCK et al. 2008). Beim Menschen beträgt der Umweg nur etwa 15 cm und ist damit noch recht kurz. Bei der Giraffe aber beläuft sich der Umweg auf unglaubliche 4,5 Meter!

Abb. 4 Rekurrensschlinge bei der Giraffe, dargestellt in grün.

Ein letztes Beispiel: Der Brutbeutel der Koalas ist nicht, wie bei den meisten Beuteltieren, nach oben hin offen, sondern nach unten. Unter australischen Rangern kursiert daher der makabre Witz: "Der Koala fällt nicht weit vom Stamm und stirbt da auch" (STEFFENS 2007, S. 17). Zum Glück besitzen Koala-Babys einen ausgeprägten Klammerreflex, der solches zumeist verhindert. All diese Strukturen ergeben aus teleologischer Perspektive keinen Sinn, vergeuden unnötig Ressourcen, sind suboptimal oder gar lebensgefährlich. Inwieweit aber kann die Evolutionstheorie ihre Herkunft erklären?

Die evolutionstheoretische Erklärung: drei Beispiele

Die Rekurrens-Schlinge des rückwärtigen Kehlkopfnervs erklärt sich zwanglos, wenn wir zugrunde legen, dass die Evolution nicht zielgerichtet verlief, während unsere Vorfahren Kiemenatmer waren: Bei den "Fischen" schlägt der Nerv nämlich keinen Umweg ein, sondern führt als sechster Kiemenbogennerv direkt zum Schlundbogen. Waren die Kiemen und Aortenbögen mit ihrem Geflecht an Blutgefäßen und Nerven erst einmal im Bauplan der "Fische" etabliert, musste jede evolutionäre Weiterentwicklung die Funktionsfähigkeit des Merkmalsgefüges gewährleisten.

Als die Kiemen in der Evolution verschwanden und die Landwirbeltiere Hals und Kehlkopf entwickelten, war es entwicklungsbiologisch nur noch möglich, die Aortenbögen zu modifizieren. Es war nicht möglich, sie außer Dienst zu stellen und das Gewirr aus Blutbahnen, Organen und Nervensträngen grundlegend neu zu ordnen. Letzteres würde verhindert haben, dass beim Verlängern des Halses und beim Abstieg (Deszensus) des Herzens in den Brustkorb der vierte bis sechsten Aortenbogen mit nach unten wandert und den Nervus laryngeus recurrens mitnimmt. Doch Mutationen, die das Chaos im Brustkorb beseitigen, sind faktisch unmöglich, weil sie viele Merkmale gleichzeitig ändern müssten. Somit ist aus selektionstheoretischer Perspektive der jeweilige Nutzen einer suk-zessiven Verlängerung des Nervs höher als eine Neugestaltung des Bauplans.[1]

Analoges gilt für die Netzhaut: Beim plattenförmigen Nervensystem an der Körperoberfläche einfacher Deuterostomier zeigen die Sinneszellen zweckmäßigerweise zum Licht. Durch Einrollen ins Körperinnere entsteht aus der Neuralplatte das Neuralrohr als erste embryonale Entwicklungsstufe des zentralen Nervensystems höherer Tiere. Dies bewirkt ein "Umkrempeln" des Gewebes, sodass die lichtempfindlichen, primären Sinneszellen im Innern des Neuralrohrs liegen (FRANZE & GROSCHE 2008, S. 701).

Das Neuralrohr tritt bereits bei augenlosen Chordatieren auf, den Vorfahren der Wirbeltiere. Bei den Wirbeltieren bilden sich aus dem Neuralrohr später Gehirn, Rückenmark und Augen. Unter der Herrschaft des PAX-6-Mastergens quellen aus dem hinteren Bereich des Vorderhirns Wülste hervor, die sich zum Augenbecher umformen (MÜLLER & HASSEL 2018, S. 475). Aufgrund dieses Entwicklungszwangs (engl.: developmental constraint) kommt es zur Inversion der Netzhaut (Abb. 5).

Jene embryogenetische Weichenstellung, die die Inversion der Netzhaut herbeiführt, trafen also schon die Vorfahren der Chordatiere. Sie geht auf eine Zeit zurück, bevor sich die Entstehung von Wirbeltieraugen abzeichnete. Diese "Vorentscheidungen" ließen später keine Alternativen mehr zu. Denn ihr genetisches Erbe zu modifizieren, bis die Sehzellen "richtig" im Augenbecher liegen, würde es erfordern, die embryonale Anlage des Nervensystems von Grund auf umzugestalten. Für Prozesse, die keinen Plan kennen, ist das nicht leistbar, also blieb die Differenzierung von Stammzellen des Neuralrohrs in ihrer besonderen topographischen Lage zu den Sinneszellen, wie sie war.

Abb. 5 Entwicklung der inversen Netzhaut, ausgehend vom platten Nervensystem einfacher Deuterostomier (z. B. Seesterne) zum ins Körperinnere eingesenkten Neuralrohr als Anlage des Gehirns und Rückenmarks. Umgezeichnet nach FRANZE & GROSCHE (2008, S. 701).

Dagegen lässt sich nicht sinnvoll erklären, warum sich ein Designer Entwicklungszwängen unterwarf, die ihren Ursprung in historisch älteren Bauplänen haben. Er soll doch nach Ansicht von Intelligent Design (ID) in der Lage sein, überlegt zu handeln, die Merkmale planvoll, zielgerichtet und "frei" zu kombinieren.

Je stärker die biologischen Merkmale durch Konstruktionsfehler überlagert sind, desto weniger genügen sie Zweck-Mittel-Beziehungen und Funktionsanforderungen – und desto mehr verliert sich der Eindruck von Planung. Sie passen hervorragend zu evolutiven Prozessen, die kein Ziel kennen.

Die Entwicklungsbiologen MÜLLER & HASSEL (2018, S. 627) resümieren:

"Die (nahezu) perfekte Konstruktion bestimmter Augen verleitet manche Menschen zu der Annahme, dass ein intelligentes Wesen diese Augen geschaffen haben müsse, natürliche Evolution könne sie nicht hervorgebracht haben. Zunehmendes Wissen um Homologie auf molekularem Niveau, um Zwischenstufen in der Konstruktion wie auch um suboptimale Lösungen (z. B. inverses Auge der Wirbeltiere, schlechte optische Qualität des dioptrischen Apparates) machen Annahmen über 'intelligentes Design' aber keineswegs zwingend. Im Gegenteil unterstützen die Daten … die Sicht, dass bekannte Mechanismen der Evolution letztlich eine Vielfalt brauchbarer Lösungen hervorbrachten."

Der Grund für die verkehrte Öffnung des Koala-Brutbeutels ist ebenfalls schnell erklärt: Koalas haben wombatartige Vorfahren, und Wombats graben mit Vorliebe in der Erde: Sie befördern das Erdreich mit ihren schaufelartigen Pfoten nach hinten wie ein Bagger. Wäre der Beutel des Vorfahren nach vorne offen gewesen, wären die Jungen mit Dreck zugeschüttet worden. Also zeigte die Öffnung nach hinten, und als die Nachfahren dieser Tiere auf Bäume kletterten, nahmen sie diese "Konstruktion" mit; es war zu kompliziert, sie zu ändern (WILLIAMS 2006, S. 63).

Einwände gegen das Argument der Designfehler und Gegenargumente

A. Das Argument sei "theologisch" kontaminiert und somit unzulässig

Die Autoren entgegnen, die evolutionäre Argumentation setze stillschweigend bestimmte theologische Annahmen voraus. Sie sei nur zielführend, wenn angenommen werde, dass ein Schöpfer perfekte Merkmale hätte hervorbringen müssen, was ID aber gar nicht behaupte:

"[S]olche Argumente [enthalten] bestimmte (theologische) Annahmen über einen hypothetischen Schöpfer, z. B. dass ein möglicher Schöpfer gute, wenn nicht zwingende Gründe gehabt haben müsste, perfekte Strukturen (in unserem Sinne) hervorzubringen. Diese meist stillschweigend gemachten Annahmen werden meistens nicht einmal versucht zu begründen …" (S. 212)

Doch das Argument gegen "Design" setzt keineswegs voraus, dass intelligente Planung perfekte Ergebnisse haben müsse. Es setzt lediglich voraus, dass simple Fehler und vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden werden – so wie es jede intelligente Planung, auch weit weg von der Perfektion, leisten würde. Anders gesagt: "Schlechtes" Design passt besser zu nicht-zielgerichteten Prozessen (Evolution) als zu zielgerichtetem, überlegtem Handeln (KOJONEN 2016, S. 152-153).[2] Entsprechend räumt auch RAMMERSTORFER (2006) ein, dass "banale Fehler" den Design-Ansatz schwächen würden, denn:

"Stümperhaftes Design passt insgesamt (wie oben besprochen) hervorragend zu Prozessen, die keinen Plan kennen. Damit würde auf dieser Ebene ('Design-Fehler') ein gutes Argument für Evolution und gegen Planung existieren." (S. 90)

"Ist das [gute Design] wirklich zu erwarten, wenn man als Ursprungserklärung einen ungelenkten Prozess postuliert...? Oder wäre in diesem Fall nicht genau das Gegenteil zu erwarten: Überwiegend 'schlechte Designs' (maximal optimiert vielleicht, aber trotzdem zweitklassig) und hin und wieder gute Designs?" (S. 88)

Das Argument der Designfehler hat also nichts mit Theologie zu tun; es orientiert sich schlicht an den ontologischen und methodologischen Leitsätzen von ID, wie: "Planmäßigkeit lässt einen Planer vermuten" oder: "intelligente Konstruktionen legen eine intelligente Entstehungsursache nahe". Oder wie RAMMERSTORFER (2003) bemerkt:

"Der Schluss von Planmäßigkeit, Zielgerichtetheit, wie sie in der Natur überall zu finden ist, auf einen Planer, ist ganz einfach der naheliegende Schluss."

Es ist daher völlig legitim, neben den zahllosen Schilderungen (gewiss!) faszinierender und komplexer Bau- und Funktionszusammenhänge in der Natur auch auf die eklatanten Konstruktionsdefizite hinzuweisen und kritisch zu hinterfragen, ob sich Ingenieuren, Technikern, Morphologen und Medizinern in der Gesamtschau der Eindruck von Planmäßigkeit aufdrängte.[3]) Um es mit Mahner zu sagen:

"Die Planmäßigkeitsanalogie streicht den Sinn in der Natur heraus und übersieht den Unsinn. Auf gleiche oder ähnliche [= intelligente] Ursachen darf nicht geschlossen werden." (MAHNER 1986, S. 79)

Solche Überlegungen als "versteckte Theologie" zu missdeuten, ist ein durchschaubares Manöver. Schließlich bemühen die WORT-UND-WISSEN-Autoren selbst mannigfach Beispiele und Analogien mit der Technik, die den Eindruck planerischer Genialität und Optimalität vermitteln sollen. Steht die Analogie dem Planmäßigkeits-Argument jedoch im Weg, wird sie geleugnet. Dieser argumentative Doppel-Standard ist ein Kennzeichen von Kritikimmunisierung.

Im Übrigen ist der Einwand schon deshalb obsolet, da die Autoren selbst, wie überhaupt die meisten ID-Vertreter, den Schöpfergott als superintelligenten, perfekten Konstrukteur voraussetzen. Das ist keineswegs das traditionelle biblische Gottesbild, sondern entstand erst im 18. und 19. Jahrhundert in der Auseinandersetzung mit der Naturwissenschaft. Nicht nur die offenkundige Planlosigkeit der Evolution, sondern auch die Grausamkeit der Natur und das Aussterben von über 99 Prozent der Arten, die jemals existierten, passen nicht zu diesem Gottesbild. Aber die Diskussion um das Gottesbild sollen die Design-Advokaten mit Theologinnen und Theologen führen. In der Naturwissenschaft werden seine problematischen Konsequenzen immer nur ad hoc durch Immunisierungsstrategien wegdiskutiert, so wie dies im Folgenden (erfolglos) versucht wird.

B. Das Argument berücksichtige nicht alle Detailkenntnisse

Dieser Einwand leugnet, dass Konstruktionsfehler überhaupt existieren:

"Erstens zeigt eine Reihe von Untersuchungen, dass bei genauerer Kenntnis betreffender Organe nennenswerte Mängel nicht nachweisbar sind. Dem Argument der Konstruktionsfehler liegt oft nur ein Mangel an Kenntnissen über den betreffenden Gegenstand zugrunde - und, wie es scheint, weltanschaulich motivierte Vorurteile." (S. 212)

"Weitet man … die Perspektive und betrachtet zusätzlich zur spezifischen Struktur der Netzhaut des jeweiligen Organismus deren anatomische und physiologische Umgebung, verliert das Argument der Fehlkonstruktion an Gewicht." (S. 280)

Bezüglich der inversen Konstruktion der Netzhaut der Wirbeltiere wird auf eine Entdeckung aus dem Jahr 2007 hingewiesen, wonach es ein bestimmter Zell-Typ, die sogenannten MÜLLER-Zellen (Abb. 4) das ins Auge einfallende Licht an den streuenden Zellschichten vorbei auf die Netzhaut leiten. Diese Zellen optimieren den Sehvorgang insofern, als sie wie Lichtleiter wirken:

"Der scheinbare Widerspruch zwischen dem anatomischen und dem physiologischen Befund löste sich auf, als man intensiv weiter in die Detailforschung zur Lösung des Problems investierte." (S. 281)

Was uns hier als geniale Lösung verkauft wird, ist aber nur eine Behelfslösung, eine nachträgliche Bastelei, welche die "offensichtlich unvorteilhafte Gesamtsituation optimiert" (FRANZE et al. 2007, S. 8287; ins Deutsche MN, Hervorhebung nicht im Original). Das heißt, es wurde ein Workaround geschaffen, der die schwerwiegenden Konsequenzen des konstruktiven Mangels abmildert, ohne den Mangel selbst zu beseitigen. Das Argument der Designfehler bleibt also unangetastet; zielorientierte Lösungen offenbaren sich nicht in einer nachträglichen, behelfsmäßigen ("blinder Fleck"!) Fehlerkorrektur, sondern in vorausschauender Fehlervermeidung (MYERS 2010).

Eine weitreichende Kompensation der optischen Verzerrungen und Sehschärfe-Einbußen ermöglichen auch die MÜLLER-Zellen nicht. Dies zeigt sich an der Gefäßarmut im Bereich des schärfsten Sehens. Zahlreiche Vögel verzichten ganz auf eine vaskularisierte Netzhaut. Über ihren Fotorezeptoren winden sich keine Blutgefäße, dadurch sehen sie schärfer.

Abb. 4 Schematische Darstellung einer Müllerzelle. (A) Isolierte Zelle. (B) Zelle im retinalen Verband. Mit dem Endfuß grenzt die Müllerzelle im Bereich der inneren limitierenden Membran (ILM) an den Glaskörper. Vom Stammfortsatz in der inneren Retina zweigen Sekundärfortsätze ab und umhüllen Synapsen in der inneren plexiformen Schicht (IPL). In der inneren Körnerschicht (INL) ist der Zellkörper mit dem Zellkern lokalisiert. Sekundärfortsätze der äußeren plexiformen Schicht (OPL) stehen im Kontakt zu Synapsen der äußeren Retina. Nach BRINGMANN et al. (2006); LU et al. (2006).

Schlimmer noch, die Behelfslösung entpuppt sich selbst als Designfehler mit gravierenden Folgen. Die MÜLLER-Zellen haben nämlich einen erheblichen Nachteil: Sie neigen, ausgelöst durch UV-Licht, oxidativen Stress, Traumata, Infektionen, Ischämien usw., zur Hypertrophie, zur Bildung von Verdickungen und vermehrten Fortsätzen (BRINGMANN & REICHENBACH 2001). Diese sogenannte "Gliose" schädigt zunehmend Neurone bzw. Fotorezeptoren und führt unbehandelt zur Degeneration der Netzhaut bis zum völligen Sehverlust. Die physiologisch veränderten MÜLLER-Zellen sind in ein ganzes Spektrum progredienter Augenerkrankungen involviert wie Entzündungen der Augenhaut (Uveitis), Glaukomen, bis hin zu Retinopathien und Makulaödemen.

Weshalb hat der "geniale" Konstrukteur nicht die Vaskularisation samt Nährstoffversorgung und ableitenden Nerven hinter die Sehzellen verlagert und auf hypertrophierende Müllerzellen und "blinde Flecke" verzichtet? Dass es bessergeht, belegen die Kopffüßer: Da es ihr stammesgeschichtliches Erbe zuließ, sitzt die Netzhaut funktionell passend im Augenbecher. Auch die Blutversorgung ist hier eleganter gelöst (MYERS 2010).

C. Designfehler seien in Wahrheit Design-Kompromisse

Um den Eindruck von "Planung" zu retten, ist es eine beliebte Strategie, (sekundäre) Funktionen ad hoc zu Design-Absichten und Design-Kompromissen zu erklären. So wird zum Beispiel behauptet, die inverse Netzhaut sei kein Mangel, sondern geradezu erforderlich, um die Energieversorgung des Wirbeltierauges sicherzustellen:

"So ist der Bedarf an Nährstoffen und Sauerstoff für die menschliche Netzhaut deutlich größer als der bei Tintenfischen, was ein komplett anderes Versorgungs- und Entsorgungssystem über die Außenseite und Innenseite der Netzhaut erforderlich macht." (S. 281)

Als ob das bei Greifvögeln, die (entgegen den Cephalopoden) komplett auf eine Vaskularisation der Netzhaut verzichten, nicht erst recht erforderlich und gewährleistet wäre! Warum ein Verlegen der Blutgefäße und versorgenden Zellen hinter die Sehzellebene kein adäquates Sehen ermöglichen sollte, bleibt das Geheimnis des Autors. Ein anderes Beispiel: Um die verkehrte Brutbeutel-Öffnung der Koalas (Abb. 5) in einen "eleganten Design-Kompromiss" umzumünzen, wird gern das "Kot-Argument" bemüht: Die inverse Öffnung diene dazu, das Junge in die Nähe des Afters der Mutter zu bringen, um es mit dem mütterlichen Kot essenzielle Darmbakterien fressen zu lassen. Bizarr sind solche Ad-hoc-Hypothesen schon deshalb, weil sie ein Konstruktionsdefizit mit einem anderen weg "erklären": Dass Koalas ihr einziges Nahrungsmittel, die Eukalyptusblätter, nicht selbst verdauen können, ist nämlich alles andere als ein Geniestreich. Das ist "ungefähr so, als wären Löwen allergisch gegen Fleisch" (STEFFENS 2007, S. 17).

Abb. 5 So possierlich der Koala ist, so massiv kumulieren sich bei ihm die Designfehler: Sein Brutbeutel ist nach unten geöffnet. Das Tier kann seine einzige Nahrungsquelle nicht selber verwerten. Zudem muss es den Balanceakt vollführen, gerade so viele Blätter zu futtern, dass es nicht verhungert. Frisst es mehr, erleidet es eine Vergiftung, denn der Koala verträgt die Eukalyptusblätter nur mäßig. In der Konsequenz ist das Tier so geschwächt, dass es täglich 20 Stunden Schlaf benötigt, um nicht an Erschöpfung zu sterben. © Rudolf ÖLLER.

Der Schluss auf eine evolutionäre "Bastelei" ist daher naheliegend: Koalas sichern sich durch die Spezialisierung auf (für andere Wirbeltiere unverträgliche) Eukalyptusblätter eine Nahrungsnische ohne Konkurrenz. Das hat den Preis, dass ihr Verdauungssystem von symbiontischen Einzellern abhängt und dass immer nur eine gerade noch verträgliche Menge der Blätter gefressen werden kann. Ein sinnvolles "Design" wäre, den Koalas die Fähigkeit zu geben, selbst passende Enzyme zu produzieren, die den Eukalyptus wirksam entgiften und verdauen. Würde der Brutbeutel nach oben ausgerichtet, wären beide Konstruktionsdefizite beseitigt. Davon abgesehen gäbe es weit sicherere Möglichkeiten, das Darm-Mikrobiom der Mutter auf das Junge zu übertragen.

Großer Beliebtheit erfreut sich auch das "Schnupfen-Argument", das die potenziell lebensgefährliche Kreuzung von Luft- und Speiseröhre in einen genialen Design-Kompromiss verwandeln soll; schließlich könnten wir bei einem Schnupfen durch den Mund atmen und Schleim abhusten (RAMMERSTORFER 2006).

Das Problem ist auch hier, dass es einen Designfehler mit anderen "wegerklärt": Überschießende Schleimbildung (die bei Infekten lebensbedrohlich sein kann) in Kombination mit verkehrt angelegten Abflusswegen der Nasennebenhöhlen (Ostien) birgt weitere Risiken, etwa die Gefahr chronischer Nebenhöhlen-Erkrankungen. Wären die Ostien zweckmäßigerweise nach unten offen, Luft- und Speiseröhre getrennt und durch einen Schließmuskel verbunden, der nur bei Bedarf (Husten, schnelles Atmen) öffnet, wären mehrere Probleme elegant gelöst.

D. Die Strukturen seien aus embryologischer Sicht systemrelevant

Eine Variante des letzten Einwands fordert eine Erweiterung des Blicks auf die Erfordernisse der Embryonalentwicklung (Ontogenese), das heißt auf die Entwicklungsgesetze. Bei biologischen Merkmalen sei zu fragen, ob es ontogenetische Aspekte gebe, die für das betreffende Organ essenziell seien. Sinngemäß lautet das Argument, dass sich Merkmale, die aus technischer Sicht seltsam anmuten, aus entwicklungsbiologischer Sicht als systemrelevant und unverzichtbar entpuppen würden.

Tatsächlich ist die Ontogenese komplizierter ist als das bloße "Verschrauben" von Einzelteilen. Bei technischen Dingen entsteht die Funktion erst am Ende des Fertigungsprozesses. Dagegen muss der Embryo in jedem Stadium seiner Entwicklung funktionieren. Zudem muss er die Voraussetzungen für die jeweils nächsten Entwicklungsschritte schaffen. So werden viele Strukturen etwa als Platzhalter, Induktoren usw. für die korrekte Entwicklung darauffolgender Merkmale und Entwicklungsstadien benötigt. Daher sei es vorstellbar, dass ein Designer kurios anmutende Strukturen in Kauf nahm, weil ihr Fehlen gravierende Probleme an anderer Stelle aufwerfen würde:

"Der typische Aufbau der Netzhaut des Menschen resultiert aus einer in der frühen Embryonalentwicklung beginnenden Interaktion von neuronalen und oberflächlichen embryonalen Gewebeanteilen. Beide Anlagen liefern nicht nur das Zellmaterial für die Ausbildung der Netzhaut. Sie sind eingebunden in ein komplexes Wechselspiel von Induktionen und Hemmungen ontogenetischer Wachstums- und Differenzierungsprozesse im Reigen zahlreicher anderer regulativer Mechanismen. Diese führen u. a. zur Ausbildung der Hilfsstrukturen des Auges wie der Linse, dem Glaskörper oder der Regenbogenhaut …

Auch blinde Fische ohne funktionsfähige Augen im ausgewachsenen Stadium benötigen für die normale Entwicklung ihres Gehirns und des Gesichtsschädels in der Ontogenese Augenanlagen. Argumente des 'unintelligenten Designs' erlangen häufig durch die bewusste Ausblendung der Ontogenese von Organen und Strukturen ihre Plausibilität. Daraus resultiert zwangsläufig eine fehlende Wertschätzung der systemrelevanten formbildenden und funktionellen Aspekte der Organ- und Strukturanlagen, welche weit über ihr zuweilen eigenartig anmutendes Erscheinungsbild (z. B. langer Verlauf der rückläufigen Kehlkopfnerven bei der Giraffe) im ausgebildeten Zustand hinausgehen." (S. 282)


Offenbar übersieht der Autor, dass seine Ausführungen gerade die evolutionäre Argumentation stärken: Die Einbettung in ein komplexes System von Wachstums- und Differenzierungsprozessen ist ja exakt der evolutionsbiologische Grund, warum viele Merkmale "mitgeschleppt" werden, auch wenn sie physiologisch nutzlos wurden! Der Autor erklärt dies am Beispiel blinder Höhlenfische, die ihre Augen behalten. Die naheliegenden (proximaten) Ursachen, ihre Funktion als Induktoren, Platzhalter usw., verhindern eine nachträgliche evolutive Entfernung aus dem Bauplan. Aber die proximaten Ursachen beantworten nicht die Frage nach den ultimaten Faktoren (historischen Determinanten der Entwicklungsprozesse), die uns die Frage beantworten: "Warum sind die Entwicklungsgesetze gerade so, wie sie sind, und nicht anders?"


Aus evolutionärer Sicht ist die Erklärung offensichtlich: Nicht-zielgerichtete Prozesse können das Geflecht historisch gewachsener Zwänge nicht entwirren. Strukturen, einmal in die Ontogenese eingebettet, können nicht mehr grundlegend umgekrempelt, nur noch modifiziert werden. Aber wie will man das mit Geist und Intelligenz erklären, mit Prozessen also, die in der Lage sein sollen, die Merkmale planvoll, zielgerichtet und frei zu kombinieren? Wer Arten oder "Grundtypen" hervorbringt, braucht keine Rücksicht darauf zu nehmen, wie die Entwicklungswege bei anderen Grundtypen aussehen und kann in jedem Fall die optimalen, direkten Entwicklungswege konstruieren.

Wenn es dem superintelligenten Konstrukteur schon gefiel, Giraffen-Embryonen transitorische Elemente hinzuzufügen, die zu einem "Fisch"-Bauplan passen, weshalb hat er das Herz nicht in situ entstehen lassen, statt es in den Brustkorb absteigen zu lassen, sodass es den rückwärtigen Kehlkopfnerv auf ganzer Länge mitnimmt?[4] Warum ließ er nicht die rechte Arteria subclavia aus der Aorta distal des Abgangs der A. subclavia sinistra entspringen, sodass der rechte Rekurrens nicht mehr die A. subclavia umschlingt? Diese anatomisch seltene Variante des Nervus laryngeus non recurrens existiert tatsächlich und ist harmlos (HERMANN 2010, S. 131).

Die vermutlich eleganteste Lösung würde darin bestanden haben, die Zielweisung des Nervs durch Modifikationen chemotaktischer Signale so zu verändern, dass der Nerv direkt auf sein Zielorgan zu wächst. Denn Wachstumskegel von Nervenfasern orientieren sich an "diffusiblen" Signalen, die von ihren entfernten Zielen ausgesendet werden. Möchte der Autor behaupten, solche Lösungen würden sich verbieten?

Wenn der Planer ferner darauf Wert legte, in der Embryonalentwicklung hochentwickelter Wirbeltiere auf die archaischen Signalwege von Schädellosen zurückzugreifen, weshalb hat er die Sehzellen nicht in den Augenbecher einwandern lassen, statt sie ins Innere des Neuralrohrs zu verlegen, von wo aus sie später in verkehrter Position aus dem Hirn quellen? Alternativen gäbe es genug. Der Augenbecher des Oktopusses etwa quillt nicht aus seinem Gehirn, sondern entsteht durch Einstülpung der embryonalen Außenhaut. Dann versorgt ihn das Gehirn mit Nervenzellen.


Wir sehen, dass die Probleme nicht konstruktionsbedingt sind. Das Problem ist, dass Embryos "unnötig erscheinende Reminiszenzen an die evolutive Vergangenheit" zeigen (MÜLLER & HASSEL 2018, S. 506). Auf die Frage, warum sich der hypergeniale Planer, statt konstruktive Lösungen anzugehen und neue Signalsysteme zu installieren, historisch gewachsenen Entwicklungszwängen beugt, gibt ID keine auch nur halbwegs überzeugenden Antworten. Die einzig sinnvolle Erklärung lautet: Evolution.

E. Intelligent Design im Rahmen gemeinsamer Abstammung

Um das Problem der Designfehler zu umschiffen, wird gelegentlich folgender Einwand bemüht:

"Der Designer könnte sich dafür entschieden haben, im Rahmen eines historisch limitierten Evolutionsprozesses zu arbeiten. Dies hätte dieselben Einschränkungen im Design zur Folge, wie aus Sicht der etablierten Evolutionsbiologie. Die Kombination aus Intelligent Design und Evolution kann dazu führen, dass ID-Befürworter erwarten, dass das Leben in der von den Evolutionisten beschriebenen Weise suboptimal ist. Aus dieser Perspektive ist schlechtes Design ein Argument für ein evolutionäres Design-Verständnis, weniger ein pauschaler Einwand gegen Design-Argumente." (KOJONEN 2016, S. 157; ins Deutsche MN)


Diese paraevolutionäre Design-Vorstellung (Abb. 6) ist jedoch ein Sonderfall, da sie sowohl die transspezifische Evolution ("Makroevolution") als auch die gemeinsame Stammesgeschichte der Arten zugesteht. Daher kann sich, wie KOJONEN ergänzt, nur eine Minderheit der ID-Vertreter dieses Einwands bedienen. Den WORT-UND-WISSEN-Autoren steht er nicht zur Verfügung, denn damit würden sie weit von ihrer Vorstellung einer technisch intelligenten Schöpfung abrücken. Schließlich zielen die Bemühungen von Paraevolutionisten nicht auf die Destruktion der Evolutionstheorie, sondern eher auf eine vitalistische "Bereicherung" der Evolutionstheorie (MAHNER 1986, S. 84).

Zudem führt das Argument in ein Dilemma: Wer so weit geht zu behaupten, dass die Einschränkungen in einem intelligenten Designprozess und die historischen Limitierungen nicht-zielgerichteter Evolution dieselben seien, sodass sie zu genau den gleichen Konstruktionsdefiziten führten, zieht sich auf eine Position zurück, die keinen Erklärungs(mehr)wert gegenüber der Evolutionstheorie genießt. Ein solcher Design-Ansatz in faktisch inhaltsleer: Wenn wir bis hinab in die "Fisch"-Verwandtschaft ontogenetisch limitiert sind, gibt es für Intelligent Design keinen Spielraum, der über das hinausgeht, was natürliche Evolutionsmechanismen auch zu leisten imstande sind.

Abb. 6 Paraevolutionäre Vorstellung, wonach im Rahmen der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Arten die Verzweigungen von Stammbäumen auf die direkte Intervention eines Schöpfers zurückgehen. Separate "Grundtypen" wurden nicht erschaffen. Nach MAHNER (1986, S. 9).

Anders gesagt: Die paraevolutionäre Design-Idee ist keine prüfbare naturwissenschaftliche Hypothese, sondern eine metaphysische Deutung des Evolutionsgeschehens. Wie soll man untersuchen, ob z. B. die Millionen Jahre zurückliegende Aufspaltung einer Klade auf eine übernatürliche Intervention zurückging? Wo immer wir Artaufspaltungen (Artbildung) direkt beobachten können, hat sie natürliche Ursachen. Es ist vernünftig anzunehmen, dass das auch in den Fällen so war, die wir nicht direkt untersuchen können.

Wer also die Behauptung verteidigen möchte, dass "Intelligenz und Geist" mehr zu leisten imstande seien als "ungelenkte" Prozesse, kommt nicht am Problem der Designfehler vorbei. Es wäre ja vollkommen willkürlich anzunehmen, dass ein Designer die Möglichkeiten der Evolution immer dann weit in den Schatten stellte, wo er scheinbar Elegantes erschuf, und immer dann dem Potenzial natürlicher Mechanismen verhaftet blieb, wo die banalen Fehler, die unreparierbar verbauten Kompromisslösungen und die Kontingenz gemeinsamer Abstammung sichtbar werden.

Wir sehen also, dass die paraevolutionäre Vorstellung nur eine weitere (nicht prüfbare) Ad-hoc-Annahme im Kabinett der Beliebigkeiten der Intelligent-Design-Verfechter verkörpert. Sie unterstreicht den Vorwurf, dass sich mit einem wie auch immer gearteten Design-Ansatz jeder x-beliebige Sachverhalt "erklären" lässt, sofern nur passende Zusatzannahmen über die Vorgehensweise des Designers getroffen werden.

F. Der Ratschluss des Schöpfers ist unergründlich

Am Ende der (erfolglosen) Ad-hoc-Immunisierung steht immer der Rückzug auf die fehlende menschliche Urteilskraft und auf den unergründbaren Ratschluss des göttlichen Konstrukteurs:

"Dawkins’ anthropomorpher und unintelligenter Designer ist nichts weiter als ein jämmerlicher Strohmann, geboren aus menschlicher Überheblichkeit und Unwissenheit … Dawkins nutzt die menschliche Rationalität, um an Gegenständen der Natur das schlechte Handwerk eines Designers oder Schöpfers nachzuweisen ('unintelligentes Design'). Das gelingt aber nur, wenn er dem kritisierten Konstrukteur – wie oben gezeigt- eine niedrigere Intelligenz als dem Menschen unterstellt. Der Option, möglicherweise einem Gott gegenüber zu stehen, der über ein unendlich höheres Maß an Intelligenz verfügt als der Mensch (wie vor allem im biblischen Zeugnis belegt), ist sich Dawkins offenbar nicht im Geringsten bewusst." (S. 286)


Offenbar fühlt sich der Autor durch die sinngemäße Behauptung des Biologen Richard DAWKINS provoziert, dem mutmaßlichen Designer mangele es eklatant an Verstand. Allerdings zielt DAWKINS' Argument gar nicht darauf, einem übernatürlichen Designer Dummheit zu unterstellen. Er will die Behauptung, es gäbe diesen Konstrukteur, ad absurdum führen.


Der Rückzug auf das "biblische Zeugnis" zeigt, wie der Autor im Kreis argumentiert. Nicht nur, dass die These, die Intelligenz des Designers sei "unendlich höher" als die des Menschen, das zu Beweisende schon voraussetzt. Sie ist auch ein argumentatives Passepartout, ein Immunisierungs-Joker, mit dem man auch die offensichtlichste Pfuschlösung dem unergründlichen Ratschluss des Schöpfers anheimstellen kann. Doch das "Argument" hat schwerwiegende Nebenwirkungen: Wer dem Menschen in dieser Frage kein Urteil zutraut, spricht ihm auch die Fähigkeit ab zu beurteilen, ob biologische Systeme besser mit Evolution oder "Planung" harmonieren.

Anders gesagt: Wenn das mutmaßliche göttliche Schöpfungshandeln unser menschliches Verständnis absolut übersteigt, warum kann es dann nicht ebenso gut (eigentlich viel besser) in einem gewaltigen Prozess der Evolution bestehen, der all die Eigenschaften hat, die ihm Biologen zuschreiben? Die Advokaten des "intelligenten Designers" müssen sich schon entscheiden, ob Menschen die Qualität (bzw. Intelligenz) des angeblichen Designs beurteilen können oder nicht. Wenn ja, dann ist der Rückzug auf unergründliche, übernatürliche Ratschlüsse sinnlos. Wenn nein, ist ihre gesamte Argumentation sinnlos und sie können sich ebenso gut an die biologischen Lehrbücher halten.

Einen raffinierteren Versuch zu argumentieren, uns fehle für eine angemessene Beurteilung von Designfehlern derzeit das erforderliche entwicklungsbiologische Wissen, unternimmt RAMMERSTORFER (2004). Doch auch hier gilt, dass mit der Frage, ob eine entwicklungsbiologische "Urteilsbasis" existiert, das Planmäßigkeits-Argument steht und fällt: Existiert diese Basis nicht, können wir auch nicht beurteilen, wie speziell und zielorientiert die Teile eines Systems zusammengefügt sind und wie gut sie einer Zweck-Mittel-Beziehung entsprechen (ähnlich argumentiert KOJONEN 2016, S. 159).

Auf der Basis derzeitigen Wissens sind allerdings durchaus Urteile darüber möglich, ob Designfehler vorliegen und ob es bessere ontogenetische Alternativen gibt. Anhand des rückwärtigen Kehlkopfnervs und des Wirbeltierauges haben wir Beispiele erörtert. Künftige Forschungsergebnisse könnten dieses Urteil revidieren; einstweilen aber gilt, dass nicht-zielgerichtete Evolution die derzeit beste und völlig befriedigende Erklärung darstellt.

Einzelnachweise

[1] Sie übersehen, dass Evolutionsbelege logisch unabhängig von jenen Theorien sind, die sich mit den Ursachen und Mechanismen der Evolution beschäftigen. Fehlende Erklärungen stellen weder den Prozess infrage noch sprechen sie für nichtnatürliche Ursachen.
[2] Im Übrigen würde kein vernünftiger Kriminalermittler nicht-spezifizierte Faktoren oder gar Übernatürliches als Mordursachen gelten lassen.
[3] Abgesehen davon ist die dritte Prämisse falsch; wir kommen noch darauf zurück.

[4] Dasselbe gilt für die Abiogenese; die Forschung hat Synthesewege unter präbiotisch plausiblen Randbedingungen vorzuweisen.

[5] Der modulare Bau der Proteine und die abgestufte Ähnlichkeit der Gene passen exakt zum naturalistischen Entstehungs-Szenario, wonach Mechanismen wie Gen-Duplikation mit anschließender Diversifizierung diese Gene erzeugt haben. Wäre deren Entstehung nicht natürlich erfolgt, gäbe es nämlich keinen Grund, warum es überhaupt orthologe und paraloge Gene geben sollte. Denn es gibt unendlich viele, beliebig verschiedene Proteine, die dieselbe Funktion erfüllen. Besonders aufschlussreich sind Gene mit tandemartig wiederholten ("repetierten") Exons: Dort sind die kodierenden Bereiche mehrfach und in ihrer Sequenz leicht abgewandelt hintereinandergeschaltet. Ihre Struktur lässt den Entstehungsprozess (Tandem-Exon-Duplikation mit anschließender Diversifizierung) noch erkennen (SHAO et al. 2006).

[6] Beispiele bei MILLER (1999); NEUKAMM & BEYER (2011); KLÖS (2012); BURDA & BEGALL (2013, S. 288).

[7] Diese Forderung ist schon deshalb unerfüllbar, weil genetisch bedingte Änderungen ontogenetisch sehr groß sein können (LORENZEN 1988; MOSBRUGGER 1989; OSTERAUER et al. 2010). Zudem verbreiten sich evolutive Veränderungen häufig durch Drift. Folglich unterliegen evolutive Zwischenstadien oft gar keiner Selektion oder erweisen sich sogar als schwach nachteilig. Solche Formen verschwinden nicht nur nicht, sondern können Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen sein (SIKORSKI 2009, S. 289). Das Festhalten am Kleinschrittigen und Selektierbaren dient also offenbar dazu, die Erklärungsmacht der Evolutionstheorie herunterzuspielen. Es verdeckt, dass die moderne Theorie längst über das darwinistisch-gradualistische Denken hinausgelangt ist.

[8] Tatsächlich wird die Absurdität dieser kontrafaktischen Zustandsbeschreibung nur durch krasses Verschweigen oder Herunterspielen des enormen Wissensfortschritts in den Erklärungen verdeckt.

[9] WOOD schreibt wörtlich: "That's why I don't care about the origin of life (and why I'll probably never finish reading Meyer's book). I already know where life came from. I open the book of Genesis, and the Bible tells me exactly where life came from. Speculating on how it might have happened in a naturalistic scenario seems like a waste of time to me."

[10] Dieses Beispiel verdeutlicht, warum Intelligent Design (ID) nicht in der Lage ist, ein alternatives Erklärungsparadigma anzubieten. Zwar wird die Rekurrens-Schlinge samt Reminiszenz an den "Fisch"-Bauplan ad hoc als Design-Kompromiss zu deuten versucht (siehe unten). Verliefe aber die Entwicklung der Säugetiere von der molekularen bis zur anatomischen Ebene vollkommen anders als die der Fische, so dass auch der Kehlkopfnerv zielgerichtet zum Kehlkopf führen würde, ließe sich dies erst recht als Hinweis auf das kreative Genie eines superintelligenten Schöpfers deuten, der die Merkmale "frei" kombiniert habe, ohne an die Kontingenz gemeinsamer Abstammung gebunden zu sein! Die akademische Evolutionstheorie hingegen könnte einen solchen Befund nicht erklären, ja sie wäre wohl gar nicht erst entstanden. Wir sehen also, dass Beliebiges unter das "Design"-Paradigma subsumiert werden kann. Aber ein Paradigma, das problemlos alles erklärt, erklärt leider gar nichts.

[11] Zwar könnte man "Design" so unspezifisch halten, dass jedweder Pfusch damit kompatibel wäre. Aber dann bräuchte man sich über diejenigen Design-Indizien, die auf die "Zielorientierung" bzw. Sinn-, und Zweckhaftigkeit biotischer Merkmale abheben, gar nicht mehr zu unterhalten.

[12] Hier könnten die Autoren versucht sein, eine Analogie mit der Technik zu bemühen und zu entgegnen, dass auch ein stotternder, strukturell defizitärer Motor erkennbar ein Beispiel für Planmäßigkeit ("Design") wäre. Dieser Vergleich ginge jedoch am Sachverhalt vorbei, da hier unausgesprochen so viel Hintergrundwissen einflösse, dass wir selbst einen Haufen Metall-Schrott noch als "gemacht" erkennen würden. In der Biologie haben wir dieses Wissen nicht, im Gegenteil: Wir wissen, dass Organismen evolvieren und dass defizitäre Strukturen (maximal optimiert zwar, aber trotzdem zweitklassig) exakt den Erwartungen von Evolutionsprozessen entsprechen, die keinen Plan und kein Ziel kennen.

[13] Da sich die Herzanlage aus zugewanderten Angioplasten und Myocardvorläuferzellen bildet, die wie Amöben über den Vorderdarm kriechen und sich zu den Herzfeldern zusammenschließen, spricht nichts gegen diese Möglichkeit. Wie weit sie nach vorn wandern, wird durch angiogene Faktoren bestimmt.

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Siehe auch

Gastbeitrag von: Martin Neukamm und Hansjörg Hemminger.

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