„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

David Lewis über das Verhältnis von Raumzeit und Materie

„Humean supervenience is named in honor of the great denier of necessary connections. It is the doctrine that all there is to the world is a vast mosaic of local matters of particular fact, just one little thing and then another. [...] We have geometry: a system of external relations of spatio-temporal distance between points. Maybe points of space-time itself, maybe point-sized bits of matter or aether or fields. And at those points we have local qualities: perfectly natural intrinsic qualities which need nothing bigger than a point at which to be instantiated. For short: we have an arrangement of qualities. And that is all. There is no difference without difference in the arrangement of qualities. All else supervenes on that.“

- David Lewis. Philosophical Papers. Volume 2 (1986a). Oxford: Oxford University Press, S. ix-x.

Lewis setzt hier zwei unhintergehbare Annahmen voraus:

(1) Die Welt wird von einem Netz raumzeitlicher, kategorialer Strukturen festgehalten.

(2) Die fundamentalen physikalischen, intrinsischen und kategorialen Eigenschaften treten an den Punkten dieses Netzes auf.

Alles andere superveniert über die Verteilung dieser kategorialen Eigenschaften.

Die bisherige Debatte um Lewis Metaphysik konzentriert sich um die Annahmen (1), (2) und um die Supervenienzbehauptung. Eine spannende, offene Forschungsfrage lautet, wie sich Raumzeit auf der einen Seite (Annahme 1) und Materie auf der anderen Seite (Annahme 2) bei Lewis zueinander verhalten.

Es lassen sich bei solchen Fragen immer drei Positionen unterscheiden:

1. Raumzeit-Materie-Dualismus: Materie und Raumzeit sind ontologisch nicht aufeinander reduzierbar. Diese Position ist als "Substantialismus" bekannt. Der wichtigste historische Vertreter ist Isaac Newton.

2. Raumzeit-Monismus: Die Materie ist auf die Raumzeit ontologisch reduzierbar. Diese Position hat in der Literatur keinen etablierten Namen. Als historische Vertreter können René Descartes und Baruch de Spinoza gelten.

3. Materie-Monismus: Die Raumzeit ist auf die Materie ontologisch reduzierbar. Diese Position ist in der Literatur als "Relationalismus" bekannt. Der wichtigste historische Vertreter ist Gottfried W. Leibniz.

Lewis lässt in dem Zitat oben die Frage nach dem Verhältnis zwischen Raumzeit und Materie offen. Allerdings schreibt er in seinem "On the Plurality of Worlds":

„There are three different conceptions of what the spatiotemporal relations might be. There is the dualist conception: there are the parts of spacetime itself, and there are the pieces of matter or fields or whatnot that occupy some of the parts of spacetime. Then the spatiotemporal relations (strict or analogical) consist of distance relations that hold between parts of spacetime; relations of occupancy that hold between occupants and the parts of spacetime they occupy; and, derivatively from these, further distance relations between the occupants, or between occupants and parts of spacetime.

There are two simpler monistic conceptions. One of them does away with the occupants as separate things: we have the parts of spacetime, and their distance relations are the only spatiotemporal relations. The properties that we usually ascribe to occupants of spacetime - for instance, properties of mass, charge, field strength - belong in fact to parts of spacetime themselves. When a part of spacetime has a suitable distribution of local properties, then it is a particle, or a piece of a field, or a donkey, or what have you.

The other monistic conception does the opposite: it does away with the parts of spacetime in favour of the occupants (now not properly so called), so that the only spatiotemporal relations are the distance relations between some of these. I tend to oppose the third conception, at least as applied to our world, for much the reasons given in Nerlich, The Shape of Space. I tend, more weakly, to oppose the dualist conception as uneconomical. I suppose it may be, however, that there are worlds of all three sorts; if so, that would give more reason than ever to doubt that the same system of spatiotemporal relations serves to unify all the worlds. Throughout this book, I shall presuppose that there are such things as spatiotemporal regions, whether or not there also are distinct things that occupy those regions. But I believe this presupposition plays no important role, and I could have been more neutral at the cost of clumsier writing. I certainly don't mean to suggest that the existence of spacetime and its parts is an essential tenet of modal realism.“

- David Lewis. On the Plurality of Worlds (1986b). Oxford: Oxford University Press, S. 76, Anmerkung 55.

Lewis äußert hier eine Präferenz für einen Raumzeit-Monismus. Das heißt alle physikalischen Eigenschaften wie Masse, Ladung sind Eigenschaften von Punkten oder Gebieten der Raumzeit selbst. Das führt ihn jedoch in ein Kohärenzproblem.

Das Kohärenzproblem besteht darin, dass Lewis die folgenden drei Annahmen vertritt. Die Konjunktion dieser drei Annahmen führt aber in einen Widerspruch:

(a) Alle fundamentalen Eigenschaften der Materie wie Masse, Ladung oder Spin sind intrinsische Eigenschaften.

(b) Alle fundamentalen Eigenschaften der Raumzeit sind relationale Eigenschaften im Sinne von Strukturen.

(c) Die fundamentalen Eigenschaften der Materie sind identisch mit Eigenschaften von Punkten oder Gebieten der Raumzeit.

Der Widerspruch besteht darin, dass die Eigenschaften der Materie bei Lewis intrinsische Eigenschaften sind und daher nicht mit den relationalen Eigenschaften der Raumzeit identisch sein können. Wie lässt er sich beheben?

Eine Reaktion ist, die Eigenschaften der Materie relational statt intrinsisch zu denken. Für diese Reaktion gibt es unabhängige Gründe aus der Quantenphysik:

|Ψ- = 1 / 2 * (|z1 |z2 - |z1 |z2).

Die obige Formel beschreibt ein zusammengesetztes Ganzes aus zwei Teilsystem mit Spin ½ wie etwa zwei Elektronen oder Neutronen. Sie besagt, dass das Ganze in einer Superposition der Zustände "erstes Teilsystem Spin-up und zweites Teilsystem Spin-down" und "erstes System Spin-down und zweites System Spin-up" ist. Diese Formel lässt sich nicht in Produktform bringen.

Das heißt, die Spin-Eigenschaften der Teilsysteme sind gemäß der Quantenphysik definitiv keine intrinsischen Eigenschaften. Die Annahme (a) steht also auch im Widerspruch zur Quantenphysik. Man kann allerdings vertreten, dass die Teilsysteme relationale Eigenschaften haben: Beide Systeme haben die Eigenschaft bestimmte numerische Spinwerte zu erwerben abhängig davon, dass das je andere Teilsystem einen entgegengesetzten definiten Spinwert aufweist.

Wenn man die fundamentalen Eigenschaften bei Lewis also relational statt intrinsisch konzipiert, schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens löst man den Widerspruch der Konzeption intrinsischer Eigenschaften mit Lewis´ Präferenz für einen Raumzeit-Monismus. Zweitens löst man den Widerspruch  dieser Konzeption mit dem Superpositionsprinzip aus der Quantenphysik auf.

David Lewis
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