Ted Sider schreibt über metaphysische Unmöglichkeit:
„Examples might include the existence of a round square, someone's being taller than
himself, someone's being in two places at once, George W. Bush's being a monkey, there existing no numbers, and there existing some water that is not made up of H2O.“
- Ted Sider: Reductive Theories of Modality. In: Michael J. Loux und Dean W. Zimmerman (Hrsg.): The Oxford Handbook of Metaphysics (2003). Oxford: Oxford University Press, S. 180 -
208.
Gehen wir das Ganze Schritt für Schritt durch:
(1) Es ist metaphysisch unmöglich, dass es ein rundes Quadrat gibt.
Nein. Entweder man definiert ein Quadrat als etwas, dass vier Ecken hat. Dann ist es aber eine logische (begriffliche) Unmöglichkeit, dass es runde Quadrate geben kann. Oder man schließt diese Eigenschaft nicht in die Definition von "Quadrat" mit ein. Eine perfekt nachvollziehbare Definition lautet, dass ein Quad-rat vier geradlinige Seiten besitzt, die unter einer 90°-Drehung symmetrisch sind:
Dann ist (1) aber in einigen nicht-euklidischen Geometrien falsch. In der sphär-ischen Geometrie ist (1) z.B. unwahr. Die Seiten der Fläche ABCD in Grafik 2 sind dort geradlinig. Wenn wir also die zweite Definition und die sphärische Geometrie zugrunde legen, kann es runde Quadrate geben. Das ist mehr als bloß eine mathematische Spielerei. Neuere Entwicklungen in der Kosmologie zeigen drei mögliche Geometrien der Raumzeit auf, eine davon ist die sphärische Geometrie. D.h. runde Quadrate sind physikalisch möglich und vielleicht sogar aktual.
(2) Es ist metaphysisch unmöglich, dass etwas größer als es selbst ist.
Nein. Das ist eine logische (begriffliche) Unmöglichkeit. Man definiert "größer als" als eine irreflexive Relation: Wenn a größer ist als b, kann b nicht größer sein als a. Dass (2) wahr ist, folgt analytisch aus der Bedeutung von "größer als".
(3) Es ist metaphysisch unmöglich, dass etwas an zwei Orten gleichzeitig ist.
Nein. Es ist laut der Standard-Quantenmechanik sogar physikalisch möglich, dass Systeme an mehr als einem Ort gleichzeitig sein können. Auf mikrophysikalischer Ebene ist das der Regelfall. Siehe dazu: Heisenbergsche Unschärferelation, Nichtlokalität. (3) drückt nur eine apriorische Intuition aus.
(4) Es ist unmöglich, dass George W. Bush ein Affe ist.
Nein. George W. Bush ist ein Mensch und damit ein Mitglied aus der Familie der Menschenaffen. Es ist insofern sogar empirisch der Fall, dass Busch ein Affe ist. Aber auch wenn man davon absieht, ist (4) ein nicht gut gewähltes Beispiel. Wie man es versteht, hängt stark von sprachphilosophischen Annahmen über (rigide) Designation, Bedeutung und sprachlicher Konvention ab. Auf jeden Fall ist (4) keine gute Wahl für ein unkontroverses Beispiel für metaphysische Unmöglichkeit.
(5) Es ist metaphysisch unmöglich, dass es keine Zahlen gibt.
Nein. Es ist in der Philosophie der Mathematik eine hochumstrittene Frage, ob Zahlen existieren. Der Fiktionalismus verneint dies zum Beispiel. Aussage (5) ist daher auch kein gutes Beispiel für eine klare metaphysische Unmöglichkeit.
(6) Es ist metaphysisch unmöglich, dass es Wasser gibt, dass nicht aus H20 besteht.
Nein. Es ist wiederum empirisch der
Fall, dass das Wasser auf der Erde neben H20 insbesondere auch aus dem Molekül Hydrodeuteriumoxid HD0 besteht. Generell und
philosophisch gesprochen ist Wasser multipel realisierbar aus verschieden zusammengesetzten Atomkonfigurationen (Molekülen). Im Wesentlichen sind das
neben dem herkömmlichen Wassermolekül H20 die Moleküle
Hydrodeuteriumoxid HD0, Deuteriumoxid D2O und Tritiumoxid
T2O.
Die Aussagen (1), (3), (4) und (6) sind wunderbare Beispiele für die Probleme der analytischen Metaphysik. Laut Ladyman und Ross beruht die analytische Metaphysik entweder auf (i) a priori Methoden oder (ii) völlig veralteten wissenschaftlichen Überzeugungen. Die Aussage (1) beruht auf der veralteten wissenschaftlichen Überzeugung einer euklidischen Raumzeitgeometrie und wird durch neuere Entwicklungen in der Kosmologie in Frage gestellt. Die Aussage (3) beruht auf veralteten Überzeugungen und Intuitionen und wird durch das Superpositionsprinzip in der Quantenmechanik in Frage gestellt. Die Aussage (4) ist wie gesagt seltsam und wird durch die darwinsche Evolutionstheorie widerlegt. Und die Aussage (6) wird im Lichte der modernen Chemie falsifiziert.
Die Lehre aus diesen Beispielen muss daher sein: Metaphysik darf zumindest nicht rein apriorisch betrieben werden, sondern muss auch die Entdeckungen der modernen Wissenschaft berücksichtigen. Das heißt sie muss naturalisiert werden.
Sider, Ted (2003). Reductive Theories of Modality. In: Michael J. Loux und Dean W. Zimmerman (Hrsg.): The Oxford Handbook of Metaphysics. Oxford: Oxford University Press, S. 180 - 208.
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