Die Optimistischen Meta-Induktion (kurz: OMI) ist ein Argument für den wissenschaftlichen Realismus. Es wurde von Seungbae Park vor allem in seinem neuerschienenen Buch "Embracing Scientific Realism" entwickelt sowie verteidigt.
Ich stelle in diesem Eintrag das Argument sowie einige Einwände gegen dieses vor. Am Ende zeige ich anhand der materialen Theorie der Induktion, was mMn. bei Argumenten wie der Optimistischen Meta-Induktion grundsätzlich falsch läuft.
Larry Laudan zählt in seinem berühmten Aufsatz "A Confutation of Convergent Realism" einige Theorien auf, die empirisch erfolgreich waren, aber mittlerweile verworfen wurden. Seine Liste ist in der Literatur als "Laudans Liste" bekannt:
§ die Kristallsphären der antiken und mittelalterlichen Astronomie.
§ die humorale Theorie der Medizin ("Säftelehre").
§ Die Fluidumstheorie der statischen Elektrizität.
§ Die Katastrophoismustheorie der Geologie.
§ die Phlogiston-Theorie der
Chemie.
§ die
kalorische Theorie Wärme.
§ die
Vibrationstheorie der Wärme.
§ die
Vitalkräftetheorie der Physiologie.
§ der
elektromagnetische Äther.
§ der
optische Äther.
§ Die Trägheitstheorie des Galileo Galilei.
§ die Theorien der spontanen Generation.
Diese Liste dient als Grundlage für das Argument der Pessimistischen Meta-Induktion (kurz: PMI). Das Argument kann wie folgt rekonstruiert werden:
P1. Die meisten wissenschaftlichen Theorien, die in der (fernen) Vergangenheit empirisch erfolgreich waren, wurden mittlerweile falsifiziert.
K1. Qua Induktionsschluss folgt, dass auch unsere derzeit etablierten und empirisch erfolgreichen wissenschaftlichen Theorien mal falsifiziert werden.
Seungbae Park weißt nun darauf hin, dass man lange in der Zeit zurückgehen muss, um empirisch erfolgreiche, aber verworfene wissenschaftliche Theorien zu finden. Die Theorien in Laudans Liste sind fast alle über 100 Jahre alt. Dahingegen gab es in den letzten 50 - 100 Jahre einen Grundkörper von Theorien, die in ihren ontologischen Grundannahmen sehr stabil geblieben sind.
Park nennt einige Beispiele. Wir können hier von "Parks Liste" sprechen:
§ Allgemeine Relativitätstheorie.
§ Synthetische Evolutionstheorie.
§ Big-Bang-Theorie.
§ Keimtheorie der
Krankheit.
§ Die Zitratzyklus-Theorie.
§ Das Periodensystem.
§ Plattentektoniktheorie.
Einerseits fordert Parks Liste die PMI heraus. Andererseits legt sie nach Park aber auch ein neues und positives Argument für den wissenschaftlichen Realismus nahe. Er nennt es das Argument der Optimistischen Meta-Induktion (OMI):
P1. Die meisten Theorien, die in der (nahen) Vergangenheit empirisch erfolgreich waren, haben sich seither in vielen harten Tests bewährt.
K1. Qua Induktionsschluss folgt, dass sie sich weiterhin bewähren werden.
Wir haben also zwei induktive Argumente:
Ø Die Pessimistische Meta-Induktion (PMI) von Larry Laudan.
Ø Die Optimistische Meta-Induktion (OMI) von Seungbae Park.
Welches Argument ist überzeugender? Ein wichtiger Unterschied laut Park ist:
Ø Die PMI blickt in die ferne Vergangenheit (~ mehr als 100 Jahre).
Ø Die OMI blickt in die nahe Vergangenheit (~ weniger als 100 Jahre).
Seungbae Park behauptet, dass die die gegenwärtige Wissenschaft ganz anders ist als die Wissenschaft in der fernen Vergangenheit. Das 20. Jahrhundert brachte die Entwicklung neuer Technologien für experimentelles Design und Datenanalyse, eine Verbesserung unseres Verständnis von Konzepten wie Wahrscheinlichkeit, Kausalität und Signifikanz, uvm. Die Wissenschaft in der nahen Vergangenheit ist der gegenwärtigen Wissenschaft dahingegen sehr ähnlich. Deshalb ist die OMI laut Park die zuverlässigere induktive Inferenz.
Park leistet also zweierlei:
1. Er entwickelt einen Einwand gegen die Pessimistische Meta-Induktion.
2. Er entwickelt mit der Optimistischen Meta-Induktion ein neues Argument für den wissenschaftlichen Realismus.
Das bisherige Standardargument für den wissenschaftlichen Realismus ist das No-Miracle Argument. Dieses Argument wird oft in die Form eines Schlusses auf die beste Erklärung gebracht. Aber die meisten Antirealisten akzeptieren keine Schlüsse auf die beste Erklärung und daher nicht das No-Miracle Argument.
Das Argument der Optimistischen Meta-Induktion ist hier anders. Es ist kein Schluss auf die beste Erklärung, sondern ein ganz normaler enumerativer Induktionsschluss. Die meisten Antirealisten akzeptieren induktive Schlüsse. Tatsächlich ist die PMI der Grund dafür, dass viele von ihnen Antirealisten sind.
Das ist ein Vorteil der Optimistischen Meta-Induktion gegenüber dem No-Miracle Argument. Denn diese Antirealisten können das OMI nicht allein auf der Grundlage zurückweisen, dass sie die dahinterstehende Schlussform ablehnen.
Seungbae Park präsentiert noch weitere, neue Argumente für den wissenschaftlichen Realismus. Diese zielen sekundär auch darauf ab, das Argument der OMI zu untermauern. Zudem berufen sich diese Argumente wie-derum geschickt auf Argumentationen, die von Antirealisten entwickelt wurden.
Ein aktuelles antirealistisches Argument ist Kyle Stanfords Argument der unberücksichtigten Alternativen. Dieses kann so rekonstruiert werden:
P1. Es gab in der Vergangenheit ebenso gute Alternativen zu akzeptierten Theorien, welche die Wissenschaftler nicht berücksichtigt hatten.
K1. Es gibt auch in der Gegenwart ebenso gute Alternativen zu akzeptierten Theorien, welche die Wissenschaftler bisher nicht berücksichtigen.
Seungbae Park weist hier darauf hin, dass wir häufig nicht unberücksichtigte Alternativen, sondern unberücksichtigte Nachbarn zu akzeptierten Theorien finden. Theorien, die unabhängig voneinander bestätigt werden, können manchmal verbunden werden, um neue Erklärungen oder Vorhersagen zu liefern.
Park selbst nennt dieses Beispiel: Die Evolutionstheorie und die Elektrodynamik können verbunden werden, um die Muster der Hautfarben in menschlichen Populationen zu erklären. Denn UV-Strahlung zerstört Folat, das negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Davor schützt eine dunkle Pigment-ierung. An Orten mit hohem UV-Index gibt es daher hohe Verbreitungen von dunklen Hauttypen. Unzureichende UV-Bestrahlung führt dagegen zu Vitamin-D-Mangel. An Orten mit niedrigem UV-Index gibt es daher mehr helle Hauttypen.
Hier ist ein weiteres Beispiel: Die Evolutionstheorie und die Plattentektonik machen zusammen die Vorhersage, dass es in der Antarktis Beuteltierfossilien geben muss. Beuteltiere stammten vor Hunderten von Millionen von Jahren aus Südamerika. Die Plattentektonik sagt uns, dass Südamerika, die Antarktis und Australien einst miteinander verbunden waren. Beuteltiere wanderten von Südamerika über die Antarktis nach Australien. Wir können also vorhersagen, dass wir Beuteltierfossilien in der Antarktis finden sollten. Diese Vorhersage kann nicht von der Evolutionstheorie oder der Plattentektonik in Isolation getroffen werden. Sie kann nur von beiden zusammengenommen getroffen werden.
Und diese Vorhersage hätte sich nicht bewahrheiten müssen! Die Plattentektonik hätte Beweise gegen die Evolutionstheorie liefern können. Stattdessen lieferte es eine weitere Bestätigung. Es gibt zahlreiche Beispiele dieser Art. Die moderne Wissenschaft ist sehr systematisch und kohärent. Die einzelnen Theorien stehen in zahlreichen Verbindungen zueinander und bestätigen sich vielfach.
Das Argument der unberücksichtigten Nachbarn geht daher so:
P1. Es gab in der Vergangenheit Nachbarn zu akzeptierten Theorien, welche zu Bestätigungen der akzeptierten Theorien führen, aber die Wissenschaftler nicht berücksichtigt hatten.
K1. Es gibt auch in der Gegenwart Nachbarn zu akzeptierten Theorien, welche zu Bestätigung der akzeptierten Theorien führen, aber die Wissenschaftler noch nicht berücksichtigt haben.
Die Evolutionstheorie wird beispielsweise mittlerweile von zahlreichen benachbarten Theorien unterstützt, die zuvor nicht konzipiert wurden. Die Evolutionstheorie wird also in Zukunft von derzeit noch nicht konzipierten Nachbartheorien gestützt. Die Geschichte legt es daher nahe, dass es viele unausgereifte Theorien gibt, die erfolgreich sein werden. Aber das werden keine Alternativen, sondern Nachbarn zu gegenwärtig akzeptierten Theorien sein.
Ich sehe jedoch einige Probleme mit Parks Argumentation:
(Problem 1) Wenn Wissenschaftler Modelle konstruieren, die Theorien verbinden, sind diese Modelle oft ausdrücklich so konzipiert, dass sie die gut bestätigten Behauptungen jeder Theorie als Einschränkung nehmen. Es ist normalerweise nicht so, dass wir auf unabhängig bestätigte Theorien zurückgreifen, und die zugehörigen Modelle fallen einfach weg. Der Antirealist wird daher auch in Zukunft unzählige benachbarte Theorien erwarten, weil wir Modelle akzeptieren, die Verbindungen zwischen Theorien herstellen, und diejenigen widerspiegeln, die dies nicht tun. Analog dazu akzeptieren wir Modelle, die korrekte Vorhersagen treffen, und lehnen diejenigen ab, die dies nicht tun.
(Problem 2) Antirealisten werden sich nicht nur auf unkonzipierte Theorien berufen, sondern auf unkonzipierte Alternativen zu verschiedenen anderen Dingen - Methoden, Beobachtungen, Modelle, theoretische Tugenden, etc.
(Problem 3) Theorien werden oft durch Beweise in Frage gestellt, die zu dem Zeitpunkt, als sie aufgestellt wurden, noch nicht vorstellbar waren. Wir können induzieren, dass das gleiche Schicksal gegenwärtig akzeptierte Theorien erwartet.
Park sagt im Gegensatz dazu, dass die Geschichte zeigt, dass unberücksichtigte Beweise unsere Theorien nur stärker bestätigen. Die Allgemeine Relativitätstheorie wurde 1915 vorgeschlagen. Seitdem wurde sie immer wieder getestet, jedes Mal erfolgreich: Eine sehr kurze (und unvollständige) Liste:
- 1971: Test der Zeitdilatation durch fliegende Jets mit Atomuhren an Bord.
- Das Funktionieren des GPS-Systems bestätigt andauernd die Zeitdilatation.
- Teilchenbeschleuniger bestätigen Vorhersagen über relativistische Masse.
- Abnahme der Umlaufzeit von Pulsaren bestätigt Gravitationsstrahlung.
- 2015: Nachweis von Gravitationswellen.
- 2019: Bild vom Schattens eines Schwarzen Lochs; die Größe war wie vorhergesagt.
- usw. usf.
Die Technologien und Methoden zur Durchführung dieser Tests waren zum Zeitpunkt der Entwicklung der Allgemeinen Relativitätstheorie noch nicht existent. Einmal entwickelt, bestätigten sie aber die Allgemeine Relativitätstheorie. Seungbae Park zufolge sollten wir nun qua Induktion schließen, dass auch in Zukunft neue Technologien und Methoden entwickelt werden, die eine weitere Bestätigung unserer Theorien liefern werden. Dies unterstützt die OMI: Unsere etablierten Theorien werden wir wahrscheinlich auf unbestimmte Zeit beibehalten.
Es gibt aber ein Problem mit Parks Argumentation. Park sagt nur, dass die derzeit akzeptierte Theorien von neuen Quellen bestätigt werden werden. Aber dasselbe gilt für verworfene Theorien! Die Newtonsche Mechanik wurde verworfen, aber wir können erwarten, dass viele ihrer Vorhersagen weiterhin bestätigt werden.
Wir müssen hier zwischen zwei Aussagen unterscheiden:
(1) Einige Vorhersagen von T werden von derzeit unvorstellbaren Quellen bestätigt.
(2) Alle Vorhersagen von T werden von derzeit unkonzipierten Quellen bestätigt (bzw.
keine der Vorhersagen von T wird von derzeit unkonzipierten Quellen widerlegt).
Das dritte Problem besteht darin, dass alle historischen Beispiele von Park nur die Aussage (1), nicht jedoch die Aussage (2) stützen. Die Aussage (1) reicht aber nicht aus, um einen gehaltvollen wissenschaftlichen Realismus zu begründen!
Es gibt daneben noch einige allgemeine Einwände gegen Parks Argument der Optimistischen Meta-Induktion. Einige davon möchte ich hier kurz vorstellen.
Einige unserer derzeit etablierten und empirisch erfolgreichen wissenschaftlichen Theorien sind konzeptuell inkompatibel. Das untergräbt die OMI, denn es kann nicht sein, dass inkompatible Theorien gleichzeitig vollumfänglich wahr sind.
Park kann auf dieses Problem auf verschiedene Weisen antworten:
Antwort 1: Das OI gibt uns hier nur guten Grund für die Annahme, dass die ART und die Quantenmechanik nur teilweise wahr sind. Da, wo die beiden Theorien inkompatibel sind, wird sich höchstens eine von ihnen als wahr herausstellen.
Antwort 2: Solche Fälle sind sehr selten. Die OMI ist aber eine induktive und damit eine nicht-demonstrative Schlussform. Das heißt, die Zuverlässigkeit von induktiven Schlussformen wird nicht durch wenige Gegenbeispiele unterminiert.
Park hat Recht, dass es im letzten Jahrhundert keine großen wissenschaftlichen Revolutionen gab. Aber es gab ganz viele kleine, allmähliche Veränderungen.
Beispiel: Die Evolutionstheorie wurde durch Entwicklungen wie Horizontaler Gentransfer, Nischenkonstruktion, Endosymbiose, Punktualismus, Epigenetik, die Evolutionäre Entwicklungsbiologie allmählich und andauernd verändert.
Allmähliche Veränderungen akkumulieren. Wenn sie sich fortsetzen, werden sie möglicherweise dasselbe bewirken wie eine wissenschaftliche Revolution. Das untergräbt die OMI und unterstützt die PMI in Bezug auf aktuelle Theorien.
Selbst wenn das OMI ein gutes Argument ist, stützt es nur die Konklusion, dass sich unsere derzeit etablierten wissenschaftlichen Theorien auch in Zukunft bewähren werden. Es gibt aber viele Gründe, weshalb das der Fall sein könnte.
Die derzeit etablierten wissenschaftlichen Theorien sind empirisch erfolgreicher als ihre Vorgängertheorien. Daher ist es schwerer, Alternativen zu ihnen zu finden, die empirisch mindestens gleich erfolgreich sind. Wenn die These der Unterbestimmtheit stimmt, dann gibt es solche Alternativen aber. Dann mag es zwar wahr sein, dass sich unsere etablierten Theorien auch in Zukunft bewähren. Aber das liegt dann nicht daran, dass diese wahr sind, sondern dass die Entwicklung von Theorien und Experimenten, die unsere etablierten Theorien in Frage stellen, unsere technologischen und intellektuellen Fähigkeiten übersteigt.
Wissenschaft wird immer systematischer. Bei engeren Verbindungen zwischen Theorien verschiedener Domänen würde das Ersetzen einer Theorie das Ersetzen einer Reihe anderer erfordern. Die institutionelle Struktur der Wissenschaft, ihr soziales und berufliches Umfeld haben sie möglicherweise konservativer gemacht, sodass es schwerer ist, neue Ideen vorzuschlagen. Dies sind nur einige Beispiele. Sie alle zeigen Folgendes auf: Selbst wenn wir die OMI akzeptieren, kann die Stabilität von etablierten Theorien viele weitere Erklärungen haben als Wahrheit.
Park stellt die OMI als eine Alternative zum Standard-"No-Miracle Argument" dar. Während die NMA ein Schluss auf die beste Erklärung ist, ist die OMI eine enumerative Induktion. Das Problem ist, dass die OMI keinen wissenschaftlichen Realismus begründen kann. Denn der wissenschaftliche Antirealist kann auch akzeptieren, dass etablierte wissenschaftliche Theorien beibehalten werden.
Ein konstruktiver Empirist kann beispielsweise annehmen, dass unsere etablierten Theorien empirisch adäquat sind. Er wird daher ganz natürlich davon ausgehen, dass diese Theorien auch alle zukünftigen Tests bestehen werden. Der konstruktive Empirismus kann also ebenfalls die OMI verwenden, um seine Position zu unternehmen. Allerdings ist der konstruktive Empirismus ein Antirealismus. Das OMI ist zusammengefasst also ein Argument für Stabilität, aber es ist kein Argument für den wissenschaftlichen Realismus!
Um für Realismus zu argumentieren, brauchen wir mehr als die OMI. Was brauchen wir noch? Es scheint so, als ob wir anfangen müssen, über Erklärungen zu sprechen. Angenommen, unsere derzeit akzeptierten Theorien werden beibehalten, weiterhin mit anderen erfolgreichen Theorien vereinheitlicht usw.
Was ist die beste Erklärung dafür? Der Realist würde sagen, dass es der wissenschaftliche Realismus ist. Aber das bringt uns zurück zum NMA: Die beste Erklärung für den Erfolg der Wissenschaft ist, dass unserer Theorien wahr sind.
Betrachten wir die folgenden beiden enumerativen Induktionsschlüsse:
P1. Alle n untersuchten Schwäne sind weiß.
K1. Alle Schwäne sind weiß.
P1. Alle n untersuchten Wasserstoff-isotope haben eine Siedetemperatur von etwa 100°C.
K1. Alle Wasserstoffisotope haben eine Siedetemperatur von etwa 100°C.
Der linke Schluss ist nicht zuverlässig. Es gibt zum Beispiel auch schwarze Schwäne. Der rechte Schluss ist hingegen zuverlässig. Dabei haben beide Argumente dieselbe Schlussform - beides sind enumerative Induktionsschlüsse!
John Norton hat aufgrund von ähnlichen Überlegungen geschlossen, dass es nicht die Schlussform ist, die einen Schluss zuverlässig macht. Er spricht von dem Scheitern der formalen Theorie der Induktion. Der Grund, weshalb der rechte Schluss zuverlässig ist, ist der Fakt, dass alle Wasserstoffisotope dieselbe Anzahl an Protonen im Atomkern besitzen. Deshalb haben sie nahezu dieselben chemischen Eigenschaften. Und deshalb kann man von den chemischen Eigenschaften einiger zuverlässig auf die chemischen Eigenschaften aller Wasserstoffisotope schließen. Norton nennt solche Fakten "Hintergrundfakten".
Der rechte Schluss ist also zuverlässig, weil bestimmte Hintergrundfakten es notwendig machen, dass alle Wasserstoffisotope etwa dieselbe Siedetemperatur besitzen. Diese Hintergrundfakten schaffen sozusagen eine notwendige Verbindung zwischen der Eigenschaft >ein Wasserstoffisotop sein< und >eine Siedetemperatur von 100°C besitzen<. Sehen wir uns nun die OMI und PMI an:
P1. Alle n erfolgreiche Theorien in Laudans Liste wurden falsifiziert.
K1. Alle aktuell erfolgreichen Theorien werden einmal falsifiziert.
P1. Alle n erfolgreichen Theorien in Parks Liste haben sich bewährt.
K1. Diese Theorien werden sich auch in Zukunft bewähren.
Das Grundproblem ist Folgendes: Es gibt keine Hintergrundfakten, welche diese Argumente zuverlässig machen könnten. Es ist daher generell unzuverlässig zu schließen, dass zukünftige Theorien bestätigt (oder widerlegt) werden, weil vergangene Theorien bestätigt (oder widerlegt) wurden. Das gilt insbesondere für Theorien wie in Laudans und Parks Liste, die durch konzeptuelle Revolutionen voneinander getrennt sind und in ihrem axiomatischen Aufbau daher logisch unabhängig voneinander sind. Es gibt schlichtweg nichts, dass eine notwendige Verbindung zwischen >Theorien wurden in der Vergangenheit bestätigt (oder widerlegt)> und <Theorien werden in der Zukunft bestätigt (oder widerlegt)< herstellen könnte. Daher sind die PMI und OMI generell unzuverlässige Schlüsse. Das zeigt sich aber erst mit der neuen materialen Theorie der Induktion.
Ludwig Fahrbach über die Pessimistische Meta-Induktion
Moti Mizrahi über die Pessimistische
Meta-Induktion
Norton, John D. (2021). The Material Theory of Induction. Calgary: University of Calgary Press.
Park, Seungbae (2022). Embracing Scientific Realism. Berlin: Springer.
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Werner (Mittwoch, 23 Oktober 2024 14:09)
Ihr Isotopen-Beispiel ist schlecht recherchiert:
Wasserstoff siedet bei −252 °C. vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserstoff
Normales Wasser enthält 99,98 % das leichteste 1H-Isotop und siedet unter Normaldruck bei 100,0 "C
Schweres Wasser mit Deuterium (2H-Isotop) siedet unter dieser Bedingung bei 101,4 °C
https://de.wikipedia.org/wiki/Schweres_Wasser