„Er ahnt: diese Ordnung ist nicht so fest, wie sie sich gibt; kein Ding, kein Ich, keine
Form, kein Grundsatz sind sicher, alles ist in einer unsichtbaren, aber niemals ruhenden Wandlung begriffen, im Unfesten liegt mehr von der Zukunft als im Festen, und die Gegenwart ist nichts als
eine Hypothese, über die man noch nicht hinausgekommen ist. Was sollte er Besseres tun können, als sich von der Welt freizuhalten, in jenem guten Sinn, den ein Forscher Tatsachen gegenüber
bewahrt, die ihn verführen wollen, voreilig an sie zu glauben! Darum zögert er, aus sich etwas zu machen; ein Charakter, Beruf, eine feste Wesensart, das sind für ihn Vorstellungen, in denen sich
schon das Gerippe durchzeichnet, das zuletzt von ihm übrig bleiben soll.“
- Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften
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Philoclopedia (Samstag, 25 Mai 2024 10:27)
„‚Ein Haus machen‘ täuscht eine Schauseite vor, hinter der sich nichts mehr befindet; die sozialen und persönlichen Verhältnisse sind nicht mehr fest genug für Häuser, es bereitet keinem Menschen mehr ein ehrliches Vergnügen, Dauer und Beharrung nach außen darzustellen. Früher einmal hat man das getan und durch die Zahl der Zimmer und Diener und Gäste gezeigt, wer man sei. Heute fühlt fast jeder, dass ein formloses Leben die einzige Form ist, die den vielfältigen Willen und Möglichkeiten entspricht, von denen das Leben erfüllt ist (…)“ (Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, „Agathe ist wirklich da“)
Philoclopedia (Samstag, 25 Mai 2024 13:38)
„Bedarf es aber einer Bemerkung, die das erklärt, und überhaupt solche Gespräche nochmals rechtfertigt und ihren Sinn ausspricht: so ließe sich vielleicht das sagen, was Ulrich begreiflichermassen in diesem Augenblick bloß einen stummen Einfall bleiben ließ, daß es nämlich beiweitem nicht so einfach sei zu lieben, wie die Natur dadurch glauben machen will, dass sie jedem Stümper unter ihren Geschöpfen die Werkzeuge dazu anvertraut hat.“ (Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, „Es ist nicht einfach zu lieben“)