Die Quantenphysik[1] handelt zunächst und hauptsächlich von mikrophysikalischen Systemen.[2] Beispiele für solche Systeme sind Elektronen und Photonen, Protonen und Neutronen einschließlich ihrer Konstituenten (Quarks) genauso wie ganze Atome. Diese Systeme haben zum einen zeitunabhängige Eigenschaften, welche während der gesamten Existenz des Systems unverändert bleiben. Beispiele sind die Masse und die Ladung eines Systems. Ein Elektron zum Beispiel hat immer dieselbe Masse und Ladung. Wenn ein System einen Wechsel von einer negativen elektrischen Ladung von -1e zu einer positiven elektrischen Ladung von +1e vollzöge, dann wäre es kein Elektron mehr, sondern ein Positron. Die elektrische Ladung kann als eine dispositionale Eigenschaft verstanden werden. Wir verstehen ihr Wesen dann als die Kraft oder Disposition, ein elektromagnetisches Feld aufzubauen, sodass gleichgeladene Systeme abgestoßen und entgegengesetzt geladene angezogen werden.[3]
Zum anderen besitzen mikrophysikalische Systeme auch zeitabhängige Eigenschaften wie Ort, Impuls, Energie oder Spin in einer gegebenen Raumrichtung. Ein Elektron zum Beispiel kann seinen Wert des Spins in einer gegebenen Raumrichtung von Spin-up (Spin ↑) zu Spin-down (Spin ↓) wechseln (oder umgekehrt) und ein Elektron bleiben. Ich nehme im Folgenden mit dem Begriff "Eigenschaft" sofern nicht anders angegeben ausschließlich auf zeitabhängige Eigenschaften Bezug. Die berühmte Heisenbergsche Unschärferelation handelt davon, dass bestimmte Eigenschaften in der Quantenphysik in dem Sinne inkompatibel sind, dass es prinzipiell nicht möglich ist, dass ein System sich in einem Zustand befinden kann, in dem es für mehr als eine dieser Eigenschaften einen definiten numerischen Wert innehat. Das berühmteste Beispiel sind der Ort und Impuls:
(1) Δp*Δq ≥ 0,5*ħ / (2*π)
In dieser Formel steht "p" für den Impuls, "q" für den Ort, "Δ" steht für die Abweichung von einem definiten nummerischen Wert (d.h. die "Unschärfe") und "ℏ" steht für Plancks Wirkungsquantum. Diese Formel besagt somit: Es gibt keinen Zustand eines Quantensystems, in dem das Produkt der Unbestimmtheit des Impulses und des Ortes unter einen bestimmten Wert fällt. Anders ausgedrückt: Je mehr sich der Wert des Ortes einem definiten numerischen Wert annähert, desto größer ist die Unbestimmtheit des Wertes des Impulses (und umgekehrt). Im Regelfall ist ein System in einem Zustand, in dem es weder einen definiten numerischen Wert des Ortes noch des Impulses hat. Es befindet sich in einer Überlagerung (Superposition) mehrerer Orts- und Impulswerte.
Ein weiteres Beispiel für inkompatible Eigenschaften neben Ort und Impuls ist der Spin in allen drei orthogonalen Raumrichtungen: der Spin in x-Richtung (Spin x), der Spin in y-Richtung (Spin y) und der Spin in z-Richtung (Spin z).[4] Dieses Beispiel bietet sich besonders für mathematische, experimentelle und philosophische Untersuchungen an. Denn Systeme von Spin ½ - wie etwa Elektronen – können nur die beiden definiten numerischen Werte "Spin up" und "Spin down" in einer gegebenen Raumrichtung besitzen. Das heißt es gibt nur zwei mögliche, diskrete definite numerische Werte anstatt des viel komplizierteren Falles eines kontinuierlichen Spektrums von unendlich vielen Orts- oder Impulswerten. Aus der Heisenbergschen Unschärferelation folgt nun, dass ein System von Spin ½ nur in einem Zustand sein kann, in dem es einen definiten numerischen Wert von höchstens einer dieser Spinkomponenten besitzt. Im Regelfall befindet es sich sogar in einem Zustand, in dem es keinen definiten numerischen Spinwert in irgendeiner Raumrichtung besitzt, sondern sich in einer Superposition der beiden Spinwerte "Spin-up" und "Spin-down" in allen drei Raumrichtungen befindet.
Man kann das radikal Neue an der Quantenphysik so umschreiben: Wenn in der klassischen Physik die Eigenschaft eines Systems verschiedene Werte wie sagen wir "up" und "down" haben kann, dann ist das System immer in einem Zustand, in dem es genau einen dieser Werte hat. In der Quantenphysik gilt hingegen für alle zeitabhängigen Eigenschaften das Superpositionsprinzip: Wenn die Eigenschaft eines Systems die Werte "up" und "down" einnehmen kann, dann kann das System in einem Zustand sein, der eine Superposition (Überlagerung) von Zuständen mit diesen beiden Werten ist und in dem also diese beiden Werte gleichg- oder verschiedengewichtig zusammen eingehen. Anstatt eines definiten Wertes liegt in diesem Fall dann eine Werteverteilung vor.
Das Superpositionsprinzip ist aber nicht auf einzelne Systeme begrenzt. Es gilt auch für zusammengesetzte Systeme.[5] Das einfachste Beispiel ist ein zusammengesetztes System aus wieder zwei Systemen von Spin ½ wie zwei Elektronen oder Neutronen. Ein solches System kann einerseits durch Produktzustände beschrieben werden wie etwa:
In dieser Formel steht "|ϕ⟩" für den Spinzustand des zusammengesetzten Systems, "|↑z⟩1" zeigt an, dass System 1 Spin-up in z-Richtung hat; "|↓z⟩2" zeigt an, dass das System 2 Spin-down in z-Richtung hat und vice versa. Die Formel (2) besagt somit Folgendes: Das System 1 hat Spin-up in z-Richtung und das System 2 hat Spin-down in z-Richtung. Diese Formel zeigt insofern einen Produktzustand an, als dass sie die Teilsysteme in einen Eigenzustand der betrachteten Spin-Observable setzt; der Gesamtzustand wird einfach durch das Tensorprodukt der Eigenvektoren der Teil-systeme beschrieben. Das heißt - und das ist für unsere Zwecke besonders wichtig - dass der Zustand des Gesamtsystems über die Zustände der Teilsysteme superveniert.
Der Zustand eines zusammengesetzten Systems lässt sich aber nur in absoluten Ausnahmefällen durch die Produktzustände der Einzelsysteme beschreiben, die in Abschnitt 4.2.2. näher untersucht werden. Im Regelfall wird ein zusammengesetztes System hingegen durch eine Superposition von Produktzuständen beschrieben. Man spricht hier auch von einer Zustandsverschränkung. Das einfachste Beispiel betrifft wieder Spinzustände und ist in der Fachliteratur als Singulett-Zustand bekannt:[6]
In dieser Formel steht "|Ψ-⟩" für den Spinzustand des Gesamtsystems. Diese Formel beinhaltet u.a. Folgendes: Es befinden sich nicht nur die Teilsysteme 1 und 2 in Superpositionen, das Gesamtsystem befindet sich in einer Superposition der beiden möglichen Zustände des Gesamtsystems mit definiten numerischen Werten – das heißt in einer Überlagerung der möglichen Zustände "erstes System Spin up und zweites System Spin down" und "erstes System Spin down und zweites System Spin up" in z-Richtung. Die Formel (4) kann - anders als (2) und (3) - nicht in Produktform gebracht werden.
Zustandsverschränkungen werden häufig mit einem Holismus assoziiert. Paul Teller etwa argumentiert, dass die Zustandsverschränkung eine Relation zwischen den betroffenen Systemen ist.[7] Diese Relation superveniert nicht über die intrinsischen Eigenschaften der einzelnen Systeme. Insofern ist das Gesamtsystem mehr (hat relationale Eigenschaften) als die Summe seiner Teile in Isolation (die intrinsischen Eigenschaften der Teilsysteme). Diese Konsequenz ergibt sich ziemlich[8] direkt aus dem mathematischen Formalismus der Quantenphysik: Im Falle des Singulett-Zustands etwa hat nur das Gesamtsystem globale Eigenschaften (globale Observablen) mit definiten numerischen Werten und damit einen reinen Zustand. Dieser legt fest, was für die Teilsysteme gilt (insofern dies überhaupt bestimmt ist[9]) und nicht umgekehrt!
Die Reichweite des Quanten-Holismus kann mit dem berühmten Gedankenexperiment von Schrödingers Katze illustriert werden:[10] Stellen Sie sich eine geschlossene Kiste vor. In dieser Kiste befinden sich eine Katze, ein instabiler Atomkern, ein Detektor für die beim Zerfall erzeugte Strahlung und eine tödliche Menge Gift. Der Atomkern wird - sagen wir - innerhalb von einer Stunde mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 zerfallen. Wenn das Atom zerfällt, wird der Geigerzähler dies messen und einen Mechanismus auslösen, der dann das Gift freisetzt, welches wiederum die Katze tötet. Nach der Schrödinger-gleichung sind die Zustände aller Systeme in der Kiste innerhalb kurzer Zeit miteinander verschränkt. Das heißt: Nur das Gesamtsystem aus allen diesen Systemen ist in einem wohldefinierten, reinen Zustand ähnlich dem Singulett Zustand. Und dieser Zustand ist eine Superposition aus dem Zustand mit der Korrelation "Atom zerfallen, Mechanismus ausgelöst und Katze tot" und dem Zustand mit der Korrelation "Atom nicht zerfallen, Mechanismus nicht ausgelöst und Katze lebendig." Die Katze selbst befindet sich nicht in einem reinen Zustand wie "Katze tot" oder "Katze lebendig" oder irgendetwas dazwischen.[11] Dies widerspricht unserer Alltagsontologie und auch der Ontologie der klassischen Physik von Systemen mit definiten numerischen Eigenschaftswerten. An dieser Situation ändert sich auch dann nichts, wenn Sie die Kiste öffnen und mit dem Gesamtsystem im Inneren interagieren. Nach dem Formalismus der Quantenphysik ist zu erwarten, dass Sie dann mit dem Zustand des Gesamtsystems auch verschränkt sind.
Mithin zeigt Schrödingers Gedankenexperiment, dass wenn man vom Formalismus der Quantenphysik ausgeht, man innerhalb kurzer Zeit auch zu Makroobjekten in Superpositionen gelangt. Mit anderen Worten: Wenn die Schrödingerdynamik gilt und ausnahmslos gilt, dann bilden nicht nur alle mikrophysikalischen, sondern alle Systeme schlechthin ein holistisches Ganzes.[12] Dieser universale Holismus steht offenbar dem lange Zeit sehr erfolgreichen atomistischen Weltbild entgegen, nach dem sich alles in der Welt in der Bewegung von kleinsten Teilchen lokalisieren lässt, die unabhängig voneinander existieren und nur dadurch miteinander zusammenhängen, dass sie wechselwirken. Hierin steckt nun das Problem (2) für meinen Reduktionismus. Denn offenbar beruht mein Reduktionismus auf einem weitgehend atomistischen Weltbild. Er beruht auf einem Bild von der Welt, nach dem sich Eigenschaften im Gegenstandsbereich der Einzelwissenschaften "herauspicken" und in den Wirkungen von klar umgrenzten Konfigurationen von fundamentalen physikalischen Eigenschaften lokalisieren lassen (siehe Abschnitt 4.1.1.). Dieses Bild scheint durch die Quantenphysik endgültig falsifiziert. Ich werde auf das Problem (2) in Abschnitt 4.2.2.2.2. dieser Arbeit eingehen und zeigen, dass es sich auch im Rahmen der Standard-Quantenphysik lösen lässt.
Wenn man eine Eigenschaft eines Teils von einem verschränkten Ganzen misst, dann erhält man indes immer einen definiten nummerischen Wert für diese Eigenschaft. Misst man beispielsweise den Spin in z-Richtung eines Systems 1 von einem Ganzen im Singulett-Zustand, dann erhält man immer entweder |↑z⟩1 oder |↓z⟩1 und nicht etwa eine Überlagerung von beidem (|↑z⟩1 |↓z⟩1). Diese Messergebnisse sind maximal korreliert: Wenn man an System 1 den Zustand |↑z⟩1 misst, dann ist System 2 nach der Messung mit Sicherheit im Zustand |↓z⟩2 und umgekehrt. Ebenso liegt, wenn man am System 1 den Zustand |↓z⟩1 misst, nach der Messung das System 2 mit Sicherheit im Zustand |↑z⟩2 vor und umgekehrt. Es sind also überhaupt nur diese zwei entgegengesetzten Messergebnisse möglich: Entweder |↑z⟩1 |↓z⟩2 oder |↓z⟩1 |↑z⟩2. Diese Korrelationen bestehen auch dann, wenn die beiden Messereignisse raumartig zueinander liegen. Das heißt, wenn kein Lichtsignal eine Verbindung zwischen den beiden herstellen könnte.
Das Messproblem besteht nun in Folgendem:[13] Die Entwicklung der Zustände von Quantensystemen wird durch die Schrödinger-Gleichung beschrieben. (a) Wenn man die Schrödinger-Dynamik auf einen Messprozess anwendet, erhält man als Ergebnis eine Beschreibung, nach der die Zustände aller beteiligten Systeme - einschließlich des Messgeräts - in einer Superposition stehen respektive verschränkt sind. (b) Eine Messung an einem dieser Systeme führt scheinbar entgegen der Beschreibung durch die Schrödingergleichung zu einem definiten numerischen Wert dieser Eigenschaft. Beispielsweise zeigt ein Messgerät nach der Messung des Spins eines Elektrons in z-Richtung immer einen definiten numerischen Wert an, das heißt immer entweder |↑z⟩ oder |↓z⟩. Das Messproblem stellt sich dann in der Frage, wie die Punkte (a) und (b) sich zueinander verhalten, das heißt insbesondere ob es realiter Systeme mit definiten numerischen Eigenschaftswerten gibt und wenn ja, wie sie zu ebendiesen gelangen. Wie das Gedankenexperiment um Schrödingers Katze zeigt, betrifft diese Frage auch Systeme im makrophysikalischen Bereich. Zusammengefasst besteht das Messproblem also darin, dass sich sowohl Mikro- als auch Makrosysteme laut des Standard-Formalismus in Superpositionen befinden und dies augenscheinlich unseren Messergebnissen an Mikrosystemen und unserer Beobachtung von Makrosystemen widerspricht.
Es gibt eine instrumentalistische Lösung für das Messproblem, die ausreicht, um mit der Quantenphysik im Labor umgehen zu können. Nach ihr entwickeln sich die Zustände von Quantensystemen gemäß zwei Dynamiken: (i) Erstens gemäß der Schrödinger-Dynamik im Allgemeinfall (s.o.). (ii) Zweitens gemäß einer diskontinuierlichen und zeitlich-irreversiblen Dynamik im Falle einer Messung. Genauer: Bei einer Messung findet eine Reduktion der Superposition auf einen Zustand statt, in dem das gemessene System genau einen definiten numerischen Wert der gemessenen Eigenschaft besitzt. Wenn man beispielsweise den Spin in y-Richtung eines Teiles von einem Ganzen im Singulett-Zustand misst, dann findet eine Zustandsreduktion derart statt, sodass die Teilsysteme durch die Messung die definiten nummerischen Werte |↑y⟩1 |↓y⟩2 oder |↓y⟩1 |↑y⟩2 erlangen.
Die Schrödingerentwicklung ist deterministisch. Das bedeutet, wenn man die Dynamik, welche durch die Schrödinger-Gleichung ausgedrückt wird, für die einzige Dynamik von Quantensystemen hält, dann erhält man auch eine deterministische Theorie. Die Standard-Quantenphysik ist folglich eine deterministische Theorie. Raum für einen Indeterminismus in der Quantenphysik besteht damit nur dann, wenn man die Schrödinger-Dynamik durch eine Dynamik mit Zustandsreduktionen ergänzt oder ersetzt.[14] Das augenfälligste und bekannteste Merkmal der Quantenphysik, der Indeterminismus, ist damit kein grundlegendes Merkmal unseres Naturverständnisses gemäß der Quantenphysik. Das grundlegende Merkmal der Quantenphysik ist das Superpositionsprinzip und alle damit verbundenen Seltsamkeiten der Quantenphysik. Diese Erkenntnis wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit noch als wichtig herausstellen.
Die intrumentalistische Lösung des Messproblems wurde 1932 von Johann von Neumann in seinem Buch "Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik" kanonisiert.[15] Werner Heisenberg übernahm den Grundansatz in seiner Version der Kopenhagener Interpretation, in dem er ebenfalls eine zweite Dynamik der Messung annahm.[16] Naturphilosophisch stellt er jedoch keine befriedigende Lösung dar.[17] Denn die zweite Dynamik wird vollkommen ad hoc postuliert: Weil unsere Messgeräte immer definite nummerische Werte der gemessenen Eigenschaft anzeigen, wird postuliert, dass gerade beim Messprozess eine Zustandsreduktion eintritt. Es wird dabei auch in keiner Weise angegeben, wie der Prozess, der zu einer Zustandsreduktion führt, physikalisch abläuft.
Außerdem ist das Verhältnis zwischen den beiden Dynamiken völlig undurchsichtig. Operational ist natürlich klar, was eine Messung ist und damit auch, wann die Schrödinger-Dynamik außer Kraft gesetzt wird und die Reduktions-Dynamik einsetzen soll. Aber Messprozesse sind keine in der Natur irgendwie hervorgehobenen Prozesse und Messgeräte keine natürlichen Arten, die in der Natur unabhängig von unseren Interessen vorkommen (wie etwa Elektronen, Wasserstoffatome, ...). Messprozesse unterliegen, wie alle anderen Prozesse auch, den gleichen Naturgesetzen. Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen einer Messung und einer beliebigen physikalischen Interaktion. Und Messgeräte bestehen wie alle anderen physikalischen Objekte auch aus Quarks und Leptonen. Es gibt keinen objektiven Unterschied zwischen einem Messgerät und anderen Objekten. Vielmehr können Lebewesen diverse physikalische Objekte als Messgeräte benutzen und konstruieren abhängig von ihren Fähigkeiten und Interessen.
Ferner kann man argumentieren, dass Messgeräte eine Erfindung des Menschen sind, die erst sehr spät in der Evolution des Universums erfolgt.[18] Die Konstruktion und Benutzung von Messgeräten scheint aber die Existenz von makroskopischen Systemen vorauszusetzen, die nicht Zustandsverschränkungen unterworfen sind. Man kann daher argumentieren, dass einerseits im Rahmen der instrumentalistischen Lösung die Existenz von makroskopischen Systemen mit Eigenschaften mit definiten numerischen Werten eine notwendige Bedingung dafür ist, dass Messgeräte entstehen konnten. Andererseits kann aber die Existenz von solchen makroskopischen Objekten im Rahmen der instrumentalistischen Lösung an erster Stelle gar nicht erklärt werden kann. Kurz gefasst, was Johann von Neumann festhält, ist ein völlig unbefriedigender und undurchsichtiger Dualismus zweier Dynamiken, von denen eine zudem völlig ad hoc ist und ihre eigenen Voraussetzungen nicht verständlich machen bzw. garantieren kann.
Um klar zu sein: Es ist auf Grundlage einer Interpretation ohne Zustandsreduktionen und unter Bezugnahme auf Dekohärenz möglich, unsere Erfahrung definiter numerischer Werte als lokale Beobachter zu berücksichtigen. Es ist auf dieser Grundlage möglich, eine konsistente Geschichte des Universums zu erzählen, in der auch Messgeräte und Menschen stets Superpositionen unterworfen sind. Das Problem scheint mir aber Folgendes zu sein: Wenn man sich damit zufrieden gibt, mit Dekohärenz erklären zu können, dass uns die Welt klassisch erscheint, dann hat man keinen Grund Zustandsreduktionen einzuführen. Wenn man hingegen Zustandsreduktionen einführt, dann tut man dies in der Regel, weil man zu einer Makrowelt mit tatsächlich klassischen Eigenschaften gelangen und damit die Quantenphysik mit klassischen Theorien versöhnen möchte. Der Kopenhagener Deutung gelingt dies aber nicht. Sie ist auf absurde Konsequenzen festgelegt, wie dass es keine Makroobjekte mit wohldefinierten Zuständen gab, bevor es erste Messinstrumente oder Beobachter gab (was auch immer das sein soll). Einerseits kann die heisenbergsche Kopenhagener Deutung also nichts erklären, was nicht auch ohne Zustandsreduktion erklärbar ist. Andererseits gelangt man mit ihr nicht zu einer klassischen Makrowelt und damit zu keiner Vereinheitlichung. Es scheint mir daher naturphilosophisch völlig unklar, weshalb man das Projektionspostulat (von Neumanns Idee einer Zustandsreduktion qua Messung) überhaupt einführen sollte.
Die Ghirardi-Rimini-Weber-Interpretation geht auf die italienischen Physiker Gian Carlo Ghirardi, Alberto Rimini und Tullio Weber zurück.[19] In der Literatur hat sich das Akronym "GRW" sowohl als Bezeichnung für die Autoren als auch für die Interpretation eingebürgert. GRW ergänzen, grob gesagt, die Schrödinger-Gleichung um einen stochastischen Term, so dass sie Wahrscheinlichkeiten für Zustandsreduktionen in Form von spontanen Lokalisationen der Quantensysteme angibt.[20] Diese neue Gleichung gibt für kleine Quantensysteme in Isolation (z.B. ein einzelnes Elektron) eine extrem niedrige Wahrscheinlichkeit der spontanen Lokalisation an. Mit der Größe des Systems nimmt die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von Zustandsreduktionen aber rapide zu. Für aus vielen Quantensystemen zusammengesetzte Makrosysteme (z.B. ein Messgerät oder eine Katze) ist die Wahrscheinlichkeit deshalb extrem hoch, dass eines dieser Systeme sich spontan lokalisiert. Falls eines dieser Systeme sich spontan lokalisiert, sind aufgrund der Zustandsverschränkungen alle anderen Systeme ebenfalls lokalisiert. Durch die spontane Lokalisation des Systems nehmen dann auch die anderen zustandsabhängigen Eigenschaften des betreffenden Systems quasi-definite Werte an.[21]
Die GRW-Interpretation enthält damit eine klare Lösung für das Messproblem. Denn wenn ein Quantensystem mit einem Messgerät, einer Katze, etc. verschränkt wird, führt die GRW-Dynamik dazu, dass der Gesamtzustand nahezu sofort reduziert wird. Deshalb messen wir immer nur Eigenschaften an Quantensystemen mit definiten nummerischen Werten und deshalb nehmen wir auch niemals Makroobjekte in Superpositionen wahr. Damit besitzt die GRW-Interpretation einige wichtige Vorteile gegenüber der Kopenhagener Interpretation: Erstens schmuggelt sie keine physikalisch vollkommen unklaren Begriffe wie "Messung", "Messgerät" oder gar "Beobachter" in die fundamentale physikalische Theorie mit ein. Die Lokalisation eines Quantensystems ereignet sich vielmehr spontan, ohne dass es eine Interaktion mit einem externen Objekt wie einem Messgerät oder Beobachter bedarf. Zweitens beinhaltet sie eine einheitliche Dynamik für Zustandsverschränkungen und Zustandsreduktionen, die sowohl den mikrophysikalischen als auch den makrophysikalischen Bereich erfasst und damit auch den Übergang zwischen quantenphysikalischen Eigenschaften zu klassischen Eigenschaften erklärt.
Dies ist dann auch die Grundlage für mein Argument für die Festlegung auf die GRW-Interpretation innerhalb der Debatte um Reduktion und Emergenz. Die am besten ausgearbeitete Alternative zur GRW-Interpretation innerhalb der Standard-Quantenphysik ist die Viele-Welten-Interpretation (VWI). Die VWI erkennt nur die reine Schrödinger-Dynamik mit Zustandsverschränkungen an. Von Superpositionen und Zustandsverschränkungen ist allerdings nur in der Quantenphysik die Rede. Alle anderen wissenschaftlichen Theorien – einschließlich allen anderen physikalischen Theorien wie insbesondere die Relativitätstheorie – sind klassische Theorien. Das heißt sie beschreiben die Systeme in ihrem Gegenstandsbereich so, dass sie immer einen wohldefinierten Zustand haben bzw. sie beschreiben die Eigenschaften in ihrem Gegenstandsbereich so, dass sie immer definite nummerische Werte haben. Wenn man allerdings eine Dynamik ohne Zustandsreduktionen wie die Schrödinger-Dynamik anerkennt, dann ist man darauf festgelegt, dass auch makroskopische Systeme bzw. Eigenschaften Superpositionen unterworfen sind Kurz gesagt: Wenn man sich innerhalb der Quantenphysik auf die VWI festlegt, dann ist man damit automatisch auch darauf festgelegt, dass nur die Quantenphysik die Welt an sich beschreibt; alle anderen wissenschaftlichen Theorien beschreiben die Welt bloß so, wie sie einem lokalen Beobachter erscheint. Mithin sind alle wissenschaftlichen Theorien außer der Quantenphysik grob falsch. Dies ist ein Problem für die Debatte um Reduktion und Emergenz wie sie hier verstanden werden möchte, nämlich als eine Debatte innerhalb der naturalisierten Metaphysik. Denn in dieser wird häufig auf Eigenschaften Bezug genommen, wie sie von unseren reifsten wissenschaftlichen Theorien beschrieben werden und für oder wider die Reduzierbarkeit oder Emergenz dieser Eigenschaften argumentiert. Dies ist aber nur dann ein rationales Unterfangen, wenn diese wissenschaftlichen Theorien auch wahr oder annähernd wahr sind. Ein Argument für eine Festlegung auf GRW und gegen eine Festlegung auf VWI innerhalb der Debatte um Reduktion und Emergenz lautet also: Wenn man in der Debatte um Reduktion und Emergenz einen allgemeinen wissenschaftlichen Realismus voraussetzen möchte, dann kann man sich nicht auf die VWI sondern muss sich auf eine Interpretation mit Zustandsreduktionen wie GRW festlegen. Solche Argumente können als transzendentale Argumente gegen VWI bezeichnet werden, insofern sie sich z.B. um die Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis durch wissenschaftliche Theorien, die nicht die Quantenphysik sind, drehen.
Einige Autoren führen diese Argumente als die Hauptargumente gegen VWI an.[22] Sind es auch gute Argumente? Barry Stroud[23] hat in Auseinandersetzung mit den Werken von Immanuel Kant[24] und Peter Strawson[25] bereits auf den Unterschied zwischen doxatischen und alethischen Notwendigkeiten hingewiesen. Transzendentale Argumente stützen, wenn, dann nur doxatische Notwendigkeiten. Bei transzendentalen Argumenten gegen VWI sind das Notwendigkeiten der Form "Wenn ich Alltagserfahrungen habe, kann ich nicht anders als zu glauben, dass die Alltagsgegenstände definite numerische Eigenschaftswerte haben" oder "Wenn ich von der Sinnhaftigkeit der klassischen Reduktionsdebatte überzeugt bin, kann ich nichts anders als zu glauben, dass Alltagsgegenstände definite numerische Eigenschaftswerte haben". Die transzendentalen Argumente stützen aber nicht alethische Notwendigkeiten.
Das stärkste Argument gegen VWI ist dieses hier: Innerhalb der Quantenphysik können Wahrscheinlichkeiten für Messergebnisse angegeben werden. Beim Singulett-Zustand kann beispielsweise eine 50%-ige Wahrscheinlichkeit für das Messergebnis |↑y⟩1 |↓y⟩2 und eine 50%-ige Wahrscheinlichkeit für das Messergebnis |↓y⟩1|↑y⟩2 angegeben werden. Nach der VWI erlangen Quantensysteme aber niemals solche definiten numerischen Eigenschaftswerte. Was sagen die Wahrscheinlichkeitsangaben dann aus? Die elaborierteste Antwort auf dieses Problem baut auf entscheidungstheoretische Überlegungen auf.[26] Sie setzt die Existenz einer bevorzugten Basis voraus, um Wahrscheinlichkeitsangaben innerhalb der VWI verständlich zu machen. Die Existenz einer bevorzugten Basis kann aber nur durch den Prozess der Dekohärenz festgestellt werden, der selbst probabilistisch ist und wodurch diese Antwort zirkulär wird.[27] Auch andere Versuche, die obige Frage zu beantworten, können nicht überzeugen.[28]
Das Problem (3) besteht darin, dass Dispositionen in der modernen Physik keinen Platz haben sollen. Dagegen lässt sich sagen, dass sich, wie bereits zweimal gezeigt, die zeitunabhängige Eigenschaft der Ladung als Disposition auffassen lässt. Außerdem lassen sich auch (globale) zeitabhängige Eigenschaften von superponierten Systemen im Rahmen einer Kollaps-Interpretation als Dispositionen verstehen.[29] Die Eigenschaft eines verschränkten Ganzen ist demnach z.B. die Kraft oder Disposition, durch Zustandsreduktionen klassische Eigenschaften mit definiten numerischen Werten zu produzieren. Anders gesagt: Indem ein verschränktes Ganzes etwas Qualitatives ist, also eine bestimmte Eigenschaft besitzt, ist es u.a. die Kraft oder Disposition reine Zustände hervorzubringen, in denen bestimmte (lokale) Eigenschaften definite Werte haben. Zum Beispiel besitzt nach diesem Verständnis ein Gesamtsystem im Singulett-Zustand die Disposition oder Kraft reine Zustände von zwei Systemen hervorzubringen, sodass nachher die Teilsysteme entweder die Spinwerte |↑z⟩1 |↓z⟩2 oder |↓z⟩1 |↑z⟩2 besitzen.[30]
Dieses Verständnis lässt sich sowohl auf die Kopenhagener Interpretation als auch auf die GRW-Interpretation übertragen. Übertragen auf die Kopenhagener-Interpretation wie sie oben beschrieben wurde besitzt ein verschränktes System also die Kraft oder Disposition, unter der Bedingung einer Messung klassische Eigenschaften hervorzubringen. Und übertragen auf die GRW-Interpretation besteht eine Zustandsverschränkung in der Kraft oder Disposition, spontan (quasi-)klassische Eigenschaften hervorzubringen.[31]
Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand ist diese Disposition nicht weiter reduzierbar: Sie beruht nicht auf nicht-dispositionalen, kategorialen Eigenschaften. Dasselbe gilt für die zeitunabhängige Eigenschaft der elektrischen Ladung. Die quantenphysikalischen Eigenschaften der Zustandsverschränkung und der elektrischen Ladung sind in diesem Sinne gemäß der modernen Physik ontologisch fundamentale Eigenschaften. Dement-sprechend sind sie primitiv und durch nichts Weiteres erklärbar. Man mag dies intellektuell unbefriedigend finden, aber es ist sicher kein spezifisches Problem meiner Position: Es gibt nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand einfach keine (synchron-reduktive) Erklärung für Superpositionen. Außerdem ist gemeinhin bekannt, dass Erklärungen irgendwo aufhören oder in einem infiniten Regress oder Zirkel enden müssen.
Dass die oben genannten Eigenschaften erstens nach der modernen Physik fundamentale Eigenschaften sind und sich zweitens als Dispositionen verstehen lassen, fügt sich sehr gut in meinen Reduktionismus ein, da dieser auf die Behauptung festgelegt ist, dass die fundamentalen physikalischen Eigenschaften dispositionale Eigenschaften sind. Es reicht aber natürlich nicht aus, dass Eigenschaften von verschränkten Systemen als Dispositionen verstanden werden können. Es bedarf auch guter Gründe für diese Annahme, damit aus meinem Reduktionismus eine attraktive naturphilosophische Position wird.
(1) Ein erster guter Grund ist, dass diese Annahme eine klare Antwort auf die Frage bereithält, was die Eigenschaften von Quantensystemen sind, wenn diese keine zeitabhängigen Eigenschaften mit definiten numerischen Werten haben. Es wäre in diesem Fall nicht überzeugend zu behaupten, dass ein System gar keine zeitabhängigen Eigenschaften besitzt und diese bei einer Zustandsreduktion gleichsam aus dem Nichts entstehen.[32] Genauso wenig überzeugt es aber, dass in diesem Fall einfach der quantenphysikalische Zustandsvektor (die Wellenfunktion) existieren soll.[33] Denn jener ist ein mathematisches Instrument, der die physikalische Realität repräsentieren soll und nicht die physikalische Realität selbst. Eine entscheidende Frage in der Interpretation der Quantenphysik lautet daher, was der quantenphysikalische Zustandsvektor repräsentieren soll. Meine Position enthält eine klare Antwort auf diese Frage: er repräsentiert die Disposition, bestimmte Eigenschaften mit definiten Werten zu erwerben.
(2) Der zweite Grund ist, dass diese Annahme ein klares Kriterium zur Unterscheidung zwischen mathematischen und physikalischen Strukturen etabliert. Die Eigenschaften der Zustandsverschränkung werden von vielen Autoren als relationale Eigenschaften gedeutet. Die Position dieser Autoren ist in der Fachliteratur als ontischer Strukturenrealismus (ORS) bekannt.[34] Der ORS deutet verschränkte Ganze ontologisch so, dass es zwar Teile gibt, diese haben aber nicht je für sich intrinsische Eigenschaften, sondern sind durch Relationen der Zustandsverschränkung miteinander verbunden. Diese Relationen schließen es aus, jedem Teilsystem für sich genommen einen wohldefinierten Zustand zuzuordnen. Stattdessen ist nur das Gesamtsystem, bestehend aus den Teilsystemen, welche durch die Relationen verbunden sind, in einem reinen Zustand.
Eine zentrale Herausforderung dieser Position ist zu klären, was eine physikalische Struktur von einer mathematischen Struktur unterscheidet.[35] Mit anderen Worten: Der ORS darf nicht den gleichen Fehler wie die Wellenfunktions-Realisten begehen und physikalische Strukturen mit den Mitteln ihrer Darstellung vermischen (s.o.). Diese Herausforderung stellt sich vor allem dann, wenn man die Raumzeit als ontologisch nachrangig gegenüber der Materie betrachtet. Diese Annahme kann philosophische Gründe haben, etwa wenn man Leibniz Einwände gegen Newtons Substantialismus überzeugend findet. Oder sie kann physikalische Gründe haben: Verschränkungen sind unabhängig von raumzeitlichen Abständen, was man als Indiz dafür sehen kann, Verschränkungen als ontologisch grundlegender anzusehen. Außerdem besitzen sie keine bestimmte Lokalisation. All dies zeigt, dass es zumindest problematisch ist, physikalische Strukturen in Abgrenzung zu mathematischen Strukturen als raumzeitlich zu begreifen.
Meine Position bietet eine klare Lösung für diese Herausforderung:[36] Eine physikalische Relation der Zustandsverschränkung unterscheidet sich von einer mathematischen Relation dadurch, dass sie die kausale Kraft oder Disposition zur Erzeugung bestimmter Effekte hat. Genauer gesagt besitzt sie die Disposition klassische Eigenschaften mit definiten numerischen Werten zu produzieren. Mit Alldem möchte ich mich nicht einer Interpretation von Zustandsverschränkungen im Sinne des OSR verschreiben. Aber es spricht garantiert für die Attraktivität meiner Position, dass sie ein zentrales Problem einer der populärsten Positionen der Quantenphilosophie lösen kann.
(3) Der dritte Grund ist, dass diese Annahme eine klare Erklärung für den Ursprung der Zeitrichtung bietet. Bertrand Russell hat in seinem bereits erwähnten Paper argumentiert, dass der Kausalitätsbegriff mit bestimmten Annahmen verknüpft ist, die mit der modernen Physik unverträglich sind. Insbesondere impliziere der Kausalitätsbegriff eine bestimmte Asymmetrie (wenn U die Ursache von W ist, dann kann W nicht die Ursache von U sein), während die fundamentalen physikalischen Gesetze zeitsymmetrisch seien.[37] Entgegen Letzteres lässt sich erwidern, dass wenn man eine Dynamik mit Zustandsreduktionen wie die GRW-Dynamik als ein fundamentales Naturgesetz anerkennt, dann handelt es sich um ein Gesetz, das nicht umkehrbar in Bezug auf die Zeitrichtung ist. Denn wenn eine Zustandsreduktion erfolgt, dann ist es zwar möglich, dass ein kollabiertes System wieder Verschränkungen eingeht, es ist aber physikalisch nicht möglich, dass es wieder dieselbe Verschränkung eingeht, in der es vor der Zustandsreduktion war. Dies widerspräche der GRW-Gleichung. David Albert hat herausgearbeitet, dass die GRW-Dynamik als ein fundamentales asymmetrisches Naturgesetz geeignet ist, die Grundlage für alle zeitlich unumkehrbaren Prozesse in der Physik zu bilden.[38] Albert ist aber Humeaner und will nichts von Dispositionen wissen.
Wenn wir jedoch seine Arbeit um unsere Annahme um fundamentale Dispositionen als kausale Kräfte ergänzen, dann erhalten wir eine Erklärung für den Ursprung der Zeitrichtung. Diese ergibt sich daraus, dass das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung unumkehrbar ist: Die Manifestation einer Disposition als eine hervorgebrachte Wirkung folgt zeitlich auf ihre Ursache und dieser Produktionsvorgang lässt sich nicht rückgängig machen. Weil alle Eigenschaften fundamentale kausale Kräfte in diesem Sinne oder auf solche reduzierbar sind, sind auch alle natürlichen Prozesse zeitlich gerichtet.[39][40] Der große Vorteil dieser Erklärung ist Vereinheitlichung: Albert zeigt v.a., dass die Gerichtetheit makroskopischer (insb. thermodynamischer) Prozesse aus der GRW-Gleichung plus bestimmten Anfangsbedingungen (die berühmte Vergangenheitshypothese) abgeleitet werden kann. Die GRW-Gleichung beschreibt aber nur die zeitliche Entwicklung von Systemen und damit nur zeitabhängige Eigenschaften. Die Mikroprozesse aufgrund von zeitunabhängigen Eigenschaften weisen aber auch immer nur in eine zeitliche Richtung. Beispielsweise bewegen sich entgegengesetzt geladene Systeme immer aufeinander zu und nicht voneinander weg. Wenn wir alle fundamentalen Eigenschaften als kausale Kräfte verstehen, dann kann die allgemeine Gerichtetheit von Prozessen erklärt und damit das eigentliche Rätsel hinter dem Zeitpfeil gelöst werden. Außerdem vereinheitlicht es Alberts Versuch den Zeitpfeil auf Grundlage der GRW-Gleichung zu erklären mit der Forschungstradition zum kausalen Zeitpfeil.[41]
(4) Der vierte Grund ist, dass diese Annahme eine Berücksichtigung von objektiven Wahrscheinlichkeiten für Einzelfälle ermöglicht. Es ist allgemein anerkannt, dass die Wahrscheinlichkeiten der Quantenphysik objektiv sind und nicht in Begriffen von (relativen) Häufigkeiten interpretiert werden können.[42] Trotzdem sprechen sich Roman Frigg und Carl Hoefer in einem Paper für eine humesche Sicht auf die GRW-Wahrscheinlichkeiten aus.[43] Ihr Grundgedanke ist, grob gesagt, dass eine wahre Allaussage ein Naturgesetz ist, genau dann wenn es als ein Axiom oder Theorem in einem deduktiven, idealen System enthalten ist, welches das beste Gleichgewicht zwischen empirischen Informationsgehalt, Einfachheit und Passung erreicht. Wenn ein solches System Gesetze enthält, die nur Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Arten von Ereignissen angeben, dann beschreiben diese die Wahrscheinlichkeiten in der Welt.[44]
Dieser Ansatz hat zwei Schwächen, welche bereits indirekt aus der Arbeit von Frigg und Hoefer hervorgehen:[45] Erstens sind die GRW-Wahrscheinlichkeiten objektiv. Das heißt die indeterministischen Prozesse der Lokalisierung sind nach GRW subjektunabhängige Prozesse in der Natur.[46] Die Kriterien der Einfachheit, Stärke und Passung sind dahingegen aber epistemische Kriterien. Ob diese Kriterien sowie die beste Balance zwischen ihnen erfüllt ist oder nicht, scheint mir nicht objektiv durch die Verteilung der fundamentalen physikalischen Eigenschaften festgelegt zu sein. Vielmehr hängt dies von denkenden Subjekten und der Sprache, welche diese zur Repräsentation der Welt verwenden, ab. Was in einer Sprache einfach ist, mag in der anderen beispielsweise hochkompliziert sein. Wenn dieser Kritikpunkt zutrifft, dann ist auch die Unterscheidung zwischen echten Naturgesetzen und bloßen Regularitäten in der Besten-System-Analyse subjektiv.[47] Entsprechendes gilt dann für den humeschen Wahrscheinlichkeitsbegriff.
Zweitens beziehen sich die Wahrscheinlichkeitsangaben in der GRW-Interpretation auf Einzelereignisse. Frigg und Hoefer selbst schreiben dazu zum Beispiel: „As has been pointed out by many […], probabilities in QM refer to single cases. This is true in GRW theory as well, which gives us the probability for the occurrence of some particular event when the next hit occurs. In fact, GRW theory assigns probabilities to events no matter how often they actually occur.“[48] Gehen wir also bspw. davon aus, dass in einer möglichen Welt die GRW-Dynamik gilt und nur ein verschränktes System existiert, wobei es mit einer 50%-igen Wahrscheinlichkeit die Spinwerte |↑z⟩1 |↓z⟩2 und mit einer 50%-igen Wahrscheinlichkeit die Spinwerte |↓z⟩1 |↑z⟩2 produziert. Danach hört die Welt auf zu existieren. Es gibt in dieser Welt kein System aus wahren Aussagen, aus dem sich diese Wahrscheinlichkeiten deduzieren ließen. Dieses zugegeben extreme Beispiel zeigt, dass sich die humesche Theorie nicht auf Einzelfallwahrscheinlichkeiten beziehen lässt.
Alternativ zur Humeschen Theorie kann man die GRW-Wahrscheinlichkeiten auch im Sinne einer anti-humeschen Propensitätstheorie interpretieren.[49] Diese ergänzt das bereits eingeführten Konzept der Disposition um das der Propensität. Nehmen wir an, dass Eigenschaften des Typs F die Disposition oder Kraft sind, Eigenschaften des Typs G und H hervorzubringen. Dann ist gemäß einer weitgetragenen Auffassung von Propensitäten die Disposition der Fs, welche darin besteht, Gs hervorzubringen, eine Tenzdenz innerhalb von jedem F, ein G hervorzubringen. Diese Tendenz besitzt eine gewisse Stärke. Tendenzen mit quantifizierbaren Stärken sind Propensitäten.
Das Konzept einer Propensität lässt sich wunderbar auf GRW-Wahrscheinlichkeiten übertragen.[50] Nehmen wir an, eine Eigenschaft eines verschränkten Systems ist die Disposition oder Kraft, die wohldefinierten Eigenschaften |↑z⟩1 und |↓z⟩2 oder |↓z⟩1 und |↑z⟩2 hervorzubringen. Dann hat diese Eigenschaft gemäß der Standardauffassung von Propensitäten die Tendenz, die wohldefinite Eigenschaften |↑z⟩1 und |↓z⟩2 zu produzieren. Diese Tendenz besitzt eine gewisse Stärke und das verschränkte System somit eine Propensität. Die Propensität ist eine objektive Wahrscheinlichkeit eines Systems, mit der es sich auf einer bestimmten Weise verhält. Das System hätte diese Eigenschaft auch dann noch, wenn es das einzige in der Welt wäre und nach der Zustandsreduktion aufhören würde zu existieren. Damit ist die Propensitätstheorie erstens eine objektive Wahrscheinlichkeitsinterpretation und lässt sich zweitens auch auf Einzelfallwahrschein-lichkeiten anwenden. Sie ermöglicht dadurch eine absolut angemessene Interpretation sowie eine relativ angemessenere Interpretation des Wahrscheinlichkeitsbegriffs in der GRW-Interpretation als die Humesche Theorie von Roman Frigg und Carl Hoefer.
(5) Der fünfte Grund ist, dass diese Annahme nahezu alle klassischen Probleme mit der Analyse von Dispositionen annulliert. Die konditionale Analyse von Dispositionen geht davon aus, dass eine Disposition D erstens eine externe Stimulusbedingung S hat und zweitens nach deren Eintreten einige Zeit bis zu ihrer Manifestation M benötigt.[51] Nahezu alle klassischen Probleme (Antidotes, Finks, Regress) mit der Analyse von Dis-positionszuschreibungen gehen mit diesen beiden Annahmen einher und werden anhand von makroskopischen Dispositionen diskutiert. Nehmen wir bspw. die Disposition "x ist hochgiftig". Diese lässt sich nach der konditionalen Analyse so verstehen: Wenn viel x eingenommen würde, würde x nach kurzer Zeit zum Tode führen (Dx ↔ (Sx ⎕→Mx)).
Ein erstes Problem mit dieser Analyse ist, dass man nach einer hochgiftigen Substanz sofort ein Gegenmittel einnehmen könnte (Antidotes).[52] Ein zweites Problem ist, dass man eine Mutation in sich tragen mag, die dazu führt, dass wann immer man eine hochgiftige Substanz zu sich nimmt, der Körper ein eigenes Gegenmittel ausstößt (Finks).[53] In beiden Fällen manifestiert sich die Disposition trotz Vorliegen der Stimulusbedingung nicht und die konditionale Analyse erweist sich als falsch. Die Fallbeispiele zeigen auch, dass beide Probleme eng verwandt sind. Sie entstehen gar nicht erst, wenn man sich wie ich darauf verpflichtet, dass die fundamentalen physikalischen Eigenschaften Dispositionen und alle makroskopischen Dispositionen auf diese reduzierbar sind. Die Disposition von Zustandsverschränkungen zu Zustandsreduktionen etwa benötigt keine externen Manifestationsbedingungen.[54] Sie manifestiert sich gemäß der GRW-Interpretation vielmehr spontan und dann instantan. Ähnliches gilt wieder für die quantenphysikalische Eigenschaft der Ladung. Die unmittelbare Wirkung der Ladung eines Systems ist nicht das Anziehen oder Abstoßen von anderen Systemen, sondern der Aufbau eines elektromagnetischen Feldes in der unmittelbaren Umgebung, durch das dann andere Systeme an- oder abgestoßen werden. Nichts Externes triggert und nichts kann verhindern, dass eine Ladung ein elektromagnetisches Feld aufbaut oder dass eine Zustandsverschränkung kollabiert.[55]
Damit stellen sich die klassischen Probleme mit Antidotes und Finks für meine Position erst gar nicht. Darüber hinaus löst sie auch ein klassisches Regressproblem bei der Analyse von Dispositionen:[56] Wenn Eigenschaften Dispositionen sind und wenn Dispositionen immer externe Manifestationsbedingungen brauchen, dann scheint es, dass die Manifestationsbedingung b für die Kraft a selbst eine Kraft ist, die eine Manifestationsbedingung c benötigt usw. usf.[57] Dieses Problem stellt sich nicht für eine Position, welche Dispositionen ohne äußere Manifestationsbedingungen denkt. Die fundamentalen Dispositionen sind reale anstatt bloß potentielle Eigenschaften. Verschränkte Systeme haben beispielsweise aktual die Disposition oder Kraft Eigenschaften mit definiten numerischen Werten hervorzubringen; diese Eigenschaft ist nicht bloß eine noch nicht realisierte Möglichkeit. Sie besitzen diese Kraft auch dann, wenn einige von ihnen sie über einen längeren Zeitraum nicht spontan ausüben.[58] Entsprechendes gilt erneut für die Ladung. Damit kann man in meiner Position die drei wichtigsten Probleme der klassischen Analyse von Dispositionen lösen. Denn nach ihr lassen sich alle Beschreibungen von makroskopischen Dispositionen auf Beschreibungen von mikroskopischen Dispositionen zurückführen und auf dieser Ebene stellen sich das Problem mit Antidotes, das Problem mit Finks und das Regressproblem erst gar nicht.
(6) Der sechste und letzte Grund ist, dass diese Annahme ein Problem für die Bündelontologie löst, zumindest was komplexe Objekte betrifft. Lyre schreibt dazu:
„Grundsätzlich muss die Bündelauffassung dann die Tatsache, dass an einem Raumzeitpunkt
(oder in einer sehr kleinen, kompakten Raumzeitregion) zahlreiche Eigenschaften offenbar immer ko-präsent und ko-lokalisiert sind, um ein Objektbündel zu konstituieren, als factum brutum ansehen
[…].“
- Holger Lyre: Quanten-Identität und Ununterscheidbarkeit. In: Cord Friebe, Meinard Kuhlmann, Holger Lyre, Paul M. Näger, Oliver Passon, Manfred Stöckler (Hrsg.): Philosophie der
Quantenphysik. 2. Auflage. Berlin: Springer Spektrum, S. 96.
Dieses Problem stellt sich nicht, wenn man Eigenschaften als dispositional konzipiert. Denn wenn man die starke Kernkraft beispielsweise als Disposition konzipiert, besteht ihr Wesen darin, Quarks in Hadronenteilchen, wie etwa Neutronen und Protonen, zu binden. Es ist daher nicht nur erklärbar, sondern sogar unausweichlich, dass die Eigenschaften, welche Hadronen konstituieren, immer zusammen auftreten. Genauso kann man über die Elektromagnetische Wechselwirkung als eine Disposition erklären, weshalb die Eigenschaften, welche Atome und Moleküle konstituieren, zusammen auftreten. Wenn man die Eigenschaften hingegen als kategorial konzipiert, ist eine solche Erklärung nicht möglich. Denn dann ist das, was diese Eigenschaften sind, unabhängig von den kausalen und nomologischen Relationen, in welchen diese stehen. Es ist dann beispielsweise nicht erklärbar, weshalb sie immer dann, wenn sie auftreten, Hadronen- oder Moleküleigenschaften zusammenbinden und nicht etwa plötzlich ganz andere kausale oder nomologische Rollen einnehmen sollten. Man kann hier davon sprechen, dass der Kategorialismus vor einer materiellen Form des Induktionsproblemes steht.[59]
[1] Ich beziehe mich der Einfachheit halber im Folgenden nur auf die nicht-relativistische Quantenmechanik und nicht auf die kompliziertere Quantenfeldtheorie. Ferner fokussiere ich mich zuvorderst auf die Standard-Quantenmechanik und nicht auf Alternativen mit verborgenen Parametern wie die Bohmsche Mechanik.
[2] Ich rede hier bewusst ontologisch neutral von "Systemen" und nicht von
"Teilchen", da mikrophysikalische Systeme nach der Standard-Quantenmechanik sich auch wie Wellen verhalten können. Der Ausdruck "System" wird hier in einem sehr weiten Sinne gebraucht, gemäß dem
alles im Gegenstandsbereich der Quantenphysik, von dem Eigenschaften prädiziert werden können, ein System ist.
[3] Die zeitunabhängige Eigenschaft der Masse im Sinne von
Ruhemasse kann jedoch nicht ganz so einfach als eine Disposition aufgefasst werden. Siehe insbesondere die physikalischen Probleme, welche Bird (2007), Kapitel 10.3.4. bzw. Bird (2005), iv. und Lehmkuhl (2008) diskutieren.
[4] Wenn im Folgenden vom Spin ohne weitere Erläuterung die Rede ist,
dann ist damit immer der Spin im Sinne einer Spinkomponente (in einer bestimmten Raumrichtung) gemeint.
[5] Vergleich für das Folgende auch Lyre (2018b),
Abschnitt 3.1.2.
[6] Das Beispiel geht auf David Bohm (1951), S. 611 - 622 zurück. Konzeptuell ähnliche Beispiele können auch mit den inkompatiblen Eigenschaften Ort und Impuls aufgebaut werden (siehe etwa
Einstein, Podolsky und Rosen (1935)).
[7] Teller (1986); Teller (1989), S. 213 - 216. Siehe auch Cleland (1984) für eine hilfreiche Unterscheidung in stark- und schwach nicht-superveniente Relationen. French (1989), S. 17f.
zeigt auf, dass Zustandsverschränkungen stark nicht-supervenient sind.
[8] Diese metaphysische Konsequenz ergibt sich aber – wie jede metaphysische Schlussfolgerung – nicht direkt (zwingend) aus dem mathematischen Formalismus der wissenschaftlichen Theorie.
Liu (1996), insb. S. 277 geht zum Beispiel so weit die Korrelationen zwischen den Messergebnissen an den Teilsystemen in die Supervenienz-Basis mit aufzunehmen. Auf dieser Grundlage argumentiert
sie gegen Holismus in der Quantenphysik im Sinne von fehlender Supervenienz.
[9] nämlich, dass nur bestimmte Korrelationen zwischen den Messergebnissen an den Teilsystemen möglich sind. Siehe dazu viel ausführlicher Abschnitt 4.2.2. in dieser Arbeit.
[10] Schrödinger (1935b).
[11] ebd., S. 812.
[12] Eine solche Position lässt sich etwa durch die Annahme
plausibilisieren, dass im Urknall alle mikrophysikalischen Systeme miteinander wechselgewirkt haben und alle Systeme allein aus solchen mikrophysikalischen Systemen zusammengesetzt sind.
[13] Siehe Esfeld (2018), der das Trilemma von Maudlin (1995) auf
ein Dilemma eingrenzt. Siehe für eine sehr gelungene Einführung überdies Norsen (2017).
[19] Ghirardi, Rimini und Weber (1986) und Ghirardi (2005).
[20] dieser Abschnitt ist eine kurze Zusammenfassung der sehr gelungenen Darstellungen der GRW-Interpretation von Michael Esfeld in: Esfeld (2002), Kapitel 9.3.; Esfeld (2008a), Kapitel
3.3.; Esfeld (2010), Abschnitt 3; Esfeld (2011a), Kapitel 5.6. und Esfeld und Sachse (2010), Kapitel 2.4.
[21] siehe Ghirardi (2005), S. 417 – 418. Der Zustand ist genaugenommen nur annäherungsweise ein reiner Zustand mit genau einem definiten numerischen Wert der betreffenden Eigenschaften.
Mit anderen Worden: Die numerischen Resultate, die Resultate der Zustandsreduktionen sind, weisen immer noch eine gewisse Vagheit auf (siehe Albert und Loewer (1996) sowie Wallace (2008), S. 58 –
61). Ich spreche hier daher von "quasi-definiten Werten". Diese Tatsache stellt für das Folgende aber keine philosophischen Probleme dar.
[22] Esfeld (2008a), Kapitel 3.3.
[23] Stroud (1986).
[24] Kant (1781).
[25] Strawson (1959, 1966).
[26] siehe Deutsch (1999) und Wallace (2003).
[27] Baker (2007).
[28] siehe etwa Albert (2015), Kapitel 8 und Maudlin (2014).
[29] Indeterminismus in Bezug auf den von Neumannschen Ansatz kann z.B. bedeuten, dass es zwei mögliche
Welten w1 und w2 geben kann, die bis zu einem Zeitpunkt t übereinstimmen und danach divergieren: In w1 ist |↑y⟩1 |↓y⟩2 das Ergebnis einer Messung an einem zusammengesetzten System von Spin ½ in y-Richtung; in
w2 ist |↓y⟩1 |↑y⟩2 das Ergebnis der entsprechenden Messung.
[30] Neumann (1932), Kapitel 6.
[31] Heisenberg (1959), S. 27 – 42. Gemäß Heisenberg (1936), S. 116 findet die Zustandsreduktion noch irgendwo zwischen dem gemessenen System und dem Messinstrument (und nicht etwa
beim Messinstrument selbst) statt.
[32] Vergleich für die folgende Kritik Esfeld (2008a), S. 95ff.
[33] Esfeld (2010), S. 1599 und Esfeld und Sachse (2010), S. 78.
[34] Ich beziehe mich hier nicht auf die radikale, sondern nur auf die moderate
Variante dieser Position, nach der es zwar Teilsysteme gibt, diese aber nichts weiter sind als dasjenige, was in den Relationen der Zustandsverschränkung steht.
[35] Cao (2003); Dumsday (2019), S. 34ff.; Lyre (2009b), Abschnitt 3. Ladyman und Ross (2007), S.
159 – 161 und French (2014), S. 230 verweigern sich dieser Herausforderung, indem sie behaupten, dass es nicht möglich ist, abstrakte mathematische von konkreten physikalischen Strukturen
zu unterscheiden. Siehe Briceño und Mumford (2016) für eine Kritik an dieser Verweigerung.
[36] Suárez (2004a, b).
[37] Russell (1912), S. 15.
[38] Albert (2000), Kapitel 7. Siehe auch Loewer (2012).
[39] Esfeld (2009, 2010, 2012).
[40] Eine interessante Konsequenz aus der Strategie, die Richtung der Zeit durch die Richtung der kausalen Kraft zu erklären ist, dass sie die in der Philosophie der Quantenphysik
diskutierte Option von zeitlich rückwärts gerichteter Kausalität ausschließt. (Esfeld (2008a), S. 171).
[41] siehe zum kausalen Zeitpfeil Carrier (2009), Kapitel 1.
[42] Friebe (2018), Abschnitt 2.2.1.
[43] Frigg und Hoefer (2007).
[44] ebd., Abschnitt 4. Siehe allgemein insbesondere Lewis (1980b, 1986, 1994b) sowie die Weiterentwicklungen von Loewer (2001,
2004) und Hoefer (2006) selbst.
[45] Dorato und Esfeld (2010), Abschnitt 4.
[46] siehe z.B.: Ghirardi (2005), S. 406: „I would like to stress that they [the spontaneous processes of localization in space]
are to be understood as fundamental natural processes that owe nothing to interactions with other physical systems or to deliberate actions on the part of conscious
observers.“
[47] David Lewis hat diesen Kritikpunkt vorausgesehen und daher angenommen, dass, wie er es ausdrückt, die Natur uns gegenüber
wohlwollend ist (Lewis (1994b), Abschnitt 3): Damit meint er, dass es nur ein
System gibt, dass in dem Sinne robust ist, dass es sich unter allen akzeptablen Kriterien der Einfachheit und des Informationsgehalts als das beste auszeichnet. Diese Annahme ist jedoch
völlig ad hoc und konnte meines Wissens bisher von keinem Humeaner plausibel gemacht werden.
[48] Frigg und Hoefer (2007), S. 377.
[49] Wichtige Autoren sind Popper (1959), Mellor (1971), Giere (1973), Fetzer (1981), Humphreys (1989), Miller (1996) und Gillies
(2000). Rosenthal (2003) gibt eine allgemeine und zeitgenössische Einschätzung.
[50] Lorenzetti (2021).
[51] Choi und Fara (2021), Abschnitt 1.2.
[52] Bird (1998);
[53] Martin (1994), Lewis (1997).
[54] Bird (2007), S. 60 deutet ähnliche Gedanken an.
[55] Esfeld (2011c), Abschnitt 1.
[56] Dorato und Esfeld (2010).
[57] Armstrong (1999), Abschnitt 4.
[58] Vergleiche meine Definition von dispositionalen Eigenschaften auf S. 18.
[59] Das gilt zumindest dann, wenn der Kategorialismus auch sonst keine modalen Fakten in die Ontologie mit aufnimmt. Siehe dazu ausführlicher Heinle (2022).
Albert, David Z. und Loewer, Barry (1996). Tails of Schrödinger´s Cat. In: Rob K. Clifton (Hrsg.): Perspectives on Quantum Reality. Dordrecht: Kluwer, S. 81 – 91.
Albert, David Z. (2015). After Physics. Cambridge (Massachusetts): Harvard University
Press.
Albert, David Z. (2000). Time and
Chance. Cambridge (Massachusetts): Harvard University
Press.
Armstrong, David M. (1999). The Causal Theory of Properties: Properties according to Shoemaker, Ellis, and Others. Philosophical
Topics 26(1/2), S. 25 - 37.
Baker, David J. (2007). Measurement Outcomes and Probability in Everettian Quantum Mechanics. Studies in History
and Philosophy of Science Part B: Studies in History and Philosophy of Modern Physics 38(1), S. 153 - 169.
Bird, Alexander (1998). Dispositions and Antidotes. The Philosophical Quarterly 48(191), S. 227 - 234.
Bird, Alexander (2005). The Dispositionalist Conception of Laws. Foundations of Science 10(4), S. 353 – 370.
Bird, Alexander (2007). Nature’s Metaphysics: Laws and Properties. Oxford: Oxford University Press.
Bohm, David (1951). Quantum theory. Englewood Cliffs: Prentice-Hall.
Cao, Tian Yu (2003). Can We Dissolve Physical Entities into Mathematical
Structures? Synthese 136(1), S. 57 - 71.
Carrier, Martin (2009). Raum-Zeit. Berlin: De Gruyter.
Choi, Sungho und Fara, Michael (2021). Dispositions. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy.
URL = < https://plato.stanford.edu/entries/dispositions/>. Zuletzt abgerufen am 26.03.2021 um 13:03 Uhr.
Cleland, Carol E. (1984). Space: An Abstract System of Non-Supervenient Relations. Philosophical Studies 46(1), S. 19 – 40.
Dorato, Mauro und Esfeld, Michael (2010). GRW as an Ontology of
Dispositions. Studies in History and Philosophy of Science Part B: Studies in History and Philosophy of Modern Physics 41(1), S. 41 - 49.
Dumsday, Travis (2019). Dispositionalism and the
Metaphysics of Science. Cambridge (Massachusetts): Harvard University Press.
Einstein, Albert; Podolsky, Boris und Rosen, Nathan (1935).
Can quantum-mechanical description of physical reality be considered complete? Physical Review 47, S. 777 – 780. Deutsch in: K. Baumann und R. U. Sexl (Hrsg.): Die Deutungen der
Quantentheorie. Braunschweig: Vieweg, S. 80 – 86.
Esfeld, Michael (2008). Naturphilosophie als Metaphysik der Natur.
Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Verlag.
Esfeld, Michael (2009). The Modal Nature of Structures in Ontic Structural
Realism. International Studies in the Philosophy of Science 23(2), S. 179 – 194.
Esfeld, Michael und Sachse, Christian (2010). Kausale Strukturen – Einheit und Vielfalt in der Natur und den Naturwissenschaften. Berlin:
Suhrkamp Taschenbuch Verlag.
Esfeld, Michael (2010). Physics and Causation. Foundations
of Physics 40(9-10), S. 1597 - 1610.
Esfeld, Michael (2011c). Wozu Dispositionen? Einleitung zum Kolloquium "Die Renaissance von Dispositionen in der gegenwärtigen Naturphilosophie".
In: Carl Friedrich Gethmann (Hrsg.): Lebenswelt und Wissenschaft. Deutsches Jahrbuch Philosophie 2. Hamburg: Meiner, S. 433 – 439.
Esfeld, Michael (2012). Causal Realism. In: Dennis Dieks,
Wenceslao J. Gonzalez, Stephan Hartmann, Michael Stöltzner und Marcel Weber (Hrsg.): Probabilities, laws, and structures. The philosophy of science in a European perspective. Volume 3.
Dordrecht: Springer, S. 157 - 168.
Esfeld, Michael (2018). Collapse or no collapse? What is the best ontology of quantum mechanics in the primitive ontology framework? In: Shan Gao
(Hrsg.): Collapse of the wave function. Cambridge (Massachusetts): Cambridge University Press, S. 167 - 184.
Fetzer, James H. (1981). Scientific Knowledge: Causation, Explanation, and Corroboration. Dordrecht: Reidel.
French, Steven (1989). Individuality, Supervenience and Bell´s Theorem. Philosophical Studies 55(1), S. 1 – 22.
Friebe, Cord (2018). Messproblem, Minimal- und Kollapsinterpretationen. In:
Cord Friebe, Meinard Kuhlmann, Holger Lyre, Paul M. Näger, Oliver Passon, Manfred Stöckler (Hrsg.): Philosophie der Quantenphysik. 2. Auflage. Berlin: Springer Spektrum, S. 43 – 78.
Frigg, Roman und Hoefer, Carl (2007). Probability in GRW
theory. Studies in History and Philosophy of Modern Physics 38(2), S. 371 – 389.
Ghirardi, Gian Carlo; Rimini, Alberto und Weber, Tullio (1986). Unified dynamics for microscopic and macroscopic systems. Physical Review D: Particles and fields 34(2), S. 470 – 491.
Ghirardi, Gian Carlo (2005). Sneaking a look at God´s cards. Unraveling the mysteries of quantum mechanics. Translated by Gerald Malsbary. Princeton:
Princeton University Press.
Giere, Ronald N. (1973). Objective Single-Case Probabilities and the Foundations of Statistics. Studies in Logic
and the Foundations of Mathematics 74, S. 467 – 483.
Gillies, Donald (2000). Philosophical theories of probability. London: Routledge.
Heinle, Johannes (2022). Das Super-Wunderargument. https://www.researchgate.net/publication/362965970_Das_Super-Wunderargument_fruhe_Version. Abgerufen
am 26.08.2022.
Heisenberg, Werner (1936). Prinzipielle Fragen der modernen Physik. In: Helmut Rechenberg, Hans-Peter Dürr und
Walter Blum (Hrsg.): Physik und Philosophie. Stuttgart: Hirzel.
Humphreys, Paul (1985). Why Propensities Cannot be Probabilities. The Philosophical Review 94(4), S. 557 -
570.
Kant, Immanuel (1781). Die Kritik der reinen Vernunft. Köln: Anaconda Verlag.
Ladyman, James und Ross, Don (2007). Every thing must go: Metaphysics naturalized. Oxford: Oxford University
Press.
Lehmkuhl, Dennis (2008). Mass-energy-momentum in general relativity. Only there because of spacetime? The British Journal for the Philosophy of Science 62(3), S. 453 - 488.
Lewis, David (1980b). A subjectivist’s guide to objective chance. In:
Richard C. Jeffrey (Hrsg.): Studies in Inductive Logic and Probability, Volume II. Berkeley: University of California Press, S. 263 – 293. Wieder abgedruckt in: David Lewis (1986).
Philosophical papers, Vol. 2. Oxford: Oxford University Press, S. 83 – 133.
Lewis, David (1986). Philosophical papers, Vol. 2. Oxford: Oxford University Press.
Lewis, David (1994b). Humean Supervenience Debugged.
Mind 103(412), S. 473 – 490.
Lewis, David (1997). Finkish Dispositions. The Philosophical Quarterly 47(187), S. 143 - 158.
Liu, Chuang (1996). Holism vs. Particularism: A Lesson from Classical and Quantum Physics. Journal for General Philosophy of Science /
Zeitschrift Für Allgemeine Wissenschaftstheorie 27(2), S. 267 - 279.
Loewer, Barry (2001). Determinism and Chance. Studies in History and Philosophy of Science Part B: Studies in History and Philosophy of Modern
Physics 32(4), S. 609 – 620.
Loewer, Barry (2004). David Lewis’s Humean Theory of Objective Chance. Philosophy of Science 71(5), S. 1115 - 1125.
Loewer, Barry (2012). Two accounts of laws and time. Philosophical
Studies: An International Journal for Philosophy in the Analytic Tradition 160(1), S. 115 - 137.
Lorenzetti, Lorenzo (2021). A Refined Propensity Account for
GRW Theory. Foundations of Physics 51(2), S. 1 – 20.
Lyre, Holger (2009b). Humean Perspectives on Structural Realism. In: Friedrich Stadler (Hrsg.): The Present Situation in the
Philosophy of Science. Dordrecht: Springer, S. 381 – 397.
Lyre, Holger (2018b). Quanten-Identität und Ununterscheidbarkeit. In: Cord Friebe, Meinard Kuhlmann, Holger Lyre, Paul M. Näger, Oliver Passon, Manfred Stöckler (Hrsg.): Philosophie der
Quantenphysik. 2. Auflage. Berlin: Springer Spektrum, S. 79 – 112.
Martin, Charles B. (1994). Dispositions and Conditionals. The Philosophical Quarterly 44(174), S. 1 - 8.
Maudlin, Tim (1995). Three measurement problems. Topoi 14(1), S. 7 – 15.
Maudlin, Tim (2014). Critical Study ‘David Wallace’, The Emergent Multiverse: Quantum Theory According to the Everett Interpretation. Noûs 48(4), S.
794 - 808.
Mellor, D. Hugh (1971). The Matter of Chance. Cambridge: Cambridge University Press.
Miller, David (1996). Propensities and Indeterminism. In: Anthony O'Hear (Hrsg.): Karl Popper: Philosophy and Problems.
Cambridge: Cambridge University Press, S. 121 – 147.
Neumann, Johann von (1932). Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik. Berlin: Springer.
Norsen, Travis (2017). The Measurement Problem. In: Travis Norsen (Hrsg.): Foundations of Quantum Mechanics. Dordrecht:
Springer, S. 59 - 85.
Popper, Karl R. (1959). The propensity interpretation of probability. British Journal for the Philosophy of Science 10(37), S. 25 –
43.
Rosenthal, David M. (1994): Identity Theories. In: Samuel Guttenplan (Hrsg.): A Companion to the Philosophy of Mind. Oxford:
Blackwell.
Russell, Bertrand (1912). On the notion of cause.
Proceedings of the Aristotelian Society 13, S. 1 – 26.
Schrödinger, Erwin (1935b). Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik. Naturwissenschaften 23, S. 897 – 812, 823 – 828, 844 –
849.
Strawson, Peter Frederick (1959). Individuals: An Essay in Descriptive Metaphysics. London: Routledge.
Strawson, Peter Frederick (1966). Bounds of Sense. London: Routledge.
Stroud, Barry (1968). Transcendental Arguments. Journal of Philosophy 65(9), S. 241 - 256.
Suárez, Mauricio (2004a). On Quantum Propensities: Two
Arguments Revisited. Erkenntnis 61(1), S. 1 - 16.
Suárez, Mauricio (2004b). Quantum Selections, Propensities and the Problem of Measurement. The British Journal for the Philosophy of Science 55(2), S. 219 - 255.
Teller, Paul (1986). Relational Holism and Quantum Mechanics. The British Journal for the Philosophy of Science 37(1), S. 71 – 81.
Teller, Paul (1989). Relativity, Relational Holism, and the Bell Inequalities. James T. Cushing und Ernan McMullin (Hrsg.): Philosophical Consequences of Quantum Theory. Reflections on Bell´s
Theorem. Notre Dame: University of Notre Dame Press, S. 208 - 223.
Wallace, David (2008). Philosophy of quantum mechanics. In: Dean Rickles (Hrsg.): The Ashgate companion to contemporary philosophy of physics. Aldershot: Ashgate, S. 16 – 98.
Kommentar schreiben