Intelligenz

Intelligenz ist eine nicht allgemein definierte Kapazität und zentraler Forschungsgegenstand der Intelligenzforschung. Eine Kapazität ist eine wiederrum nicht näher bestimmte geistige Fähigkeit. Für gewöhnlich versteht man unter Intelligenz eine Art Sammelbezeichnung für die Summe aller kognitiven Fähigkeiten eines Menschen. Wobei Kognition hier für einen bestimmten neuronal informationsverarbeitenden Prozess steht. Es sind strenggenommen jedoch alle Prozesse im Gehirn irgendwie informationsverarbeitend. Wie der Leser aber weiß, fallen beileibe nicht alle Gehirnaktivitäten unter dem, was man gemeinhin unter Intelligenz versteht. Es stellt sich also die Frage nach einer engeren Festlegung des Intelligenzbegriffes. Eine solche universelle Definition gibt es allerdings, wie eingangs schon einmal erwähnt, gegenwärtig nicht.

Zumindest eine große Schnittmenge zwischen den Intelligenzbegriffen besteht aber in diesem Kriterium: Intelligenz bezeichnet die Fähigkeit, sich in unbekannte Problemstellungen durch geistige Tätigkeit zurechtzufinden und sie so zu bewältigen. Demnach besteht Intelligenz nicht aus gelernter Erfahrung, sondern aus lernendem Erfassen. Dieses Verständnis von Intelligenz schließt all jene geistigen Fähigkeiten aus, die Raymond Cattel der kristallinen Intelligenz zugeordnet hat.

2. Intelligenz oder Intelligenzen?

Möchte man einmal aufzählen, welche Attribute man mit einem intelligenten Menschen assoziiert, stößt man vielleicht auf die folgenden Begriffe: logisch-abstraktes Denken, linguistische Begabung, Gedächtnisfähigkeit, Kreativität, soziale Kompetenz, kinästhetische Befähigung, vielleicht Fach- oder Allgemeinwissen usw.

Angesichts dieser vielfältigen „Intelligenz-Attribute“ stellt sich die Frage nach der Einheitlichkeit der Intelligenz. Ist Intelligenz ein reales und einheitliches Konstrukt, wohlmöglich mit eindeutigen biologisch-neuronalen Korrelaten, oder ist Intelligenz nur ein sprachlicher Sammelbegriff für voneinander weitgehend unabhängigen Gehirnfertigkeiten? Auch nach gut hundert Jahren psychologischer Forschung ist diese Frage nach der Homo- oder Heterogenität der Intelligenz nicht beantwortet. Dabei ist dies ein Knackpunkt, der egal zu Gunsten welcher Position er kippen wird, weitreichende Folgen für unsere Vorstellung von Intelligenz darstellt.

Gehen wir einmal davon aus, dass Intelligenz eine allgemeine Befähigung ist und es weiter so etwas wie einen speziellen Bereich für intelligente Leistungen im Gehirn gibt. Dieser Bereich müsste dann gezielt trainiert werden können. Oder genetisch manipuliert, vielleicht gar mit chemischen Stoffen gezielt hormonell stimuliert oder sonst wie eine Hyperintelligenz erschaffen werden können? Das Erforschen, Beeinflussen und die Rechtfertigung des Intelligenzbegriffes wäre in diesem Fall der Homogenität vermutlich ungemein leichter.

Nehmen wir aber einmal den entgegengesetzten Fall: Was, wenn Intelligenz nichts weiter ist als eine abstrakte Idee des Menschen und alles, was wir darunter subsumieren wenig bis nichts miteinander gemein hat?

Es wäre infolge sinnlos weiterhin die Intelligenz eines Menschen mit eindimensionalen IQ-Tests messen können zu wollen. Genauso sinnlos wie beispielsweise das Aussehen eines Menschen, also die Summe seiner Augenfarbe, Größe, Beckenform, Körperhaltung usw. mit einer einzigen Zahl quantitativ beschreiben zu wollen. Vielleicht kann man so noch das Aussehen bzw. die Intelligenz eines Menschen anhand eines objektiven Maßstabs bewerten, sicher aber nicht hinreichend darstellen. Ein riesen Unterschied.

Weiterhin wäre die allgemeine Steigerung der Intelligenz sehr viel schwieriger, wenn man quasi viele Einzelattribute separat trainieren muss. Für die Intelligenzforschung vielleicht nur eine weitere Folgeerscheinung im Falle der Heterogenität der Intelligenz, viel mehr aber beispielsweise für die Pharmaindustrie: Diese versucht schon heute das gegenwärtige Ideal der Intelligenz für ihre Zwecke zu kommerzialisieren, indem sie verschiedene Arten von „Intelligenzpillen“ auf den Markt wirft. Bisher nur mit mäßiger Wirkung (aka nüchtern betrachtet ernüchtern die Resultate) und meist vielen Nebenwirkungen. Wenn Intelligenz aber ein einheitlicher Faktor ist, dann könnte sich das schon morgen ändern, nämlich sobald man diesen Faktor erkennt und zu steuern weiß. Gesetzt aber den Fall, es gäbe viele unterschiedliche Intelligenzen, müsste die Pharmawelt, metaphorisch gesprochen, an vielen unbekannten Schrauben zugleich drehen, statt nur an einer. Und vielleicht wirkt sich das Drehen an der einen negativ auf die andere Schraube aus, beispielsweise wenn das Aneignen von logischen Fähigkeiten das Hirn so stark beeinflusst, dass es infolgedessen kompliziertere Bewegungsabläufe wieder verlernt. Ein ungemein kompliziertes Unterfangen also.

Die Fachwelt ist sich wie bei der Definition von Intelligenz auch bei der Frage, ob Intelligenz überhaupt eine einheitliche Entität darstellt, noch nicht ganz einig. Vermutlich, so eine subtile Ahnung des Autors, ist es ein Zwischending. Intelligenz ist nichts rein homogenes, was sich schon allein daran zeigt, dass es durchaus sinnvoll ist zwischen den beiden „Intelligenz-Attributen“ logisch-abstraktes Denken und soziale Kompetenz zu unterscheiden. Intelligenz ist jedoch auch nichts rein heterogenes, denn dafür treten Einzelbegabungen viel zu selten auf. Wie wohl jeder aus seinem Umfeld bestätigen kann, sind intelligente Menschen meistens in vielen Disziplinen stark und haben oft auch noch intelligente Leute in der Verwandtschaft. Wären die einzelnen „Intelligenz-Attribute“ vollkommen heterogen, müsste man viel öfter Schülern begegnen, die vielleicht eine gymnasialqualifizierende Begabung für die Mathematik, jedoch überhaupt keine sprachliche Intelligenz besitzen. Tut man aber nicht, wodurch sich eine gewisse Homogenität der Intelligenz andeutet.

Wem die Einzelbeobachtung und Intuition nicht genügt, sei auf die zugehörigen psychologischen Studien verwiesen. Diese sind sich einig: Die Begabung für Mathematik, Sprachen und Gesellschaftswissenschaften korrelieren für gewöhnlich stark miteinander. Ein Händchen für Kunst oder Musik ist von dieser aber weitgehend unabhängig. Nicht ganz homogen, nicht ganz heterogen.

Vermutlich müsste man sich erst einmal auf eine Definition der Intelligenz einigen, bevor man weiter über ihre Einheitlichkeit oder Uneinheitlichkeit der Intelligenz diskutiert.

Verweise

  • Generalfaktor: Die wohl bekannteste Theorie einer einheitlichen Intelligenz.

 

  • Zweikomponententheorie: Die wohl bekannteste Theorie einer mehrheitlichen Intelligenz.

 

  • Künstliche Intelligenz

Stand: 2014

Kommentare: 1
  • #1

    Philoclopedia (Mittwoch, 22 Dezember 2021 02:37)

    "[David] Perkins stellte fest, dass der IQ bei Weitem der stärkste Predikator dafür war, wie gut Leute argumentieren, aber er sagte nur die Anzahl der Argumente für die eigene Seite voraus. Kluge Leute eignen sich gut als Anwälte und Pressesprecher, aber sie sind nicht besser darin, Begründungen auf der anderen Seite zu finden. Perkin schloss, dass >die Leute ihren IQ darin investieren, ihren eigenen Standpunkt zu untermauern, statt die ganze Fragestellung umfänglicher und ausgeglichener zu untersuchen>."

    - Jonathan Haidt


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