Ensemble-Interpretation

Nach der Ensemble-Interpretation der Quantenmechanik (auch: statistische Interpretation) beschreibt der quantenmechanische Zustand ein Ensemble ähnlich präparierter Systeme.[1] Sie wird oft als Minimalinterpretation missverstanden, insofern sie dem mathematischen Formalismus genügt und ontologische Deutungen weitgehend auslässt. Jedoch adaptiert sie die Bornsche Regel nicht nur, sondern deutet ihren Wahrscheinlichkeitsbegriff als relative Häufigkeit.[2]

Die theoretischen Grundlagen der Ensemble-Interpretation wurden von Max Born erarbeitet.[3] Born benutzte als erster den Ausdruck "Haufen gleicher", welcher als "Ensemble" ins Englische übersetzt wurde. Wenn beispielsweise ein Haufen gleicher Radiumatome gemessen wird, lässt sich mit Hilfe der Bornschen Regel voraussagen, wie viele dieser Atome innerhalb einer gewissen Zeitspanne zerfallen werden. Nach der Ensemble-Interpretation bezieht sich die Bornsche Regel nun auf die relative Häufigkeit, mit der die Atome des Ensembles zerfallen.

Damit ist die Quantenmechanik nach der Ensemble Interpretation unvollständig, insofern sie nur ganze Ensembles und nicht einzelne Quantensysteme  beschreibt. Frühere Vertreter dieser Interpretation wie Albert Einstein und Karl Raimund Popper gingen deshalb davon aus, dass die Quantenmechanik um verborgene Variablen vervollständigt werden müsste, die jedem einzelnen System einen definierten Wert zuordnen. Durch die Bellsche Ungleichung ist der Spielraum für "PIV-Ensemble-Interpretationen" jedoch stark eingeschränkt.

Übertragen auf Schrödingers Katze und den Makrokosmos bedeutet das in etwa, dass die Quantenmechanik laut der EI nur ein Haufen gleicher Katzen in mehreren Kisten beschreiben kann. Sie kann dementsprechend auch nur vorhersagen, wie viele Katzen beim Öffnen der Kisten tot oder lebendig sein werden. Die PIV-EI versuchten die Quantenmechanik deshalb so zu ergänzen, dass sie auch den Zustand einzelner Katzen beschreibt. John Bell zeigte jedoch, dass die Katzen vor der Messung entweder nichtlokal (Lokalität) oder weder tot noch lebendig (Realismus) sind. Aus diesem Grund verzichtet die "minimale Ensemble-Interpretation" ganz auf die Annahme von PIVS und macht z.B. auch keine Aussage über die Determiniertheit der Quantenmechanik.

Aber auch diese minimale Ensemble-Interpretation ist problematisch: Mathematisch lässt sich gegen sie einwenden, dass "Wahrscheinlichkeit" nicht auf "relative Häufigkeit" reduziert werden kann, da sich relative Häufigkeiten selbst nur mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten einstellen. Wenn ein Radium nach t mit der p = 0,5 zerfällt, dann werden etwa, aber eben nicht exakt die Hälfte aller Atome eines Ensembles nach t zerfallen sein. Zwar könnte man meinen, dass sich gemäß dem Gesetz der großen Zahlen die relative Zerfallshäufigkeit an 50% annähert, aber auch das ist nur äußerst wahrscheinlich. Es ist durchaus möglich, dass bei einer Million Radiumatomen kein einziges nach t zerfallen sein wird.

Die Ensemble-Interpretation ist außerdem physikalisch unbefriedigend, da sie die Quantenmechanik epistemisch schlechter stellt als alle anderen physikalischen Teildisziplinen. Die Elektrodynamik und die Astronomie beanspruchen sehr wohl, einzelne Systeme zu verstehen, während nach der EI die QM nur von Ensembles handelt. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit eines Messergebnisses bei einer Wiederholungsmessung p = 1 beträgt, das Messergebnis also sicher eintritt, könnte die QM nicht sagen, dass dieses einzelne Messergebnis eintritt! Die minimale Ensemble-Interpretation vertritt geradezu die Position, dass es quantenontologisch nur Ensembles und keine Teilchen gibt.

Stand: 2018

Kommentare: 1
  • #1

    Keter (Samstag, 25 November 2023 17:43)

    Was bedeutet denn PIV?


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