Die Supersymmetrie (kurz: SUSY) ist eine hypothetische Symmetrie zwischen Fermionen und Bosonen. Die SUSY-Transformationsteilchen heißen Superpartner.
Die Grundlage der modernen Elementarteilchenphysik bildet das Standardmodell. Dieses erklärt zum einen alle bekannten Fermionen (Materieteilchen), also das Verhalten von Quarks (z.B. Protonen und Neutronen) und Leptonen (z.B. Elektron). Zum anderen gleichzeitig auch alle entdeckten Bosonen (siehe auch: Grundkräfte der Physik), die Strukturen wie Atome oder Moleküle überhaupt erst möglich machen.
Nun sind Physiker aus guter Erfahrung heraus stets darum bemüht, Symmetrien zu suchen. Das Standardmodell aber weist eine auffallende Asymmetrie auf: Auf der einen Seite die Fermionen, die Materiebausteine, auf der anderen Seite die Bosonen, die Kraftvermittler. Warum gibt es einerseits solche Teilchen, andererseits noch ganz andere? Gegenwärtig können wir keinen Grund hierfür nennen. Solcherlei Asymmetrien waren in der Geschichte der Physik oft ein Zeichen für die Falschheit oder Unvollständigkeit einer Theorie.
Genau an dieser alarmierenden Asymmetrie setzt die Supersymmetrie an. Es soll nach ihr zu jedem Teilchen aus dem Standardmodell einen supersymmetrischen Partner geben. Zum Elektron ein Selektron, zum Gluon ein Gluino, zum Graviton ein quasi doppelt-hypothetisches Gravitino usw. SUSY ist damit weniger eine spezielle Theorie, als ein möglicherweise real geltendes Prinzip, ein symmetrisches Rahmenwerk, dass Fermionen und Bosonen eint.
Als Symmetrie aber ist SUSY, wie der Name schon sagt, super. Denn sie ist eine maximal mögliche Symmetrie. Jedem Standardmodellteilchen wird ein Superpartner zugeordnet, der exakt dieselben Eigenschaften hat, bis auf eines – der Spin. Ein SUSY-Teilchen ist der Theorie nach also zunächst nichts weiter als sein Standardmodellteilchen mit genau vertauschtem Spin. Da ein Fermion beispielsweise im Standardmodell einen halbzahligen Spin aufweist, muss sein SUSY-Partner einen ganzzahligen Spin haben. Folglich hat der supersymmetrische Partner eines Standardbosons mit ganzzahligem Spin einen halbzahligen Spin.
Als erste Konsequenz verdoppelt sich die Anzahl der Elementarteilchen, wenn jedes Standardteilchen einen supersymmetrischen Partner zugewiesen bekommt. Eine andere Konsequenz aber ist von noch kolossalerer Bedeutung: Wenn die Supersymmetrie wirklich ein Grundprinzip unseres Universums sein sollte, so wären Kraft- und Materieteilchen identisch! Die wahrliche Summe aller Elementarteilchen wäre höchstsymmetrisch. Warum? Wie bereits ausgeführt hatten wir mit dem Standardmodell bislang auf der einen Seite Materie-, auf der anderen Wechselwirkungsteilchen. Diese Teilchenarten unterscheiden eigentlich nur hinsichtlich ihres Spins (siehe auch: Standardmodell) Die Materieteilchen des S. haben einen halbzahligen, die Wechselwirkungsteilchen einen ganzzahligen Spin. Mit den symmetrischen Superpartnern würde jetzt aber jedes halbzahlige Teilchen einen ganzzahligen Partner und jedes ganzzahlige einen halbzahligen Partner bekommen. Die Schwierigkeit mit der Asymmetrie wäre nicht mehr vorhanden.
Neben ihrer Funktion als Asymmetriebrecher zwischen Fermionen und Bosonen könnte die Supersymmetrie noch in vielerlei weiterer Hinsicht als Problemlöser fungieren. Sowohl in der Teilchenphysik selbst, aber auch in der Astronomie, der GUT-Forschung, der Stringforschung (siehe unten: Verweise) offenbart sie dieses Potential.
Auch wenn das Standardmodell in grandioser Schlichtheit unheimlich viele Zusammenhänge zwischen den bekannten Teilchen darstellen kann, so kann es dennoch, so ist sich die Fachwelt einig, nicht das letzte Wort in Sachen Teilchenphysik sein. Denn einige Probleme lassen sich mit dem Standardmodell nicht ausreichend oder gar nicht erklären, weshalb man über Theorien jenseits des Standardmodells spekuliert. Die bekannteste und zugleich vielversprechendste unser diesen Theorien ist die Supersymmetrie. Das Standardmodell zeigt uns beispielsweise hervorragend, welches Teilchen welche Masse hat. Sobald wir aber fragen, warum ein Teilchen genau diese und nicht jene Masse hat, ist das Standardmodell überfragt. Oder nehmen wir die Anzahl der Fermionen. Warum gerade drei? Warum nicht zwei, eins, eintausend? Warum sechs Leptonen, wenn in unserem Alltag doch nur das Elektron relevant ist? Warum gibt es ein solches Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie? Was ist Gravitation? Auch auf all diese Fragen über die tieferen Zusammenhänge in der Teilchenphysik keine Antwort. Die Supersymmetrie aber schon, sie kann diese und noch viele weitere Probleme auflösen und für die theoretische Physik ist das mehr als großartig.
In dem heutigen Teilchenbeschleuniger erreichen wir ungeheuer hohe Energielevel, wie sie zuvor noch nie künstlich auf der Erde erzeugt worden. Am LHC am CERN beispielsweise mehrere Billionen Elektronenvolt und noch vor zehn Jahren hätten wohl alle Teilchenphysiker prognostiziert, dass man die supersymmetrischen Teilchen unter solchen Energiemengen finden würde. Doch es sollte anders kommen. Bis heute haben wir nicht ein einziges SUSY-Teilchen entdeckt. Das kann zwei Gründe haben: Entweder die Standardteilchen haben gar keine umgespinten Zwillingsteilchen. Oder aber die SUSY-Teilchen sind um ein Vielfaches schwerer als ihre Standardzwillinge.
Aufgrund des ungeheuren Erklärungspotentials hoffen vor allem die theoretischen Physiker auf Szenario zwei: Die SUSY-Teilchen sind einfach verdammt schwer. So schwer, dass die Energien der Beschleunigerexperimente bisher nur nicht ausreichten, um ein SUSY-Teilchen hervorzubringen. Nur wegen ihren hohen Massen seien die SUSY-Teilchen bisher unentdeckt.
Dies ist vorerst eine Rettung der Idee von den supersymmetrischen Teilchen. Gleichzeitig aber auch ein Eingeständnis. Denn die SUSY-Teilchen würden sich in diesem Fall nicht nur bezüglich ihres Spins, sondern auch in ihrer Masse signifikant voneinander unterscheiden. Die höhere Masse zieht eine gebrochene Symmetrie nach sich. Jedes Quark, jedes Tau-Neutrino und jedes Anti-charm-quark hat somit seinen superschweren Partner mit entgegengesetztem Spin.
Ein praktisches Problem bei der Forschung zu supersymmetrischen Teilchen ist deren Kurzlebigkeit. Schon kurz nach ihrem Entstehen zerfallen SUSY-Teilchen nämlich, immer und immer wieder, es entstehen sog. Zerfallsketten. Den Physikern bleibt dann nur noch die Retroperspektive. Will heißen die praktischen Physiker messen das Endprodukt einer Zerfallskette und die theoretischen Physiker müssen dann pingelig genau den Vorgang rückwärtsgerichtet mathematisch extrapolieren, um herauszufinden, welche Anfangsprodukte im Spiel gewesen sein könnten. Ein unheimlich komplexes Unterfangen.
Schon seit Jahrzehnten tüfteln Physiker nun schon an der Supersymmetrie und möchten sie trotz der vielen herben, experimentellen Rückschläge nicht aufgeben. Denn ihr theoretisches Erklärungspotential ist wie gesehen gigantisch. Im Jahre 2015 soll der weltleistungsstärkste Teilchenbeschleuniger LHC seine höchstmögliche Betriebsenergie erreichen. Dieses Ereignis gilt als die Masterprobe für SUSY. Entweder sie wird bestätigt – oder ihr Nachweis bleibt auch weiterhin aus, was die Teilchenphysik in eine tiefe Krise stürzen und zu einem epochalen Paradigmenwechsel zwingen könnte. Denn die Fragen, die SUSY einst beantworten sollte, würden noch immer im Raum stehen und einem Lösungskonzept harren.
Stand: 2014
ghovjnjv (Donnerstag, 08 September 2022 13:40)
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WissensWert (Freitag, 22 September 2017 19:17)
https://www.youtube.com/watch?v=hxp4sPvuOyQ&feature=youtu.be