Das Bruttoinlandsprodukt (kurz: BIP) misst den Gesamtwert aller Güter, d.h. Waren und Dienstleistungen, die binnen einer Periode (z.B.: ein Jahr) innerhalb eines volkswirtschaftlichen Gebietes (z.B.: ein Land) abzüglich aller Vorleistungen (z.B.: bei Importgütern) erwirtschaftet werden (Wertschöpfung). Kurz gesagt stellt das BIP das Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum dar. Zur Berechnung und Darstellung des BIP wird zwischen Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsrechnung unterschieden. Das BIP wird sowohl zu aktuellen Marktpreisen (nominales BIP), als auch zu Preisen eines Basisjahres (reales BIP) und somit bezüglich eines konstanten Preises und frei von Preiseinflüssen (z.B.: Inflation) errechnet. Die Veränderungsrate des realen BIP ist die Messgröße für das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft. Das BIP, ein sog. Produktionsmaß, gilt als geeigneter Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, dem Wohlstand und anderer Umstände bezüglich des jeweiligen Gebietes. Um die Unzulänglichkeiten des BIP in seiner Rolle als Wohlstandsindikator, so von den Wirtschaftswissenschaften gerne herangezogen, soll es im Folgenden gehen.
Unfälle, Kriege, Umweltschäden, Krankheiten usw. wirken sich u.U. positiv auf das BIP aus. Denn diese Zerstörungen von Sachwerten ziehen eine gesteigerte Nachfrage an Dienstleistungen und Sachwerten (Medikamente, Immobilien u.ä.) nach sich. So fließt infolge eines Autounfalls durch Polizei- und Feuerwehreinsatz, Autoreparatur- oder Neukauf Geld in die Wirtschaft und stärkt somit das Bruttoinlandsprodukt. Für den Wohlstand einer Nation hingegen sind solcherlei Katastrophen schädlich. Das Wirtschaftswunder in Europa nach dem zweiten Weltkrieg oder die hohen Wachstumsraten in Haiti nach dem verherrenden Erdbeben 2010 hatten nichts damit zu tun, dass es der Bevölkerung nun gegenüber der Zeit vor der Katastrophe oder vor dem Krieg besser ginge. Lediglich bedurfte es großer wirtschaftlicher Leistung um überhaupt wieder den alten Status Quo zu erlangen.
Die nackten Zahlen des BIP repräsentieren nicht die Nützlichkeit der erbrachten, wirtschaftlichen Leistungen für einen
Wirtschaftsraum für die dort wohnhaften Menschen. Dabei ist es angesichts des Wohlstandes einer Nation ein großer
Unterschied, ob sich ihr BIP aus Waffenexporten und Krebsbehandlungen, oder aus Immobilien und Häusern zusammensetzt.
Schädigungen des Ökosystems, Verteilungsgerechtigkeit und insbesondere unbezahlte, wirtschaftliche (und schattenwirtschaftliche!) Leistungen uvm. wirken sich u.U. nicht auf das BIP aus. Denn diese Faktoren kommen in den volkswirtschaftlichen Faktoren gar nicht erst vor. So ist es in vielen italienischen Haushalten üblich, dass sich die Kinder um ihre Eltern kümmern, sobald diese zu Pflegefällen werden. Den Eltern geht es mindestens genauso gut wie in einem Altenheim, nur das BIP berücksichtigt derlei nicht monetär vergütete Leistungen nicht. Dem Wohlstand einer Nation hingegen sind solcherlei Leistungen sehr wohl förderlich. Das eigenhäusliche Arbeiten, das Backen mit Früchten aus eigenem Anbau, das Heimwerken, das Erziehen von Kindern, das Nachgehen von ehrenamtlichen Tätigkeiten sind für die Messung des BIP irrelevant. Für das Funktionieren und Wohlergehen einer Gesellschaft aber sind derlei nicht wirtschaftlich gehandelte Produktionsleistungen von großem Belang.
Politische, menschenrechtliche und weitere Faktoren werden auch nicht berücksichtigt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele Faktoren (überwiegend aus dem 1. und 2.ten Dienstleistungssektor) in das BIP mit eingerechnet werden, die dem Wohlstand einer Nation nicht berühren oder gar schädlich sind und viele Faktoren (verstärkt aus dem tertiären Sektor) in der Gesamtrechnung fehlen, die den Wohlstand einer Nation erheblich beeinflussen. Schlussendlich gehört auch die Frage gestellt, inwiefern eine wirtschaftliche Größe, die den tatsächlichen, materiellen Wohlstand einer Nation wiedergibt, dies auch bezüglich des tatsächlichen Glückes dieser Menschen macht. Denn darauf kommt es schlussendlich an. Und da stellt sich fest, dass im UN-Bericht über die glücklichsten Menschen weltweit viele arme Länder noch vor dem reichen Deutschland liegen. Eine gewisse, tendenzielle Korrelation zwischen Wohlstand und Wirtschaftsleistung lässt sich jedoch nicht leugnen. Und so sucht man vielerorts nach alternativen oder ergänzenden Größen, wie in etwa den Human Development Index. Der HDI bezieht auch wichtige Faktoren wie Lebenserwartung und Bildung mit ein. Das Königreich Bhutan orientiert sich gar an einem Bruttonationalglück.
Es ist aber letzten Endes das herrschende Geldsystem, das falsche, z.T. zerstörerische Anreize schafft. Daher gilt es, die Ursachen und nicht allein die Symptome der weltweit ökonomischen Verwerfungen zu analysieren und zu beheben. Anstelle des herrschenden Wachstumszwangs sollte die nachhaltige Bedürfnisbefriedigung das hehre Ziel eines neuen, besseren Geldsystems sein.
Stand: 2014