Marxistische Politische Ökonomie (MPÖ) umfasst Perspektiven der Politischen Ökonomie, die im weiteren Sinne in der Tradition der Werke von Karl Marx stehen, insbesondere dem Kommunistischen Manifest, den Grundrissen oder dem Kapital. Auch wenn diese Forschungsrichtung als sehr divers und heterogen bezeichnet werden kann, können doch einige gemeinsame Schlüsselelemente genannt werden.
Im Allgemeinen strebt MPÖ eine integrative Analyse von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik an. Diese drei Elemente werden nicht als isolierte, sondern als interdependente Strukturen angesehen, die sich historisch herausgebildet haben. Um die Dynamiken innerhalb dieser Bereiche zu verstehen, ist die Analyse von Klassenkämpfen zentral. Letztere sind durch die Ausbeutung von Arbeit durch das Kapital innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise gekennzeichnet.
Aus dieser Perspektive verkörpern Kapital und Arbeit zwei antagonistische Klassen. Erstere ist vor allem durch das Eigentum an den Produktionsmitteln gekennzeichnet, letztere besteht aus in doppelter Hinsicht freien Lohnarbeiter*innen: sie sind befreit von der Kontrolle der Produktionsmittel sowie frei darin, im Vergleich zum Feudalsystem, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. In diesem Verhältnis spielt Kapital eine zentrale Rolle, welches auf eine hohe Rentabilität von Investitionen ausgerichtet ist. Deshalb wird die bekannte Aussage über Kapital als geldheckendes Geld in der Formel G-W-G' wiedergegeben (G= Geld; W= Ware).
Eine integrative Analyse im Sinne der MPÖ bedeutet, sich nicht nur auf die Funktionsweise der Wirtschaft zu fokussieren, sondern darüber hinauszugehen. Arbeiter*innen werden nicht nur ausgebeutet, sondern werden in der kapitalistischen Produktionsweise entfremdet: Lohnarbeiter*innen können nicht über ihre eigene Arbeit bestimmen. Sie sind Angestellte im kapitalistischen Produktionsprozess und üben spezialisierte Tätigkeiten in der Warenproduktion aus, ohne über die Produkte zu verfügen. Zudem ist die kapitalistische Produktionsweise nicht eine isolierte Sphäre in der Gesellschaft, sondern strukturiert die Gesellschaft in mehrerlei Hinsicht. Durch Kommodifizierung werden beispielsweise soziale Beziehungen, die zuvor nicht der Marktlogik unterworfen waren, zu kommerziellen Beziehungen und sind geprägt von Tausch, Kauf und Verkauf.
MPÖ verfolgt das explizite Ziel, die aktuelle Form gesellschaftlicher und ökonomischer Organisation zu verändern, mit dem emanzipatorischen Anspruch, eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen und den Kapitalismus zu überwinden. Obwohl die Theorieschule an wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten eher marginalisiert ist, hat sie im vergangenen Jahrzehnt erneut an Aufmerksamkeit gewonnen. Das Interesse lässt sich darauf zurückführen, dass Marx Analysen und Erklärungen auf die globale Finanzkrise 2007/2008 angewandt werden können. Dies trifft auch auf andere Krisen zu, die mit der Ökonomie verknüpft sind, beispielsweise die Klimakrise. Zuletzt haben auch Proteste und soziale Bewegungen sowie zunehmende soziale Konflikte im Zuge der Krise die Notwendigkeit einer radikalen akademischen Analyse aufgezeigt.
“Wesentliche Bestandteile jeder Marxistischen Analyse sind ihr Verständnis von der Wirtschaft, wie Kapital reproduziert wird, wie Profitabilität aufrecht erhalten wird und wie sich Krisen entwickeln“. (Übersetzt nach Gamble 2000)
MPÖ begreift die Wirtschaft als permanenten Transformationsprozess von Natur und Gesellschaft durch die Produktion. Die Produktionsweise ist die historische Form in der die zwei Kernelemente jeder wirtschaftliche Organisationsform von Gesellschaften vereint sind. Diese zwei zentralen Bestandteile sind die Produktivkräfte - Elemente, die die Produktion ermöglichen, wie Technologie oder Infrastruktur – sowie die Produktionsverhältnisse, womit die klassenbasierte Organisation von Produktion, Verteilung und Konsum in einer Gesellschaft gemein ist. Demnach ist für die MPÖ der sozio-ökonomische Charakter verschiedener Gesellschaften von der spezifischen Produktionsweise geprägt, wie Sklaverei, Feudalismus oder Kapitalismus. Die historische Gestalt der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse ist ein wichtiger Ausgangspunkt der MPÖ, deren Analyse sich insbesondere auf Klassenkämpfe, Ausbeutungsformen der Arbeitskraft, Widersprüche und Krisen konzentriert. Folglich wird die Ökonomie nicht als neutrale Austausch- und Kooperationsplattform gesehen, sondern als historische und politische Ausprägung, die von asymmetrischen Machtverhältnissen, Ideologie und sozialen Konflikten geprägt ist. Um die heutige Weltwirtschaft zu verstehen, sieht die MPÖ in Marx’ Analyse der Produktionsweise des 18. und 19. Jahrhunderts einen zentralen Ansatzpunkt.
Marx strukturierte seine Analyse der kapitalistischen Produktionsweise um die Ware als zentrales Element der Ökonomie. Waren sind Produkte oder Dienstleistungen, die auf dem Markt verkauft werden und von menschlicher Arbeitskraft hergestellt werden. Das charakteristische Merkmal der Waren ist ihr doppelter Charakter – als Gebrauchswert und als Tauschwert. In der kapitalistischen Produktionsweise wird der Gebrauchswert negiert, wohingegen der Tauschwert an erster Stelle steht. Somit orientiert sich die Produktion in kapitalistischen Gesellschaften nicht primär an den Bedürfnissen der Bevölkerung (der Gebrauchswerte), sondern an der Generierung eines hohen Tauschwertes, einfach gesagt, Profit. Laut MPÖ basiert dieser Profit auf der Ausbeutung der Arbeitskraft, d.h. der Lohnarbeiter*innen. Kapitalist*innen zahlen den Arbeiter*innen den Lohn, den sie benötigen, um ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, auch wenn sie durch ihre Arbeit einen höheren Wert erzeugen. Diesen Mehrwert eignen sich die Kapitalist*innen an und reinvestieren ihn. Die Anhäufung von Geld im Sinne von Kapital durch die kapitalistische Klasse wird als Kapitalakkumulation bezeichnet. Letztere ist eine zentrale Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise und beinhalten einen strukturellen Wachstumsimperativ. Zugleich, wie bereits erwähnt wurde, ist die kapitalistische Produktionsweise nicht frei von Widersprüchen. Aus Perspektive der MPÖ spielen Krisen als wiederkehrendes Phänomen eine bedeutende Rolle in der kapitalistischen Entwicklung.
Im Grunde werden Krisen durch verschiedene Widersprüche hervorgerufen, die der Struktur der kapitalistischen Produktionsweise immanent sind. Im konkreten Einzelfall manifestiert sich eine Krise jedoch durch eine Verknüpfung von Entwicklungen und Auslösern. Somit steht jede Wirtschafts- oder Finanzkrise im Kontext der allgemeinen Widersprüchen des Kapitals, sowie konkreter politischer, ideologischer oder kultureller Gegebenheiten. Verschiedene Strömungen der MPÖ heben die Relevanz unterschiedlichen Aspekte dieser Widersprüche hervor. Viele verweise auf multiple Kausalitäten. Beispiele für Gründe von Krisen sind Kreditengpässe, Knappheit oder politische Schwierigkeiten mit dem Arbeitsangebot, Widerstand oder Ineffizienz im Arbeitsprozess, Überschusskapital oder Löhne, die den Profit mindern.
Aktuell betonen viele Wissenschaftler*innen der MPÖ, dass die Tendenz zur Überakkumulation des Kapitals seit den 1970er Jahren zentral dafür ist, die verschiedenen Finanz- und Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahrzehnte weltweit zu erfassen. In dem Prozess der Überakkumulation sucht zu viel Geldkapital profitable Investitionsmöglichkeiten. Da Finanzanlagen in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend profitabler geworden sind, wird unverhältnismäßig viel Geldkapital von der industriellen Produktion abgezogen und als fiktives Kapital verwendet. Dieses Geldkapital wird als fiktiv bezeichnet, da es keine materielle Entsprechung in Waren oder der Produktion hat. Obwohl es keinen Mehrwert im Arbeitsprozess generiert, kann sich fiktives Kapital durch die Erwartung, diesen zukünftig zu erzeugen, selbst reproduzieren (M-M'). Während diese Investitionen profitabel für Geldeigentümer sind, leidet die Wirtschaft unter zunehmender wirtschaftlicher Ungleichheit, fehlender effektiver Nachfrage (welche vorübergehend durch die Ausweitung von kreditbasiertem Konsum erhalten wird), und wiederkehrender Inflation von Vermögenswerten, die zu „platzenden Blasen“ führen. Ein prominentes Beispiel für diesen Prozess ist die globale Finanzkrise 2007/2008, die von ausuferndem Derivatehandel (fiktivem Kapital) auf dem Subprime-Hypothekenmarkt ausgelöst wurde.
Das zentrale Problem, welches von Marxistischer Politischer Ökonomie behandelt wird, ist die Ausbeutung von Arbeit durch Kapital, d.h. die Herrschaft zwischen Klassen und die Macht des Kapitals. Somit stehen nicht Individuen, sondern Klassen im Zentrum der Analyse. Kollektive Interessen werden demzufolge im Zusammenspiel zwischen Klassen und nicht zwischen Individuen generiert. All dies bedeutet nicht, dass Individuen keine eigenen Entscheidungen treffen können. Jedoch gibt es innerhalb einer bestimmten Produktionsweise einflussreiche materielle und soziale Strukturen (wie z.B. Wettbewerb), die Menschen veranlassen, sich den Strukturen entsprechend zu verhalten. Folglich verwendet die MPÖ nicht eine universalistische Sicht über Menschen, die sich zwingenderweise kompetitiv oder kollaborativ verhalten, sondern betont den Einfluss der spezifisch-historischen Produktionsweise auf die Art und Weise, wie sich Menschen verhalten.
Innerhalb einer bestimmten Produktionsweise hat die MPÖ historisch einige Tendenzen und Gesetzmäßigkeiten in der ökonomischen, sozialen und politischen Sphäre herausgearbeitet. Beispiele in der kapitalistische Produktionsweise wären die zunehmende Akkumulation und Konzentration von Kapital und wiederkehrende Krisen der kapitalistischen Produktion. Von diesen Gesetzmäßigkeiten wird angenommen, dass sie ontologisch real sind und Gesellschaften dazu veranlassen, sich auf eine determinierende Art und Weise zu verhalten. Einige Stränge der MPÖ betonen jedoch die Überdeterminierung: obwohl Gesetzmäßigkeiten festgestellt werden können, erschweren es deren Verknüpfungen und deren Vielfältigkeit, genaue Aussagen über das Verhalten von Gesellschaften zu treffen (vergleiche 5. Methodologie). Von Seiten der Kritischen Politischen Ökonomie wird das Konzept Hegemonie betont, wobei der historische Charakter von sozialem Wandel und der permanente Kampf von Vorstellungen und Bewegungen um historische und räumliche Dominanz (in den Worten Antonio Gramscis der diskursive „Stellungskrieg“ der im Gegensatz zum militärischen „Bewegungskrieg“ steht) hervorgehoben werden. In den Augen dieser Theoretiker*innen sind die Regeln der Gesellschaften und der Ökonomie stärker von historischen und kulturellen Faktoren abhängig, womit sie gegen eine determinierende Theoriebildung argumentieren. Eine mögliche Verbindung zwischen diesen beiden Strängen bieten die Ansätze des Kritischen Realismus: dabei wird eine reale Welt – im Bezug auf Natur und Gesellschaft – angenommen, aber diese ist Veränderungen und Erneuerungen ausgesetzt, die aus den Handlungen historischer und räumlicher bestimmter Akteure resultiert. In Marx Worten: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.” (Marx, 1852).
Trotz dieser theoretischen Unterschiede stimmen MPÖ Theorien im Allgemeinen darin überein, dass die Welt nicht aus Einzelteilen besteht, die zum Zweck der Analyse voneinander isoliert werden können. Hingegen existieren Einheiten wie Klassen, Unternehmen, Staaten und Institutionen innerhalb eines Kontextes, der wesentlich für ihre Existenz ist. Die Zerlegung dieser Einheiten in Einzelteile wird ihrer echten Beschaffenheit nicht gerecht, da auf jedem Organisationslevel (von subatomaren Teilchen bis hin zu komplexen Systemen wie menschliche Gesellschaften), neue Kräfte und Zusammenhänge entstehen, die eine eigene ontologische Beschaffenheit haben (Sayer 1992, 119).
MPÖ hebt die Wichtigkeit von dynamischen Prozessen, wie Klassenkonflikten oder Akkumulation, hervor, die historisch eingebettet sind und sich über die Zeit wandeln. Zudem ist Kapital nicht als materieller Vermögenswert (wie Geld, Maschinen, etc) definiert, sondern als soziales Verhältnis. Deshalb erlangt Kapital nur in der kapitalistischen Produktionsweise und den entsprechenden Klassenverhältnissen Existenz.
MPÖ begreift sich selbst explizit als normativ und performativ. Die positivistische Sichtweise deskriptiver und wertfreier Wissenschaft wird hingegen als falsch und ideologisch motiviert angesehen. Das Ziel der wissenschaftlichen Analyse ist es, Wissen hervorzubringen, dass die Emanzipation beherrschter und unterdrückter Personen unterstützt.
Nach Andrew Sayer gehen viele Vertreter*innen der kritischen Sozialwissenschaften (zu welcher die MPÖ gehört) davon aus, dass Emanzipation folgendermaßen vonstattengeht (Sayer 1997, 474):
1. Identifikation von Problemen, unbefriedigten Bedürfnissen, Leiden und falschen Hoffnungen
2. Identifikation der Quellen oder Ursachen von 1.), insbesondere Formen von Dominanz
3. (Normativ) negative Beurteilung dieser Quellen von Illusion und Unterdrückung
4. Unterstützung (ceteris paribus) von Aktionen, die diese Quellen beseitigen
Jedoch gibt es, wie Sayer anmerkt, bei dieser linearen Abfolge einige problematische Aspekte darin, wie von der wissenschaftlichen Identifizierung dieser Probleme auf die emanzipatorische Praxis geschlossen wird und welche Werte und Normen dabei als besser als andere betrachtet werden, da sie von wissenschaftlichen Beweisen gestützt werden. Sayers Kritik weist vor allem auf die Notwendigkeit hin, konkrete und praktikable Alternativen zu formulieren (im Allgemeinen oder als Gedankenexperiment, nicht als detaillierter Plan), um beurteilen zu können, ob es wirklich Verbesserung und Emanzipation für eine bestimmt Gruppe bringen würde, wenn ein Problem behoben und durch ein anderes ersetzt wird. Zudem problematisiert Sayer, dass neue Wechselbeziehungen hervorgerufen werden, sobald eine Praxis von einer anderen ersetzt wurde und so die emanzipatorische Praxis einer gesellschaftlichen Gruppe möglicherweise zur Unterdrückung einer anderen führen könnte (z.B. die Integration westlicher Frauen in den Arbeitsmarkt, die dann für die Reproduktionsarbeiten Frauen aus dem Globalen Süden anstellen; die Emanzipation von Arbeiter*innen, die ein Kohlebergwerk übernehmen, das sonst geschlossen worden wäre, jedoch durch die Verschmutzung negative Auswirkungen auf die Umwelt und auf andere Gemeinschaften der Region hat).
Theoriebildung in der MPÖ geht davon aus, dass die Verbindung zwischen wissenschaftlicher Untersuchung und der realen Welt nicht eindeutig ist und somit die reale Welt nicht zu Wissenschaftler*innen spricht, die sie dann unvermittelt darstellen können (Positivismus, Empirismus). Andererseits wird auch die Sicht abgelehnt, nach der Wissenschaftler*innen die reale Welt durch ihre Vorstellungen oder selbst-bezogenen Erzählungen erschaffen (starker Konstruktivismus). Hingegen wird die fehlbare, theorielastige und vom Standpunkt der Forscher*innen abhängige Natur von Wissenschaft anerkannt, wobei es jedoch möglich ist, durch Bezugnahme auf die reale Welt darüber zu urteilen, ob eine Theorie gut oder schlecht ist. Folglich ist Sozialwissenschaft vielfältig und hängt von der angewandten Theorie und der persönlichen Biographie der Wissenschaftler*innen ab (Klasse, Gender, Habitus etc.). Dennoch ist es möglich zu sagen, ob ein bestimmtes Forschungsprojekt valide Aussagen trifft und somit sind auch objektive Aussagen über kausale Mechanismen möglich, die einem sozialen Phänomen zu Grunde liegen.
Zu überprüfen, was im Kritischen Realismus als wahre Aussage gilt, ist jedoch komplizierter als in anderen Wissenschaftsphilosophien. Da der Fokus stärker auf kausalen Zusammenhängen denn auf Regelmäßigkeiten und Korrelationen liegt, reichen statistische Tests nicht aus, um die Validität einer Hypothese zu überprüfen. Hingegen muss von den empirischen Tatsachen abstrahiert werden, um die Validität eines vermuteten kausalen Zusammenhangs zu überprüfen. Deshalb sind z.B. kontrafaktische Fallstudien durchzuführen, um die Erklärungskraft einer Hypothese zu untersuchen.
Marxistische Politische Ökonomie arbeitet weder deduktiv noch induktiv, sondern geht davon aus, dass es multiple Kausalitäten und somit viele Arten von Wissenschaft gibt. Diese Kausalitäten hängen dabei von der Situation ab, beispielsweise von der Phase der kapitalistischen Entwicklung. Ein zentrales Element der Marxistischen Analyse ist die Dialektik. Diese beansprucht, über die klassische Logik direkter Kausalität und linearer Zusammenhänge hinauszugehen und ein dynamisches Verständnis von Prozessen sowie Kategorien anzuwenden, die im klassischen Verständnis oft als widersprüchlich angesehen werden. Ein Beispiel dialektischer Argumentation wird in der nachstehenden Darstellung (Sayer 1992, S. 141) gegeben, in der einfache und abstrakte Konzepte mit komplexen, spezifischen und kontingenten Aspekten einer konkreten Situation kombiniert werden.
Hinsichtlich typischer wissenschaftlicher Methoden kann die MPÖ als ziemlich eklektisch angesehen werden. Zum einen werden mathematische Modelle verwendet, wie die TSSI der Marxschen Werttheorie. Zum anderen werden Diskursanalysen, z.B. Hays (1996) Analyse der Konstruktion des „winter of discontent” durch die Britischen Medien, welcher den Weg für Thatchers Zerstörung der Gewerkschaften ebnete, und detaillierte Fallstudien durchgeführt, wie Jessops (2014) historische Analyse der Eurozone und der Eurokrise.
Da sich die MPÖ-Forschung oft auf abstrakte Konzepte, wie Finanzkapitalismus oder Akkumulationsregime bezieht, müssen diese aussagekräftig sein. Deswegen muss die Formulierung solcher Konzepte als wissenschaftliche Arbeit verstanden werden und darf nicht ad hoc erfolgen. Als negatives oder schlechtes Beispiel eines chaotischen Konzeptes führt Sayer das Konzept des "Dienstleistungssektors" auf, welches unzusammenhängende Aktivitäten wie Straßenreinigung, Computerprogrammierung und Finanzbuchhaltung zusammenwirft. Somit erscheinen Aussagen widersinnig, die von kausaler Wirkungen sprechen, die vom Dienstleistungssektor ausgehen (z.B., dass eine dienstleistungsorientierte Ökonomie zu X beiträgt oder dass eine fallende Produktivität des Dienstleistungssektors zu Y führt).
Bezüglich der Frage, ob die Forschung der MPÖ stärker von Methoden oder einem Objekt geleitet wird, kann gesagt werden, dass historisch gesehen die Methode vorrangig war. Unterschiedliche Gesellschaften, Ökonomien und ökonomische Sektoren wurden mit der Arbeitswerttheorie, Macht- oder Hegemonietheorien und dem dialektischen Materialismus analysiert. Wissenschaftler*innen, die in der Tradition des kritischen Realismus arbeiten, bauen weniger auf Methoden, da dieser davon ausgeht, dass unterschiedliche Ebenen ontologisch existent sind und von verschiedenen Zweigen der Wissenschaft behandelt werden müssen. Somit erfordern „die Ökonomie“, „die Kultur“ oder „die Biologie“ jeweils andere wissenschaftliche Herangehensweisen, was der Objekt-geleiteten Forschung mehr Bedeutung als der Methoden-geleiteten einräumt.
Marxistische Politische Ökonom*innen haben das explizite Ziel, Gesellschaft sowohl zu kritisieren als auch zu verändern. MPÖ kann somit als reflexiv sowie transformativ aufgefasst werden – gesellschaftliche Verhältnisse sollen nicht nur beschrieben, sondern auch verändert werden. Die Rolle von Kritik ist dabei zentral. Schließlich war die Marxsche Kritik der Politischen Ökonomie genauso eine Kritik der klassischen Politischen Ökonomie wie eine Kritik der ökonomischen und sozialen Gegebenheiten.
Die emanzipatorische Perspektive der MPÖ zielt auf eine gerechtere Gesellschaft ab. Dominanz, Ausbeutung und Ungleichheit sollen bekämpft werden. Das bedeutet letztendlich, dass der Kapitalismus radikal reformiert oder überwunden werden muss. Emanzipation bezieht sich nicht nur auf Ungleichheit, die Einkommen, Eigentum oder Entfremdung betrifft, sondern auch Geschlechterverhältnisse und ethnische Diskriminierung. Dass Einkommens- und Vermögensverteilung strukturell ungleich sind, resultiert aus der Beziehung zwischen Arbeit und Kapital. Obwohl Verteilungsgerechtigkeit und Kapital miteinander unvereinbar sind, waren die einzelnen Phasen des Kapitalismus unterschiedlich von Ungleichheit gekennzeichnet. Beispielsweise verzeichnete die Phase nach dem Zweiten Weltkrieg eine gleichmäßige Verteilung von Einkommen und Vermögen in den Industriestaaten. Seit den 1980ern/1990ern hat ökonomische Ungleichheit weltweit drastisch zugenommen. Im Gegensatz zu keynesianischen Ansätzen betont die MPÖ nicht die Notwendigkeit, durch staatliche Maßnahmen (z.B. durch Besteuerung) Einkommens- und Vermögensunterschiede zu verkleinern, um zur „Goldenen Ära“ zurückzukehren. Hingegen fordert sie, die Ungleichheit an den ihren Wurzeln anzugehen. Deshalb werden oft Arbeiter*innenkontrolle über die Produktionsmittel, Solidarische Ökonomie, gemeinschaftliche oder kooperative Produktionsstrukturen vorgeschlagen, da sie die Produktionsbedingungen verändern, die die Grundlage für bestehende Ungleichheiten sind (vergleiche Harvey 2014, 164-181).
Beispielsweise wurde das Konzept der Commons – die gemeinschaftliche Organisation, Besitz und Nutzung von Gütern und Ressourcen - nach der Finanzkrise viel in sozialen Bewegungen diskutiert (vergleiche z.B. Federici 2011). Commons werden als eine Möglichkeit gesehen, den Folgen von Entfremdung, dem Landraub, Armut und Einkommensungleichheiten und der Vermarktlichung von Leben und Wissen etwas entgegen zu setzen. Das Konzept schöpft dabei aus Erfahrungen sozialer Bewegungen, insbesondere aus Lateinamerika. Forderungen wie die Commons werden nicht innerhalb von Parteien ausgehandelt, sondern in sozialen Bewegungen formuliert und dort in die Praxis umgesetzt. Vermutlich ist das größte praktische Beispiel einer solchen Alternative die autonome Region in Südmexiko, die von den Zapatistas kontrolliert wird.
Ein weiteres normatives Motiv der Marxistischen Kaptialismuskritik ist die Entfremdung, welche Arbeiter*innen in der kapitalistischen Wirtschaft erfahren. In der kapitalistischen Produktion wird die Organisation und die Art und Weise ökonomischer Aktivität von den Kapitaleigner*innen strukturiert, indem die Arbeiter*innen nicht darüber entscheiden können, wie sie ihre produktive Energie einsetzen. Dies entzieht den Arbeiter*innen den Sinn ihrer Tätigkeit und reduziert sie auf ein reines Mittel im Arbeitsprozess. Auch wenn die kapitalistische Produktionsweise viele Potentiale beinhaltet, liefert diese Entfremdung sowie die Tendenz, Armut und massive Ungleichheit hervorzurufen, Gründe für das Marxistische Argument, dass Kapitalismus überwunden werden muss.
In den vergangenen Jahrzehnten hat die MPÖ ein weites Feld an Literatur hervorgebracht, das eine große Bandbreite an Themen behandelt: Klassenzusammensetzung und sozio-ökonomische Konsequenzen der neoliberalen Globalisierung, die Finanzialisierung der Weltwirtschaft, die Macht des transnationalen Kapitals oder die Möglichkeit post-kapitalistischer Ansätze im Rahmen der multipen Krise. All diese Debatten und Einblicke zu präsentieren würde weit über das Ziel dieses Abschnittes hinausgehen. Stattdessen werden kurz Narrative zusammengefasst, die ineinander wirkenden Krisen, linke Strategien und die Transformation zu einer post-neoliberalen oder post-kapitalistischen Gesellschaft miteinander verknüpfen, da sich diese Themen in fast allen aktuellen Debatten innerhalb der MPÖ wiederfinden (siehe die special issues der unten gelisteten Journale).
Mit dem Aufkommen der US Subprime-Krise in 2007/2008, die sich schnell zu einer Finanz- und Wirtschaftskrise für einen Großteil der Weltwirtschaft entwickelte, zeichnete sich eine Rückkehr Marxistischer Analyse und Kapitalismuskritik ab. Sogar in Zeitungen, die dem Mainstream und dem konservativen Spektrum zuzuordnen sind, wurde verkündet: Marx ist zurück (Fuchs 2014, 9-10). Möglicherweise die größte und erste grundlegende Suche nach Alternativen nach der Finanzkrise war die Occupy-Bewegung. Ihr Slogan „Wir sind die 99%“ ist nicht nur eine rhetorische Figur, sondern spiegelt sich in bestehenden Vermögensungleichheiten und politischer Repräsentation in den USA und großen Teilen der Weltwirtschaft wider.
Viele Wissenschaftler*innen der MPÖ argumentieren, dass diese Krise eine große oder strukturelle Krise des Kapitalismus darstellt, die möglicherweise die Struktur der Weltwirtschaft für die kommenden Jahrzehnte verändert. In diesem Zusammenhang hat ein wachsender interdisziplinärer Forschungsstrang die Debatte weiter aufgespannt: es wird darauf hingewiesen, dass die Krise nicht auf Finanzen oder die Wirtschaft beschränkt ist, sondern vielmehr als multiple Krise gefasst werden sollte, die auch die Klima- oder Umweltkrise, eine Krise der repräsentativen Demokratie und des globalen Regierens sowie eine Krise der sozialen Reproduktion miteinschließt.
Letztlich erfordert das Zusammenfallen dieser Krisendynamiken eine grundlegende Transformation der gesellschaftlichen Organisation, der globalen Reproduktion, der Verteilung und des Konsums. Deshalb diskutieren aktuelle Beiträge Strategien, Stärken und Schwächen transformativer Politik und sozialer Bewegungen. Debatten um Post-Kapitalismus, neue Formen des Sozialismus oder Kommunismus haben in den letzten Jahren verstärktes Interesse erfahren. Inwiefern diese Debatten zu wirkungsvollem gesellschaftlichem Wandel führen werden, wird nicht von Geschwindigkeit und Umfang der akademischen Debatte, sondern von den Kräfteverhältnissen in der Gesellschaft abhängen. Jedoch kann die Debatte ein interessanter Ausgangspunkt für Studierende sein, um Gesellschaft und sozialen Wandel grundsätzlich zu überdenken. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass vermehrt VWL-Studierende Interesse daran entwickeln, die MPÖ zu verstehen und anzuwenden (vergleiche z.B. Barkin 2009; Harvey 2014; Rethinking Marxism 2010).
Die MPÖ hat, wie die meisten anderen akademischen Paradigmen, in den vergangenen 150 Jahren unterschiedliche Wellen der Erneuerung, Rezeption und Tragweite erfahren (für einen Überblick zu Westlichem Marxismus vergleiche Anderson 1976, siehe auch King und Verba, 1989). Während die erste Generation sich fast ausschließlich aus Personen zusammensetzte, die gleichzeitig politische Aktivist*innen, Parteisstrateg*innen und Akademiker*innen waren, institutionalisierte sich die MPÖ als akademisches Paradigma (mit geringerer Verbindung zu Parteien) in den USA und Europa während des Kalten Krieges, vor allem in den 1970er und 1980er Jahren. Diese Erneuerung seit den 1970ern spiegelt sich auch teilweise in dem aufkommenden Feld der Internationalen Politischen Ökonomie (IPÖ) wider.
Vom Frühsozialismus über den klassischen (oder orthodoxen) Marxismus bis hin zu Neo- oder Post-Marxistischen Theorien, Analytischem Marxismus und Kritischer Politischer Ökonomie, gab es eine Bandbreite an historischen und zeitgenössischen Perspektiven, die der MPÖ zugeordnet werden können oder mit dieser in Verbindung stehen. Um eine Typologisierung bereitzustellen haben Stephan Resnick und Richard Wolff (2006) diese Perspektiven sechs Kategorien zugeordnet:
1. Eigentumstheorien: Diese Theorien betonen die ungleiche Verteilung von Vermögen und Eigentum an den Produktionsmitteln. Klassenkonflikt, Ausbeutung und andere Dynamiken innerhalb des kapitalistischen Produktionssystems werden als eine Folge der Eigentumsverteilung gesehen.
2. Machttheorien: Der Fokus dieser Theorien liegt auf Macht- und Autoritätsstrukturen und der Möglichkeit bestimmter Klassen (z.B. Kapitalist*innen), Macht zu mobilisieren (wie körperliche oder institutionelle Gewalt, die vom Staat ausgeübt wird), die Zwang oder Drohungen beinhalten, z.B., um Arbeiter*innen dazu zu zwingen, unter ausbeuterischen Strukturen zu arbeiten.
3. Akkumulationstheorien: Diese Theorien heben den endlosen Akkumulationsdrang hervor, der dem Kapitalismus immanent und dessen treibende Kraft ist sowie alle anderen Dynamiken und sozialen Beziehungen bestimmt.
4. Theorien über Produktivkräfte: Legen den Fokus auf Produktionstechnologien als bestimmende Faktoren gesellschaftlicher Organisation und Beziehungen.
5. Bewusstseinstheorien: Diese Theorien betonen die Wichtigkeit von Kultur und gemeinsamer Vorstellungen. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind Theorien zu „Hegemonie“, die in gramscianischer Tradition stehen: die Beherrschung der Arbeiter*innen durch die Kapitalist*innen kann nur erhalten werden, wenn erstere dieses Klassenverhältnis akzeptieren, welches über Vorstellungen und Theorien gerechtfertigt wird.
6. Theorien zu Überdeterminierung: Bevorzugen keinen der vorher genannten Erklärungsansätze, sondern sehen diese als Teile mehrerer Erklärungen an. Jedoch betonen auch sie bei der Analyse des kapitalistischen Systems das Klassenverhältnis und verfolgen einen kritischen, emanzipatorischen Anspruch.
Einige gegenwärtige Strömungen sind:
Regulationsschule (z.B. Michel Aglietta): untersucht Stabilität und Kontinuität, die trotz wiederkehrender Krisen in der kapitalistischen Produktionsweise vorkommen. Sie analysiert das historische und räumliche Vorkommen von Akkumulationsregimen (wie dem Fordismus der Nachkriegszeit), die unterschiedliche Institutionen und einen Regulationsmodus haben, welche deren permanente Reproduktion in der Produktions- und Konsumsphäre, in Politik und im internationalen Kontext bestimmen. Die Regulationsschule verbindet Marxistische Theorie mit institutionalistischen Ansätzen.
Weltsystem-Theorie (z.B. Immanuel Wallerstein, Giovanni Arrighi, Beverly Silver, Jason W. Moore): Betonen die ausbeuterische Natur der Produktionsverhältnisse und deren ungleiche Machtverteilung, nicht innerhalb eines kapitalistischen Staates, sondern auf der globalen Ebene: zwischen Industriestaaten (dem Zentrum), den so genannten “Entwicklungsstaaten” (der Peripherie) und Staaten zwischen Zentrum und Peripherie, die als Semi-Peripherie bezeichnet werden.
Neo-Gramscianische und Hegemonietheorien (Antonio Gramsci, Ernesto Laclau, Chantal Mouffe, Robert Cox) betonen politische, kulturelle und identitäre Aspekte im Kampf um die dominante Produktionsform und Klassenverhältnisse (Hegemonie). Vorstellungen und Diskurse sind zusammen mit institutioneller und materieller Macht bestimmende Faktoren der Hegemonie, die immer kontingent und historisch sowie räumlich geprägt ist.
Öko-Marxismus (John Bellamy Foster, Paul Burke,James O’Connor, etc.): Öko-Marxismus entstand Ende der 1980er Jahre aus einer Kritik an der mangelnden Klassenperspektive im ökologischen Denken sowie eine Abwesenheit von ökologischen Beiträgen im Marxismus (O'Connor 1988). Die Wissenschaftler*innen wurden von der sogenannten neuen Sozialen Bewegung inspiriert und streben, “rotes” mit “grünem Denken” zu verknüpfen. Zentral für diesen Ansatz ist, Marx hinsichtlich der ökologischen Dimensionen der Kapitalreproduktion neu zu lesen. Eines der bekanntesten Argumente bezieht sich auf den zweiten Widerspruch des Kapitalismus, welcher besagt, dass Kapitalakkumulation die Grundlagen der eigenen Existenz zerstört (Natur). Zudem argumentieren Öko-Marxist*innen, dass die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Natur als Metabolismus verstanden werden sollten: der Austausch von Materie zwischen Gesellschaft und Natur wird durch verschiedene Produktionsweisen vermittelt. Ähnlich wie bei der Entfremdung der Arbeiter*innen, sind Menschen von der Natur entfremdet, wodurch es ein Ungleichgewicht zwischen dem ökologischen und dem ökonomischen Kreislauf gibt. Dieses Ungleichgewicht verstärkt sich mit der Ausweitung der Kapitalakkumulation und wird als metabolischer Bruch bezeichnet (Foster et al. 2011). Im Anbetracht der aktuellen ökologischen Krise (von Ressourcen, Energie, Klima, etc.), ist Öko-Sozialismus für diesen Strang eine tragfähige Vision (see e.g. Löwy 2005).
Feministischer Marxismus (Maria Mies, Silvia Federici, Frigga Haug, etc.): Im Fokus feministischer Marxist*innen steht die Unterdrückung von Frauen durch Kapitalismus und Patriarchat. Ein wichtiger Aspekt sind die Arbeitsorganisation und unbezahlte Care-Aktivitäten. Hierbei weisen sie auf blinde Flecken der Marxistischen Analyse hin, insbesondere die von Frauen geleistete Reproduktionsarbeit. In Marx’ Analyse der Ausbeutung der Arbeitskraft zahlen Kapitalist*innen Arbeiter*innen einen Lohn für die Reproduktion der Arbeitskraft. Diese schließt aber nur den Güterkonsum und nicht Care-Arbeit ein. Die “Lohn für Hausarbeit”-Debatte, die von feministischen Marxist*innen in den 1970er Jahren initiiert wurde (Mariarosa Dalla Costa, Silvia Federici), hoben diesen blinden Fleck hervor und dienten als Ausgangspunkt für weitere feministische Analysen von Reproduktionsarbeit.
Da die meisten Bereiche der MPÖ eine Beschränkung der Analyse des Kapitalismus auf die ökonomische Sphäre zurückweisen, gibt es viele Verbindungen zu anderen Disziplinen. Kritische und Marxistische Analysen sind sowohl in Soziologie, Politikwissenschaft, den internationalen Beziehungen, Internationaler Politischer Ökonomie, als auch in Linguistik, Geographie, Psychologie (insbesondere in Bezug auf Freund und Lacan), Sozialphilosophie und Psychologie aufzufinden.
Resnick und Wolff (2006) stellen Marxistische und Neoklassische Ökonomik gegenüber, indem sie auf deren unterschiedliche Zugänge zur Analyse von Gesellschaft und Ökonomie hinweisen: während die Neoklassik von rationalen, eigennützigen Individuen ausgeht, die über den Markt in einer Welt knapper Ressourcen miteinander interagieren, findet der Zugang der MPÖ über die Analyse von Klassen statt, in Bezug auf Macht- oder Eigentumsverhältnisse. Diese unterschiedlichen Zugänge haben einen starken Einfluss darauf, wie die Wirtschaft analysiert wird, beispielsweise hinsichtlich des Einkommens von Individuen: laut MPÖ hängt dieses nicht von der freien Entscheidung über das eigenen Arbeitsangebot oder der Grenzproduktivität ab, sondern von der Aneignung des Mehrwerts durch die Kapitalist*innen. Die MPÖ kritisiert hierbei, dass die Neoklassik Machtbeziehungen zwischen Klassen ignoriert, die das Verhalten und die Entscheidungen von Individuen beeinflussen. Zudem betont die MPÖ, dass Individuen über multiple soziale, ökonomische und politische Strukturen miteinander interagieren, und nicht über die Vermittlung von Angebot und Nachfrage über den Markt. Dieses sozio-ökonomische Verhältnis ist durch die Produktionsweise, Kapitalismus, bestimmt, der von Hierarchien und Konflikten gekennzeichnet ist. Die Wirtschaft ist somit keine reine Austauschplattfom unter gleichen Individuen. In der MPÖ wir der Kapitalismus als eine Produktionsweise betrachtet, die sich historisch herausgebildet hat. Andere Weisen (Sklaverei, Feudalismus) existierten zuvor und neue können sich herausbilden (Sozialismus). Die historische Analyse und die dynamische Zeitauffassung sind zentral für das Verständnis der aktuellen wirtschaftlichen Struktur.
Des Weiteren haben Marxistische und Neoklassische Ökonomik unterschiedliche Verständnisse von Kapital, einer zentralen Kategorie der Marxistischen Analyse. Die Neoklassische Auffassung von Kapital ist sehr weitläufig und schließt Geld, Produktionsmittel, aber auch Wissen und soziale Netzwerke mit ein (menschliches und soziales Kapital). In der MPÖ sind diese Kapital, wenn sie im Produktionsprozess durch Lohnarbeit verwendet werden. Kapital ist eine soziale Beziehung, welche durch die Ausbeutung von Arbeitskraft bestimmt ist.
Auch wenn Marxistische Politische Ökonomie auf bestimmte Gesetzmäßigkeiten hinweist, betont sie, dass es nicht eine, sondern verschiedene Wahrnehmungen der gesellschaftlichen und ökonomischen Realität gibt. Somit gibt es nicht eine objektive Realität, die auf die beste Art und Weise analysiert werden muss, sondern diese hängt von den Wissenschaftler*innen und den verwendeten Methoden ab. Zudem wird der politische Charakter von Wissenschaft betont. Denn diese spielt eine zentrale Rolle, um gewisse Politiken und soziale Ordnungen zu legitimieren und zu normalisieren, während andere verunmöglicht werden. MPÖ heben somit ihre soziale Verantwortung hervor (real world economics).
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· Monthly Review
· Global Labour Journal
· Historical Materialism
· Capitalism Nature Socialism
· Capital and Class
· International Socialism
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· Review of Radical Political Economy
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Autor*innen: Andreas Dimmelmeier, Andrea Pürckhauer und Anil Shah
| 18. Dezember 2016
Schirmherr und akademischer Review: Dr. Johannes Jäger