Friedrich Wilhelm Nietzsche (Aussprache: [ˈniːtʃə]; * 15. Oktober 1844
in Röcken; † 25. August 1900 in Weimar) war ein deutscher klassischer Philologe.
Erstpostum machten ihn seine Schriften
als Philosophen weltberühmt. Im
Nebenwerk schuf er Dichtungen und musikalische Kompositionen. Ursprünglich preußischer Staatsbürger, war er seit seiner Übersiedlung nach Basel 1869 staatenlos.[1]
Im Alter von 24 Jahren wurde Nietzsche unmittelbar im Anschluss an sein Studium Professor für klassische Philologie in Basel. Bereits zehn Jahre später legte er 1879 aus gesundheitlichen Gründen die Professur nieder. Von nun an bereiste er – auf der Suche nach Orten, deren Klima sich günstig auf seine Migräne und Magenleiden auswirken sollte – Frankreich, Italien, Deutschland und die Schweiz. Ab seinem 45. Lebensjahr (1889) litt er unter einer schweren psychischen Krankheit, die ihn arbeits- und geschäftsunfähig machte. Seinen Anfang der 1890er Jahre rasch einsetzenden Ruhm hat er deshalb nicht mehr bewusst erlebt. Er verbrachte den Rest seines Lebens als Pflegefall in der Obhut zunächst seiner Mutter, dann seiner Schwester, und starb 1900 im Alter von 55 Jahren.
Den jungen Nietzsche beeindruckte besonders die Philosophie Schopenhauers. Später wandte er sich von
dessen Pessimismus ab und stellte
eine radikale Lebensbejahung in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Sein Werk enthält scharfe Kritiken an Moral, Religion, Philosophie, Wissenschaft und Formen
der Kunst. Die zeitgenössische Kultur war in seinen Augen
lebensschwächer als die des antiken Griechenlands. Wiederkehrendes Ziel von Nietzsches Angriffen ist vor allem die christliche Moral sowie die christliche
und platonistische Metaphysik. Er stellte den Wert der Wahrheit überhaupt
in Frage und wurde damit Wegbereiter
postmoderner philosophischer Ansätze. Auch Nietzsches Konzepte des „Übermenschen“, des „Willens zur Macht“ oder der „ewigen Wiederkunft“ geben bis heute Anlass zu
Deutungen und Diskussionen.
Nietzsches Denken hat weit über die Philosophie hinaus gewirkt und ist bis heute unterschiedlichsten Deutungen und Bewertungen unterworfen. Nietzsche schuf keine systematische Philosophie. Oft wählte er den Aphorismus als Ausdrucksform seiner Gedanken. Seine Prosa, seine Gedichte und der pathetisch-lyrische Stil von Also sprach Zarathustra verschafften ihm auch Anerkennung als Schriftsteller.
Friedrich Nietzsche wurde am 15. Oktober 1844 in Röcken geboren, einem Dorf nahe Lützen in der preußischen Provinz Sachsen, heute Sachsen-Anhalt. Seine Eltern waren der lutherische Pfarrer Carl Ludwig Nietzsche und dessen Frau Franziska. Seit der Reformation im 16. Jahrhundert ist die Familie Nietzsche in Sachsen als evangelisch dokumentiert. In den Familien beider Elternteile gab es einen hohen Anteil protestantischer Pfarrer. Seinen Vornamen gab ihm sein Vater zu Ehren des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., an dessen 49. Geburtstag er geboren wurde. Nietzsche selbst behauptete in seinen späten Jahren, in väterlicher Linie von polnischen Edelleuten abzustammen,[2] was jedoch nicht bestätigt werden konnte.
Die Schwester Elisabeth kam 1846 zur Welt.
Nach dem Tod des Vaters 1849 und des jüngeren Bruders Ludwig Joseph (1848–1850) zog die Familie nach
Naumburg. Der spätere
Justizrat Bernhard Dächsel wurde formal zum Vormund der Geschwister Friedrich und Elisabeth
bestellt.
Von 1850 bis 1856 lebte Nietzsche im „Naumburger Frauenhaushalt“, das heißt zusammen mit Mutter, Schwester, Großmutter, zwei unverheirateten Tanten väterlicherseits und dem Dienstmädchen. Erst die Hinterlassenschaft der 1856 verstorbenen Großmutter erlaubte der Mutter, für sich und ihre Kinder eine eigene Wohnung zu mieten. Der junge Nietzsche besuchte zunächst die allgemeine Knabenschule, fühlte sich dort allerdings so isoliert, dass man ihn auf eine Privatschule schickte, wo er erste Jugendfreundschaften mit Gustav Krug und Wilhelm Pinder, beide aus angesehenen Häusern, knüpfte. Ab 1854 besuchte er das Domgymnasium Naumburg und fiel bereits dort durch seine besondere musische und sprachliche Begabung auf. 1857 bereitete Pastor Gustav Adolf Oßwald, ein enger Freund seines Vaters, ihn in Kirchscheidungen für die Aufnahmeprüfung in Schulpforta vor. Am 5. Oktober 1858 wurde Nietzsche als Stipendiat in die Landesschule Pforta aufgenommen, wo er als bleibende Freunde Paul Deussen und Carl Freiherrn von Gersdorff kennenlernte. Seine schulischen Leistungen waren sehr gut, in seiner Freizeit dichtete und komponierte er.[3] In Schulpforta entwickelte sich zum ersten Mal seine eigene Vorstellung von der Antike und, damit einhergehend, eine Distanz zur kleinbürgerlich-christlichen Welt seiner Familie. In dieser Zeit lernte Nietzsche auch den älteren, einstmals politisch engagierten Dichter Ernst Ortlepp kennen, dessen Persönlichkeit den vaterlosen Knaben beeindruckte. Von Nietzsche besonders geschätzte Lehrer, mit denen er nach seiner Schulzeit noch in Verbindung blieb, waren Wilhelm Corssen, der spätere Rektor Diederich Volkmann und Max Heinze, der 1897, als Nietzsche entmündigt war, zu dessen Vormund bestellt wurde.
Gemeinsam mit seinen Freunden Pinder und Krug traf sich Nietzsche ab 1860 auf der Burgruine Schönburg, wo er mit ihnen über Literatur, Philosophie, Musik und Sprache diskutierte. Mit Ihnen gründete er dort die künstlerisch-literarische Vereinigung „Germania“. Die Gründungsfeier fand am 25. Juli 1860 statt: „…bei Naumburger Rotwein (die Flasche zu 75 Pfennige) leisteten die drei sechzehnjährigen Vereinsmitglieder ihren Bundesschwur. Gedichte, Kompositionen, Abhandlungen mußten regelmäßig geliefert werden. Man wollte dann gemeinsam darüber diskutieren“.[4] Die Versammlungen fanden vierteljährlich statt. Auf ihnen wurden Vorträge gehalten. Es gab auch eine Gemeinschaftskasse, aus der Bücher beschafft wurden. Bereits in dieser Zeit entwickelte Nietzsche seine Leidenschaft zur Musik Richard Wagners. Zu Nietzsches frühen Werken, die vor dem Hintergrund der Schönburger Germania entstanden sind, zählen die „Synodenvorträge“, „Kindheit der Völker“, „Fatum und Geschichte“, sowie „Über das Dämonische in der Musik“. 1863 wurde die „Germania“ aufgelöst, nachdem Pinder und Krug ihr Interesse daran verloren hatten.
Im Wintersemester 1864/65 begann Nietzsche an der Universität Bonn das Studium der klassischen Philologie und der evangelischen Theologie unter anderem bei Wilhelm Ludwig Krafft.[5] Zusammen mit Deussen wurde er Mitglied der Bonner Burschenschaft Frankonia. Er bestritt freiwillig eine Mensur, von welcher er einen Schmissauf dem Nasenrücken zurückbehielt.[6] Nach einem Jahr verließ er die Burschenschaft, weil ihm das Verbindungsleben missfiel. Neben seinem Studium vertiefte er sich in die Werke der Junghegelianer, darunter Das Leben Jesu von David Friedrich Strauß, Das Wesen des Christentums von Ludwig Feuerbach und Bruno Bauers Evangelienkritiken. Diese bestärkten ihn (zur großen Enttäuschung seiner Mutter) in dem Entschluss, das Theologiestudium nach einem Semester abzubrechen.
Nietzsche wollte sich nun ganz auf die klassische Philologie konzentrieren, war jedoch mit seiner Lage in Bonn unzufrieden. Daher nahm er den Wechsel des Philologieprofessors Friedrich Ritschl nach Leipzig (in Folge des Bonner Philologenstreits) zum Anlass, zusammen mit seinem Freund Gersdorff ebenfalls nach Leipzig zu ziehen. In den folgenden Jahren sollte Nietzsche zu Ritschls philologischem Musterschüler werden, obwohl er in Bonn noch dessen Konkurrenten Otto Jahn zugeneigt war. Ritschl war für Nietzsche zeitweise eine Vaterfigur, ehe später Richard Wagner (s.u.) diese Stelle einnahm.
Im Oktober 1865, kurz bevor Nietzsche das Studium in Leipzig aufnahm, verbrachte er zwei Wochen in Berlin bei der Familie seines Studienfreundes Hermann Mushacke. Dessen Vater hatte in den 1840er Jahren zu einem Debattierzirkel um Bruno Bauer und Max Stirner gehört. Dass Nietzsche bei diesem Besuch mit Stirners berüchtigtem, 1845 erschienenen Buch Der Einzige und sein Eigentum konfrontiert wurde, liegt nahe, lässt sich aber nicht belegen.[7] Jedenfalls wandte Nietzsche sich unmittelbar danach einem Philosophen zu, der Stirner und dem Junghegelianismus denkbar fernstand: Arthur Schopenhauer. Ein weiterer Philosoph, den er in seiner Leipziger Zeit für sich entdeckte, war Friedrich Albert Lange, dessen Geschichte des Materialismus 1866 erschien. In erster Linie setzte Nietzsche jedoch zunächst sein philologisches Studium fort. In dieser Zeit knüpfte er eine enge Freundschaft mit seinem Kommilitonen Erwin Rohde.
Hatte er im sogenannten Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich, in dessen Verlauf auch Leipzig preußisch besetzt wurde, noch seine militärische Einberufung vermeiden können, so wurde Nietzsche nun (1867) als Einjährig-Freiwilliger bei der preußischen Artillerie in Naumburg verpflichtet. Nach einem schweren Reitunfall im März 1868 dienstunfähig geworden, nutzte er die Zeit seiner Kur zu weiteren philologischen Arbeiten, die er in seinem letzten Studienjahr fortsetzte. Von großer Bedeutung sollte sein erstes Zusammentreffen mit Richard Wagner im Jahre 1868 werden.
Auf Empfehlung Friedrich Ritschls und Betreiben Wilhelm Vischer-Bilfingers wurde Nietzsche 1869, noch bevor er seine Promotion (honoris causa) erhalten und seineHabilitation absolviert hatte, zum außerordentlichen Professor für klassische Philologie an die Universität Basel berufen.[8] Zu seiner Tätigkeit gehörte auch das Lehren am Basler Gymnasium am Münsterplatz (Pädagogium). Als seine wichtigste Erkenntnis auf dem Gebiet der Philologie sah er die Entdeckung an, dass die antike Metrik, im Gegensatz zur modernen, akzentuierenden Metrik, ausschließlich auf der Länge von Silben basierte (quantitierendes Prinzip).[9]
Auf eigenen Wunsch wurde Nietzsche nach seiner Übersiedlung nach Basel aus der preußischen Staatsbürgerschaft entlassen und blieb für den Rest seines Lebens staatenlos.[1] Allerdings diente er im Deutsch-Französischen Krieg für kurze Zeit als Sanitäter auf deutscher Seite. In dieser Zeit zog er sich eine schwere Dysenterie- undDiphtherieerkrankung zu, deren Rekonvaleszenz von längerer Dauer war. Die Gründung des Deutschen Reichs und die anschließende Ära Otto von Bismarcks nahm er von außen und mit einer grundsätzlichen Skepsis wahr.
In Basel begann 1870 die bis in die Zeit von Nietzsches geistiger Umnachtung andauernde Freundschaft zu seinem Kollegen Franz Overbeck, einem atheistischenTheologieprofessor. Nietzsche schätzte auch den älteren Kollegen Jacob Burckhardt, der ihm gegenüber jedoch höflich, aber bestimmt Distanz wahrte.
Bereits im Jahre 1868 hatte Nietzsche in Leipzig Richard Wagner und dessen spätere Frau Cosima kennengelernt. Er verehrte beide zutiefst und war seit Beginn seiner Zeit in Basel häufig Gast im Haus des „Meisters“ in Tribschen bei Luzern. Dieser nahm ihn zwar zeitweise mit in seinen engsten Kreis auf, schätzte ihn aber vor allem als Propagandisten für die Gründung des Bayreuther Festspielhauses.
1872 veröffentlichte Nietzsche sein erstes größeres Werk, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, eine Untersuchung über den Ursprung der Tragödie, in der er die exakte philologische Methode durch philosophische Spekulation ersetzte. Er entwickelte darin seine Kunstpsychologie, indem er die griechische Tragödie aus dem Begriffspaar apollinisch-dionysisch zu erklären versuchte.[10] Die Schrift wurde von den meisten seiner altphilologischen Kollegen – auch von Ritschl – abgelehnt und mit Schweigen übergangen. Durch Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs Polemik Zukunftsphilologie! kam es zwar doch noch zu einer kurzen öffentlichen Kontroverse, in die Rohde, inzwischen Professor in Kiel, und sogar Wagner auf Nietzsches Seite eingriffen; aber Nietzsche wurde sich seiner Isolation in der Philologie noch mehr bewusst, derentwegen er sich schon Anfang 1871 um den freiwerdenden Basler philosophischen Lehrstuhl Gustav Teichmüllers beworben hatte. Dieser wurde aber mit Rudolf Eucken besetzt.
Auch die vier Unzeitgemäßen Betrachtungen (1873–1876), in denen er eine von Schopenhauer und Wagner beeinflusste Kulturkritik übte, fanden nicht die erhoffte Resonanz. Im Umkreis Wagners hatte Nietzsche inzwischen Malwida von Meysenbug und Hans von Bülow kennengelernt, und auch die Freundschaft mit Paul Rée, dessen Einfluss ihn vom Kulturpessimismus seiner ersten Schriften abbrachte, begann. Seine Enttäuschung über die ersten Bayreuther Festspiele von 1876, wo er sich von der Banalität des Schauspiels und der Niveaulosigkeit des Publikums abgestoßen fühlte, nahm Nietzsche zum Anlass, sich von Wagner zu entfernen. Seine frühere unterwürfige Anhängerschaft schlug in Ablehnung und schließlich radikale Gegnerschaft um. Mit der Publikation von Menschliches, Allzumenschliches (1878) wurde die Entfremdung von Wagner und von der Schopenhauerschen Philosophie offenbar. Auch die Freundschaften zu Deussen und Rohde hatten sich inzwischen merklich abgekühlt. In dieser Zeit unternahm Nietzsche mehrere vergebliche Versuche, eine junge und vermögende Ehefrau für sich zu finden, worin er vor allem von der mütterlichen Gönnerin Malwida von Meysenbug unterstützt wurde. Außerdem nahmen die seit seiner Kindheit auftretenden Krankheiten (Migräneanfälle und Magenstörungen sowie eine starke Kurzsichtigkeit, die letztlich bis zur praktischen Blindheit führte) zu und zwangen ihn zu immer längeren Urlauben von seiner Lehrtätigkeit. 1879 musste er sich deswegen schließlich vorzeitig pensionieren lassen.
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Getrieben von seinen Krankheiten auf der ständigen Suche nach für ihn optimalen Klimabedingungen, reiste er nun viel und lebte bis 1889 als freier Autor an verschiedenen Orten. Dabei lebte er vor allem von der ihm gewährten Pension, erhielt aber mitunter auch Zuwendungen von Freunden. Im Sommer hielt er sich meist in Sils-Maria, im Winter vorwiegend in Italien (Genua, Rapallo, Turin) und in Nizza auf. Hin und wieder besuchte er auch die Familie in Naumburg, wobei es mehrfach zu Zerwürfnissen und Versöhnungen mit seiner Schwester kam. Sein früherer Schüler Peter Gast (eigtl. Heinrich Köselitz) wurde zeitweilig zu einer Art Privatsekretär. Köselitz und Overbeck waren Nietzsches beständigste Vertraute.
Aus dem Wagnerkreis war ihm vor allem Meysenbug als mütterliche Gönnerin erhalten geblieben. Kontakt hielt er außerdem mit dem Musikkritiker Carl Fuchs und zunächst auch mit Paul Rée. Anfang der 1880er erschienen mit Morgenröte und Die fröhliche Wissenschaft weitere Werke im aphoristischen Stil von Menschliches, Allzumenschliches.
1882 lernte er durch Vermittlung von Meysenbug und Rée in Rom Lou von Salomé kennen. Nietzsche fasste schnell weitreichende Pläne für die „Dreieinigkeit“ mit Rée und Salomé. Die Annäherung an die junge Frau gipfelte in einem mehrwöchigen gemeinsamen Aufenthalt in Tautenburg, mit Nietzsches Schwester Elisabeth als Anstandsdame. Nietzsche sah in Salomé bei aller Wertschätzung weniger eine gleichwertige Partnerin als eine begabte Schülerin. Er verliebte sich in sie, hielt über den gemeinsamen Freund Rée um ihre Hand an, doch Salomé lehnte ab. Unter anderem aufgrund von Intrigen Elisabeths zerbrach die Beziehung zu Rée und Salomé im Winter 1882/1883. Nietzsche, der angesichts neuer Krankheitsschübe und seiner nunmehr beinahe vollständigen Isolation – mit Mutter und Schwester hatte er sich wegen Salomé überworfen – von Suizidgedanken geplagt wurde, flüchtete nach Rapallo, wo er in nur zehn Tagen den ersten Teil von Also sprach Zarathustra zu Papier brachte.
Waren ihm schon nach dem Bruch mit Wagner und der Philosophie Schopenhauers nur wenige Freunde erhalten geblieben, so stieß der völlig neue Stil im Zarathustra selbst im engsten Freundeskreis auf Unverständnis, das allenfalls durch Höflichkeit überdeckt wurde. Nietzsche war sich dessen durchaus bewusst und pflegte seine Einsamkeit geradezu, wenn er auch oft darüber klagte. Den kurzzeitig gehegten Plan, als Dichter an die Öffentlichkeit zu treten, gab er auf. Daneben plagten ihn Geldsorgen, denn seine Bücher wurden so gut wie nicht gekauft. Den vierten Teil des Zarathustra gab er 1885 nur noch als Privatdruck mit einer Auflage von 40 Exemplaren heraus, die als Geschenk für „solche, die sich um ihn verdient machten“, gedacht waren und von denen Nietzsche letztlich aber lediglich sieben verschenkte.
1886 ließ er Jenseits von Gut und Böse auf eigene Kosten drucken. Mit diesem Buch und den 1886/87 erscheinenden Zweitauflagen von Geburt,
Menschliches, Morgenröte und Fröhlicher
Wissenschaft sah er sein Werk als vorerst abgeschlossen an und hoffte, dass sich bald eine Leserschaft entwickeln würde. Tatsächlich stieg das Interesse an Nietzsche, wenn auch
sehr langsam und von ihm selbst kaum bemerkt.
Neue Bekanntschaften Nietzsches in diesen Jahren waren Meta von Salis und Carl Spitteler, auch ein Treffen mit Gottfried Keller war zustande gekommen. 1886 war seine Schwester, inzwischen verheiratet mit dem Antisemiten Bernhard Förster, nach Paraguay abgereist, um die „germanische“ Kolonie Nueva Germania zu gründen – ein Vorhaben, das Nietzsche lächerlich fand. Im brieflichen Kontakt setzte sich die Abfolge von Streit und Versöhnung fort, persönlich sollten sich die Geschwister aber erst nach Friedrichs Zusammenbruch wiedersehen.
Nietzsche hatte weiterhin mit wiederkehrenden schmerzhaften Anfällen zu kämpfen, die ein konstantes Arbeiten unmöglich machten. 1887 schrieb er in kurzer Zeit die Streitschrift Zur Genealogie der Moral. Er wechselte Briefe mit Hippolyte Taine, dann auch mit Georg Brandes, der Anfang 1888 in Kopenhagen die ersten Vorträge über Nietzsches Philosophie hielt.
Im selben Jahr schrieb Nietzsche fünf Bücher, teilweise aus umfangreichen Aufzeichnungen für das zeitweise geplante Werk Der Wille zur Macht. Sein Gesundheitszustand hatte sich vorübergehend gebessert, im Sommer war er in regelrechter Hochstimmung. Seine Schriften und Briefe ab Herbst 1888 jedoch lassen bereits auf seinen beginnenden Größenwahn schließen. Die Reaktionen auf seine Schriften, vor allem auf die Polemik Der Fall Wagner vom Frühjahr, wurden von ihm maßlos überbewertet. An seinem 44. Geburtstag entschloss er sich, nach der Vollendung der Götzen-Dämmerung und des zunächst zurückgehaltenen
Antichrist, die Autobiographie Ecce homo zu schreiben. Im Dezember begann ein Briefwechsel mit August Strindberg. Nietzsche glaubte, kurz vor dem internationalen Durchbruch zu stehen, und versuchte, seine alten Schriften vom ersten Verleger zurückzukaufen. Er plante Übersetzungen in die wichtigsten europäischen Sprachen. Überdies beabsichtigte er die Veröffentlichung der Kompilation Nietzsche contra Wagner und der Gedichte Dionysos-Dithyramben.
Anfang Januar 1889 erlitt er in Turin einen geistigen Zusammenbruch.[11] Kleine Schriftstücke, sogenannte „Wahnzettel“, die er an enge Freunde, aber auch zum Beispiel an Cosima Wagner und Jacob Burckhardt und sogar Umberto I. von Italien sandte, waren eindeutig vom Wahnsinn gezeichnet. Als Ursache für den Zusammenbruch wurde progressive Paralyse als Folge von Syphilis vermutet. Diese Diagnose und die Ursache für Nietzsches Krankheitsbild überhaupt bleiben allerdings zweifelhaft und sind bis heute umstritten.[12]
Der durch die Wahnzettel an Burckhardt und ihn selbst alarmierte Overbeck brachte Nietzsche zunächst in die von Ludwig Wille geleitete Irrenanstalt Friedmatt in Basel. Von dort wurde der inzwischen geistig vollständig Umnachtete von seiner Mutter in die Psychiatrische Universitätsklinik in Jena unter Leitung Otto Binswangers gebracht. Ein Heilungsversuch Julius Langbehns, der von sich aus Kontakt zur Mutter aufgenommen hatte, scheiterte. 1890 durfte die Mutter ihn schließlich bei sich in Naumburg aufnehmen. Zu dieser Zeit konnte er zwar gelegentlich kurze Gespräche führen, Erinnerungsfetzen hervorbringen und unter einige Briefe von der Mutter diktierte Grüße setzen, verfiel jedoch schnell und plötzlich in Wahnvorstellungen oder Apathie und erkannte auch alte Freunde nicht wieder.
Über das weitere Verfahren mit den teilweise noch ungedruckten Werken berieten zunächst Overbeck und Köselitz. Letzterer begann eine erste Gesamtausgabe. Gleichzeitig setzte eine erste Welle der Nietzsche-Rezeption ein.
Elisabeth Förster-Nietzsche kehrte nach dem Suizid ihres Mannes 1893 aus Paraguay zurück, ließ die bereits gedruckten Bände der
Köselitzschen Ausgabe
einstampfen, gründete das Nietzsche-Archiv und übernahm
von der betagten Mutter Zug um Zug die Kontrolle sowohl über den pflegebedürftigen Bruder als auch über dessen Nachlass und die Herausgabe seiner Werke. Mit Overbeck zerstritt sie sich, während
sie Köselitz für eine weitere Zusammenarbeit gewinnen konnte.
Nietzsche selbst, dessen Verfall sich fortsetzte, bekam von alldem
nichts mehr mit. Nach dem Tod seiner Mutter 1897 lebte er in der Villa Silberblick in Weimar, wo seine Schwester ihn pflegte. Ausgewählten Besuchern –
etwa Rudolf Steiner – gewährte sie das Privileg, zu dem dementen Philosophen vorgelassen zu werden. So berichtete
das Jenaer Volksblatt unter Berufung auf eine Naumburger Zeitung:
"Seine Lebensweise vergeht ganz nach ärztlicher Vorschrift, die seine Kost und Bedienung geregelt hat. Im Uebrigen sitzt er still in sich
versunken da; nur wenn Straßen- oder Kinderlärm an sein Ohr dringt, äußert er unverständliche Laute, beruhigt sich aber wieder, wenn man ihm vorliest, ohne daß er freilich das Gelesene versteht.
Sein Aussehen ist keineswegs ungesund, nur ist es etwas beschwerlich, ihn an- und auszukleiden, weil sich in letzter Zeit eine gewisse Ungelenkigkeit der Glieder bemerklich
macht.[13]"
Von Steiner stammt eine weitere, ausführliche Schilderung des umnachteten Nietzsche.[14] Nach mehreren Schlaganfällen war Nietzsche allerdings teilweise gelähmt und konnte weder stehen noch sprechen. Am 25. August 1900, im Alter von 55 Jahren, starb er an den Folgen einer Lungenentzündung und eines weiteren Schlaganfalls. Er wurde an der Röckener Dorfkirche im Familiengrab beigesetzt.
Nietzsche begann sein Werk als Philologe, begriff sich selbst aber zunehmend als Philosoph oder als „freier Denker“. Er gilt als Meister der aphoristischen Kurzform und des mitreißenden Prosa-Stils. Die Werke sind zuweilen mit einer Rahmenhandlung, Vor- und Nachwort, Gedichten und einem „Vorspiel“ versehen. Einige Interpreten halten selbst die scheinbar wenig strukturierten Aphorismenbücher für geschickt „komponiert“.
Nietzsche hat wie kaum ein zweiter Denker die Freiheit der Methode und der Betrachtung gewählt. Eine definitive Einordnung seiner Philosophie in eine bestimmte Disziplin ist daher schwierig. Nietzsches Herangehensweise an die Probleme der Philosophie ist teils die des Künstlers, teils die des Wissenschaftlers und teils die des Philosophen. Viele Stellen seines Werks können auch als
psychologisch bezeichnet werden, wobei dieser Begriff erst später seine heutige Bedeutung bekam. Zahlreiche Deuter sehen auch einen engen Zusammenhang zwischen seinem Leben und seinem denkerischen Werk, sodass über Nietzsches Leben und Persönlichkeit weit mehr geforscht und geschrieben wird, als dies bei anderen Philosophen der Fall ist.
Oft wird Nietzsches Denken und Werk in bestimmte Perioden eingeteilt. Die folgende Aufteilung geht in Grundzügen auf Nietzsche selbst zurück und ist seit dem Nietzschebuch Lou Andreas-Salomés (1894) in ähnlicher Form von fast allen Interpreten verwendet worden.
Die Wagnerianisch-Schopenhauerische Zeit (1872–1876), die vor allem im Zeichen dieser beiden Männer steht und romantische Einflüsse zeigt. Sie umfasst die Werke:
· Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik
· Unzeitgemäße Betrachtungen:
· David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller
· Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben
· Schopenhauer als Erzieher
· Richard Wagner in Bayreuth
· Die „freigeistige“ Zeit 1876–1882. Nietzsche löst sich zunehmend vom persönlichen Einfluss Wagners und von der philosophischen Prägung durch Schopenhauer. Vor allem zu Beginn dieser Periode steht die wissenschaftlich-empirische Erkenntnis im Vordergrund. Daher wird diese Phase in Nietzsches Werk auch oft als „positivistisch“ bezeichnet. An Stelle der früheren zusammenhängenden Abhandlungen treten jetzt Aphorismensammlungen, worin sich unter anderem der Einfluss der von Nietzsche sehr geschätzten französischen Moralisten widerspiegelt:
· Menschliches, Allzumenschliches (mit zwei Fortsetzungen)
· Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile
· Die fröhliche Wissenschaft.
· Das zentrale Werk Also sprach Zarathustra (1883–1885), in dem neue Lehren in symbolisch-dichterischer Sprache formuliert werden. Oft werden Also sprach Zarathustra und die Spätschriften zusammengefasst.
· Die späten Werke (1886–1888), in denen die bisherigen Ansätze weiter ausgeführt und zunehmend in polemische Schärfe gebracht werden. Neben Aphorismen und Sentenzen finden sich nun wieder längere Abhandlungen. Zu dieser Periode zählen:
· Jenseits von Gut und Böse
· Zur Genealogie der Moral
· Der Fall Wagner und Nietzsche contra Wagner
· Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt
· Der Antichrist
· Ecce homo (Autobiographie, kann demselben Kreis zugerechnet werden).
Es gibt allerdings einige Überschneidungen und Brüche in diesem Schema. So fügte Nietzsche den Zweitauflagen der Geburt der Tragödie und der Fröhlichen Wissenschaft von 1887 ein selbstkritisches Vorwort bzw. ein fünftes Buch hinzu. Bedeutsam ist auch die zu Lebzeiten unveröffentlichte Schrift Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne von 1872, in der Nietzsche viele seiner späteren Gedanken vorwegnimmt. Einige Themen – etwa das Verhältnis von Kunst und
Wissenschaft – behandelt Nietzsche in allen Zeiträumen, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven und mit entsprechend unterschiedlichen Antworten.
Neben seinen philosophischen Betrachtungen veröffentlichte Nietzsche auch Gedichte, in denen seine philosophischen Gedanken bald heiter, bald dunkel und schwermütig ausgedrückt werden. Sie hängen mit den Prosawerken zusammen: Die Idyllen aus Messina (1882) gingen in die zweite Auflage der Fröhlichen Wissenschaft ein, während einige der Dionysos-Dithyramben (1888/89) Überarbeitungen von Stücken aus Also sprach Zarathustra sind.
Lange Zeit umstritten war die Bedeutung von Nietzsches Nachlass, dessen Rezeption zudem von der fragwürdigen Publikation durch das Nietzsche-Archiv erschwert wurde (vergleiche Nietzsche-Ausgabe). Extrempositionen bezogen hier einerseits Karl Schlechta, der zumindest im vom Archiv publizierten Nachlass nichts fand, was nicht auch in Nietzsches veröffentlichten Werken zu finden sei;[16] und andererseits etwa Alfred Baeumler und Martin Heidegger, die Nietzsches veröffentlichtes Werk nur als „Vorhalle“ sahen, während sich die „eigentliche Philosophie“ im Nachlass befinde.[17] Inzwischen herrscht eine mittlere Position vor, die den Nachlass als Ergänzung der veröffentlichten Werke begreift und darin ein Mittel sieht, Nietzsches Denkwege und Entwicklungen besser nachzuvollziehen.
Nietzsches Denken ist auf viele unterschiedliche Weisen interpretiert worden. Es enthält Brüche, verschiedene Ebenen und fiktive Standpunkte lyrischer Personen („Ein Fälscher ist, wer Nietzsche interpretiert, indem er Zitate aus ihm benutzt. […] Im Bergwerk dieses Denkers ist jedes Metall zu finden: Nietzsche hat alles gesagt und das Gegenteil von allem.“, Giorgio Colli). Eine kanonische Wiedergabe ist sehr schwierig.
Die Frage, ob das weitgehende Fehlen einer Systematik von Nietzsche beabsichtigt war, somit Ausdruck seiner Weltsicht ist, hat man in der Rezeption ausführlich diskutiert. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird sie vorwiegend bejaht. Vergleiche hierzu unten den Abschnitt Kritik an Religion, Metaphysik und Erkenntnistheorie.
Eines der wichtigsten Objekte von Nietzsches Kritik spätestens seit Menschliches, Allzumenschliches ist die Moral im Allgemeinen und die christliche Moral im Besonderen. Nietzsche wirft der bisherigen Philosophie und Wissenschaft vor, herrschende Moralvorstellungen unkritisch übernommen zu haben; wahrhaftig freies und aufgeklärtes Denken habe sich dagegen, wie der Titel eines Buchs sagt, Jenseits von Gut und Böse zu stellen. Dies hätten alle abendländischen Philosophen seit Platon, insbesondere auch Kant, versäumt.[18] Nietzsche untersucht oft Werturteile nicht auf ihre vermeintliche Gültigkeit hin, sondern beschreibt Zusammenhänge zwischen der Erschaffung von Werten durch einen Denker oder eine Gruppe von Menschen und deren biologisch-psychologischer Verfassung. Es geht ihm also um die Frage des Werts von moralischen Systemen überhaupt:
„Alle Wissenschaften haben nunmehr der Zukunfts-Aufgabe der Philosophen vorzuarbeiten:
diese Aufgabe dahin verstanden, dass der Philosoph das Problem vom Werthe zu lösen hat, dass er die Rangordnung der Werthe zu bestimmen hat.“
– Zur Genealogie der Moral[19]
Diese Form der Kritik auf einer Meta-Ebene ist ein typisches Kennzeichen von Nietzsches
Philosophie. Vergleiche: Metaethik.
Er selbst führt diese Kritik mit Methoden der Geschichts-, Kultur- und
Sprachwissenschaft exzessiv aus und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf die Herkunft und Entstehung moralischer Denkweisen, etwa in Zur Genealogie der Moral. Wichtige Begriffe seiner Moralkritik sind:
Herren- und Sklavenmoral
Herrenmoral sei die Haltung der Herrschenden, die zu sich selbst und ihrem Leben Ja sagen könnten, während sie die anderen als „schlecht“ (Wortstamm: „schlicht“) abschätzten. Sklavenmoral sei die Haltung der „Elenden […], Armen, Ohnmächtigen, Niedrigen […], Leidenden, Entbehrenden, Kranken, Hässlichen“[20] die zuerst ihr Gegenüber – die Herrschenden, Glücklichen, Ja-Sagenden – als „böse“ bewerteten und sich selbst dann als deren „guten“ Gegensatz ausmachten. Es sei vor allem die Moral des Christentums gewesen, die eine solche Sklavenmoral zum Teil selbst hervorgerufen, in jedem Fall aber begünstigt und dadurch zur herrschenden Moral gemacht habe.
Ressentiment
Dies sei das Grundempfinden der Sklavenmoral. Aus Missgunst, Neid und Schwäche schüfen sich die „Missratenen“ eine imaginäre Welt (zum Beispiel das christliche Jenseits), in der sie selbst die Herrschenden sein und ihren Hass auf die „Vornehmen“ ausleben könnten.
Mitleid und Mitfreude
Während der Pessimist Schopenhauer Mitleid ins Zentrum seiner Ethik gestellt hat, um seine Philosophie der Verneinung des Lebens umzusetzen, drehte Nietzsche die These vom Mitleiden nach seinem Bruch mit der Schopenhauerschen Philosophie um: Weil das Leben zu bejahen sei, gelte das Mitleid – als Mittel zur Verneinung – als Gefahr. Es vermehre das Leiden in der Welt und stehe dem schöpferischen Willen entgegen, der immer auch vernichten und überwinden müsse – andere oder auch sich selbst.[21] Aktive Mitfreude (im Gegensatz zum passiven Mitleid) oder eine grundsätzliche Lebensbejahung (amor fati) seien die höheren und wichtigeren Werte.
Solche Gedankengänge werden von Nietzsche zu einer immer radikaleren Kritik am Christentum, etwa in Der Antichrist, gebündelt. Dieses sei nicht nur nihilistisch in dem Sinne, dass es der sinnlich wahrnehmbaren Welt jeden Wert abspreche – eine Kritik, die in Nietzsches Verständnis auch den Buddhismus treffe –, sondern im Gegensatz zum Buddhismus auch aus Ressentiment geboren. Das Christentum habe jede höhere Art Mensch und jede höhere Kultur und Wissenschaft behindert. C. A. Bernoulli hebt hervor, dass Nietzsches Anti-Christentum vornehmlich antisemitisch bestimmt ist und dass, wo er ehrlich spricht, „seine Urteile über die Juden allen Antisemitismus an Schärfe weit hinter sich lassen.“[22] In den späteren Schriften steigert Nietzsche die Kritik an allen bestehenden Normen und Werten: Sowohl in der bürgerlichen Moral als auch im Sozialismus und Anarchismus sieht er Nachwirkungen der christlichen Lehren am Werk. Die ganze Moderne leide an décadence. Dagegen sei nun eine „Umwertung aller Werte“ nötig. Wie genau allerdings die neuen Werte ausgesehen hätten, wird aus Nietzsches Werk nicht eindeutig klar. Diese Frage und ihr Zusammenhang mit den Aspekten des Dionysischen, des Willen zur Macht, des Übermenschen und der Ewigen Wiederkunft werden bis heute diskutiert. Die extremsten Aussagen Nietzsches zur Energie der Größe und zum Anti-Humanismus finden sich in einem Nachlass-Fragment von 1884: „…-jene ungeheure Energie der Größe zu gewinnen, um, durch Züchtung und andererseits durch Vernichtung von Millionen Mißratener, den zukünftigen Menschen zu gestalten und nicht zugrunde zu gehen an dem Leid, das man schafft und dessen Gleichen noch nie da war!“[23]
Mit dem Stichwort „Gott ist tot“ wird oft die Vorstellung verbunden, dass Nietzsche den Tod Gottes beschworen oder herbeigewünscht habe. Tatsächlich verstand sich Nietzsche eher als Beobachter. Er analysierte seine Zeit, vor allem die seiner Auffassung nach inzwischen marode gewordene (christliche) Zivilisation. Er war zudem nicht der erste, der die Frage nach dem „Tod Gottes“ stellte. Bereits der junge Hegel äußerte diesen Gedanken und sprach von dem „unendlichen Schmerz“ als einem Gefühl, „worauf die Religion der neuen Zeit beruht – das Gefühl: Gott selbst ist tot“.[24]
Die bedeutendste und meistbeachtete Stelle zu diesem Thema ist der Aphorismus 125 aus der Fröhlichen Wissenschaft mit dem Titel „Der tolle Mensch“. Der stilistisch dichte Aphorismus enthält Anspielungen auf klassische Werke der Philosophie und Tragödie. Dieser Text lässt den Tod Gottes als bedrohliches Ereignis erscheinen. Dem Sprecher darin graut vor der Schreckensvision, dass die zivilisierte Welt ihr bisheriges geistiges Fundament weitgehend zerstört habe:
„Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet, – ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Giebt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? […] Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“[25]
Dieser unfassbare Vorgang werde gerade wegen der großen Dimension
lange brauchen, um in seiner Tragweite erkannt zu werden: „Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Diess ungeheure Ereigniss ist noch unterwegs und wandert, – es ist
noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen.“ Und es wird gefragt: „Ist nicht die Grösse dieser That [Gott getötet zu haben] zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um
nur ihrer würdig zu erscheinen?“[25] Unter anderem aus diesem Gedanken heraus erscheint später die Idee des „Übermenschen“, wie sie vor allem
im Zarathustra
dargestellt wird: „Todt sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“[26]
Das Wort vom Tod Gottes findet sich auch in den Aphorismen 108 und 343 der Fröhlichen Wissenschaft, und es taucht auch mehrmals in Also sprach Zarathustra auf. Danach verwendete Nietzsche es nicht mehr, befasste sich aber weiter intensiv mit dem Thema. Beachtenswert ist hier etwa das nachgelassene Fragment „Der europäische Nihilismus“ (datiert 10. Juni 1887), in dem es heißt: „,Gott‘ ist eine viel zu extreme Hypothese.“[27]
Nietzsche kommt zu dem Schluss, dass mehrere mächtige Strömungen, vor allem das Aufkommen der Naturwissenschaften und der Geschichtswissenschaft, daran mitgewirkt haben, die christliche Weltanschauung unglaubwürdig zu machen und damit die christliche Zivilisation zu Fall zu bringen. Durch die Kritik der bestehenden Moral, wie Nietzsche selbst sie betreibt, werde die Moral hohl und unglaubwürdig und breche schließlich zusammen. Mit dieser radikalisierten Kritik steht Nietzsche einerseits in der Tradition der französischen Moralisten, wie etwa Montaigne oder La Rochefoucauld, die die Moral ihrer Zeit kritisieren, um zu einer besseren zu gelangen; andererseits betont er mehrfach, er bekämpfe nicht nur die Heuchelei von Moral, sondern die herrschenden „Moralen“ selbst – im Wesentlichen immer die christliche. In diesem Sinne bezeichnet er sich selbst als „Immoralisten“.
Es besteht heute weitgehende Übereinstimmung, dass Nietzsche sich nicht als Befürworter des Nihilismus verstand, sondern ihn als Möglichkeit in der (nach)christlichen Moral, vielleicht auch als eine geschichtliche Notwendigkeit sah. Über den Atheismus Nietzsches im Sinne des Nichtglaubens an einen metaphysischen Gott sagen diese Stellen wenig aus. (Siehe hierzu den Abschnitt Kritik an Religion, Metaphysik und Erkenntnistheorie.)
Das Begriffspaar „apollinisch-dionysisch“
wurde zwar schon von Schelling
verwendet, fand aber erst durch Nietzsche Eingang in die Philosophie der Kunst. Mit den Namen der
griechischen Götter Apollon und Dionysos bezeichnet Nietzsche in seiner frühen Schrift Die Geburt der
Tragödie aus dem Geiste der Musik zwei gegensätzliche Prinzipien der Ästhetik. Apollinisch ist demnach der Traum, der schöne Schein, das Helle, die Vision, die Erhabenheit; dionysisch ist der Rausch, die grausame Enthemmung, das Ausbrechen einer dunklen
Urkraft. In der attischen Tragödie ist Nietzsche zufolge die Vereinigung dieser Kräfte gelungen. Das „Ur-Eine“ offenbare sich dem Dichter dabei in der Form von
dionysischer Musik und werde mittels apollinischer Träume in Bilder umgesetzt. Auf der Bühne sei die Tragödie durch den Chor geboren, der dem Dionysischen Raum gibt. Als apollinisches Element komme der Dialog im Vordergrund und der tragische Held hinzu.
Die griechische Tragödie sei durch Euripides und den Einfluss des Sokratismus zugrunde gegangen. Hierdurch sei vor allem das Dionysische, aber auch das Apollinische aus der Tragödie getrieben worden, sie selbst sei zu einem bloß dramatisierten Epos herabgesunken. Die Kunst habe sich in den Dienst des Wissens und sokratischer Klugheit gestellt und sei zur reinen Nachahmung geworden. Erst im Musikdrama Richard Wagners sei die Vereinigung der gegensätzlichen Prinzipien wieder gelungen.
In späteren Schriften rückt Nietzsche von dieser Position ab; insbesondere sieht er in den Werken Wagners jetzt keinen Neuanfang mehr, sondern ein Zeichen des Verfalls. Auch seine grundsätzlichen ästhetischen Betrachtungen variiert er: In den Schriften der „positivistischen“ Periode tritt die Kunst deutlich hinter die Wissenschaft zurück. Nunmehr ist für Nietzsche „der wissenschaftliche Mensch die Weiterentwickelung des künstlerischen“ (Menschliches, Allzumenschliches[28]), ja sogar „[d]as Leben ein Mittel der Erkenntnis“ (Die fröhliche Wissenschaft [29]).
Erst nach Also sprach Zarathustra greift Nietzsche wieder deutlicher auf seine frühen ästhetischen Ansichten zurück. In einem Notizbuch von 1888 heißt es:
„Die Kunst und nichts als die Kunst! Sie ist die große Ermöglicherin des Lebens, die große Verführerin zum Leben, das große Stimulans des Lebens.“[30]
In den späten Schriften entwickelt er auch den Begriff des Dionysischen weiter. Die Gottheit Dionysos dient zur Projektion mehrerer wichtiger Lehren, und Ecce homoschließt mit dem Ausruf: „Dionysos gegen den Gekreuzigten!“ Das Thema des Dionysos ist eine der entscheidenden Konstanten im Leben und Werk Nietzsches, von seiner Geburt der Tragödie bis in den Wahnsinn hinein, wo er mit Dionysos unterschreibt und Cosima Wagner zu seiner Ariadene wird.[31]
Mit der Kritik der Moral hängt eine Kritik bisheriger Philosophien
zusammen. Gegen metaphysische und religiöse Konzepte ist Nietzsche grundsätzlich skeptisch. Die Möglichkeit einer metaphysischen
Welt sei zwar nicht widerlegbar, aber sie gehe uns auch nichts an:
„Es ist wahr, es könnte eine metaphysische Welt geben; die absolute Möglichkeit davon ist kaum zu bekämpfen. […] aber Alles, was […] bisher metaphysische Annahmen werthvoll, schreckenvoll, lustvoll gemacht, was sie erzeugt hat, ist Leidenschaft, Irrthum und Selbstbetrug; die allerschlechtesten Methoden der Erkenntniss, nicht die allerbesten, haben daran glauben lehren. Wenn man diese Methoden, als das Fundament aller vorhandenen Religionen und Metaphysiken, aufgedeckt hat, hat man sie widerlegt. Dann bleibt immer noch jene Möglichkeit übrig; aber mit ihr kann man gar Nichts anfangen, geschweige denn, dass man Glück, Heil und Leben von den Spinnenfäden einer solchen Möglichkeit abhängen lassen dürfte. – Denn man könnte von der metaphysischen Welt gar Nichts aussagen, als ein Anderssein, ein uns unzugängliches, unbegreifliches Anderssein; es wäre ein Ding mit negativen Eigenschaften. – Wäre die Existenz einer solchen Welt noch so gut bewiesen, so stünde doch fest, dass die gleichgültigste aller Erkenntnisse eben ihre Erkenntniss wäre […]“
– Menschliches,
Allzumenschliches[32]
Alle metaphysischen und religiösen Spekulationen seien dagegen
psychologisch erklärbar; sie hätten vor allem der Legitimation bestimmter Moralen gedient. Die jeweilige Art zu denken, die Philosophien der Philosophen sind nach Nietzsche auch aus deren
körperlicher und geistiger Verfassung sowie ihren individuellen Erfahrungen abzuleiten.
„In der That, man thut gut (und klug), zur Erklärung davon, wie eigentlich die entlegensten metaphysischen Behauptungen eines Philosophen zu Stande gekommen sind, sich immer erst zu fragen: auf welche Moral will es (will er –) hinaus?“
– Jenseits von Gut und Böse[33]
Nietzsche wendet diese These auch in seinen Selbstanalysen an und weist wiederholt darauf hin, dass wir die Welt notwendigerweise stets perspektivisch wahrnehmen und auslegen. Schon die Notwendigkeit, sich in Sprache auszudrücken und damit Subjekte und
Prädikate anzusetzen, sei eine vorurteilsbehaftete Auslegung des Geschehens (Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne). Damit behandelte Nietzsche Fragen, die in Ansätzen von der
modernen Sprachphilosophie wieder aufgenommen wurden.
Er würdigt die Skeptiker als den einzigen „anständigen Typus in der Geschichte der Philosophie“ (Der Antichrist [34]) und äußert grundsätzliche Vorbehalte gegen jede Art von philosophischem System. Es sei unredlich zu meinen, die Welt lasse sich in eine Ordnung einpassen:
„Ich misstraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit.“
– Götzen-Dämmerung[35]
In seiner Autobiographie Ecce homo beschreibt er ein letztes Mal sein Verhältnis zu Religion und Metaphysik:
„‚Gott‘, ‚Unsterblichkeit der Seele‘, ‚Erlösung‘, ‚Jenseits‘ lauter Begriffe, denen ich keine Aufmerksamkeit, auch keine Zeit geschenkt habe, selbst als Kind nicht, – ich war vielleicht nie kindlich genug dazu? – Ich kenne den Atheismus durchaus nicht als Ergebniss, noch weniger als Ereigniss: er versteht sich bei mir aus Instinkt. Ich bin zu neugierig, zu fragwürdig, zu übermüthig, um mir eine faustgrobe Antwort gefallen zu lassen. Gott ist eine faustgrobe Antwort, eine Undelicatesse gegen uns Denker –, im Grunde sogar bloss ein faustgrobes Verbot an uns: ihr sollt nicht denken!“[36]
Genealogie
In den Werken Nietzsches lässt sich zeigen, dass er schon in jungen
Jahren[37] einen Zugang zu den Themen der Metaphysik, der Religion und der Moral, später auch des Ästhetischen, aus
einem historisch-kritischen Blickwinkel forderte. Alle Erklärungsmuster, die auf etwas Transzendentes, Unbedingtes, Universales abzielen, sind nichts als Mythen, die in der Geschichte der
Erkenntnisentwicklung jeweils auf der Grundlage des Wissens ihrer Zeit entstanden sind. Dieses aufzudecken ist Aufgabe der modernen Wissenschaft und Philosophie. In diesem Sinne verstand sich
Nietzsche als Verfechter eines radikalen Aufklärungsgedankens. „[…] erst nachdem wir die historische Betrachtungsart, welche die Zeit der Aufklärung mit sich brachte, in einem so wesentlichen
Puncte corrigirt haben, dürfen wir die Fahne der Aufklärung — die Fahne mit den drei Namen: Petrarca, Erasmus, Voltaire — von Neuem weiter tragen. Wir haben aus der Reaction einen Fortschritt
gemacht.“ (MA I, 26, KSA 2, 47) Den Begriff der Genealogie verwendete er erstmals im Titel der Genealogie der
Moral. Die Methodik wird dort insbesondere in der zweiten Abhandlung in den Abschnitten 12 bis 14 ausgeführt.[38] Die dahinter stehende
Methode beschrieb und praktizierte er bereits in Menschliches, Allzumenschliches
(Aphorismen 1 und 2), und bereits in der Zweiten Unzeitgemäßen Betrachtung
reflektierte er den Wert des Historischen kritisch, zeigte dessen Grenzen, aber auch seine Unhintergehbarkeit.[39] Genealogie bedeutet für
Nietzsche nicht historische Forschung, sondern kritische Erklärung von Gegenwartsphänomenen anhand von (spekulativen) theoretischen
Ableitungen aus der Geschichte. Im Mittelpunkt steht eine „Deplausibilisierung“[40] bisheriger Narrative in Philosophie,
Theologie und den Kulturwissenschaftlichen Fragen durch historisch gestützte psychologische Thesen. Großen Einfluss hat dieses Konzept Nietzsches auf Michel Foucault.[41] Josef
Simon setzte die Methode mit der modernen Dekonstruktion gleich.[42]
Perspektivismus
Aus seiner Kritik von Metaphysik, Erkenntnistheorie, Moralphilosophie und Religion heraus entwickelte Nietzsche selbst ein pluralistisches Weltbild. Indem er die Welt und auch den Menschen als einen im ständigen Werden befindlichen Organismus auffasste, in dem eine Vielzahl von Elementen im ständigen Gegeneinander ihrer Kräfte danach ringen, sich durchzusetzen, löste er sich vom traditionellen Substanzdenken und von jeglichen kausal-mechanistischen und auch teleologischen Erklärungen.[43] „Alle Einheit ist nur als Organisation und Zusammenspiel Einheit: nicht anders als wie ein menschliches Gemeinwesen eine Einheit ist: also Gegensatz der atomistischen Anarchie; somit ein Herrschafts-Gebilde, das Eins bedeutet, aber nicht eins ist.“[44] In diesem Organismus als Totalität wirken die verschiedensten Kräfte im Kampf gegeneinander; sie folgen ihrem jeweiligen Willen zur Macht (s.u.). „Leben wäre zu definiren als eine dauernde Form von Prozeß der Kraftfeststellungen, wo die verschiedenen Kämpfenden ihrerseits ungleich wachsen.“[45]Jeder Organismus führt seinen Kampf aus seiner eigenen Perspektive.
„Seien wir zuletzt, gerade als Erkennende, nicht undankbar gegen solche resolute Umkehrungen der gewohnten Perspektiven und Werthungen, mit denen der Geist allzulange scheinbar freventlich und
nutzlos gegen sich selbst gewüthet hat: dergestalt einmal anders sehn, anders-sehn-wollen ist keine kleine Zucht und Vorbereitung des Intellekts zu seiner einstmaligen ‚Objektivität‘, – letztere
nicht als ‚interesselose Anschauung‘ verstanden (als welche ein Unbegriff und Widersinn ist), sondern als das Vermögen, sein Für und Wider in der Gewalt zu haben und aus- und einzuhängen: so dass
man sich gerade die Verschiedenheit der Perspektiven und der Affekt-Interpretationen für die Erkenntniss nutzbar zu machen weiss […] Es giebt nur ein perspektivisches Sehen, nur ein
perspektivisches ‚Erkennen‘; und je mehr Affekte wir über eine Sache zu Worte kommen lassen, je mehr Augen, verschiedne Augen wir uns für dieselbe Sache einzusetzen wissen, um so vollständiger
wird unser ‚Begriff‘ dieser Sache, unsre ‚Objektivität‘ sein. Den Willen aber überhaupt eliminiren, die Affekte sammt und sonders aushängen, gesetzt, dass wir dies vermöchten: wie? hiesse das
nicht den Intellekt castriren?“
– GM III, 12, KSA 5, 365
Die subjektive Sicht, die zur Perspektive führt, bedeutet nun weder Willkür noch Relativismus. Die jeweils eingenommene Perspektive führt vielmehr dazu, dass der Mensch die Welt, wie sie ihm erscheint, zu einem Bild, zu einer Interpretation zusammenfügt.
„Daß der Werth der Welt in unserer Interpretation liegt (– daß vielleicht irgendwo noch andere Interpretationen möglich sind als bloß menschliche –) daß die bisherigen Interpretationen perspektivische Schätzungen sind, vermöge deren wir uns im Leben, das heißt im Willen zur Macht, zum Wachsthum der Macht erhalten, daß jede Erhöhung des Menschen die Überwindung engerer Interpretationen mit sich bringt, daß jede erreichte Verstärkung und Machterweiterung neue Perspektiven aufthut und an neue Horizonte glauben heißt—dies geht durch meine Schriften.“[46]
Wille zur Macht
Der „Wille zur Macht“ ist erstens ein Konzept, das zum ersten Mal in Also sprach Zarathustra vorgestellt und in allen nachfolgenden Büchern zumindest am Rande erwähnt wird. Seine Anfänge liegen in den psychologischen Analysen des menschlichen Machtwillens in der Morgenröte. Umfassender führte es Nietzsche in seinen nachgelassenen Notizbüchern ab etwa 1885 aus.
Zweitens ist es der Titel eines von Nietzsche auch als Umwertung aller Werte geplanten Werks, das nie zustande kam. Aufzeichnungen dazu gingen vor allem in die Werke Götzen-Dämmerung und Der Antichrist ein.
Drittens ist es der Titel einer Nachlasskompilation von Elisabeth Förster-Nietzsche und Peter Gast, die nach Ansicht dieser Herausgeber dem unter Punkt zwei geplanten „Hauptwerk“ entsprechen soll.
Die Deutung des Konzepts „Wille zur Macht“ ist stark umstritten. Für Martin Heidegger war es Nietzsches Antwort auf die metaphysische Frage nach dem „Grund alles Seienden“: Laut Nietzsche sei alles „Wille zur Macht“ im Sinne eines inneren, metaphysischen Prinzips, so wie dies bei Schopenhauer der „Wille (zum Leben)“ ist. Die entgegengesetzte Meinung vertrat Wolfgang Müller-Lauter: Danach habe Nietzsche mit dem „Willen zur Macht“ keineswegs eine Metaphysik im Sinne Heideggers wiederhergestellt – Nietzsche war ja gerade Kritiker jeder Metaphysik –, sondern den Versuch unternommen, eine in sich konsistente Deutung allen Geschehens zu geben, die die nach Nietzsche irrtümlichen Annahmen sowohl metaphysischer „Sinngebungen“ als auch eines atomistisch-materialistischen Weltbildes vermeide. Um Nietzsches Konzept zu begreifen, sei es angemessener, von den (vielen) „Willen zur Macht“ zu sprechen, die im dauernden Widerstreit miteinander stehen, sich gegenseitig bezwingen und einverleiben, zeitweilige Organisationen (beispielsweise den menschlichen Leib), aber keinerlei „Ganzes“ bilden, denn die Welt sei ewiges Chaos.
Zwischen diesen beiden Interpretationen bewegen sich die meisten anderen, wobei die heutige Nietzscheforschung derjenigen Müller-Lauters deutlich näher steht. Gerade der Begriff Macht weist jedoch bei Nietzsche (mit seiner stets auf das gesunde Individuum ausgerichteten Weltanschauung) auf neuere positive Verständnisformen voraus, wie wir sie z.B. bei Hannah Arendt[47] finden – hier jedoch bezogen auf den Menschen in der Gesellschaft: die grundsätzliche Möglichkeit aus sich heraus gestaltend „etwas zu machen“.
Ewige Wiederkunft
Nietzsches zuerst in Die fröhliche Wissenschaft auftretender und in Also sprach Zarathustra als Höhepunkt vorgeführter „tiefster Gedanke“, der ihm auf einer Wanderung im Engadin nahe Sils-Maria kam, ist die Vorstellung, dass alles Geschehende schon unendlich oft geschah und unendlich oft wiederkehren wird. Man solle deshalb so leben, dass man die immerwährende Wiederholung eines jeden Augenblickes nicht nur ertrage, sondern sogar begrüße. „Doch alle Lust will Ewigkeit – will tiefe, tiefe Ewigkeit“[48] lautet folglich ein zentraler Satz in Also sprach Zarathustra. Eng mit der „Ewigen Wiederkunft“, für die Nietzsche trotz seiner nur sehr oberflächlichen naturwissenschaftlichen Bildung auch wissenschaftliche Begründungen zu geben versuchte, hängt wohl der Amor fati (lat. „Liebe zum Schicksal“) zusammen. Dies ist für Nietzsche eine Formel zur Bezeichnung des höchsten Zustands, den ein Philosoph erreichen kann, die Form der höchstgesteigerten Lebensbejahung.[49]
Über die „ewige Wiederkunft“, ihre Bedeutung und Stellung in Nietzsches Gedanken herrscht keine Einigkeit. Während einige Deuter sie als Zentrum seines gesamten Denkens ausmachten, sahen andere sie bloß als fixe Idee und störenden „Fremdkörper“ in Nietzsches Lehren.
Übermensch
An einen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit – oder in der Welt überhaupt – glaubt Nietzsche nicht. Für ihn ist folglich das Ziel der Menschheit nicht an ihrem (zeitlichen) Ende zu finden, sondern in ihren immer wieder auftretenden höchsten Individuen, den Übermenschen. Die Gattung Mensch als Ganzes sieht er nur als einen Versuch, eine Art Grundmasse, aus der heraus er „Schaffende“ fordert, die „hart“ und mitleidlos mit anderen und vor allem mit sich selbst sind, um aus der Menschheit und sich selbst ein wertvolles Kunstwerk zu schaffen. Als negatives Gegenstück zum Übermenschen wird in Also sprach Zarathustra der letzte Mensch vorgestellt. Dieser steht für das schwächliche Bestreben nach Angleichung der Menschen untereinander, nach einem möglichst risikolosen, langen und „glücklichen“ Leben ohne Härten und Konflikte. Das Präfix „Über“ in der Wortschöpfung „Übermensch“ kann nicht nur für eine höhere Stufe relativ zu einer anderen stehen, sondern auch im Sinne von „hinüber“ verstanden werden, kann also eine Bewegung ausdrücken. Der Übermensch ist daher nicht unbedingt als Herrenmensch über dem letzten Menschen zu sehen. Eine rein politische Deutung gilt der heutigen Nietzscheforschung als irreführend. Der „Wille zur Macht“, der sich im Übermenschen konkretisieren soll, ist demnach nicht etwa der Wille zur Herrschaft über andere, sondern ist als Wille zum Können, zur Selbstbereicherung, zur Selbstüberwindung zu verstehen.
Aus seiner Jugend im Pfarrhaus und im kleinbürgerlich-frommen „Frauenhaushalt“ ergaben sich Nietzsches erste praktische Erfahrungen mit dem Christentum. Schon sehr bald entwickelte er hier einen kritischen Standpunkt und las Schriften von Ludwig Feuerbach und David Friedrich Strauß. Wann genau diese Entfremdung von der Familie begann und welchen Einfluss sie auf Nietzsches weiteren Denk- und Lebensweg hatte, ist Gegenstand einer andauernden Debatte in der Nietzsche-Forschung.
Auch der frühe Tod des Vaters dürfte Nietzsche beeinflusst haben, jedenfalls wies er selbst oft auf dessen Bedeutung für ihn hin. Dabei ist zu beachten, dass er ihn selbst kaum kannte, sondern sich aus Familienerzählungen ein wohl idealisiertes Bild des Vaters machte. Als freundlicher und beliebter, aber körperlich schwacher und kranker Landpfarrer taucht er in Nietzsches Selbstanalysen immer wieder auf.
Schon in seiner Jugend war Nietzsche von den
Schriften Ralph Waldo Emersons und Lord
Byrons beeindruckt, den seinerzeit tabuisierten
Hölderlin erkor er zu seinem
Lieblingsdichter. Auch Machiavellis Werk Der
Fürst las er bereits privat in der Schulzeit.
Wie stark der Einfluss des Dichters Ernst Ortlepp oder die
Ideen Max Stirners beziehungsweise des ganzen Junghegelianismus' auf
Nietzsche waren, ist umstritten. Der Einfluss Ortlepps ist vor allem von Hermann Josef Schmidt
hervorgehoben worden. Über den Einfluss Stirners auf Nietzsche wird bereits seit den 1890ern debattiert. Einige Interpreten sahen hier höchstens eine flüchtige Kenntnisnahme, andere dagegen,
allen voran Eduard von Hartmann, erhoben einen Plagiatsvorwurf. Bernd A.
Laska vertritt die Außenseiter-These, Nietzsche habe infolge der Begegnung mit dem Werk
Stirners, das ihm vom Junghegelianer Eduard Mushacke vermittelt worden sei, eine „initiale Krise“ durchgemacht, die ihn zu Schopenhauer führte.[7]
Im Philologiestudium bei Ritschl lernte Nietzsche neben den klassischen Werken selbst vor allem philologisch-wissenschaftliche Methoden kennen. Dies dürfte einerseits die Methodik seiner Schriften beeinflusst haben, was insbesondere in der Genealogie der Moral deutlich wird, andererseits aber auch sein Bild von der strengen Wissenschaft als mühselige Arbeit für mittelmäßige Geister. Seine eher negative Haltung zum Wissenschaftsbetrieb an den Universitäten beruhte zweifellos auf eigenen Erfahrungen sowohl als Student als auch als Professor.
An der Universität versuchte Nietzsche den von ihm geschätzten Jacob Burckhardt zu Gesprächen zu gewinnen, las auch einige von dessen Büchern und hörte sich sogar Vorlesungen des Kollegen an. Mit dem Freund Franz Overbeck hatte er in der Basler Zeit einen regen Gedankenaustausch, auch später half ihm Overbeck in theologischen und kirchengeschichtlichen Fragen weiter.
Werke bekannter Schriftsteller wie Stendhal, Tolstoi und Dostojewski machte Nietzsche sich für sein eigenes Denken ebenso zunutze wie solche heute eher unbekannter Autoren wie William Edward Hartpole Lecky oder Fachgelehrter wie Julius Wellhausen. Zu seinen Ansichten über die moderne décadence las und bewertete er etwa George Sand, Gustave Flaubert und die Brüder Goncourt.
Schließlich lässt sich Nietzsches Interesse an Wissenschaften von der Physik (besonders Roger Joseph Boscovichs System) bis zur Nationalökonomie belegen. Auf die besondere Bedeutung der kritischen Auseinandersetzung mit dem Buch Der Ursprung der moralischen Empfindungen (1877) von Paul Rée verwies Nietzsche in der Vorrede zur Genealogie der Moral[50] Für sein Wissen über die Physiologie, auch in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Darwinismus, stützte sich Nietzsche stark auf das Werk Der Kampf der Theile im Organismus. Ein Beitrag zur Vervollständigung der mechanischen Zweckmäßigkeitslehre des Anatomen Wilhelm Roux.[51] Er meinte auch, durch seine Krankheiten ein besseres Wissen über Medizin, Physiologie und Diätetik erlangt zu haben als manche seiner Ärzte.
Ab Mitte der 1860er übten die Werke Arthur Schopenhauers großen Einfluss auf Nietzsche aus; dabei bewunderte Nietzsche aber schon zu Beginn weniger den Kern der
Schopenhauerschen Lehre als die Person und den „Typus“ Schopenhauer, das heißt in seiner Vorstellung den wahrheitssuchenden und „unzeitgemäßen“ Philosophen. Eine weitere wesentliche Inspiration
war dann die Person und die Musik Richard Wagners. Die Schriften Richard Wagner in Bayreuth (Vierte
Unzeitgemäße Betrachtung) und vor allem die Geburt der Tragödie feiern dessen Musikdrama als Überwindung des Nihilismus ebenso wie eines platten
Rationalismus. Diese Verehrung schlug spätestens 1879 nach Wagners vermeintlicher Hinwendung zum Christentum
(in Parsifal) in Feindschaft um. Nietzsche rechtfertigte seinen radikalen Sinneswandel später in Der Fall
Wagner und in Nietzsche contra Wagner. Dass Nietzsche sich auch lange nach Wagners Tod 1883 beinahe zwanghaft mit dem einstigen „Meister“
beschäftigte, hat einige Aufmerksamkeit gefunden: Über das komplizierte Verhältnis zwischen Nietzsche und Wagner (sowie Wagners Frau Cosima) gibt es viele
Untersuchungen mit teilweise unterschiedlichen Ergebnissen. Neben den von Nietzsche genannten weltanschaulichen und kunstphilosophischen Differenzen haben sicherlich auch persönliche Gründe eine
Rolle bei Nietzsches „Abfall“ von Wagner gespielt.
Auch Schopenhauer sah er nun kritischer und meinte, gerade in dessen
Pessimismus und Nihilismus ein zeittypisches und daher rückwärtsgewandtes Phänomen zu erkennen. Freilich fand er auch 1887 noch lobende Worte für Schopenhauer, der „als Philosoph der
erste eingeständliche und unbeugsame Atheist [war], den wir Deutschen gehabt haben“:
„[Nun kommt] auf eine furchtbare Weise die Schopenhauerische Frage zu uns: hat denn das Dasein überhaupt einen Sinn? – jene Frage, die ein paar Jahrhunderte brauchen wird, um auch nur vollständig und in alle ihre Tiefe hinein gehört zu werden. Was Schopenhauer selbst auf diese Frage geantwortet hat, war – man vergebe es mir – etwas Voreiliges, Jugendliches, nur eine Abfindung, ein Stehen- und Steckenbleiben in eben den christlich-asketischen Moral-Perspektiven, welchen, mit dem Glauben an Gott, der Glaube gekündigt war … Aber er hat die Frage gestellt.“[53]
Sein Wissen über Philosophie und Philosophiegeschichte hat Nietzsche sich nicht systematisch aus den Quellen angeeignet. Er hat es vornehmlich aus Sekundärliteratur entnommen: vor allem aus Friedrich Albert Langes Geschichte des Materialismus sowie Kuno Fischers Geschichte der neuern Philosophie zu späteren Autoren. Platon und Aristoteles waren ihm aus der Philologie bekannt und auch Gegenstand einiger seiner philologischen Vorlesungen, aber besonders Letzteren kannte er nur lückenhaft. Mit den Vorsokratikern befasste er sich zu Anfang der 1870er Jahre intensiv, vor allem auf Heraklit kam er noch später zurück.
Für die Ethik Spinozas, die Nietzsche zeitweise anregte, war ihm Fischers Werk die Hauptquelle. Kant lernte er ebenfalls durch Fischer (und Schopenhauer, s. oben) kennen; im Original las er vermutlich nur die Kritik der Urteilskraft. Zum deutschen Idealismus um Hegel übernahm er für einige Zeit die scharfe Kritik Schopenhauers. Später ignorierte er die Richtung. Bedenkenswert ist, dass sich bei Nietzsche zu den Junghegelianern (Feuerbach, Bauer und Stirner) keine nennenswerten Äußerungen finden, obwohl er sie als Denker einer „geistesregen Zeit“ ansah,[7] auch keine zu Karl Marx, obwohl er sich verschiedentlich über den politischen Sozialismus äußerte.
Weitere von Nietzsche rezipierte Quellen waren die
französischen Moralisten
wie La Rochefoucauld, Montaigne, Vauvenargues, Chamfort,
Voiltaire und
Stendhal. Die Lektüre Blaise Pascals vermittelte ihm einige neue Einsichten zum Christentum.
Hin und wieder setzte sich Nietzsche polemisch mit den seinerzeit populären Philosophen Eugen Dühring, Eduard von Hartmann und Herbert Spencer auseinander. Vor allem von Letzterem und den deutschen Vertretern der Evolutionstheorie um Ernst Haeckel bezog er sein Wissen um die Lehren Charles Darwins.
Die intensive Quellenforschung der letzten Jahrzehnte hat zahlreiche Bezüge in Nietzsches Werken ermittelt, unter anderem zu den beiden heute weniger bekannten Denkern African Spir und Gustav Gerber, deren Sprach- und Erkenntnistheorie überraschende Ähnlichkeiten mit der Nietzsches aufweisen.
Vereinzelt ist in der Nietzsche-Forschung darauf hingewiesen worden, dass Nietzsches Kritik an anderen Philosophien und Lehren auf Missverständnissen beruhe, eben weil er sie nur durch entstellende Sekundärliteratur kannte. Dies betreffe insbesondere Nietzsches Aussagen zu Kant und der Evolutionslehre. Aber auch dieses Thema ist umstritten.
#Nietzsche-Rezeption
#Nietzsche-Rezeption im Nationalsozialismus
Eingeklammerte Jahreszahlen geben das Jahr der Entstehung, mit Kommata abgetrennte das Jahr der Erstveröffentlichung an.
· Zur Geschichte der Theognideischen Spruchsammlung. 1867.
· De Laertii Diogenis fontibus. 1868/69.
· Homer und die klassische Philologie. 1869.
· Analecta Laertiana. 1870.
· Der florentinische Tractat über Homer und Hesiod. 1870
· Das griechische Musikdrama. (1870) KSA I, 513–549
· Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern. (1872) KSA 1:
· I. Über das Pathos der Wahrheit.
· II. Gedanken über die Zukunft unserer Bildungsanstalten.
· III. Der griechische Staat.
· IV. Das Verhältnis der Schopenhauerischen Philosophie zu einer deutschen Cultur.
· V. Homers Wettkampf.
· Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. 1872 KSA (Kritische Studienausgabe) 1.
· Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne. (1873) KSA 1.
· Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. (1873) KSA 1.
· Unzeitgemäße Betrachtungen. 1873–1876 KSA 1 und 2.
· David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller. 1873.
· Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben. 1874.
· Schopenhauer als Erzieher. 1874.
· Richard Wagner in Bayreuth. 1876.
· Menschliches, Allzumenschliches – Ein Buch für freie Geister. (mit zwei Fortsetzungen), 1878–1880 KSA
· Der Wanderer und sein Schatten 1880
· Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile. 1881 KSA 3.
· Idyllen aus Messina. 1882 KSA 3.
· Die fröhliche Wissenschaft („la gaya scienza“). 1882 KSA 3.
· Also sprach Zarathustra – Ein Buch für Alle und Keinen. 1883–1885 KSA 4.
· Jenseits von Gut und Böse – Vorspiel einer Philosophie der Zukunft. 1886 KSA 5.
· Zur Genealogie der Moral – Eine Streitschrift. 1887 KSA 5.
· Der Fall Wagner – Ein Musikanten-Problem. 1888 KSA 6.
· Dionysos-Dithyramben. 1889 KSA 6.
· Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophiert. 1889 KSA 6.
· Der Antichrist – Fluch auf das Christentum. 1895 KSA 6.
· Nietzsche contra Wagner. 1895 KSA 6.
· Ecce homo – Wie man wird, was man ist. (1888) 1908 KSA 6.
· Ecce homo (Ja, ich weiß, woher ich stamme).
· „Mein Glück!“ Die Tauben von San Marco seh ich wieder.
· Vereinsamt (Die Krähen schrein und ziehen schwirren Flugs zur Stadt).
· Der geheimnisvolle Nachen (Gestern nachts, als alles schlief).
· Das trunkene Lied (O Mensch! Gib acht!).
· Venedig (An der Brücke stand jüngst ich in brauner Nacht).[54]
Seit seiner Jugend musizierte Nietzsche und komponierte zahlreiche kleinere Stücke.
Bedeutend sind:
· Sämtliche Werke für Klavier solo eingespielt von Michael Krücker für das Label NCA, SACD (Super Audio CD), Order No.: 60189, ISBN 978-3-86735-717-3.
· Manfred-Meditation, 1872. Zum Manfred von Lord Byron. Nach der vernichtenden Kritik Hans von Bülows[55] gab Nietzsche das Komponieren größtenteils auf. mp3-Datei
· Hymnus an die Freundschaft, 1874. Hörprobe (wav-Format; 421 kB)
· Gebet an das Leben, NWV 41, 1882, und Hymnus an das Leben, Chor und Orchester, 1887: Nietzsche vertonte 1882 ein Gedicht von Lou von Salomé. Peter Gast arbeitete dies zu einer Komposition für gemischten Chor und Orchester um, die 1887 unter Nietzsches Namen veröffentlicht wurde. mp3-Datei
Mehr zu Nietzsches Musik und weitere Hörbeispiele hier und hier.
1. Hecker, Hellmuth: Nietzsches Staatsangehörigkeit als Rechtsfrage In: Neue Juristische Wochenschrift, Jg. 40, 1987, Nr. 23, S. 1388–1391; vgl. His, Eduard: Friedrich Nietzsches Heimatlosigkeit in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Bd. 40, 1941, S. 159–186 (Digitalisat). Die von einigen Autoren, darunter auch Deussen und Montinari, verbreitete Behauptung, Nietzsche wäre Schweizer Staatsbürger geworden, ist falsch.
2. Gerd Schanz: „Rasse“ und „Züchtung“ bei Nietzsche. DeGruyter, Berlin 2000 (Kap. Die Polen. S. 106–114.)
3. zur Schulzeit Nietzsches: Timo Hoyer: Nietzsche und die Pädagogik. Werk, Biografie und Rezeption. Würzburg 2002.
4. Wolfgang Deninger: Zu Friedrich Nietzsches Leben. Nachwort zu: Friedrich Nietzsche: Gesammelte Werke. Bindlach 2005, S. 1287f.
5. Nietzsche Briefwechsel. S. 15.
6. Heiner Feldhoff: Nietzsches Freund. Die Lebensgeschichte des Paul Deussen. Böhlau, Köln/Weimar 2008. S. 51.
7. Vgl. Bernd A. Laska: Nietzsches initiale Krise. In: Germanic Notes and Reviews. vol. 33, n. 2, fall/Herbst 2002, S. 109–133.
8. Andreas Urs Sommer: Nietzsche als Basler Philosoph macht unbekannte Dokumente aus Nietzsches Basler Professorentätigkeit, beispielsweise die von ihm verfassten Fakultätsprotokolle und die von ihm betreuten Promotionen zugänglich.
9. Bornmann, Fritz: Nietzsches metrische Studien In: Nietzsche-Studien 18 (1989), S. 472–489. Erst mit Paul Maas’ 1923 erschienenem Werk Griechische Metrik setzte sich diese Erkenntnis in der Altphilologie durch.
10. Andreas Meyer: Nietzsche und Dionysos. Eine Suche nach den Quellen des Lebens, IL-Verlag, Basel 2015, S. 19–22
11. Die in diesem Zusammenhang oft kolportierte Anekdote, Nietzsche habe sich auf offener Straße, weinend vor Mitleid, an den Hals eines Droschkenpferdes gehängt, weil das Tier vom Kutscher misshandelt worden sei, beruht nur auf späterer mündlicher Überlieferung und gilt heute als wenig glaubwürdig.
12. Eine materialreiche Darstellung von Nietzsches Krankheiten bietet das Werk von Volz. Mit einigen Vorbehalten vertreten etwa die Werke von Janz, Ross und Kaufmann die Syphilis-Theorie. Der Schweizer Neurologe Gino Gschwend sieht in seinem Pathogramm (Schweizerische Ärztezeitung, Bd. 81, 2000, S. 45–48) bei Nietzsche einen „geradezu lehrbuchmässigen Verlauf einer Lues“. In letzter Zeit wird die Syphilis-Theorie von einigen Fachleuten angezweifelt, u. a. von der Psychiaterin Eva Cybulska: The madness of Nietzsche: a misdiagnosis of the millennium? In: Hospital Medicine, 2000, 61 (8), S. 571–575. PMID 11045229; dem Neurologen Richard Schain: The Legend of Nietzsche’s Syphilis. Westport, Conn.: Greenwood Press 2001 (Contributions in Medical Studies, vol. 46) oder dem medizinischen Psychologen Leonard Sax: What was the cause of Nietzsche’s dementia pdf (Memento vom 17. März 2004 im Internet Archive) In: Journal of Medical Biography, 2003, Nr. 11, S. 47–54.
13. Jenaer Volksblatt vom 28. Juli 1897, S. 1.
14. Rudolf Steiner, Mein Lebensgang, Rudolf Steiner Verlag, Basel, 8. Aufl. GA 28, S. 188f. Digitalisat des entsprechenden 18. Kapitels 1894-1896 auf anthroweb.net
15. Original-Bildunterschrift der Werksausgabe von 1900, Leipzig. Jetzt im Nachlass, KSA 8: 24[10].
16. Karl Schlechta: Philologischer Nachbericht in: Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden, München 1954 ff., Band 3, S. 1405.
17. Wolfgang Müller-Lauter: «Der Wille zur Macht» als Buch der ‚Krisis‘ philosophischer Nietzsche-Interpretation In: Nietzsche-Studien 24 (1995), S. 223–260, hier S. 233. Siehe Heidegger:Nietzsche (GA 43), S. 11 und Baeumler, Die Unschuld des Werdens (1930), Einführung, S. IX.
18. Morgenröthe, Vorrede (KSA 3, S. 11–17).
19. Zur Genealogie der Moral, Erste Abhandlung, Anmerkung nach Abschnitt 17 (KSA 5, S. 289).
20. Zur Genealogie der Moral, Erste Abhandlung, Abschnitt 7 (KSA 5, S. 267).
21. Vergleiche etwa Der Antichrist, Kapitel 7 (KSA 6, S. 172 ff.).
22. zit. nach Jochen Kirchhoff: Nietzsche, Hitler und die Deutschen. Vom unerlösten Schatten des Dritten Reiches. Vorwort von Rudolf Bahro. Edition Dionysos, Berlin 1990, ISBN 3-9802157-1-7, S. 174.
23. zit. nach Jochen Kirchhoff: Nietzsche, Hitler und die Deutschen. Vom unerlösten Schatten des Dritten Reiches.. Edition Dionysos, Berlin 1990, ISBN 3-9802157-1-7, S. 175.
24. Vgl. den Schluss von Hegels Abhandlung Glauben und Wissen oder Reflexionsphilosophie der Subjektivität in der Vollständigkeit ihrer Formen als Kantische, Jacobische und Fichtesche Philosophie (1803).
25. Die fröhliche Wissenschaft, Drittes Buch, Aphorismus 125 „Der tolle Mensch“ (KSA 3, S. 480 ff.).
26. Also sprach Zarathustra, Erster Theil, Von der schenkenden Tugend 3 (KSA 4, S. 102).
27. KSA 12, 5[71], S. 211–217, hier S. 212.
28. Menschliches, Allzumenschliches, Viertes Hauptstück, Aphorismus 222 „Was von der Kunst übrig bleibt“ (KSA 2, S. 186).
29. Die fröhliche Wissenschaft, Viertes Buch, Aphorismus 324 „In media vita“ (KSA 3, S. 553).
30. KSA 13, 17[3], S. 522 und 521.
31. Andreas Meyer: Nietzsche und Dionysos. Eine Suche nach den Quellen des Lebens. IL-Verlag, Basel 2015 (ausführliche und profunde Darstellung der Thematik)
32. Menschliches, Allzumenschliches, Erstes Hauptstück, Aphorismus 9, „Metaphysische Welt“ (KSA 2, S. 29 f.).
33. Jenseits von Gut und Böse, Erstes Hauptstück, Aphorismus 6 (KSA 5, S. 20).
34. Der Antichrist, Kapitel 11 (KSA 6, S. 178).
35. Götzen-Dämmerung, Sprüche und Pfeile Nr. 26 (KSA 6, S. 62).
36. Ecce homo, Warum ich so klug bin, 1. Abschnitt (KSA 6, S. 278).
37. In der Vorrede zur Genealogie der Moral, 3., nennt Nietzsche selbst das Alter von 13 Jahren
38. Werner Stegmaier: Nietzsches ‚Genealogie der Moral’. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, S. 60–93.
39. Martin Saar: Genealogie als Kritik: Geschichte und theorie des subjekts nach Nietzsche und Foucault. Campus, Frankfurt 2007, S. 17.
40. Enrico Müller: Die Griechen im Denken Nietzsches, de Gruyter, Berlin 2005, 30
41. etwa: Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. Fischer, Frankfurt 1991, S. 41–47.
42. Josef Simon: Apollinische Einheit und dionysische Pluralität. In: Ulrich Willers (Hrsg.): Theodizee im Zeichen des Dionysos. Nietzsches Fragen jenseits von Moral und Religion. Lit, Münster 2003, S. 18.
43. Günter Abel: Nietzsche. Die Dynamik der Willen zur Macht und die ewige Wiederkehr. 2., um ein Vorwort erweiterte Auflage. de Gruyter, Berlin 1998, S. 110ff.
44. NF Herbst 1885 – Herbst 1886, Pkt. [2] 87.
45. NF Juni – Juli 1885, Pkt. [36] 22.
46. NF Herbst 1885 – Herbst 1886, Pkt. [2] 108.
47. Hannah Arendt: Macht und Gewalt. (Originalausgabe: On Violence. New York 1970). 15. Auflage. Piper, München/ Zürich 2003, ISBN 3-492-20001-X.
48. „Das trunkene Lied“, In: Also sprach Zarathustra. Vierter und letzter Theil: Das Nachtwandler-Lied. Kapitel 12.
49. Die fröhliche Wissenschaft, Viertes Buch, Aphorismus 276 „Zum neuen Jahre“ (KSA 3, S. 521).
50.Friedrich Nietzsche: Genealogie der Moral, Vorrede, 4., (KSA 5, S. 250)
51. Wolfgang Müller-Lauter: Der Organismus als innerer Kampf. Der Einfluß von Wilhelm Roux auf Friedrich Nietzsche. (Nietzsche Studien, 7). 1978, S. 189–235, wieder abgedruckt nach Durchsicht und mit Ergänzungen, in: ders.: Nietzsche-Interpretationen. Band I: Über Werden und Wille zur Macht. de Gruyter, Berlin 1999, S. 97–140.
52. Schopenhauer als Erzieher. Kapitel 2 (KSA 1, S. 346).
53. Die fröhliche Wissenschaft. Fünftes Buch, Aphorismus 357 „Zum alten Probleme: »was ist deutsch?«“ (KSA 3, S. 599 ff.).
54. Die obigen sechs Gedichte sind aus: Ernst Theodor Echtermeyer: Deutsche Gedichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neugestaltet von Benno von Wiese, August Bagel Verlag, Düsseldorf 1960.
55. Brief Hans von Bülows an Nietzsche, 24. Juli 1872, KGB II/4 Nr. 347, S. 51–54.
56. Informationen zur Sendung - mit Online-Nachhörmöglichkeit (Podcast)
Dieser Aufsatz ist der Wikipedia entnommen.
Stand: 2016
ghovjnjv (Donnerstag, 08 September 2022 09:27)
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Cristian Georg (Sonntag, 25 Februar 2018 10:40)
Ich sehe in dieser Darstellung von Nietzsches Leben keinen einzigen nennenwerten Hinweis, auf das, was N wirklch ausmachte, ihn trieb und geprägt hat. Nur das, was immer wiedergekäut wird, weil seine Werscheinung auf philosophische Weise nicht erklärbar ist, denn alles an und von ihm war genauer betrachtet Selbstdarstellung: Die Mühe als großer Philosoph gewaltiger, für Jahrtausende gelten solender Lehren gelten zu können. Dabei fehlte ihm jeder Bezug zur Realität, zu der er gut 10 Jahre vor seinem Tod den Bezug so vollständig verlor dass er in geistiger Umnachtung seinem Ende entgegendämmern musste. Die enorme Bedeutung des Amerikaners Emerson ist nicht annähernd berücksichtigt, hat er doch dessen "Essays" ins Leben übersetzen und "erfüllen" wollen.