Nonkognitivismus

Nonkognitivismus bezeichnet einen metaethischen Standpunkt, nach dem moralische Aussagen wie "Q ist gut" keine gerechtfertigten, objektiven Wahrheiten darstellen. Die nonkognitivistische These lässt sich weiter individuieren:

  • Epistemologischer Nonkognitivismus: Es gibt keine Erkenntnis moralischer Wahrheiten. "A ist gut" ist also keine Erkenntnis über die Welt, sondern drückt eine subjektive Überzeugung (Subjektivismus), kollektive Gepflogenheit (Relativismus) o.ä. aus.
  • Sprachanalytischer Nonkognitivismus: Moralische Sätze wie "A ist gut" sind nicht wahrheitsfähig, d.h. sie können nicht wahr oder falsch sein. "A ist gut" ist also keine Proposition oder Behauptung, sondern drückt ein Gefühl (Emotivismus), einen Befehl (Präskriptivismus) o.ä. aus.

Aus den drei Interpretationen des Nonkognitivmus (1) bis (3) folgt jeweils ein moralischer Skeptizismus. Wenn es (1) keine moralischen Wahrheiten gibt, (2) wir keine moralischen Wahrheiten erkennen können oder (3) moralische  Auffassungen nicht wahr sein können, so können wir nie in den Besitz moralischer Wahrheiten und damit moralischen Wissens kommen. Normen und Gebote sind folglich keine Frage von wahr oder falsch, sondern von subjektiven oder intersubjektiven Meinungen, Gefühlen oder Befehlen.

Der ontologische und der sprachanalytische Nonkognitivismus stehen im engen Verhältnis zum Sein-Sollen-Fehlschluss bzw. Naturalistischen Fehlschluss. Das inhaltliche Verhältnis besteht darin, dass beide Positionen sowie Fehlschlüsse davon ausgehen, dass das Verhältnis zwischen Fakten und Normen Auswirkungen darauf haben kann, wie man den Wahrheitsbezug des Moralischen einschätzt. Das strukturelle Verhältnis drückt sich darin aus, dass wieder eine epistemologische und sprachanalytische Ebene unterschieden werden.

1. Moralischer Antirealismus

Der moralische (Anti-)Realismus (sprachlich problematischer ist die Bezeichnung ontologischer (Non-)Kognitivismus) bezieht Stellung zu der Frage, ob so etwas wie moralische Wahrheiten existieren. Hiermit ist ein primär ontologischer Fragenkreis angesprochen: Stehen moralische Überzeugungen unter einer objektiven Differenz von wahr oder falsch? Können moralische Überzeugungen wie "A ist gut" mit etwas in der Welt korrespondieren, das sie wahr macht?

2. Epistemologischer (Non-)Kognitivismus

Epistemologischer Kognitivismus: Es gibt moralische Erkenntnis.

Notwendige Voraussetzung: Es gibt objektive moralische Wahrheit.

a) Realismus: Moralische Normen werden als objektive Bestände entdeckt.

b) Konstruktivismus: Moralische Normen werden nach objektiven Regeln entworfen.

Epistemologischer Nonkognitivismus: Es gibt keine moralische Erkenntnis.

Üblicher Hintergrund: Es gibt ´keine objektive moralische Wahrheit.

a) Subjektivismus: Moralische Normen geben allein individuelle Einstellungen wieder.

b) Relativismus: Moralische Normen geben allein kollektive Einstellungen wieder.

Der epistemologische (Non-)Kognitivismus bezieht Stellung zu der Frage, ob man so etwas wie moralische Erkenntnis haben kann. Hiermit ist ein primär epistemologischer Fragenkreis angesprochen: Haben wir einen prinzipiellen Erkenntniszugang zu moralischen Wahrheiten? Können wir Einsicht in moralische Wahrheiten der Form "A ist gut" erlangen?

2.1. Der epistemologische Kognitivismus

Der epistemologische Kognitivismus bejaht diese Fragen: Ihm zufolge ist in moralischen Angelegenheiten, ähnlich wie in faktischen Zusammenhängen, objektive Erkenntnis möglich. Der normative Satz "helfen ist gut" kann also in ähnlicher Weise wahr sein wie der deskriptive Satz "der Stuhl ist blau". Gewiss sind nicht alle moralischen Aussagen wahr, und vielleicht sind moralische Überzeugungen mit größeren Unsicherheiten behaftet als empirische oder positive Einsichten. Aber zumindest lässt sich nach dem epistemologischen Kognitivismus sinnvoll von moralischer Erkenntnis sprechen, wie schwer sie auch zu erlangen sein mag. Dies hat zur Voraussetzung, dass es im Moralischen, ähnlich wie im Faktischen, überhaupt objektive Wahrheit gibt, d.h. dass der ontologische Kognitivismus wahr ist. Der epistemologische Kognitivismus geht aber über einen moralischen Objektivismus hinaus und behauptet nicht nur, dass es moralische Wahrheit gibt, sondern dass wir diese auch prinzipiell erkennen können.

Offensichtlich ist der epistemologische Kognitivismus Bedingung dafür, dass normative Ethik, d.h. die philosophische Suche nach moralischer Erkenntnis, eine sinnvolle Beschäftigung sein kann. Dabei lässt er sich noch einmal in zwei Hauptvarianten untergliedern, die ihrerseits Stellung dazu nehmen, wie moralische Wahrheit genauer zu denken ist:

a. Der metaethische Realismus sagt aus, dass moralische Normen an sich existieren. Sie werden als objektive Bestände in der Welt vorgefunden, ähnlich wie faktische Zusammenhänge, die durch Vernunft oder Sinne erfasst werden können. Wenn wir sie auf diese Weise erkennen, entstehen moralische Wahrheiten in der Übereinstimmung unserer Vorstellung von diesen Normen mit den tatsächlichen Normen. Solch ein Realismus muss nicht davon ausgehen, dass moralische Entitäten eigentümliche Gegenstände in einem besonderen Seinsbereich wären. Er muss auch umgekehrt nicht davon ausgehen, dass sie ganz gewöhnliche Gegenstände wie Bälle und Stühle sind.

b. Der metaethische Konstruktivismus sagt aus, dass moralische Normen, anders als vielleicht vorgefundene faktische Zusammenhänge, entworfen werden. Dieser Entwurf hat allerdings nach objektiven (logischen, rationalen, etc.) Regeln zu erfolgen, die gewährleisten, dass die entstehenden Normen die verbindliche Gültigkeit von moralischen Wahrheiten beanspruchen und nach objektiven Kriterien gefunden werden können. In der Diskursethik müssen sie beispielsweise das tatsächliche Ergebnis eines gleichberechtigten, zwangsfreien Diskurses sein. Oder sie müssen dem hypothetischen Resultat eines freien, fairen Vertragsschlusses entsprechen, wie im Kontraktualismus. In solchen konstruktivistischen Ethiken erscheint Moral in gewissem Umfang als etwas Gestaltetes. Gleichwohl haben die gewonnenen Normen objektive Gültigkeit. Dies liegt letztlich daran, dass die Verbindlichkeit der jeweiligen Konstruktionsregel, etwas der Diskursprinzipien oder der Vertragsszenarien, aus denen die Normen entspringen sollen, ihrerseits als objektive Wahrheit angesehen wird.

2.2. Der epistemologische Nonkognitivismus

Der epistemologische Nonkognitivismus verneint die oben gestellten Fragen: Ihm zufolge ist in moralischen Angelegenheiten, anders vielleicht als in faktischen Zusammenhängen, keine objektive Erkenntnis möglich. Der normative Satz "helfen ist gut" kann nicht in ähnlicher Weise wahr sein wie der deskriptive Satz "der Stuhl ist blau" wahr ist. Im Gegensatz zu deskriptiven Sätzen kann er aber auch nicht falsch sein, er ist prinzipiell kein Träger eines Wahrheitswertes. Im Hintergrund dieser Einschätzung steht in aller Regel ein ontologischer Nonkognitivismus: Es gibt keine objektive moralische Wahrheit, deshalb können wir auch keine erkennen.

Offenbar hätte der epistemologische Nonkognitivismus, mit seiner ausdrücklichen Leugnung moralischer Erkenntnis, zur Folge, dass normative Ethik keine ernsthafte Wissenschaft darstellen kann. Dabei trifft er wiederum in zwei Hauptvarianten auf, die genauer Stellung dazu beziehen, wie moralische Normen zu interpretieren sind:

a. Der metaethische Subjektivismus sagt aus, dass moralische Normen nur für sich existieren. Sie werden als subjektive Bestände in die Dinge hineingelegt und gehen, anders als faktische Zusammenhänge, auf die Präferenzen und Geschmacksurteile Einzelner zurück.

b. Der metaethische Relativismus sagt aus, dass moralische Normen, anders als subjektive Geschmacksurteile, hauptsächlich durch intersubjektive Übereinkünfte enstehen. Normative Sätze wie "helfen ist gut" drücken also den Inhalt von kulturellen Gepflogenheiten und überlieferten Bräuchen aus.

2.3. Anmerkungen

Die meisten normativen Ethiker sind epistemologische Kognitivisten. Das heißt, sie glauben daran, dass moralische Normen erkannt oder zumindest nach objektiv gültigen Regeln entworfen werden können, und nicht nur Ausdruck subjektiver oder intersubjektiver Geschmacksurteile sind. Ohne diese kognitivistische Annahme wäre die normative Ethik ein ziemlich witzloses Unterfangen. Weshalb sie - trotz aller Differenzen in den Einzelfragen - sowohl von den meisten Tugendethikern (Aristoteles),  Deontologen (Kant) wie auch Konsequentialisten (Mill) geteilt wird.

Die Einteilung in kognitivistischer Realismus und Konstruktivismus und in nonkognitivistischer Subjektivismus und Relativismus ist nicht universell. Andere Einleitungen zu diesem Thema differenzieren anders und legen andere Schwerpunkte. Dies hat teilweise systematische Gründe, insofern manche Zuordnungen nur tendenzieller Natur sind und keine zwingende Identifikation zulassen. Es hat teilweise historische Gründe, da die einzelnen Positionen in der philosophischen Entwicklung unterschiedlich prominent vertreten worden sind und daher in einschlägigen Übersichten unterschiedlich explizit berücksichtigt werden.

Der epistemologische Kognitivismus ist notwendig mit dem ontologischen Kognitivismus bzw. moralischen Objektivismus verbunden. Der Grund dafür ist simpel: Wenn es Erkenntnis einer objektiven moralischen Wahrheit geben soll, muss es auch eine objektive moralische Wahrheit geben.

Umgekehrt tritt der Nonkognitivismus auch fast immer als moralischer Skeptizismus auf: Wenn es keine Erkenntnis moralischer Wahrheit gibt, liegt die Vermutung nahe, dass es auch keine moralische Wahrheit gibt. Diese Identifizierung von Nonkognitivismus und Skeptizismus geschieht aber vorschnell: Grundsätzlich sind auch Nonkognitivismus und Objektivismus miteinander vereinbar. Es kann eine objektive Wahrheit im Moralischen geben (Objektivismus), die wir aber nicht erkennen können (Nonkognitivismus). Die Alternativen von Realismus und Konstruktivismus haben dann nur noch potentiellen Charakter, insofern die zugestandene objektive Moral zwar grundsätzlich entdeckt bzw. entworfen werden müsste, dies aber niemals gelingen kann. Die Alternativen von Subjektivismus und Relativismus beschrieben demgegenüber die aktuale epistemische Situation des Menschen, insofern die tatsächlich vertretenen moralischen Normen allein individuellen Einstellungen bzw. kollektive Gepflogenheit darstellten.

Beim Kognitivismus wird zuweilen übersehen, dass dieser notwendig einen moralischen Objektivismus implizieren muss, die Implikation eines moralischen Realismus aber nicht so eindeutig ist. Man könnte nämlich auch annehmen, dass moralische Normen gemäß dem Konstruktivismus und nach objektiven Normen entworfen werden, ohne dabei zuvor schon in der Welt vorgelegen zu haben. In anderen Einleitungen wird der Konstruktivismus aber auch als ein Standpunkt des epistemologischen Nonkognitivismus eingestuft, in diesem Fall fallen epistemologischer Kognitivismus und Realismus zusammen.

In der anglo-amerikanischen Tradition werden häufig "Naturalismus" und "Intuitionismus" als erschöpfende Varianten des Objektivismus aufgeführt. Diese Aufgliederung geht auf George Edward Moore zurück: Als "Naturalismus" bezeichnet er Positionen, die entgegen seiner Theorie des naturalistischen Fehlschlusses moralische Eigenschaften auf natürliche Eigenschaften reduzieren wollen. Der "Intuitionismus" benennt demgegenüber die nach Moores Einschätzung einzige Alternative, der zufolge moralische Eigenschaften allein einer intuitiven Erfassung zugänglich sind. Diese Einteilung dürfte indessen bei Weitem nicht vollständig sein: Viele Ethiker würden zustimmen, dass moralische Qualitäten nicht auf natürliche Qualitäten zurückfahrbar sind, aber keineswegs einräumen, dass sie durch ein besonderes Vermögen der intuitiven Erkenntnis zu erfassen wären. Somit deckt die Einteilung wohl nur einen Ausschnitt des Objektivismus, genauer den Realismus, ab. Viele Objektivisten, nicht zuletzt Konstruktivsten, sind weder Naturalisten noch Intuitionisten.

Die Begriffe "Subjektivismus" und "Objektivismus" tauchen gelegentlich auch außerhalb der hier geführten metaethischen Diskussion auf, um stattdessen bestimmte Typen normativer Ethiken zu bezeichnen. Dabei nehmen "subjektivistische" Ethiken in ihren Normvorschlägen auf die individuellen Interessen oder Wünsche der betroffenen Personen Bezug (wie etwa der Utilitarismus). Demgegenüber formulieren "objektivistische" Ethiken ihre Moralgrundsätze unabhängig von den persönlichen Glücksempfindungen und Präferenzlagen der betroffenen Menschen (wie etwa die kantianische Ethik). Diese Verwendungsweisen von "Subjektivismus" und "Objektivismus" sind allerdings seltener und hier nicht weiter von Belang.

Schließlich gibt es für Kognitivismus und Nonkognitivismus neben der hier besprochenen epistemologischen Formulierung auch eine sprachanalytische Fassung. Diese weist zwar gewisse Bezüge zu der bisher erörterten Unterscheidung auf, bewegt sich aber auf einer anderen Ebene und ist auch in ihrem Inhalt keineswegs deckungsgleich:

3. Sprachanalytischer (Non-)kognitivismus

Sprachanalytischer Kognitivismus: "A ist gut" ist eine Behauptung.
Folge: Der Satz steht unter der Differenz von wahr oder falsch (ist "kognitiv").
Umschreibung: "Ich behaupte hiermit, dass A gut ist."

Sprachanalytischer Nonkognitivismus: „A ist gut“ ist keine Behauptung.
Folge: Der Satz steht nicht unter der Differenz von wahr oder falsch (ist nicht "kognitiv")
a) Emotivismus: Er ist eine Kundgabe eigener Gefühle.
Umschreibung: "Ich billige hiermit A."
b) Präskriptivismus: Er ist ein Befehl an den jeweiligen Gesprächspartner.
Umschreibung: "Ich fordere dich hiermit zu A auf."

Der sprachanalytische (Non-)Kognitivismus bezieht Stellung zu der Frage, ob moralisierende Sätze wahrheitsfähige Propositionen sind. Hiermit ist ein primär sprachphilosophischer Fragenkreis angesprochen: Besitzen normative Sätze wie "A ist gut" einen Wahrheitswert? Ist die Behauptung "helfen ist gut" genauso eine Behauptung über die Welt wie "Die Erde ist rund"?

3.1. Sprachanalytischer Kognitivismus

Der sprachanalytische Kognitivismus bejaht diese Fragen: Ihm zufolge sind moralische Aussagen, ähnlich wie faktische Aussagen wie "A ist gelb", wahrheitsfähige Propositionen. Der normative Satz "A ist gut" kann also explizit gemacht werden durch die Umschreibung "Ich behaupte hiermit, dass A gut ist."  Der Einschub "hiermit" hat dabei verdeutlichende Funktion: Der Satz "Ich behaupte, dass A gut ist" könnte sich auf eine andere Gelegenheit beziehen, bei welcher der Sprecher die fragliche Behauptung über A gemacht hat. Beispielsweise könnte der Sprecher damit auf ein Buch verweisen, in dem er über A geschrieben und es als gut eingeschätzt hat, ohne dass er mit diesem Verweis jene Behauptung wiederholen oder bekräftigen wollte. Dann wäre der Satz keine Behauptung über die moralischen Eigenschaften von A, sondern allein eine Feststellung, an anderer Stelle eine moralisierende Behauptung über A gemacht zu haben. "Ich behaupte hiermit, dass A gut" soll klarstellen, dass die Aussage selbst eine Behauptung über A darstellt: Mit dem Satz wird ein Sachverhalt bezüglich A konstatiert, nämlich dass A gut ist. Insbesondere wird ein Wahrheitsanspruch erhoben, nämlich dass jener Sachverhalt in der Tat besteht. In diesem Sinne ist die Aussage "kognitiv", d.h. sie steht unter der Differenz von wahr oder falsch.

Die Aussage "A ist gut" gilt somit im Kognitivismus als Behauptung, und zwar genauer als Behauptung über den Charakter von A. Sicherlich ist es eine besondere Art von Behauptung: Es ist keine Tatsachenbehauptung, dass A ein bestimmtes natürliches Prädikat zukomme, sondern eine Wertbehauptung, dass A gewisse moralische Eigenschaften aufweise. Nichtsdestoweniger ist es eine Behauptung, nämlich dass dies der Fall sei. Insbesondere kann auf diese Behauptung sinnvoll entgegnet werden: "Stimmt nicht!", im Sinne von: „Du irrst dich, in Wahrheit ist A gar nicht gut.“ Inhaltlich mag diese Entgegnung fehlerhaft sein. Sprachlich ist sie in jedem Fall zulässig.

 

3.2. Sprachanalytischer Nonkognitivismus

Der sprachanalytische Nonkognitivismus verneint die oben gestellten Fragen: Ihm zufolge sind normative Aussagen, anders als faktische Aussagen, keine wahrheitsfähigen Propositionen. Der normative Satz "A ist Gut" sehe vielleicht wie eine Behauptung aus. In Wirklichkeit stelle er aber etwas anderes dar, insbesondere etwas anderes als die faktische Aussage "A ist gelb". Entsprechend wird mit ihr kein Wahrheitsanspruch erhoben, zumindest nicht im üblichem Sinne, und daher sei sie auch nicht "kognitiv", d.h. stehe nicht unter der Differenz von wahr oder falsch.

a. Der metaethische Emotivismus sagt aus, dass normative Aussagen wie "A ist gut" als Ausdruck eines Gefühls oder eines Affektes des Sprechers gedeutet werden sollten. Eine angemessene Umschreibung müsste lauten: "Ich billige hiermit A." Das Adverb "hiermit" ist einmal mehr von Bedeutung: Der Satz "Ich billige A" könnte doch wieder eine Behauptung darstellen, nämlich die Behauptung, dass man eine bestimmte Empfindung habe. Und diese Behauptung könnte wahr oder falsch sein: Sie wäre falsch, wenn der Sprecher in Wahrheit ganz andere Empfindungen hegt, aber etwa den Hörer hinsichtlich der Beschaffenheit seiner Gefühle täuschen will. "Ich billige hiermit A" soll anzeigen, dass die Aussage selbst eine direkte Expression der eigenen Affekte ist: Sie tritt als unmittelbare Kundgabe des eigenen Gefühls auf. Und diese Kundgabe ist als solche nicht kognitiv: Sie steht nicht unter der Differenz von wahr oder falsch. Noch deutlicher lässt sich dies machen durch die Umschreibungen "BOO A – prima!", oder "A – hurra!" Der Emotivismus wird daher gelegentlich als "Boo-and-hooray-ethics" bezeichnet oder auch als "Expressivismus".

Nachgeordnet mag eine solche Kundgabe auch weitere Zwecke verfolgen, beispielsweise ähnliche Empfindungen im Hörer zu erwecken oder den Hörer zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Sprechakt als solcher in einer Expression besteht.

"A ist gut" wird im Emotivismus als ein unmittelbarer Ausdruck der eigenen Gefühle gedeutet. Insbesondere kann es sich damit nicht mehr um eine Behauptung handeln. Auf den Ausdruck "Aua!" kann man nicht "stimmt nicht!" antworten.

Der Emotivismus hat ein systematisches Problem, wenn er moralische Aussagen über persönlich entfernte Ereignisse deuten muss: Die Aussage "Der Hunger in Afrika ist schlecht" dürfte beispielsweise ein moralisches Urteil darstellen. Trotzdem ist es denkbar, dass der Hunger in Afrika den Sprecher emotional  überhaupt nicht tangiert und ihm viel mehr die Fußballergebnisse von letzten Samstag emotional aufwühlen. Die Aussage des Sprechers ist also moralisch, jedoch keine Kundgabe einer Gefühlslage, weshalb die These des Emotivismus, dass alle moralischen Sätze Gefühlslagen ausdrücken, unplausibel erscheint.

In der Fachliteratur wird häufig darauf hingewiesen, dass der Emotivismus diesem Einwand wie folgt begegnen könnte: Der Sprecher kann sich mit entfernten Schicksalen identifizieren, indem er sich vorstellt, seine Kinder oder die des Nachbarn könnten auch Hunger leiden, und so eine emotionale Haltung zu dem Hunger in Afrika aufbauen. Eine solche kontrafaktische Überlegung ist sicher möglich, aber nicht zwingend. Der Sprecher kann auch abstrakt-ethische Überlegungen über die unterschiedlichen Lebensbedingungen auf der Welt anstellen und so auf die Aussage "Der Hunger in Afrika ist schlecht" kommen, ohne je eine emotionale Haltung zu diesem Sachverhalt zu entwickeln.

b. Der Präskriptivismus sagt aus, dass normative Aussagen wie "A ist gut" als eine Vorschrift oder eine Empfehlung an den jeweiligen Gesprächspartner zu deuten sind, etwas bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. Eine angemessene Umschreibung müsste lauten: "Ich fordere dich hiermit zu A auf." Wieder ist der Zusatz "hiermit" wichtig: Der Satz "Ich fordere dich zu A auf" könnte einmal mehr eine Behauptung sein, nämlich die Behauptung, dass man jemandem eine entsprechende Anweisung gebe. Und diese Behauptung könnte wahr oder falsch sein: Sie wäre falsch, wenn der Sprecher dem Hörer in Wahrheit keine derartige Anweisung erteilt, sondern ihm etwa auf einem anderen Wege längst einen gegenläufigen Befehl gegeben hat. "Ich fordere dich hiermit zu A auf" soll deutlich machen, dass die Aussage selbst ein direkter Befehl an den anderen zu einem bestimmten Verhalten ist: Sie erscheint als unmittelbare Vorschrift einer gewünschten Handlung. Und diese Vorschrift ist als solche nicht kognitiv: Sie steht nicht unter der Differenz von wahr oder falsch. Noch eindringlicher wird dies in den Umschreibungen: "Tu A!", oder: "Mach A!" Der Präskriptivismus wird daher oft als Imperativethik formuliert oder zumindest auf der Grundlage einer Imperativlogik entwickelt.

Dabei kann eine solche Vorschrift unterschiedliche Qualität haben. Sie kann von einer strikten Anordnung ohne jegliche Einräumung eigenständiger Stellungnahme bis zu einem wohlmeinenden Ratschlag zur eigenen Reflexion und bewussten Annahme reichen.

"A ist gut" wird im Präskriptivismus als eine unmittelbare Vorschrift an den Gesprächspartner gedeutet. Insbesondere kann es sich wieder nicht um eine Behauptung handeln. Auf den Ausdruck "Halt dein Maul" kann man nicht "stimmt nicht!" antworten.

Der Präskriptivismus hat ein systematisches Problem, wenn er moralische Aussagen über zeitlich vergangene Ereignisse deuten muss: Die Aussage "Der Holocaust war schlecht" dürfte ein moralisches Urteil darstellen. Trotzdem macht eine präskriptivistische Deutung wie "du sollst den Holocaust verhindern" überhaupt keinen Sinn, da der Holocaust vergangen und nach allem was wir über die Physik wissen damit unabwendbar ist.

In der Fachliteratur wird wieder darauf hingewiesen, dass der Präskriptivismus diesem Einwand wie folgt begegnen kann: Der Sprecher kann die Vorstellung bilden, dass etwas Ähnliches wie der Holocaust sich auch in Zukunft wiederholen könnte, und die Aufforderung dies zu verhindern sei der eigentliche Inhalt der Aussage "Der Holocaust war schlecht". Eine solche antizipatorische Einstellung ist sicher möglich, aber nicht zwingend. Gehen wir davon aus, der Sprecher gehört mit ein paar Dutzend weiteren Menschen zu den letzten Überlebenden eines Atomkrieges und weiß, dass sich ein solcher Atomkrieg nie wiederholen können wird, da die Kapazitäten dazu fehlen und sie an den Folgewirkungen bald auch sterben werden. Dann kann der Sprecher immer noch die Aussage "Der Atomkrieg war schlecht" treffen, ohne damit einen künftigen antizipieren zu wollen.

c. Anmerkung: In allen drei Fällen, d.h. bei kognitivistischeer,, emotivistischer wie auch präskriptivistischer Deutung, mögen Zweifel bestehen, ob der Sprecher mit seiner Äußerung ehrlich ist: Im Fall der Behauptung (Kognitivismus) könnte es sein, dass er in Wahrheit überhaupt nicht glaubt, dass A gut ist, und dies nur sagt, um den Hörer zu verwirren. Im Fall der Kundgabe (Emotivismus) könnte es sein, dass er das fragliche Gefühl bezüglich A gar nicht verspürt, sondern dem Hörer nur aus Popularitätsgründen vorspielt. Im Fall der Vorschrift (Präskriptivismus) könnte es sein, dass er in Wirklichkeit keineswegs will, dass der Hörer A tut, und auch weiß, dass der Angesprochene den gegebenen Befehl nicht ausführen wird. In diesem Sinne könnte man vielleicht jeweils "Stimmt nicht" erwidern wollen, im Sinne von: "Du bist unaufrichtig", "Du bist unecht", „Das willst du gar nicht“. Dies wäre aber ein uneigentliches "Stimmt nicht", mit dem man die Aufrichtigkeit eines Sprechakts in Frage stellt. Es wäre nicht das übliche "Stimmt nicht", mit dem man den Wahrheitsgehalt einer Behauptung in Zweifel zieht.

Das geht nur im ersten Fall (Kognitivismus): Nur wenn der Sprecher eine Behauptung aufstellt, kann man in Frage stellen, dass er damit recht hat. Nur wenn er feststellt, dass A gut ist, kann man ihm in dieser Aussage widersprechen. Aber man widerspricht ihm nicht, wenn man andere Empfindungen hegt oder wenn man seine Befehle missachtet.

3.3. Anmerkungen

Die Debatte um den sprachanalytischen (Non-)Kognitivismus wird zwar erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts explizit geführt, so dass ältere Autoren in dieser Frage kaum ausdrücklich Stellung bezogen haben. Allerdings lässt sich bei ihnen diese Einstufung einigermaßen verlässlich rekonstruieren: Die meisten Ethiker waren und sind sprachanalytische Kognitivisten. Das heißt, sie glauben daran, dass moralische Aussagen wahrheitsfähig sind. Ohne diese kognitivistische Annahme wäre das Rede über Ethik ein ziemlich nutzloses Unterfangen. Die großen Traditionslinien, die von Aristoteles, Kant oder Mill begründet wurden, sind damit, bei aller Verschiedenheit im Detail, alle in ihrer kognitivistischen Grundausrichtung vereint.

Der Emotivismus wird vor allem Charles Stevenson und Alfred Ayer vertreten, und zumindest Tendenzen zu dieser Position finden sich bei Bertrand Russel und Rudolf Carnap. Auch David Hume sieht moralische Urteile wesentlich in affektiven Zuständen begründet. Ob man ihm allerdings die dezidiert sprachanalytische Auffassung zuschreiben darf, dass moralische Aussagen nichts als Kundgaben dieser Affekte seien, ist eine schwierige Interpretationsfrage. Eine dagegen unmissverständliche Darstellung des Emotivismus liefert Alfred Ayers Buch Language, Truth and Logic (1936):

„Wenn ich daher zu jemand sage: „Du tatest Unrecht, als du Geld stahlst“, dann sage ich nicht mehr aus, als ob ich einfach gesagt hätte „Du stahlst das Geld“. Indem ich hinzufüge, dass diese Handlung unrecht war, mache ich über sie keine weitere Aussage. Ich zeige damit nur meine moralische Missbilligung dieser Handlung. Es ist so, als ich „Du stahlst das Geld“ in einem besonderen Tonfall des Entsetzens gesagt oder unter Hinzufügung einiger besondere Ausrufezeichen geschrieben hätte. Der Tonfall oder die Ausrufezeichen fügen der Bedeutung des Satzes nichts hinzu. Sie dienen nur dem Hinweis, dass sein Ausdruck von gewissen Gefühlen des Sprechers begleitet wird. Der Tonfall oder die Ausrufezeichen fügen der Bedeutung des Satzes nichts hinzu. Sie dienen nur dem Hinweis, dass sein Ausdruck von gewissen Gefühlen des Sprechers begleitet wird. Verallgemeinere ich nun meine obige Aussage und sage „Das Stehlen von Geld ist unrecht“, dann äußere ich einen Satt, der keine faktische Bedeutung hat, das heißt, der keine Proposition ausdrückt, die entweder wahr oder falsch sein kann. Es ist so, als ob ich geschrieben hätte „Das Stehlen von Geld!!“ – wobei, durch eine entsprechende Konvention, Gestalt und Dicke der Ausrufezeichen zeigen, dass damit die Empfindung einer besonderen Art moralischer Missbilligung ausgedrückt wird. Es ist klar, dass hier nichts gesagt wird, was wahr oder falsch sein kann. Ein anderer mag mit mir nicht übereinstimmen, was die Unrechtmäßigkeit des Stehlens betrifft, in dem Sinne, dass er bezüglich des Stehlens nicht in gleicher Weise empfindet wie ich, und er kann mit mir über meine moralischen Gefühle streitne. Er kann mir aber, genaugenommen, nicht widersprechen. Denn wenn ich sage, eine bestimmte Handlungsweise sei recht oder unrecht, so mache ich damit keine Tatsachenaussage, nicht einmal eine Aussage über meinen eigenen Geisteszustand. Ich drücke nur gewisse moralische Empfindungen aus. […] in jedem Falle, in dem man gemeinhin sagen würde, man fälle ein ethisches Urteil, ist die Funktion des relevanten ethischen Wortes rein „emotional“ [´emotive´]. Es wird dazu verwendet, eine Empfindung über bestimmte Gegenstände auszudrücken, nicht aber, eine Behauptung über sie aufzustellen.“

- Alfred Ayer: Language Truth and Logic, S. 141 f.

Der Präskriptivismus verbindet sich vor allem mit einem Namen: Richard Hare. Zwar stellt auch Immanuel Kant sein oberstes Moralprinzip als eigenen kategorischen Imperativ dar. Es ist allerdings fragwürdig, ob man ihm deshalb die sprachanalytische These unterstellen darf, moralische Aussagen seien ihrem ursprünglichem Sinne nach Aufforderungen. Hare hat den Präskriptivismus insbesondere in seinem Werk The Language of Morals (1991) ausgearbeitet:

 

„Eine Behauptung, wie unbestimmt ihre Verbindung mit den Tatsachen auch sein mag, kann keine Antwort auf eine Frage von der Form „Was soll ich tun?“ geben; nur ein Befehl kann das. Deshalb hindern wir moralische Urteile daran, ihre Hauptfunktion zu erfüllen, wenn wir darauf bestehen, dass sie nichts als unbestimmte Tatsachenfestellungen sind, denn es ist ihre Hauptfunktion, Verhalten zu regeln, und das können sie nur dann, wenn sie als Sätze mit befehlendem oder vorschreibendem [´prescriptive´] Gehalt interpretiert werden. […] ich werde Gründe für die Auffassung liefern, dass wir durch keine Form des Schließens, wie unbestimmt auch immer, aus einer Menge von Prämissen, die nicht einmal implizit einen Imperativ enthalten, eine Antwort auf die Frage „Was soll ich tun“ erhalten können.“

- Richard Hare: The Language of Morals, S. 69

Sprachanalytische Kognitivisten bzw. Nonkognitivisten sind in der Regel auch epistemologische Kognitivisten bzw. Nonkognitivisten: Wer meint, dass moralische Aussagen Behauptungen sind, glaubt üblicherweise auch, dass sie objektive Gültigkeit vermitteln können. Eben diese Position nehmen die meisten Philosophen ein: Sie deuten moralische Urteile als Propositionen, die als solche einen objektiven Wahrheitsanspruch erheben (sprachanalytisch) und diesen objektiven Wahrheitsanspruch auch tatsächlich einlösen können (epistemologisch). Nicht selten befassen sie sich selbst damit, als normative Ethiker solche wahren moralischen Behauptungen zu begründen. Wer hingegen überzeugt ist, dass moralische Aussagen keine Behauptungen sind, geht normalerweise auch davon aus, dass es keine moralischen Einsichten gibt.

Dies ist vor allem bei den Emotivisten der Fall: Sie betrachten moralische Urteile als bloße Gefühlskundgaben, die als solche keinen objektiven Wahrheitsanspruch geltend machen (sprachanalytisch) und auch nur in subjektiven Geschmacksempfindungen gründen (epistemologisch). Als Ethiker mag man diese metaethische Einstufung erklären und darlegen, aber normative Ethik zu betreiben, wird damit sinnlos.

Allerdings ist dieser Zusammenhang zwischen der sprachanalytischen und der epistemologischen Ebene nicht zwingend. Einige wenige Philosophen stimmen zwar dem sprachanalytischen Nonkognitivismus zu, vertreten dabei aber einen epistemologischen Kognitivismus. Umgekehrt befürworten manche Philosophen einen sprachanalytischen Kognitivismus, bekennen sich aber durchaus zu einem epistemologischen Nonkognitivismus. Diese Konstellationen führen zu großer Verwirrung in der Debatte, weil sie Einstufung solcher Autoren als Kognitivisten oder Nonkognitivisten inhärent doppeldeutig und entsprechend notorisch umstritten istEben deshalb ist die sorgfältige Unterscheidung beider Ebenen umso wichtiger.

Richard Hare etwa ist, wie gesehen, sprachanalytischer Nonkognitivist: Als klassischer Vertreter und sogar wesentlicher Begründer des Präskriptivismus deutet er moralische Aussagen nicht als Behauptungen, sondern als Vorschriften. Hare ist indes aber auch epistemologischer Kognitivist: Hare meint keineswegs, dass solche Vorschriften allein subjektive Geschmacksurteile ausdrücken, sondern hält daran fest, dass sie objektive Einsichten vermitteln können. Dies liegt vor allem daran, dass Imperative für Hare keine bloßen psychologischen Beeinflussungsversuche darstellen, mit denen man den Hörer zu etwas bringen will (wie Propaganda, Einschüchterung, Bestechung oder Erpressung), vielmehr sind Imperative für ihn rational begründbare Aussagen, mit denen man dem Hörer etwas sagen will (nämlich was er tun sollte). Auch lassen Imperative logische Operationen zu wie Schlussfolgern oder Ableiten. Dass moralische Aussagen letztlich in Imperativen gründen, spricht daher für Hare nicht dagegen, dass sie vernünftiger Überlegung und objektiver Rechtfertigung zugänglich sind. Zwar mag die Bezeichnung als "wahr" oder "falsch" aufgrund ihres sprachanalytischen Charakters unpassend sein. Aber unter der Differenz von "richtig" oder "verkehrt" in epstemologischem Sinne können sie allemal stehen:

„Es ist daher leicht zu sehen, warum die sogenannte „Imperativ-Theorie“ für moralische Urteile die Proteste ausgelöst hat, die ihr entgegengebracht wurden. Da sie auf einer falschen Auffassung von der Funktion nicht nur der moralischen Urteile, sondern auch der Befehle, denen sie angeglichen wurden, beruhte, schien sie den rationalen Charakter moralischer Rede anzugreifen. Wenn wir jedoch einsehen, dass Befehle, sosehr sie sich auch von Behauptungen unterscheiden, ihnen darin gleichen, dass man sie gebraucht, um jemandem etwas zu sagen, und nicht, um ihn zu beeinflussen, dann ist es harmlos, auf die Ähnlichkeiten zwischen Befehlen und moralischen Urteilen aufmerksam zu machen. Denn wie ich zeigen werde, unterteilen Befehle, da sie wie Behauptungen wesentlich dazu bestimmt sind, von rational Handelnden gestellte Fragen zu beantworten – ebenso wie Behauptungen – logischen Regeln. Und das bedeutet, dass moralische Urteile möglicherweise auch solchen Regeln unterliegen.“

- Richard Mervyn Hare: The Language of Morals, S. 35f.

Gewissermaßen das Spiegelbild zu Richard Hare bildet John Mackie: Er bevorzugt den sprachanalytischen Kognitivismus, bekräftig also, dass moralische Aussagen ihren Sinn nach Behauptungen sind, die einen entsprechenden Anspruch auf objektive Wahrheit erheben. Dies tun sie aber nach Mackie durchweg zu Unrecht: Keine dieser Aussagen kann ihren Anspruch einlösen, womit sich ein epistemologischer Nonkognitivismus ergibt. Mackie selbst bezeichnet diese Auffassung als Irrtumstheorie: Menschen machen zwar moralische Aussagen in einer Gestalt, die verrät, dass sie von der Objektivität dieser Aussagen überzeugt sind. Eben in dieser Überzeugung täuschen sie sich aber. Entsprechend bekennt sich Mackie unumwunden zum Skeptizismus: Sprachanalytisch mögen moralische Aussagen als Behauptungen über subjektive Sachverhalte gemeint sein. Epistemologisch bleiben diese moralischen Behauptungen aber durchweg unberechtigt:

„Würden sich meta-ethische Überlegungne ausschließlich auf Linguistik und Sprachanalyse beschränken, müsste man zu dem Schluss kommen, dass […] sittliche Werte objektiver Art sind: Der Anspruch, sie seien es, gehört zur gewöhnlichen Bedeutung sittlicher Äußerungen; die überlieferten moralischen Ausdrücke, deren sich sowohl der Mann auf der Straße als auch die Hauptströmung der westlichen Philosophe bedienen, implizieren die Objektivität sittlicher Werte. Doch genau aus diesem Grund bleiben Linguistik und Sprachanalyse unzureichend. Wie sehr sich auch der Anspruch auf Objektivität in unsere moralischen Sprache niederschlägt, so wenig vermag er sich selbst zu rechtfertigen. Die Gültigkeit dieses Anspruchs kann und muss in Frage gestellt werden. Doch lässt sich die Bestreitung der Objektivität sittlicher Werte nicht als das Ergebnis einer reinen Sprachanalyse vortragen, sondern muss als „Irrtumstheorie“ verstanden werden. Diese Theorie besagt: Obwohl die meisten Menschen bei ihren moralischen Äußerungen implizit auch den Anspruch erheben, auf etwas im objektiven Sinn Präskriptives zu verweisen, ist dieser Anspruch doch falsch. Eine solche Theorie bezeichnet man angemessen als "moralischen Skeptizismus".

John L. Mackie: Ethics. Inventing Right and Wrong, S. 39f.

4. Schlusswort

Der sprachanalytische Nonkognitivismus, d.h. Emotivismus oder Präskriptivismus, hat heutzutage nur noch wenige Anhänger: Dass moralische Aussagen ihrer sprachlichen Natur nach Behauptungen mit Objektivitätsanspruch sind und nicht lediglich Kundgaben oder Vorschriften, ist schwer zu bestreiten, wenn man die moralischen Sprachpraxien in ihrer ganzen Breite betrachtet. Allzu deutlich werden dort Urteile vorgebracht und diskutiert, die weder bloße Gefühlsexpressionen darstellen noch irgendeinen Apellcharakter tragen. Vielmehr behaupten sie Sachverhalte. Dies gilt für alltägliche moralische Debatten, in denen gerade um die Wahrheit solcher Behauptungen oftmals intensiv gestritten wird, und es gilt für akademische Diskurse, in denen derartige Aussagen zwischen anerkannten Ethikern ausgetauscht werden.

John Mackie hat aber gezeigt, dass ein sprachanalytischer keinen epistemologischen Nonkognitivismus einschließen muss. Eine moralische Aussage "A ist gut" kann in einem sprachanalytische Sinne einen Objektivitätsanspruch erheben, denn er in einem epistemologischen Sinne nicht einlösen kann, etwa, weil es in einem ontologischen Sinne keine moralischen Wahrheiten gibt. Diese Möglichkeit, dass man im alltäglichen und akademischen Rahmen zwar noch so vehement moralische Wahrheiten behaupten und sie trotzdem epistemologisch unerkennbar sein können, ist eine riesige Herausforderung für die wissenschaftliche Ethik. Denn wenn Sie sie nicht meistern kann, dann kann sie zwar immer noch deskriptive Ethik betreiben, also untersuchen, welche moralischen Auffassungen von Individuen oder in Kollektiven vertreten werden. Aber normative Ethik, d.h. ihrem klassischen Anspruch nach der Versuch, die wahre Moral zu begründen oder auch falsche Moralen zu widerlegen, ist vergebens, wenn es keine moralische Wahrheit oder Falschheit gibt.

Siehe auch:

Noncognitivism in der Internet Encyclopedia of Philosophy

Moral Cognitivism vs. Non-Cognitivism in der Stanford Encyclopedia of Philosophy

Stand: 2018

Kommentare: 3
  • #3

    ghovjnjv (Donnerstag, 08 September 2022 11:00)

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  • #2

    ubaTaeCJ (Donnerstag, 12 August 2021 10:28)

    1

  • #1

    WissensWert (Freitag, 20 April 2018 01:35)

    In diesem Abschnitt werden wir zuallererst einige zentrale Begrifflichkeiten einführen. Diese werden es uns erlauben, eine präzisere Unterscheidung zwischen Nonkognitivismus und seinem Gegenpart, demKognitivismus, vorzunehmen.
    Sprachformen werden generell in zwei Arten unterteilt: Kognitive Sätze(kognitiver Sprachgebrauch) und nonkognitive Sätze (instrumentaler Sprachgebrauch). Kognitive Sätze sind tatsachenabhängig oder tragen Wahrheitswerte, gegenteilig die nonkognitiven Sätze, die tatsachenunabhängigsind und keine Wahrheitswerte tragen.
    Kognitive Sätze beschreiben typischerweise Sachverhalte, wie zum Beispiel: "Angela Merkel war 2009 die Bundeskanzlerin Deutschlands" oder "Die Erde ist [annähernd] rund". Solche Sätze sind überprüfbar und stets entweder wahr oder falsch.
    Auf der anderen Seite beschreiben nonkognitive Sätze wie "Du sollst nicht stehlen", "man darf keine Steuern hinterziehen" oder "Lass die Türe bitte offen"keine Sachverhalte, sie können dementsprechend auch nicht als Träger von Wahrheit oder Unwahrheit auftreten. Dennoch besitzen nonkognitive Sätze eine andere Art von illuktionärer Kraft!


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